Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Sie steht direkt am Strand. Hier wird die Wassermagie gelehrt, aber das ist offensichtlich. Das Wasser fließt nämlich aus Fenstern und über Zinnen, wie kleine Wasserfälle, bildet einen Graben um sie und strömt schließlich ins Meer hinein.
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Azura
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 15. Juli 2023, 13:30

Die Untreue in den obersten Kreisen der Gesellschaft waren nicht nur ein pikantes Thema, über das häufig getuschelt und gerätselt wurde, wer denn nun etwas mit wem hätte. Nein, es war sogar höchst aufregend für sie und ihre damaligen Freundinnen gewesen, diese Spekulationen aufzuschnappen, sich die wildesten Dinge darüber selbst auszudenken und manches Mal sogar, heimlich nach Spuren für den Wahrheitsgehalt dahinter zu suchen. Im Endeffekt war es den meisten von ihnen gleichgültig gewesen, ob an den Gerüchten etwas dran wäre oder sie feststellen mussten, dass es eben nicht mehr als eine gemeine Geschichte über jemanden von ihresgleichen gewesen war.
Aber es war aufregend gewesen, jedes Mal aufs Neue, solange es niemanden direkt von ihnen betroffen hatte. Einmal, daran konnte Azura sich auch noch gut erinnern, da hatte eine von ihnen ihrer Mutter etwas andichten wollen und prompt zu spüren bekommen, wo die Grenzen dieses Spaßes lagen. Denn die junge Adelige war mehr als überzeugt davon, dass ihre Mutter ihren Stiefvater niemals hintergehen würde, genauso wenig wie umgekehrt. Nein, diese beiden hatten sich tatsächlich gesucht und gefunden, und sie, Azura, war die Nutznießerin davon gewesen. Dies war damals eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, in denen sich schon hatte erahnen lassen, dass ihr Stiefvater ihr nicht so gleichgültig war, wie sie es gerne hingestellt hatte. Jedenfalls war am Ende eindeutig klar gewesen, wie weit sich Gerüchte dieser pikanter Themen entwickeln durften und um wen sie besser einen Bogen machen sollten.
Dass sie hingegen selbst eine dieser treulosen Seelen sein sollte, wie sich gerade zeigte, machte ihr erheblich zu schaffen. Mehr noch, es verletzte sie innerlich und ließ sie an sich zweifeln in einem Ausmaß, das sie so vermutlich schon lange nicht mehr hatte erleben müssen. Wie nur hatte sie ihrem Raben ihre Gefühle gestehen und sich nun dermaßen von ihm abwenden können? Wie sollte sie ihm jemals wieder unter die Augen treten?! Müsste man es nicht auf ihrer Stirn deutlich geschrieben stehen sehen, sie, die Verräterin, die Betrügerin? Scheinbar war dem noch nicht der Fall gewesen, aber nach der Situation im Turmzimmer... und auch jetzt, wie wäre es dann?
Nein, sie musste das unterbinden, musste verhindern, dass sie noch mehr täte, als sie ohnehin seinem Herzen gegenüber schon verbrochen hatte! Und dennoch... es tat viel zu gut, in den Armen des Waldelfen zu sein, von ihm gehalten und umgarnt zu werden, sodass sie erneut schwach zu werden drohte. Es war wundervoll, ihre fahle Wange an seine Hand schmiegen zu können, seiner Stimme zu lauschen und sich dabei vorzustellen, was er noch alles zu ihr sagen könnte, sollte er einmal diese endlos wirkende, vermaledeite Ruhe aufgeben und sich von Leidenschaft leiten lassen.
Sie hätte es genossen, hätte viel dafür getan, um diese Mauer zu überfluten und ihn in all seinem Feuer brennen zu sehen, seinem Feuer für sie! Doch das durfte sie nicht und auch wenn es sie sehr viel Kraft kostete, wahrscheinlich sogar mehr, als gut für sie und ihre Sehnsüchte war, sie musste diesen letzten Ausbruchsversuch noch wagen, sonst wäre sie tatsächlich rettungslos verloren.
Dass er sie ziehen ließ, einfach so, kränkte sie trotzdem und bestärkte sie zugleich darin, was sie tun musste um ihrer aller Wohl. Sie löste sich von ihm, beendete die viel zu angenehme Verbindung, deren Ersatz mit den eigenen Armen lediglich kläglich war, und sprach aus, was nicht sein durfte. Nein, sie durfte Corax nicht verletzen und sie durfte erst recht nicht zu lassen, dass sie diejenige wäre, die ihm etwas antäte, auch nicht mit diesem anderen, viel zu anziehenden Mann vor ihr!
Nach ihren Worten trat ein, was sie befürchtet hatte: Schweigen senkte sich schwer und bleiern zwischen sie. Doch das Schlimmste, das stand ihr erst noch bevor. Während sie ihr eigenes Herz überlaut pochen hören konnte, da war er still, so still, dass sie nicht anders konnte, als verschämt und unsicher... und irgendwie ihre Bemerkung leise bereuend zu ihm zu schielen.
Er hatte seine Hand erhoben und wirkte... erschrocken? Warum? Weil sie drauf und dran gewesen waren, ihren Raben zu hintergehen? Oder weil sie es angesprochen hatte? Oder weil... weil...
Sie kam nicht dazu, diesen Satz zu Ende zu denken, da erklang seine Stimme und hätte nicht härter als ein Peitschenschlag sie zusammen zucken lassen können. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, um daraufhin mit neuerlicher Wucht weiter zu trommeln, während ihre fahle Haut noch blasser wurde. Natürlich hatte sie gedacht, dass er sie hier gerade verführte, dass er diese Art Interesse an ihr hegte! Was sollte sie auch sonst denken?!
Aber nun die Andeutung zu hören, dass sie sich geirrt haben sollte... Das war eine neuerliche Art der Demütigung, die ihr die Kehle eng werden ließ. Und die ihr wiederum bestätigte, was sie längst für Gewissheit hielt. Nein, natürlich konnte er nicht solches Interesse an ihr hegen, so, wie sie aussah! Wie sie sich in all ihrer Hässlichkeit präsentieren musste, fernab jeglichen Glanzes, der sie einst ausgemacht hatte! Wie hatte sie nur so dumm sein können, anzunehmen, Corax' Worte wären ausreichend, um ihn wie auch den Waldelfen darüber hinweg sehen lassen zu können? Oh, welche Schmach! Hatte sie denn wahrlich nichts seit dem Schiff und dem Missgeschick gelernt?!
Jedoch war das noch nicht alles, denn nun musste sie erst recht Klarheit haben, musste aussprechen, was der Grund sein musste, alles andere wäre schließlich ausgeschlossen für sie, dass er sie scheinbar trotz allem ablehnte, obwohl er ihr so schöne Worte gemacht hatte. Leise, kaum fähig, es über die Lippen zu bringen, fuhr sie fort, Wort für Wort, Frage für Frage, mit Verzweiflung und Verletztheit ihres einst so übermächtigen Stolzes.
Und er? Er lächelte! Er lächelte sie auf jene sanfte Weise an, die sie schon zuvor zum aus der Haut fahren zu bringen verstand! Was sollte das nun wieder? Reichte ihm die bisherige Demütigung ihres kärlichen Restes an Selbstvertrauen nicht? Musste er jetzt unbedingt auch noch nachtreten!
Das Brennen in ihren Augen wurde stärker, ihre Sicht fing an zu verschwimmen und sie spürte, wie sich eine Träne in ihrem Augenwinkel sammelte, bereit, überzulaufen und ihre Wange hinab zu kullern. Ein Anblick, den sie früher mitunter sogar provoziert hatte in dem Wissen um dessen Wirkung. In diesem Moment hingegen war dieses Schauspiel echt und zeugte von dem Schmerz, der ihr gerade zugefügt wurde.
Dann allerdings öffnete er seine Lippen, seine wundervollen Lippen, die sie nur zu gerne gekostet hätte, und Worte drangen darüber, die ihre Welt auf den Kopf zu stellen drohten. Nun ja, nicht im ersten Atemzug, denn da konnte sie deren Ausmaß nicht begreifen. Während also diese einzelne, glitzernde Träne größer und größer wurde, drauf und dran war, ihren Platz zu verlassen und der Schwerkraft zu folgen, da sickerte allmählich diese neue Information in ihr Bewusstsein ein.
Und genau da, als es schien, als wäre der Tropfen endlich groß genug, klickten die unzähligen Rädchen in ihren Gedanken ineinander und ließen sie wie unter einem neuerlichen Peitschenhieb zusammen fahren. "Bitte was?!", entfuhr es ihr und die Träne zog sich, als wäre sie ob dieses Ausbruchs oder dessen Auslöser erschrocken, hastig zurück. Zweimal blinzelte sie, dann war ihre Sicht wieder klar, und all ihre gekränkten Gefühle wurden überlagert von dieser Behauptung und deren Bedeutung.
Die Welt um sie herum begann zu schwanken wie auf einem Schiff bei stürmischer See und instinktiv griff sie neben sich, auf der Suche nach Halt, und fand ihn an irgendetwas Holzigem. Sie hatte derzeit keinen Gedanken dafür übrig, was ihre Finger erwischt hatte. In ihrem Rücken hingegen grollte und blitzte es, als wäre auch Ventha ob dieser Entwicklung... hm... überrascht? Belustigt? Interessierte sie sich überhaupt noch für sie und ihre Belange?
In dieser winzigen Zeitspanne, in der sowohl sie, als auch er begriffen, welche Worte nun zwischen ihnen hingen, sah sie gleichermaßen durch ihn hindurch wie er durch sie. Doch dann geschah etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte... und das so gänzlich anders verlief als ihre eigene Reaktion. Während Laute einer für sie fremden Sprache erklangen, brach er abrupt ab... und ging plötzlich in Flammen auf!
