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Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 11:03
von Erzähler
Marbo stieß einen überraschten Schrei aus, als Zerwas sie einfach so anhob und nach oben beförderte. Rasch kletterte sie über den Abhang, das Schwert mit ihrem Fliegengewicht kaum belastend.

Sekunden später erschien ihr Kopf jedoch wieder und eine hilfreiche Hand, die sie zu Zerwas hinabstreckte. "Hilf dir mit dem Schwert auf und fass meine Hand. Ich zieh dich über die Kante."

Marbos Rabe krächzte mutmachend, flatterte ebenfalls an den Rand und ließ sich dort nieder.

Nun lag es nur noch an Zerwas, sich selbst zu retten. Er sah einige kleine Steinchen vom Abhang herunter bröseln und widerstand dem Drang, ihrem Fall nach <i>unten</i> zu folgen.

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 11:44
von fremde Frau
"DAS ... hatte ich nicht vorhergesehen", gestand sich Lady Marbo ein und ging neben Zerwas in die Knie. Sie sah, wie blass er war und wollte ihm helfen, doch dann begann Zerwas plötzlich zu lachen. Die Dunkelelfe verzog empört das Gesicht, erhob sich wieder und klopfte sich den Staub aus ihrem Rock.

"Euch scheint es ja blendend zu gehen, Herr Halb-Nachtelf", meinte sie in kühlem Ton. "Los, wir müssen weiter. Jetzt, da wir Frick und den Wagen verloren haben, wird es eine schwierige Reise. Zumal uns auch kein Proviant, keine Decken und absolut nichts geblieben ist."

Die Dunkelelfe stapfte los zu dem Geröllberg, der nun den Pfad versperrte. Davo blieb sie kurz stehen, ging in sich und schloss die Augen. Erschreckt riss sie diese jedoch wieder auf und fiel auf die Knie. "Ich kann es nicht sehen ... ich habe meine hellseherischen Fähigkeiten verloren. Ich kann nicht sehen, ob wir dieses Gebirge lebend verlassen werden!"

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 12:25
von Erzähler
"Es war vorherbestimmt, dass Frick hier seinen Tod finden sollte", rechtfertigte sich die Dunkelelfe, doch schwieg dann, denn die Gedanken an den toten Gnom machten ihr zu schaffen. Nicht wegen des Gnoms selbst, er war kein Freund, sondern nur eine billige Arbeitskraft gewesen. Nein, dass sie ihre Fähigkeiten verloren haben könnte, bedeutete für Marbo einen großen Verlust. Doch dadurch stieg nur ihre Entschlossenheit, den Tempel der Manthala noch schneller zu erreichen. Sie musste dringend zu ihrer Göttin beten, der Schwester des mächtigen Faldor, der diese Wolken gebracht hatte.

"Dann weiter", meinte sie nur und erklomm den Geröllberg, ohne irgendwelche Hilfe durch ihr zweites Auge, das wohl mit dem Wagen in der Schlucht verschwunden war.
Dennoch zeigte sich die Dunkelelfe als geschickt in den Bergen. Mit Leichtigkeit erklomm sie den Berg und schaffte es schnell auf die andere Seite. Auch Zerwas stieg rasch darüber, wieder angetrieben von seiner Angst, denn der Geröllhaufen war auch nicht gerade nah am Boden und er bot noch immer Blick auf die Schlucht neben ihnen.

Bald hatten sie den Steinschlag allerdings hinter sich gelassen. Kühl pfiff der wind um ihre Ohren und Zerwas war erneut dankbar für den gefütterten Mantel. Marbo schien sich allein an ihrer dunkelelfischen Entschlossenheit zu wärmen. Zielstrebig wanderte sie weiter. Irgendwann erreichten die beiden eine kleine Höhle.
"Wir sollten hier eine Rast einlegen."

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 15:44
von fremde Frau
Marbo ließ sich an der gegenüber liegenden Wand nieder, so dass sie von dort aus Zerwas gerade anschauen konnte. Im Gegensatz zu ihm winkelte sie die beine an und schlang ihre Arme darum. Den Kopf lehnte sie an die kalte Gesteinswand und schloss für einen Moment die Augen.

Schweigend lauschte sie Zerwas Philosophie über die Zukunft und dass man sie ändern könne. Marbo grinste. Ohne die Augen zu öffnen entgegnete sie: "Hast du schon einmal daran gedacht, dass die Situationen, in denen du dem Tod entronnen bist, nicht vielleicht vorbestimmt waren? Dass das, was du für eine Veränderung der Zukunft hältst, in Wirklichkeit alles genau so sein sollte? Vielleicht wollten dich die Götter prüfen, indem sie dir vorgaukeln, du könntest über deine eigene Zukunft bestimmen. Aber es ist alles vorgesehen wie es sein soll."