Azura schrie auf vor Schreck und wich instinktiv vor diesem Flammenmeer zurück, das sie mit seiner Hitze prompt versengen wollte, während der prasselnde Regen hinter ihr sie weiterhin auskühlte, obwohl sie nicht mehr direkt darunter stand. Aber es zog sie an, zog sie weg von dieser Gefahr und diesem magischen Gegenpol, der in ihr intuitiv eine Gegenwehr auslösen wollte.
"Hör auf...", wisperte sie und erneut fühlte sie, wie ihre Augen brannten, wenngleich diesmal keine Tränen ihre Sicht verschleierten. Daraufhin presste sie die Lider zusammen und schrie auf:"Hör auf!" Denn diese geballte Ladung Feuermagie fing an, ihr Schmerzen zu bereiten.
Sie wand sich und wich ihrerseits zurück, suchte Schutz in ihrem eigenen Element, ohne sich darüber bewusst zu sein. Wie es hingegen möglich war, dass sie jenes Geräusch vernahm, das trotz Prasseln hinter und Tosen vor ihr, entstand, als ihr etwas vor die Füße geworfen wurde, wusste sie nicht. Vielleicht war es auch vielmehr ein Gefühl, ein Instinkt. Wie auch immer, es brachte sie dazu, doch ihre Augen wieder zu öffnen und zu Boden zu sehen. Dort lag etwas, etwas, das sie kannte.
Dennoch benötigte sie einen Atemzug, ehe sie in die Hocke glitt und danach griff, als stünde sie nicht gerade ihrem leibhaftigen Untergang gegenüber. Merkwürdig, auf welche Dinge sich ein Verstand manchmal konzentrieren konnte. Mit leicht zittrigen Fingern strich sie über das Holz, das nun in ihrem Handteller lag und Brandspuren aufwies, bevor es dem Unheil entkommen war. Wieso...? Was hatte das zu bedeuten?
Die junge Frau sah auf zu der Flammenwand hin, die sich immer weiter von ihr entfernte. Das war gut, das brachte sie nicht direkt in Gefahr und ließ ihr Luft zum Atmen. Allerdings... wirkte das nur so oder näherte er sich immer mehr den hölzernen Möbelstücken? Rauchte da schon etwas, das bald ebenfalls in Flammen aufgehen würde? Und was dann? Dann wäre sie eingeschlossen, hätte nichts als den Balkon und den rauschenden Regen als Schutz, während sämtliches Holz, Bettzeug, Kleidung und...
Moment, befand sie sich nicht in dem Raum, in dem sie aufgewacht war? In dem auch, nach Angaben der anderen, die Schriftrollen aufbewahrt wurden, die sie aus dem Geisterreich mitgenommen hatte? Die sich um die Gefühlswelt ihres Raben drehten? Und wenn nicht? Wenn sie sich irrte?
Es war keine Zeit, darüber länger nachzudenken oder gar nachzusehen. Ja, sie hatte nicht einmal genügend Aufmerksamkeit für die Möglichkeit, dass sie sich nicht sorgen brauchen könnte, weil sie in einem anderen Raum wäre. Sobald der Gedanke an Corax' Schriftrollen aufkam, setzte der Rest ihrer Rationalität aus.
"Nein!", brüllte sie aus Leibeskräften und fühlte, wie eine Barriere in ihrem Inneren aufsprang. Ihre geballte Magie, unerheblich davon, wie mickrig sie ausgeprägt sein mochte, aktivierte sich wie von selbst zum Schutz des Eigentums ihres Liebsten.
Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, selbst nur noch aus Wasser zu bestehen, entweder, weil sie ihre eigenen Reserven anzapfte oder weil sie sich den Regen von draußen holte, der an ihr mit Wucht vorbei spülte. Oder es wäre nur ein einzelner Tropfen, einer Träne gleich, angereichert mit all ihren Emotionen, ihrer Kränkung, ihrer Verzweiflung. Sie spürte nur eine unbändige, unkontrollierte Flut in ihrem Inneren, die ausgesandt wurde zu retten, was ihrem Herzen wichtig war. Auch begriff sie es nicht und sah einige Momente lang absolut gar nichts.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 16. Juli 2023, 23:44

Was immer Kjetell'o in dieser melodiös klingenden Sprache gesagt haben mochte, die zuvor ausgesprochene Andeutung war es, die ihn gänzlich aus der Fassung brachte. Nicht nur ihn. Für einen Herzschlag lang starrten Azura und der Mann, der sich zwischen den Zeilen als ihr Vater - ihr biologischer Erzeuger! - offenbart hatte, einfach nur an.
Szenen aus gemeinsam erlebten Momenten, Bruchstücke seiner Gesten und Worte prasselten aus Azuras Erinnerung auf sie ein. Alles, was sie für ein wenig Liebelei oder sanftes Kokettieren gehalten hatte, war ihr nunmehr nicht nur peinlich, sondern nichts, das man einem direkten Verwandten sagen sollte. Sie hatte bereits an seine kräftigen Lenden gedacht und wie er sie in ihrem Schoß versenkte! Das alles schien nun nicht nur erschreckend bizarr, sondern war einfach nur entsetzlich. Natürlich durften sie nicht so weit gehen, niemals! Ohne es zu wissen, hatte Corax' Liebe sie vor einem großen Fehler bewahrt. Doch die Gedankensprünge um eine möglicherweise extrem unangenehme Situation waren noch nicht das Ende. Denn wenn Azura erst einmal rational auf Kjetell'os Gesten und Worte würde zurückblicken können, machten diese Sinn. Sie alle hatten nie den Zweck besessen, sie um den Finger zu wickeln. Er mochte nicht sexuell an ihr interessiert sein - bei Ventha, zum Glück nicht! Aber der Elf hatte Interesse an ihr. Ihr ... Vater hatte Interesse an ihr. Natürlich wollte er sie erblühen sehen, wollte die wahre Schönheit seines Töchterchens erblicken und sie nach all den Jahren endlich kennenlernen. Und seine Gesten? Die kleinen sanften Berührungen ihres Ohres, als er über ihre Muschel gefahren war. Azura besaß keine gänzlich runden Ohren. Wer genau hinschaute oder sie berührte, würde die minimale Unebenheit daran bemerken. Niemals zuvor hatte sie sich wohl darüber ernste Gedanken gemacht. Nun machte auch dieser winzige Makel Sinn. Das elfische Erbe in ihrem Blut war nicht weit genug durchgedrungen, um ihr die schönen, elfischen Spitzohren zu verpassen, wohl aber um darauf hinzuweisen. Beherrschte sie deshalb Venthas Gabe? Müsste es dann aber nicht eher die Feuermagie sein, die durch ihre Adern floss oder in ihren Augen loderte, so wie sie es gerade bei ihrem Vater tat?
Azura kehrte in die Wirklichkeit zurück, als sie die Flammen sah. Kjetell'o hüllte seinen Leib in Feuer. Er war ein laufendes Lodern, das vor ihr zurückwich, so aber drohte, alles Brennbare im Raum zu entzünden. Flammen fraßen sich bereits den schönen, halbdurchsichtigen Vorhangstoff empor und erste Rauchschwaden erschwerten Azura das Atmen. Sie versuchte, Kjetell'o zu beruhigen, aber jener hatte gänzlich die Kontrolle verloren. Er hörte sie nicht. Er war vollkommen in seinem Schock gefangen. Schmerzen schien er allerdings nicht zu haben, obwohl das Feuer bereits seine Kleidung als Nahrung auserkoren hatte. Brandblasen schlug der Elf nicht. Wohl aber strömte eine immense Hitze von ihm aus, so dass Azura sich noch mehr gedrängt fühlte, auf den Balkon zu flüchten.
In ihrer wachsenden Panik verwechselte sie die Räumlichkeiten, obwohl sie es besser wusste. Das hier war nicht jenes Zimmer, in dem sie mit Madiha in den Betten gelegen hatte. Corax' Schriftstücke, seine Erinnerungen, waren sicher dort verstaut. Das hier aber war sein Zimmer. Es war der Raum ihres Liebsten, in dem auch er eine Woche schon zugebracht hatte und wer weiß was in der Zeit hatte anhäufen können. Möglicherweise warteten in den Schränken Dinge, an denen sein Herz hing. Sie durfte nicht zulassen, dass sie zerstört würden, aber was sollte sie unternehmen?
Die Göttin von Wind und Wetter sandte ihren Segen. Ihr Regen, welcher nach wie vor auf Andunie hernieder prasselte, kühlte Azuras Gemüt. Er spülte die aufgestiegene Panik hinfort und seine Kälte ließ sie innerlich durchatmen. Ihre Magie reagierte sofort darauf, noch ehe sie sich dessen wirklich bewusst wurde. Bereits als Azura vergeblich schrie, Kjetell'o mochte den Ausbruch beenden, wurden all die Wassertröpfchen auf ihrer Haut durch deren Poren in ihr Innerstes gesogen. Jegliche Feuchtigkeit, die an ihr haftete, schwand und sammelte sich in ihrem Inneren um einen kleinen Kern ihrer eigenen Kraft. Dieser wuchs und wuchs immer weiter, bis die Ketten, die seine mangelnde Förderung ihm auferlegt hatte, gesprengt wurden. Mithife einer weiteren Kraft, eines winzigen Funkens, der bisweilen stets von ihrem Wasser wie eine Burg von einem Graben umgeben worden war, brach sich das flüssige Element in ihr nun Bahn. Es ließ sich von dem kleinen Funken anheizen, brodelte und strömte unaufhaltsam durch ihren Körper. Es erfüllte ihn: Organe, Adern, Fettgewebe, Muskeln. Die Kälte drang bis in ihre Knochen hinein, dass Azura bald glaubte, sie bestünde nur noch aus dem Segen, den Ventha der Schöpfung Celcias gegeben hatte. Sie spürte, wie sich alles in ihr auftürmte. So musste Corax sich gefühlt haben, als er in Gestalt eines achtarmigen Ungeheuers der See selbige zu einer katastrophalen Flutwelle aufgebaut und über das kleine Schiff hatte hereinbrechen lassen. Auch Azura spürte es. Macht, unsägliche Macht, dass jene sie fast unter sich begrub. Sie war kalt, aber tief im Inneren brannte ein impulsartiger Herzschlag, der nur ihren Zorn schürte. Das war Venthas Macht.
Venthazura...
Dieses Wort huschte mit der krächzenden Stimme ihres Raben durch ihren Geist und keine Sekunde später wirbelte Azura um sich selbst. Als sei sie inmitten eines Tornados tanzte und drehte sie sich. Nein, das stimmte so nicht. Im Auge des Sturms war es ruhig und wo sie hätte besonnen bleiben müssen, da tobte unkontrollierte Macht in ihr. Ihr fehlte Übung, aber ihr fehlte auch etwas, das Kjetell'o bei Madiha als natürliches Talent bezeichnet hätte. Nicht jeder konnte so spielend leicht mit seinem Element umgehen, aber Azura musste auch kein Feuer beherrschen. Sie musste es löschen. Sie musste ihren Vater löschen, bevor sie ihn verlor, gerade jetzt, da sie ihn gefunden hatte. Doch sie schaffte es nicht. Die Macht in ihr war zu groß, angereichert von Venthas Segen, erhitzt durch irgendeinen fremden Kern in ihrem Inneren und in Wallung gebracht wie ein Sturm ihrer ureigenen Göttin. Azura war ein Blatt in diesem Tosen, das hin und her gewirbelt wurde. Sie musste aufpassen, dass es sie nicht zerriss. Langsam schmerzte die Magie und verlangte ihren Muskeln alles ab. Als sie glaubte, gleich in einem leidlichen Krampf vergehen zu müssen, brach es aus ihr heraus. Wo die Poren ihrer Haut zuvor alles Wasser in sich aufgesogen hatten, um es zu sammeln, da gaben sie es nun mit einem Schlag ab. Aus Azura schossen gleich mehrere Strahlen gebündelten Wassers, die Kjetell'o und seine unmittelbare Umgebung zum Ziel hatten. Sie schossen durch die offene Balkontür, rissen im Flug die brennenden Überreste der Vorhänge mit sich und löschten diese. Einige der Fluten verdampften, weil sie gegen die Hitze des Elfen nicht ankämpfen konnten, doch es gab glücklicherweise genug von ihnen, um bis zu Kjetell'o durchzudringen.
Der Elf schrie auf, als Wassermassen ihn trafen und zu Boden schleuderten. Schwälle ergossen sich über ihn, töteten sein Feuer und kühlten seinen Verstand. Hustend und keuchend fand er zur Ruhe. Azura hingegen entkam endlich ihrem eigenen, magischen Sturm. Ihre Füße wollten sie kaum tragen, aber sie mussten. Eine innere Unruhe trieb sie an, spornte sie zu Leistungen an, die sie als adliges Töchterchen nie zuvor hatte erbringen müssen. Nun aber war sie nicht nur das. Sie war auch ein elfisches Töchterchen und ihr Blutsverwandter benötigte nach wie vor Hilfe. Er rappelte sich auf, doch seine Arme vermochten nicht, den Körper zu tragen. Schon schlug er wieder auf dem Boden auf, blieb dort unter Stöhnen liegen. Sein ganzer Leib zitterte vor Kälte.
Azura fröstelte es nicht. Sie verspürte nur einen elenden Durst, merkte aber, dass das Gefühl verging, sobald sie sich des Regens auf ihrer Haut erneut gewahr wurde. Ihr Körper holte sich neue Flüssigkeit über einen anderen Weg. Es lag nun an ihr, ob sie sich erst einmal um sich selbst und dann um Kjetell'o kümmerte oder ob sie mit einem geringeren Kräftehaushalt zu ihm stürzte, um ihm zu helfen.
Glücklicherweise war er bei Bewusstsein. Er drehte sich am Boden und umschlang seinen Körper. Der Blick - geflutete Wälder, denen man für diesen Moment das Sonnenblicht geraubt hatte - heftete sich an die Andunierin. "K-kalt...", ächzte er und tastete nach seinem Umhang, um ihn sich über den Leib zu ziehen. Leider gab es den schützenden Stoff aber nicht mehr. Überhaupt hatten seine Flammen sich gierig an den Textilien satt gefressen. Kjetell'o lag nackt vor Azura, wie die Götter ihn geschaffen hatten. Oh, warum musste er mit ihr verwandt sein?! Erstmals sah sie genau, was Corax überhaupt fehlte und darüber hing wie die Schlange aus den grünen Wäldern seiner Seelenspiegel der Grund, warum ihre Mutter diesem Elfen wohl nicht hatte widerstehen können. Er stand Corax in nichts nach, könnte bei einem direkten Vergleich sogar mehr punkten. Aber was sie sich besah, gehörte zu ihrem Vater. Und das war alles, was von ihm geblieben war. Er hatte jegliches organisches Material an seinem Leib verloren. Von der Stiefelsohle bis hinauf zu den Schmuckstücken in seinen Haaren. Nur, was wirklich Teil seines Körpers war, hatte nicht gelitten, wenngleich einige Haarspitzen etwas versengt wirkten.
Das einzige Kleinod, das er hatte retten können, war die hölzerne Fibel, die Azura aufgehoben hatte. Sie besaß die Form eines Einhornkopfes, aber auf die Rückseite war etwas hinein geschnitzt worden. Dort, wo sich auch der Klemmverschluss befand, damit sie einen Umhang zusammenhalten konnte. Azura hatte schon einmal ein vertrautes Gefühl beim Anblick der kleinen Fibel empfunden, obwohl sie dieses Symbol wohl niemals bewusst in ihrem Leben wahrgenommen hatte. An die Schnitzerei aber erinnerte sie sich noch mehr. Sie war ihr in Nogrot begegnet als eines von vielen Symbolen auf einem der Handelsschiffe. Sie kannte es auch vom Hafen Andunies, als sie ihren Ziehvater oft dorthin begleitet hatte. Es war ein Handelhaus und just als ihr das bewusst wurde, erinnerte sie sich auch an den Namen: Diptam. Handelshaus Diptam, der Exot aus den celcianischen Urwäldern, wo zauberhafte Elfen wohnen sollten, noch gehiemnisvoller als jene, die das übrige Celcia kannte. So geheimnisvoll wie dieser eine Elf, der dort am Boden zitterte und dringen Hilfe benötigte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Mittwoch 19. Juli 2023, 21:48

Sofern es stimmte, was er ihr soeben offenbart hatte, und es nicht lediglich als Ausrede dafür tarnte, dass er sie zwar um den Finger wickeln, in Wahrheit jedoch nicht anrühren wollte, dann kam diese Information einer Sturzwelle für die junge Frau gleich. Sie starrte ihn an und konnte nicht glauben, welche Botschaft er überbracht hatte.
Er? Ausgerechnet dieser Waldelf sollte es gewesen sein, der damals mit ihrer Mutter dafür gesorgt hatte, dass es sie überhaupt gab?! Nun, den guten Geschmack konnte sie Aquila nicht absprechen, definitiv nicht! Aber nie, niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass es elfisches Blut sein sollte, das in ihren Adern fließen könnte.
Natürlich, es gäbe auch Hinweise dafür, dass er die Wahrheit sagen könnte, wenn sie einmal seine Augen betrachtete, ohne darin zu versinken, oder die Tatsache, dass sie es mit einem Feuermagier zu tun hatte, obwohl sie dem gegenteiligen Element angehörte. Wahrscheinlich fiele ihr noch die ein oder andere Ähnlichkeit auf, wenn... ja, wenn sie nur Zeit und Willen gehabt hätte, darüber ernsthaft nachzudenken!
Auf der anderen Seite... warum sollte er ihr so etwas verraten? Warum ausgerechnet jetzt? Und wieso hatte er ihre Mutter damals einfach sitzen gelassen und sich all die Jahre nie gekümmert?
Doch all das und noch viel mehr konnte gar nicht erst seinen Weg in ihre Gedanken finden, denn plötzlich ging dieser Mann, dieser verboten attraktive Mann, der ihre Sinne derart zu bezaubern verstanden hatte, buchstäblich in Flammen auf. Vor ihr befand sich mit einem Mal eine Feuerwand magischer Herkunft, die auch ihre eigenen Kräfte zur Abwehr aktivierte, selbst, wenn sie noch so weit in Richtung offener Balkontür zurück wich.
Sie fühlte sich bedrängt und bedroht. Dennoch hätte es von ihrer Seite wahrscheinlich keinen solchen Ausbruch magischer Macht gegeben, hätte sie sich diesen Raum zuvor näher und in Ruhe angesehen. Stattdessen glich er in ihren Augen jenem Zimmer, in dem sie aufgewacht war und in dem ein für ihr Herz kostbarer Schatz aufbewahrt wurde, den es mit allen Mitteln zu schützen galt. Diesen sah sie bedroht, als das Feuer den Truhen gefährlich nahe kam und da diese aus Holz bestanden, der Inhalt sogar aus noch leichter brennbarem Material...
Nein, da setzte etwas in ihr aus und sie wollte schützen, was sie der Vernichtung ausgesetzt wähnte. In diesem Moment, während sie die ihr zugeworfene Fibel fest an ihre Brust drückte, ohne darüber nachzudenken, wurde ihr Verstand in den Hintergrund gedrängt und ihre Magie übernahm die Überhand. Mit einem in ihren Ohren gellenden Schrei brach sich Bahn, was sich gegen das Feuer zu wehren bereit war. Und dank des strömenden Regens im Hintergrund war das tatsächlich jede Menge Flüssigkeit!