Einen Augenblick schwieg sie wieder. Dann: "Sonst würde ich daran zerbrechen, dass meine Fähigkeiten einfach so verschwunden sind. Aber das Wissen, dass dies wohl meine Zukunft sein soll, bestärkt mich. Im übrigen, wenn du willst, kannst du gehen. Ich bot dir Schutz, Kleidung und Nahrung, wenn du im Gegenzug mit mir reist und für mich kämpfst. Nun, ich kann dich nicht länger bezahlen, ich habe nichts mehr. Das Schwert darfst du behalten. Ich bin müde."

Sie ließ den Kopf auf ihre Arme sinken, um zu schlafen, ganz so als könne sie noch immer die Zukunft sehen und wüsste, dass ihr nichts geschehen würde.

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 17:02
von Erzähler
Zerwas stand noch eine Weile am Höhleneingang. Schließlich aber ging er auch in die Höhle. Langsam bekam er Hunger. Vielleicht war es das Beste, sich einfach auch ein paar Stunden schlafen zu legen, so wie Marbo. Aber schlief sie wirklich? Ja, ihr Atem ging ruhig und entspannt. Nur ein Schlafender atmete so. Hatte sie überhaupt gehört, was er über seine Eltern und Alch erzählt hatte? Vielleicht war es besser, wenn nicht. Aber vielleicht wusste sie es auch längst. Immerhin war die Dunkelelfe die erste und bisher einzige gewesen, die ihn <i>Halb</i>nachtelf genannt hatte.

Zerwas ließ sich auf den Boden nieder. In der Höhle war es windgeschützt und nicht ganz so kalt wie draußen. Wenn er nur Holz oder anderes Brennmaterial hätte, dann könnte er ein Feuer anzünden.

Ein Krächzen lenkte Zerwas ab. Marbos Rabe kam in die Höhle geflogen. Er klackerte mit dem Schnabel und ließ sich dich bei seiner Herrin auf einem Felsvorsprung nieder.

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Mittwoch 25. Oktober 2006, 17:41
von Erzähler
Zerwas schlief mehrere Stunden friedlich und ruhig. Bis sein knurrender Magen ihn aus dem Schlaf riss. Er schmerzte beinahe, so hungrig war er und sein Mund war ausgetrocknet. Als er die Augen öffnete, entdeckte er Marbo, die an etwas herumwerkelte. Sie rupfte etwas. Dann bemerkte Zerwas, dass der Rabe nicht mehr da war. Stattdessen lagen überall um Marbo verteilt Vogelfedern herum. Allesamt waren sie schwarz.

Die Dunkelelfe schaute auf. "Wir müssen etwas essen", rechtfertigte sie sich. "Oder wäre es dir lieber gewesen, ich würde dich nun rupfen? Komm, versuch mal, ob du aus den Klauen und Federn ein Feuer zustande bringst. Wenn nicht, müssen wir den Vogel wohl roh verspeisen. Ich habe auch noch einen Bierschlauch, wenn du also durstig bist."

Marbo reichte Zerwas den Schlauch mit kaltem Bier, den er sofort annahm und seine Kehle befeuchtete. Das Bier rann wohltuend seinen Hals herunter. Der Vorrat würde wohl noch die nächsten ein bis zwei Tage halten. Sie mussten sehen, dass sie Nahrung und Wasser beschaffen konnten, sonste würden sie im Drachengebirge irgendwann von jemandem als Skelette gefunden werden – wenn überhaupt.

Re: Auf der Flucht...

Verfasst: Samstag 28. Oktober 2006, 00:56
von fremde Frau
"Wir schaffen es", sagte Marbo voller Zuversicht und riss dem Vogel die Flügel aus. Sie zerstücktelte ihn so gut es ging, bis zwei Haufen Fleisch vor ihr lagen. Einen schob sie zu Zerwas herüber, wobei sie leise sprach. Lag Kummer in ihrer Stimme?

"Der Rabe war mein engster Vertrauter ... er war mir noch näher als Frick." Den Blick auf das mickrige, aber stetig brennende Feuer gerichtet, hielt sie ein Stück des zerrupften Vogelkörpers über die Flammen.

So aßen sie und Zerwas das karge Mahl, welches ihre Mägen für eine Weile beruhigen würde. Nachdem sie gegessen und das Feuer wieder ausgegangen war, weil es kein weiteres Brenngut gab, erhob sich die Dunkelelfe und streckte sie. "Sämtliche Knochen schmerzen. Wir sollte weiter, bevor sie alle steif gefroren sind." Ohne auf Zerwas zu warten, marschierte sie los.
Zerwas folgte ihr.

Die beiden wanderten den ganzen folgenden Tag ohne Rast und als aus der trüben Dunkelheit erneut richtige Finsternis wurde, konnten sie bereits von einem Plateau aus die Ausläufer des Gebirges und die Weiten der Toten Ebene sehen. In der Ferne ragte eine verschwommene Silhouette auf, nicht größer als ein Stecknadelkopf. Das musste Morgeria sein.


<i>[Zerwas erhält 4% Lebensenergie zurück, weil er gegessen hat]</i>


<i>[weiter in Die Tote Ebene]</i>