Sie sammelte sich binnen weniger Augenblicke, wurde mächtiger und mächtiger und sorgte dafür, dass sie vollkommen davon durchströmt wurde. Obwohl sie die Kälte spüren konnte, noch intensiver durch all diese Feuchtigkeit, fror sie in diesen flüchtigen Momenten nicht. Viel eher hatte sie das Gefühl, als hätte ihre Göttin sie trotz allem noch nicht gänzlich wieder vergessen, sondern wäre direkt bei ihr, beinahe so nahe wie in jenem geisterhaften Palast, in dem sie sich mehrfach getroffen hatten.
Dann allerdings wurde ein Punkt überschritten, an dem ihr die geglaubte Kontrolle entglitt. Mit einem Mal hatte sie nicht länger das irrige Gefühl, als könne sie kanalisieren, was in sie hinein strömte, um sich dort bis zum rechten Atemzug sammeln und geballt entladen zu können. Stattdessen erinnerte sie sich an die Empfindungen jener riesigen Flutwelle, die sie einfach empor gerissen und über das Schiff gehoben hatte, mächtig und dennoch frei von ihrem Willen, während sie davon bewegt wurde, ohne sich dagegen zu wehren.
Ihr wurde ein wenig übel, ohne, dass sie dies schon bewusst wahrnehmen konnte. Schwindel gesellte sich hinzu, ihr Körper begann überall zu schmerzen und ihr war, als bekäme sie immer schlechter Luft. Gleichzeitig meldete sich dieses innere Flämmchen wie stets, wenn sie ihre Wassermagie zu stark einsetzte, und sorgte dafür, dass es sich anfühlte, als würde sie gleich erlöschen und damit auch jegliches Leben in ihr.
Ehe es jedoch soweit kommen konnte, brach all das angestaute Wasser, begleitet von einem Schrei aus ihrer Kehle, aus ihr heraus und flutete regelrecht das gesamte Zimmer, obwohl es hauptsächlich ein Ziel hatte. Und dieses erreichte es auch, vernichtete jegliches Feuer und damit auch jene Magie, gegen die sie sich versucht hatte zu wehren.
Keuchend und zitternd, kaum dazu fähig, sich selbst auf den butterweichen Knien zu halten, lichtete sich allmählich die verschwommene Sicht vor ihren Augen und offenbarte ihr das gesamte Ausmaß dieser kleinen Katastrophe. Es tropfte, überall tropfte es und dennoch war der Großteil der Möbel noch heil geblieben, sobald man sie wieder getrocknet hätte. Es hatte merklich abgekühlt in dem Raum und während sie anfangs noch glaubte, vor Durst gleich vergehen zu müssen, besserte sich dieses Gefühl auf wundersame Weise wie von selbst. Dafür wurde die Übelkeit stärker und das Engegefühl in ihrer Brust wollte noch nicht weichen.
Wenn sie nicht aufpasste oder zu tief Luft holen würde, würde sie ohnmächtig werden, das spürte sie, diese Vorboten kannte sie auch. Es waren die typischen Nachwehen ihrer Magie, wenn sie diese zu intensiv eingesetzt hatte, ohne jene Grenze zu überschreiten, die ihr sofort sämtliche Lichter auslöschten.
Schließlich richtete sich nach einigen hektischen Atemzügen ihr Blick auf jenen Mann vor ihr, wegen dem es überhaupt erst zu ihrem Ausbruch gekommen war. Da lag er, klatschnass, frierend, zitternd und... und splitterfasernackt. Auch wenn er ihr zuvor offenbart hatte, in welchem Verhältnis er zu ihr stehen sollte und es somit ausgeschlossen war, dass sie beide jemals ein intimes Interesse aneinander haben durften, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Augen seine Gestalt entlang wanderten. Um letzten Endes dort hängen zu bleiben, was sie sich zuvor nur hatte ausmalen können.
Ein Herzschlag lang, zwei... drei... Bis ihrem Geist klar wurde, was sie gerade tat und was sie zu sehen bekam. Hastig wandte sie daraufhin den Blick ab, während ihre Wangen beinahe so stark zu glühen begannen wie er zuvor als Ganzes. Wie hatte es nur so weit kommen können? Wieso musste er so... so... gut aussehen? Ihr darbieten, was sie an Corax vergeblich suchen würde?
Ein lautloses und sie dennoch gefühlt erstickendes Schluchzen stieg ihr die Kehle hoch. Sie musste die Augen schließen und die Reste ihre einst so unerschütterlichen Beherrschung zusammen kratzen, um sich ein wenig beruhigen zu können. Es war schwer, unendlich schwer, denn auch ihre körperliche Schwäche forderte ihren Tribut.
Wie es möglich war, dass ein Ächzen es trotz alledem schaffte, bis zu ihr durchzudringen, wusste sie nicht zu sagen. Aber es holte sie ein wenig zurück in die Wirklichkeit und sorgte dafür, dass sie wieder zu ihm sah. Er hatte sich gedreht und tastete erfolglos um sich. Sein Zittern hatte sich gefühlt verstärkt und erregte auch bei ihr ausreichend Aufmerksamkeit, dass sie auf den Gedanken kam, dass er mit all dem Wasser, das ihn getroffen hatte, bei weitem nicht so gut würde umgehen können als Feuermagier wie sie.
Ihr war noch immer nicht dermaßen kalt, wobei das zum Teil wahrscheinlich auch auf das Adrenalin zurück zu führen war, das noch immer durch ihre Adern floss, auch wenn sie das früher oder später ändern würde. Bei ihm hingegen...
Ihr Blick flackerte durch das Zimmer und suchte, doch alles, was sie entdecken konnte, war klitschnass. Wobei... vielleicht...?
Schwankend wie auf einem Schiff bei hohem Wellengang und innerlich erstaunt darüber, dass ihr überhaupt ein Schritt gelang, schleppte sie sich zu einem hohen Schrank. Dort angekommen, musste sie sich erst einmal festhalten und warten, bis ihre Lunge weniger heftig pumpte und das Zittern all ihrer Glieder schwächer wurde. Dennoch benötigte sie mehrere Versuche, bis sie ausreichend Kraft hatte, um eine der Türen zu öffnen.
Und tatsächlich, sie hatte Glück, Ventha sei Dank! Zwar war auch hier alles feucht und müsste trocken gelegt werden, aber es war nicht halb so stark durchnässt wie außerhalb des Möbelstücks.
Mit beiden Händen wollte sie hinein greifen in die untere Ablage und eine Decke heraus ziehen, als ihr auffiel, dass sie mit der linken Hand noch immer die Fibel umklammert hielt. So fest, dass sich ein feiner Abdruck bereits in ihren Handteller gegraben hatte, wenngleich das Schmuckstück aus Holz unversehrt geblieben war, sah man von ein paar dunkleren Stellen ab. Obwohl sie ahnte, dass die Zeit ein wenig drängte, starrte sie darauf und konnte ihren Blick nicht sofort wieder lösen.
Es kam ihr bekannt vor, irgendwie, allerdings hatte sie dieses Gefühl ja schon mehrfach beschlichen, ohne, dass ihr Gedächtnis ihr auf die Sprünge geholfen hätte. Solange, bis jetzt, denn mit einem Mal fassten die Zähne unsäglich kleiner Rädchen ineinander und formten ein Bild, das endlich einen Sinn ergab.
Ein Handelshaus, dazugehörige Schiffe und... und eben dieses Symbol! Bekannt und doch ungekannt. Sie hatte es bei den Zwergen gesehen, aber auch des Öfteren in Andunie und... und konnte das sein? War dieser Mann... oder seine Leute immer wieder in ihrer Nähe gewesen, ohne, dass sie einen Zusammenhang erfahren hatte? Wusste er mehr über sie... oder hatte sie und ihre Mutter wider ihres Glaubens nicht so gänzlich im Stich gelassen, wie es ihr all die Jahre über erschienen war?
Ihr Herz trommelte schneller und verstärkte damit den Schmerz ihres inneren Flämmchens, sodass es sie aus ihren Gedanken holte, ehe sie zu tief darin versinken konnte. Ohne näher darüber nachzudenken, befestigte sie die Fibel an ihrem Gürtel, nahe der Schriftrolle, und mühte sich endlich ab, die schwere Decke aus dem Schrank zu ziehen. Sie war tatsächlich feucht und würde bald klamm werden, aber sie triefte nicht vor Wasser und musste somit erst einmal genügen.
Ächzend und stöhnend schleppte sie das schwere Ding zu dem nackten Elfen und legte sie ihm über. Nicht gerade fürsorglich oder gar zärtlich, geschweige denn kontrollierend, ob auch wirklich alles Notwendige bedeckt wurde, denn dazu hatte sie zu viel Gewicht und Azura im Moment zu wenig Kraft ebenso wie Konzentration. Jedoch wäre es vermutlich besser als nichts und er müsste sie sich eben zur Not selbst zurecht ziehen. Trotzdem versuchte sie, dabei ein wenig Abstand zu halten und nicht zu genau hinzusehen, um nicht erneut daran denken zu müssen, welche Gedanken sie bis vor kurzem gehegt hatte.
Als sie sich wieder aufrichtete, wurde ihr beinahe schwarz vor Augen und sie musste sich an einem Bettpfosten abstützen, um diesen Schwächeanfall zurück drängen zu können. Als sie es halbwegs geschafft hatte, murmelte sie:"I... ich... ich hole... Hilfe..."
Damit wankte sie zur Tür und kämpfte darum, sie zu öffnen, noch bevor die Ohnmacht sie vollkommen im Griff haben könnte. Es brauchte mehrere Anläufe, dann gelang es ihr, endlich hinaus in den Gang zu taumeln. Jetzt musste sie nur noch rasch jemanden zu Gesicht bekommen und ihm wenigstens deuten können, dass Unterstützung gebraucht wäre.
Wenn nur ihre Knie nicht nachgegeben hätten und sie an der Wand entlang zu Boden gesunken wäre! Alles um sie herum drehte sich und sie musste hockend innehalten, um nicht sofort in die Schwärze hinab zu sinken.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 20. Juli 2023, 08:17

Es war nicht sein erster Tag in der Akademie der Wassermagie zu Andunie. Viele Schichten hatte der junge Fizbin allerdings noch nicht hinter sich. Ohnehin traute man ihm kaum etwa zu, weil er ja nur ein Goblin war und eigentlich eignete er sich als Wächter nicht. Man übersah ihn, man trampelte ihn platt. Wen sollte er mit seiner geringen Größe und den dürren Gliedmaßen schon aufhalten? Selbst das Schwert an seinem Gürtel erinnerte eher an einen zu großen Zahnstocher und auf einen Schild verzichtete er gänzlich. Der sei ohnehin zu schwer für ihn, auch wenn er sich komplett dahinter verstecken könnte. So machten die Dunkelelfen sich über ihn lustig. Das war schon in Morgeria so gewesen. Fizbin hatte also Grund genug gehabt, am Eroberungszug teilzunehmen und Hoffnung in einer neuen Welt zu finden.
Er blieb positiv. Es ging immerhin voran mit ihm. Er war inzwischen ein Wächter und er hatte schon einige Schichten hinter sich! Dass die Verwaltung der Feuerhexe in Form diverser Wassermagier und Zauberinnen ihn für eher einfache Wachdienste zuteilte, störte den Goblin dabei keineswegs. Er war sogar froh, der Feuerhexe höchstselbst noch nicht begegnet zu sein. Er hatte nie im Bluthof Wache halten müssen. Bluthof - ein schrecklicher Ausdruck. Glücklicherweise hatte er das versuchte Attentat auf die Hexe verpasst. Sie soll verletzt worden sein, soviel hatte er mitbekommen. Darüber hinaus existierten nur Gerüchte und Fizbin glaubte sogar, dass die Verwaltung sie bewusst streute. Er behielt seine Theorie allerdings für sich. Ihm würde man ohnehin nicht glauben und er fürchtete, dass es ihn eher seinen Posten kosten könnte als dass er dadurch eine Verschwörung aufdeckte. So leistete er weiterhin stumm, aber motiviert seinen Dienst. Heute bestand er darin, die Korridore in diesem Bereich der Akademie abzulaufen. Es war wieder keine Aufgabe von großer Bedeutung und im Grunde nutzte er seine Pflicht, um sich die Füße zu vertreten, bis man ihn wieder die Wäschekammer oder den Eingang zu den Kellerräumen bewachen ließ, eben Orte, zu denen nicht viele hin kamen. Dass er heute erstmals mit einem Ereignis konfrontiert würde, das für ihn noch die nächsten Monate präsent sein sollte, hätte er nicht zu träumen gewagt.
Fizbin bemerkte zuerst die feuchten Teppiche. Lange, dunkelblaue Läufer, die das Zentrum des jeweiligen Korridorganges nicht nur optisch verschönerten, sondern auch die Schritter derer schluckten, die über die flauschige Oberfläche wandelten. Dieses Mal war sie alles andere als weich oder flauschig. Fizbin bemerkte das vor allem, weil er keine Schuhe trug. Manche Goblins und nahezu jeder Ork hielt es so. Sie besaßen dicke, natürliche Hornhaut, die es durchaus mit Leder aufnehmen konnte. Fizbin genoss vor allem die Zehenfreiheit und er liebte es, über weiche Läufer zu spazieren. Umso mehr ärgerte es ihn nun, als er in die matschige Nässe des Materials trat. Er schaute auf. Nicht nur den Läufer hatte es erwischt. Zwischen ihm und dem nächsten breitete sich eine Pfütze auf dem Gestein aus. Weiter hinten gab es noch eine, als hätte eine Putzkolonne hier gewütet, aber den Mopp vergessen. Der Goblins klemmte sich die Unterlippe über einen seiner vorstehenden Spitzzähne - ein Ausdruck der Missgunst. Dann watschelte er weiter. Dieses Mal tappte er neben dem Läufer entlang. Seine Füße wurden trotzdem nass. Eigentlich mochte er seinen Dienst in der Wasserakademie, aber das Element hatte auch seine Tücken. Schon fürchtete er, gleich einen umgestoßenen Putzwagen anzutreffen und aufräumen zu dürfen, als er überrascht innehielt. Fizbin starrte. Ihm klappte der Mund auf, so dass man auch die übrigen Spitzzähne sehen konnte. Er starrte weiter. Es war schwierig für ihn, mit der Situation umzugehen. Sowas hatte er schließlich nie zuvor erlebt. Was sollte er nun unternehmen? Einen Wächter rufen?
"A-aber ich bin ein Wächter!", erinnerte er sich und das sogar in seiner eigenen Muttersprache Terkin. Er zog den Gürtel höher, dass seine Hose straff wurde und die unteren Säume wenigstens für kurze Zeit nicht über seine Füße schlapperten. Die Schwertscheide streifte dabei seinen Schenkel und er erinnerte sich, dass er nicht nur Wächter war, sondern auch eine Waffe zur Verteidigung besaß. Bei den Übungskämpfen hatte er sie gezogen und so oftmals seine Kontrahenten verwirrt, bevor sie ihn auslachten. Jetzt lachte niemand, denn Fizbin war allein. Allein, abgesehen von der Leiche, die da vor ihm an der Wand des Korridors ruhte.
Mit gezogenem Schwert - die Spitze zitterte sichtlich - und immer einen Fuß nach vorn gestreckt näherte er sich mit der Geschwindigkeit einer Schnecke, deren Unterseite man mit Leim großzügig bestrichen hatte. "Ha-hallo?" Fizbin stutzte. Nicht, weil der Leichnam sich vielleicht bewegt hätte, sondern weil er sich für den Moment fragte, ob Tote Terkin verstanden. Er versuchte es noch einmal. "Äh ... keine Bewegung! Oh ... ja ... gut, das wäre schon einmal geklärt." Er war stolz, diese Aufgabe gemeistert zu haben. Noch einen Schritt kam er näher, dann einen weiteren. "I-im Namen der Akademie, Ihr seid umstellt." Sagte man das so? Und von wem umstellt? Er war allein. Außerdem war er weder eine Truppe Dunkelelfen noch ein Ork, bei dessen Masse man die Aussage hätte für voll nehmen können. Fizbin schob erneut die Unterlippe über seine Spitzzähne, aber seine Stirn zog sich ebenfalls zusammen. Er war entschlossen, diese Sache zu bewerkstelligen. Es war das erste und vielleicht einzige Mal, dass er es mit einer Gefahr zu tun bekam. Er musste sich dessen einfach annehmen. Er war ein Wächter!
Beim nächsten Schritt erreichte die Schwertspitze schon fast den toten Körper. "Ich äh ... also ... ich bin Wächter! Hier an der Akademie und ich bewache die Gänge! Darin herumzulungern ist ... äh ... verboten - glaube ich! Also, ich entscheide das jetzt. Dazu bin ich befugt. Es ist verboten, zumindest während meiner Schicht! Können wir uns darauf einigen, ja? Ihr schweigt. Gut, das nehme ich als ein Ja. Äh ... Ihr seid nicht wirklich tot, oder?"
Fizbin piekte vorsichtig mit seiner Schwertspitze in den Arm der Person. Lebend wäre sie sicher eine Augenweide gewesen, auch wenn es sich nur um einen Menschen handelte. Fizbin blieb auf sexueller Ebene seinem eigenen Volk treu. Er konnte sich keine Mischverbindungen vorstellen, weil er sich nicht vorstellen konnte, wie das funktionieren sollte. Auch wenn diese Tote schlank war, würde er zwischen ihren Beinen versinken und sicher nichts fühlen. So als stocherte man mit einem Stecken in eine klaffende Höhle hinein. Ob er seine Chance nutzen und mal nachschauen sollte? Vielleicht könnte er sich selbst eines Besseren belehren. Fizbin stutzte und schüttelte den Kopf. Nein. Er wollte keiner Toten unter den Rock schauen. Oder die Hose öffnen. Er guckte nicht einmal nach, was genau sie trug. Sein Blick blieb an den roten Locken hängen, die im Licht der Korridorlampen manchmal sogar etwas blond wirkten. Eigentlich schön, so eine nahezu kupferfarbene Mischung. Fizbin mochte Kupfer. Fuchsmünzen bestanden aus dem Material und er liebte es, bezahlt zu werden.
"Nicht ablenken lassen, Fizzy! Du hast eine Aufgabe!", schalt er sich selbst. Dann stapfte er in einem so ausladenden Bogen um die Leiche herum, wie es der Korridor zuließ. Sie war direkt neben einer geöffneten Tür zusammengesunken. Fizbin wusste, dass es die Kammer war, die Serpentis Mortis persönlich gelegentlich aufsuchte. Er wusste das, weil er hier nie zuvor hatte Wachdienst schieben dürfen. Überhaupt sollte niemand in diesen Korridoren herumlaufen, der nicht befugt war. War er als Wächter befugt? Er wusste es nicht. Alles, was er wusste, war, dass weder die Feuerhexe noch sonstige ihrer üblichen Lakaien anwesend waren. Er sah nur diesen nackten Elfen inmitten eines von Wasser gänzlich durchnässten Raumes am Boden liegen und wäre er so aschfahl gewesen wie die Tote am Eingang, er hätte auch ihn für einen Leichnam gehalten.
"H-Hilfe .... HILFE!", schrie Fizbin, quiekte, sprang fast vor Schreck an die Decke und düste anschließend davon, um im strategischen Rückzug Verstärkung anzufordern.

Weich war der Untergrund nicht, aber auch nicht gänzlich unbequem. Vor allem drückte kein hartes Holzpanel in ihren Rücken. Stattdessen fühlte sie die angenehme Geborgenheit von Körperwärme. Fremde Körperwärme, die auf ihre eigenen Glieder überging. Außerdem lag eine Decke über ihr, die zusätzlich schlussfolgern ließ, dass sie es halbwegs bequem hatte. Mit der Rückkehr aus ihrem Ohnmachtszustand kehrten auch Azuras Erinnerungen zurück an die Oberfläche. Was sie fühlte und durch den Schleier des Erwachens langsam wahrnahm, passte nicht zu den letzten Momenten, die sie bewusst erlebt hatte. Sie hatte Hilfe holen wollen. Hilfe für den Waldelfen ... Kjetell'o ... ihren ... Vater. Jedenfalls, wenn seine Behauptung stimmte. Sie erinnerte sich an eine andere Form von Wärme. Hitze, die ihr die Kraft aus dem Körper zu brennen drohte. Bilder des brennenden Elfen drangen zu ihr durch. Dann die Wassermassen, die sie vom Regen aus über ihren Körper in das Zimmer hinein gesandt hatte. Trotz ihrer ungeübten Handhabe mit der Magie war es ihr gelungen, Kjetell'o zu löschen.
Kjetell'o ... ihr Vater ...
Das Bild der kleinen, hölzernen Fibel drang in ihr Gedächtnis. Ein geschnitztes Einhorn und in die Rückseite war das Symbol eingeprägt gewesen, das sie so oft schon gesehen, aber nie bewusst wahrgenommen hatte. Ein Zeichen eines Handelshauses, dessen Schiffe immer wieder in Andunie vor Anker lagen. Hatte ihr Vater etwas mit diesen Schiffen zu tun? Hatte er sie und Mutter doch nicht verlassen, sondern war regelmäßig vor Ort gewesen, um sich zu erkundigen? Warum hatte er sie nie aufgesucht? Warum hatte Kjetell'o sie nicht vorher schon so becirct wie aktuell in der Akademie? Seine Augen ... diese wunderschönen tiefen Wälder mit den goldenen Sprenkeln. Azura besaß ähnlich Augen, wenngleich sie nicht dieselbe Wirkung auf andere besaßen. Nur Elfen schien es vergönnt, einfach so unerlaubt schön zu sein.
Weitere Erinnerungen brachen sich Bahn. Die Wärme, die sie direkt neben sich spürte, trug dazu bei, die Emotionen zu verstärken, die sie stets in der Nähe des Waldelfen empfunden hatte. Emotionen, die sie sich niemals erlauben durfte, wenn er wirklich ihr Erzeuger war! Der Duft von Vanille und Zitrone ... sie nahm ihn auch jetzt wahr. Lieblich, nahe war er, legte sich fast über sie, so wie sie sich vorgestellt hatte, Kjetell'o würde sich über ihr niedersenken und ...
Ihr Geist meinte es nicht gut mit Azura. Eine Erinnerung stieg darin auf, die jede andere plötzlich in den Hintergrund rückte. Sie präsentierte sich so wie Kjetell'o sich unfreiwillig gezeigt hatte. Groß, schön, fleischig. Ein Schiffsmast, den man nur allzu gern in das Loch des Schiffsdecks schob, um ihn in all seiner Gänze aufgerichtet zu sehen und später damit zu segeln. Der Mast ihres Vaters ...
Sobald Azura in die Realität zurückfand, würde sie feststellen, dass Kjetell'o neben ihr lag. Nach wie vor war er nackt, das könnte sie mit wenigen Bewegungen feststellen. Denn wie sie ruhte er unter einer gemeinsam geteilten Decke und in einem simplen Bett. Es war etwas zu schmal für sie beide, so dass man ihre Körper dicht beieinander gepackt hatte. Der Raum, in dem sie sich befand, bot ansonsten nicht viel. Ein schränkchen, allerdings mit einem großen Vorhängeschloss an den Türen, ein vergittertes Fenster und auch ein Gitter in dem kleinen Guckloch der einzigen Tür ließen eher auf ein Gefängnis schließen als ein Zimmer. Jedoch war es ein Gefängnisraum mit Komfort. Es gab eine Laterne, die unter der Decke hing und etwas Licht spendete. Azura konnte durch das Gitterfenster den grauen, regnerischen Himmel sehen, allerdings nichts von der Umgebung. Neben der Tür befand sich ein Stuhl und daneben noch ein kleiner Tisch. Dort hatte man eine Wasserkanne, zwei Becher und einen Korb mit Brot und Äpfeln bereit gestellt. Wachen entdeckte sie keine. Dafür war Kjetell'os Präsenz nur zu deutlich. Er lag so dicht, aber wenigstens schien es ihm gut zu gehen. Er atmete und sein nackter Körper fühlte sich warm an. Er wirkte unverletzt, wenngleich ein wenig blasser als sie es gewohnt war. Und er besaß noch immer das Perlensäcklein. Ihr Opfer an Corax! Es war unversehrt, obwohl es ihm an dem Band aus rotem Faden und einer Strähne ihres Haares um seinen Hals hing. Als er gebrannt hatte, hatte sie es nicht sehen können. All seine Kleidung war den Flammen zum Opfer gefallen, aber das Perlenbeutelchen hatte er mit aller Macht geschützt. Er musste all seine Konzentration darauf verwendet haben, es heil zu lassen. Hatte er ihr deshalb die Holzfibel zugeworfen, weil er gewusst hatte, diese nicht retten zu können? Oder glaubte er, sterben zu müssen und wollte ihr auf diese Weise den letzten Beweis für seine Behauptung liefern?
Seine Züge waren glatt. Er schlief friedlich. Azura hingegen war nun wach und hatte Gelegenheit, sich umzuschauen, zu handeln oder ihn vielleicht sogar zu wecken, falls sie das wollte. In jedem Fall konnte sie versuchen, ihre Gedanken zu ordnen.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Donnerstag 20. Juli 2023, 13:24

Sie war beinahe zu Tode erschöpft, körperlich wie geistig, und es kam für sie auch mehr oder weniger einem Wunder gleich, dass sie überhaupt noch etwas tun konnte. Mehr noch, dass sie sich überwinden konnte, eine schwere Decke aus dem Schrank zu ziehen und sie über ihren vermeintlichen Vater zu legen, der so jämmerlich fror nach all den Wassermassen.
Dass sie es für ihn tat... Nun, wer sie nicht kannte, mochte das als einzigen Hintergrund sehen. In Wahrheit allerdings wäre sie selbst sich dessen nicht so sicher, denn besonders sein nackter Anblick war im Moment einfach zu viel für sie. Also, wahrscheinlich war sie mal wieder egoistisch und hätte ihn unter anderen Umständen liegen gelassen. Vielleicht aber auch nicht, das konnte und würde ihr niemand außer sie selbst beantworten können.
Sobald das jedoch geschafft war, musste sie raus und weg von ihm. Weil er Hilfe brauchte, weil sie Hilfe brauchte und... weil sie vor allem Abstand brauchte! Aber ihre Beine konnten ihr Gewicht kaum noch tragen, sodass sie draußen am Gang erst einmal zu Boden sank und Zeit zum Kräftesammeln benötigte, um wieder hochkommen zu können. Dass sie dabei im Nassen saß, weil auch hier das Wasser sich seinen Weg hin gebahnt hatte, bemerkte sie dabei nicht einmal.
Doch allmählich wurde auch ihr kalt, weswegen sie die Beine anzog und die Arme drum schlang, um die wenige Restwärme in ihrem Körper bei sich behalten zu können. In dieser Position fiel es ihr immer schwerer, der drohenden Ohnmacht nicht nachzugeben und in die Dunkelheit zu versinken.
Es musste trotzdem geschehen sein, denn sie bemerkte nicht, wie sich ihr jemand näherte und sie sogar ansprach. Erst, als sie etwas unangenehm in den Oberarm stach, zuckte sie leicht zusammen und fand die Kraft, ihren Kopf ganz langsam anzuheben. Was genau sie da zu sehen bekam, welche Art von Zwerg das sein mochte, der ihr eine Waffe vor die Nase hielt, konnte ihr Verstand vor lauter Schwäche nicht mehr begreifen. Lediglich, dass es ein lebendiges Wesen sein musste, ging ihr auf.
Seufzend schloss sie die Augen. "Hilfe...", hauchte sie. Dann kippte sie zur Seite und blieb bewusstlos in der Nässe liegen.

Wie lange sie weggetreten war, wusste sie im Nachhinein nicht zu sagen. Jedoch hatte sich ihre Umgebung verändert, das konnte sie spüren, noch ehe sie die Augen öffnen konnte. Sie lag, ausgestreckt und weicher als auf einem nassen Boden. Auch beschwerte etwas ihren Körper und bescherte ihr zugleich wohlige Wärme, wie es nur eine trockene Decke vermochte.
Da war allerdings noch mehr, wie sich zeigte, kaum, dass sie sich ein wenig regte. Auch von ihrer Seite aus wurde ihr warm und sie fühlte einen gewissen Widerstand. Dieser brachte sie schlussendlich dazu, in der Wirklichkeit zu verbleiben und langsam blinzelnd die Augen zu öffnen. Während ihr Blick sich schärfte, erkannte sie eine Zimmerdecke über sich, die sie wenig interessierte.
Stattdessen drehte sie ihren Kopf ein wenig... und kniff leise seufzend die Lider hastig wieder zusammen. "Na, wunderbar!", murmelte sie und fragte sich, warum sie ausgerechnet mit ihm unter eine Decke gesteckt hatte! Und wo war sie überhaupt?
Diese Frage versuchte, sich durch all die Gedanken und Erinnerungen zu drängen, die sich ebenfalls aus der Schwärze lösten und ihr Schwindel verursachen zu wollen schienen. Sie haschte danach in dem Versuch, sich den anderen Bildern nicht stellen zu müssen, und dennoch entglitt sie ihr immer wieder.
Bis ein ganz spezielles, einmaliges Bild vor ihr geistiges Auge trat und sie leise, voller Qual aufstöhnen ließ, während ihre Finger leicht zuckten. Zuckten und dabei ein Stück warmer, straffer und zugleich weicher Haut streiften, fast schon kraulten.
Als sie sich dessen bewusst wurde, fuhr sie erschrocken zurück... und polterte prompt mit einem leisen Aufschrei aus dem zu schmalen Bett. Dabei zog sie auch die Decke mit sich und... entblößte, was sie niemals wieder in ihrem Leben unbedeckt hatte sehen wollen!
Hastig kniff sie die Augen ein weiteres Mal zusammen, denn natürlich hatte sie genau dort hingesehen im ersten Moment, und wollte sich möglichst rasch aus der Decke befreien. Mit dem Ergebnis, dass sie sich erst darin verhedderte und noch hektischer in ihren Bewegungen wurde. Wenigstens war sie dadurch abgelenkt, sah vielmehr auf den schwere, wärmenden Stoff und war sich gar nicht bewusst darüber, dass sie den ein oder anderen Schimpflaut ihrer frühesten Kindheit dabei verwendete.
Irgendwann allerdings war es geschafft und sie konnte aufstehen, den Gegenstand ihres Ärgernisses in beiden Händen. Wie eine schützende Wand vor sich haltend, wollte sie diese in einem ersten Impuls sofort über den Waldelfen werfen, um nie, absolut nie wieder seine Männlichkeit sehen zu müssen. Doch durch ihre neue Position bekam sie auch die Kühle ihrer Umgebung zu spüren, sodass sie unwillkürlich an sich herab sah. War wenigstens sie noch bekleidet oder hatte man sie auch ausgezogen? Wie kam es, dass ihr mit einem Mal die Wärme fehlte? Weil sie nicht mehr an ihn gekuschelt unter der Decke lag? Oder war ihre Kleidung noch immer tropfnass wie alles in dem Raum, den sie geflutet hatte? Würde sie tatsächlich die Decke zurück geben... oder sich lieber selbst darin hüllen, um in ihrem Egoismus lieber sich selbst zu verbergen anstatt ihn?
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 21. Juli 2023, 17:11

Niemand konnte genau sagen, was geschehen war. Ein ziemlicher blasser Fizbin rannte plötzlich schreiend durch die Gänge der Akademie und erschreckte damit nicht nur zahlreiche Schüler und Lehrkräfte, sondern rief auf dunkelelfische Wachen auf den Plan. Der arme Goblin hatte irgendwo sein Schwert verloren, wimmerte etwas von einer lebenden Toten, die seine Hilfe bräuchte und von einem nackten Elfen in einem von Wasser vollständig demoliertem Raum.
Schnell fand man heraus, wer in diesem Zimmer eigentlich untergebracht war, aber weder vom neuen Liebling der Feuerhexe noch von ihr selbst war auch nur eine Spur zu finden. So trat der Rat engster Vertrauter von Serpentis auf den Plan, um die Lage zu überblicken. Eine Lösung musste her. Glücklicherweise erkannte jemand den nicht ganz so leblosen Leichnam, den man am Eingang des Raumes gefunden hatte. Das war Azura, eine von zwei Frauen, die versucht hatten, Serpentis im Hof zu attackieren. Eine von zwei Frauen, die mehr als in der Gunst der Hexe stand, denn sie sollten von ihr oder einem ausgesuchten Magus unterrichtet werden. Serpentis hatte sie kurzerhand zu ihren Schülerinnen, aber auch Sklavinnen gemacht. Sie würden weiterleben dürfen, allerdings unter der Befehlsgewalt der feurigen Herrin ... wie so viele andere hier. Diesen Status nahmen quasi alle Lehrkörper und Eleven ein, die nicht dem dunklen Volk angehörten. Für die meisten von ihnen waren das erschütternde Neuigkeiten gewesen. Bislang hatte sich aber nur gezeigt, dass der Unterricht plötzlich ganz normal fortgesetzt wurde, fast als hätte es Andunies Eroberung niemals gegeben. Die einzig spürbaren Unterschiede waren die dunkelelfischen Wachposten, sowie die gemischten Klassne. Plötzlich wollten auch Dunkelelfen, Goblins und sogar Orks die Kunst der Wassermagie erlernen. Letztere taten sich besonders schwer, aber man gab sein Bestes. Strafen hagelte es gar nicht und überhaupt kamen die unterschiedlichen Völker unter dem Schirm einer gemeinsamen Lehre gut miteinander aus. Die untot wirkende, junge Frau namens Azura aber würde nicht an solchen Unterrichtsstunden teilnehmen. Sie galt als Sonderstatus, ebenso wie ihre Komillitonin Madiha und der Einarmige, den sie alle nur als den Leidträger kannten. Was der Waldelf Kjetell'o in seinen Räumlichkeiten gemacht hatte, blieb der vereinten Akademie ein Rätsel. Fremd war er zum Glück nicht allen und nur dieser Umstand hatte dazu geführt, dass Azura nun neben dem nackten Körper des Elfen erwacht war.
Sie trug nach wie vor ihre Kleidung, welche tatsächlich auch trocken war. Offenbar hatte es niemand gewagt, einer mutmaßlich Untoten an die Wäsche zu wollen. Wie eine Wasserakademie es allerdings hatte vollbringen können, ihre Kleidung zu trocknen, blieb genauso ein Rätsel wie die Frage, wo sie sich gerade befand. Der Raum war schnell überblickt, trotzdem hatte Azura keinen Fokus darauf. Jener lag auf dem Waldelfen, welcher neben ihr schlief, mit glatten Zügen und glatter Haut, aber ohne Kleidung. Das allein gepaart mit der Erinnerung seiner Worte genügte, um Azura aufschrecken zu lassen. Hastig riss es nicht nur sie aus dem Bett, sondern auch die Decke vom Körper ihres Vaters. Sein blanker Hintern glänzte im Licht der einzigen Laterne im Raum verboten perfekt. Wenn er wirklich ihr Erzeuger war, konnte Azura nur hoffen, diese Genetik geerbt zu haben. Knackiger als das frischeste Gemüse, das war er, wohlgeformt und rund. Man wollte hineinbeißen wie in einen Apfel!
Azura hatte jedoch im Moment andere Probleme. Die Decke schlang sich um ihren Körper wie eine dieser boshaften Fingerfallen, die man im Leben nicht mehr losbekam. Immer enger legte sich der Stoff um sie, bis es ihr endlich gelang sich zu lösen. Dabei hatte sie jedoch so stark und vor allem laut auf garmisch geflucht, dass es selbst dann ihren Vater geweckt hätte, wäre er so tot gewesen wie sie aussah. Kjetell'o zog die Brauen zusammen, brummte und drehte sich. Der Prachthintern grinste Azura nun voll wie der gebräunte Mond entgegen. Dann aber rappelte der Elf sich langsam auf. Er blinzelte, streckte sich und tastete im nächsten Moment seinen Körper ab. Danach schaute er sich um, erblickte Azura. Diese hatte schnell gehandelt. Die Decke war nun doch wieder um ihren Leib geschlungen, obgleich es nicht nötig wäre. Sie war angezogen. Nur ihr Schuhwerk, das stand neben dem Bett.
Kjetell'o musterte sie. "Dir geht es ... gut?", fragte er frei von seiner üblichen Ruhe. Er schien wirklich besorgt zu sein. Langsam rieb er sich die Arme. Erst jetzt bemerkte er seine Blöße und da war sie wieder, diese vertraute Ruhe. Er war wieder er selbst. Mit einem entwaffnendem Schmunzeln griff er nach dem Kopfkissen und schob es sich vor den Schoß, während er eine sitzende Position auf der Bettkante einnahm.
"Ich schätze, dir ist es angenehmer, nicht alle Details von mir zu kennen." Er musterte sie weiterhin, suchte nach Anzeichen in ihrer Mimik, die ihm verraten könnten, was sie von der Situation hielt. Von dem Moment, da sie wissen musste, wer vor ihr saß. Schließlich seufzte er leise. "Verzeih mir, dass ich die Kontrolle verloren habe. Es wäre besser, du erwähnst das nicht vor Madiha. Das wäre mir sehr lieb." Er wich ihrem Blick aus, zuckte plötzlich zusammen und griff sich an den Hals. Dort umfasste er das Beutelchen, in dem Azuras Perlen ruhen mussten. Erneut seufzte er, dieses Mal vor Erleichterung. Seine Finger hielten das Kleinod fest umschlungen. "Ich war unvorsichtig. Es wird nicht wieder passieren ... denn jetzt weißt du ja, wer ich bin." Ein erneuter, prüfender Blick in ihre Richtung folgte. Stille breitete sich darüber aus und ehe sie unangenehm werden konnte, setzte Kjetell'o nach: "Was sagst du dazu? Ich meine ... hast du es gewusst, dass dein andunischer Vater nicht mit dir verwandt ist? Hat Aquila dir überhaupt etwas erzählt ... von mir?"
Nun gab es kein Entkommen. Azura würde sich der Situation stellen müssen. Denn sollte sie versuchen, erneut Heil in der Flucht zu finden, würde sie an der abgeschlossenen Tür scheitern. Das Fenster war vergittert und bot somit auch keine Gelegenheit. Und eine weitere Ohnmacht? Nun, die würde es nur verzögern, aber Kjetell'o konnte warten. Er besaß die Geduld von Gestein.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Freitag 21. Juli 2023, 21:29

Hätte man Azura im Wachzustand gefragt, sie hätte womöglich Antworten gegeben. Nun ja, sie hätte diese geben können, aber ob sie dies auch wollen würde... das stand auf einem gänzlich anderen Blatt! Vor allem, weil sie noch nicht einmal selbst so genau wusste, was sie darüber denken sollte, was sie erlebt und erfahren hatte.
Dieser Waldelf behauptete, er wäre ihr leiblicher Vater. Gut und schön, und was sollte sie damit anfangen? Sie könnte ihm glauben... oder auch nicht. Wenn sie es nicht täte, würde sie noch viel mehr infrage stellen, was sie in seiner Gegenwart bislang überhaupt erlebt hatte, ungeachtet all der Gefühlswallungen, die er in ihr verbotenerweise ausgelöst hatte. In ihr, seinem angeblichen eigen Fleisch und Blut!
Natürlich war es in den Kreisen, in denen die junge Frau dank ihres Stiefvaters aufgewachsen war, nicht ungewöhnlich, dass auch engere Verwandte eine Ehe miteinander eingingen und Kinder zeugten, sofern ihnen dies gelänge. Aber dabei handelte es sich höchstens um Cousin und Cousine, niemals näher verwandt, keine Geschwister, nicht einmal jene mit lediglich einem gleichen Elternteil, und Vater und Tochter oder Mutter und Sohn erst recht nicht! Allein dieser Gedanke war in all seiner Theorie widerlich! Und dennoch... sie war nicht gänzlich unempfänglich für die körperlichen Reize dieses Elfen, sodass sie, wenn er nicht gelogen hatte, ihre Mutter durchaus verstehen konnte, warum sie ihm vor Jahren erlegen war.
Oder lag das lediglich an den mangelnden Vergleichsmöglichkeiten, die sie bisher gesammelt hatte? Welchen Mann hatte sie denn schon nackt gesehen? Da war Corax, ihr Rabe, natürlich, jedoch hatte er dafür gesorgt, dass er nicht mehr vollständig war. Trotzdem war er für sie schön und anziehend, keine Frage.
Dann hatte sie noch den widerlichen Kapitän zu Gesicht bekommen, der sich an ihr hatte vergehen und von einem dieser widernatürlichen Wesen, die ihren Liebsten so lange gequält hatten, nachempfunden worden war. Dieser war genau das Gegenteil von dem gewesen, was ihrem Auge gefallen mochte, haarig, wuchtig und... einfach nur ungeschlacht.
Nein, gegen einen elfischen Mann, egal, welcher dieser beiden, hatte dieser Mensch definitiv keine Chance! Allerdings bedeutete das ja nicht, dass alle so wären... oder? War sie durch das gemischte Blut, das angeblich in ihren Adern fließen sollte, etwa instinktiv darauf eingestellt, lediglich spitzohrige Männer schön finden zu können?
Lautlos seufzte sie und fühlte, wie es in ihrem Inneren arbeitete, ohne einen Faden erwischen zu können, an dem sie sich erst einmal entlang hangeln und zur Ruhe kommen könnte. Erst recht nicht, sobald sie die Option in Erwägung ziehen würde, dass dieser nackte Mann neben ihr tatsächlich ihr Erzeuger sein könnte.
Denn dass nicht ihr Stiefvater dafür verantwortlich war, wusste sie. Ja, sie hatte auch noch die ein oder andere Erinnerung an ihre Kindheit vor der Hochzeit ihrer Mutter und diese hatte obendrein in der Hinsicht immer darauf hingewiesen, dass Alycide gern für sie als Vater da wäre, wenn sie es denn akzeptieren würde. Hatte sie... solange er nach ihrer Pfeife getanzt hatte und wie jedes verwöhnte Töchterchen war ihr das auch vorzüglich gelungen. Wer hingegen dafür gesorgt hatte, dass es sie überhaupt gab, und warum er Mutter mit Kind im Stich gelassen hatte, das hatte sie Aquila niemals entlocken können. Auch nicht, wenn sie das Ehepaar heimlich belauscht hatte, in der Hoffnung, auf diese Weise an die Wahrheit heran kommen zu können. Und irgendwann... hatte sie aufgehört, sich dafür zu interessieren.
Umso größer war die gefühlte Wucht dieser Information für sie gewesen, ehe besagter Vielleicht-Vater in Flammen aufgegangen war. Mit dem Ergebnis einer kräftigen wassermagischen Entladung ihrerseits und einem Aufwachen neben ihm... in einem Bett... bei dem lediglich sie Kleidung trug!
Die Erkenntnis von nackter Haut neben sich sorgte dafür, dass sie prompt aus der zu schmalen Schlafstatt polterte und sich in ihrem hektischen Versuch, sich zu befreien, erst einmal nur noch stärker verhedderte, bevor sie sich frei strampeln konnte. Trotzdem behielt sie die Decke in Händen, anstatt sie gleich dem Waldelfen überzuwerfen und ihre Augen dadurch davor zu bewahren, noch mehr Schmackhaftes zu erblicken, weil sie sich daran erinnerte, selbst vollkommen durchnässt gewesen zu sein.
Vorhin noch hatte sie keinen Gedanken daran verschwendet, jetzt hingegen hatte sich alles verändert und in Erinnerung an die peinliche Szene auf dem Schiff mit dem andunischen Kapitän musste sie sich mit diesem Sichtschutz erst einmal davon überzeugen, nicht mehr als nötig von ihrer Erscheinung preiszugeben. Allerdings fühlte sie sich trotz trockener Stoffe auf ihrem Leib unwohl und gab dem Impuls, sich wieder in die Decke zu wickeln, kurzerhand nach. Ganz so, als müsse sie sich schützen vor dem, der allmählich erwachte und im Gegensatz zu ihr nackt war.
Auch wich sie instinktiv etwas zurück und versuchte, irgendwo anders hinzusehen, nur eben nicht auf seine Lenden. Es war schwer, so unendlich schwer!
Indes rappelte er sich langsam auf und obwohl sie es nicht wollte, ein leiser Teil in ihrem Inneren war erleichtert über diesen Umstand. Ein Teil, den sie hastig, fast schon panisch zum Schweigen zu bringen versuchte. Er hingegen dachte wiederum an sie, wie seine Frage bewies, und schaffte es damit, ihr inneres Feuer zu schüren.
Wütend, beinahe schon empört, sah sie abrupt zu ihm hin. "Sehe ich so aus?", schnappte sie zurück und spürte, wie ihre Wangen glühend heiß zu werden begannen, weil ihr Blick, kaum in seine Richtung gewandt, schon wieder hinab sinken wollte. Wie gut, dass er es ebenfalls bemerkte und sich das verbliebene Kissen in den Schoß legte.
Azura schloss die Augen und versuchte, tief durchzuatmen, während ihr gesamtes Gesicht inzwischen brannte vor Scham. Sie war so dumm gewesen, sollte sich herausstellen, dass er tatsächlich ihr Va... Nein, sie musste das verdrängen, musste diese Bilder und dieses Begehren tief in sich begraben und vergessen. Oh, warum nur schien sich sein Anblick regelrecht in ihren Geist gebrannt zu haben, dass sie selbst jetzt das Gefühl hatte, jedes Detail vor ihrem inneren Auge sehen zu können?!
Wie die Faust aufs Auge, wenn man es derber ausdrücken wollte, passte dazu seine Bemerkung, die mit jener enervierenden Ruhe über seine Lippen kam, die sie schon wieder hätte ausflippen lassen können. "Zu spät...", murmelte sie in sich hinein und kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel, in der Hoffnung, so endlich zu sich zurück finden zu können.
Während sie so mit sich rang und sich bemühte, ihre inneren Wogen zu glätten, spürte sie seinen Blick förmlich auf sich ruhen, was ihr nicht gerade hilfreich war. Das Kneifen wurde stärker, bis ihr schwindelig davon wurde und sie diesen Druck zwangsläufig lösen musste, wollte sie keine Ohnmacht provozieren.
In der Zwischenzeit seufzte er und löste damit bei ihr einen ähnlichen Verzweiflungslaut aus, obwohl ihrer in ihren eigenen Ohren leiser ausfiel. Bei seiner Entschuldigung schaffte sie es endlich, ihn wieder ansehen zu können und dabei auch bei seinem Gesicht zu bleiben. Dann allerdings runzelte sie die Stirn und schnaubte wenig damenhaft, verschränkte obendrein die Arme vor der Brust, sodass die Decke weiterhin hielt. "Glaubst du im Ernst, ich will irgendjemandem davon erzählen?!", entkam es ihr noch immer echauffiert, wenngleich zumindest ein bisschen ruhiger.
Trotzdem blieb sie bei ihrer ablehnenden Haltung, ja, klammerte sich regelrecht daran, um sich nicht erneut in den Fluten ihrer übrigen Gefühle zu verlieren. Was alles andere als leicht war, als er an seinen Hals griff und auch ihr damit zeigte, was in dem Flammenmeer sonst noch hätte zerstört werden können. Einen Moment lang wurde sie blass und schwankte leicht, ehe sie sich an der Wand anlehnend fassen konnte.
Dabei hörte sie seine Erklärung und Beteuerung, brachte jedoch nicht mehr als ein schwaches Kopfschütteln zustande. Allmählich wurde es besser und sie schloss erneut die Augen, um konzentrierter durchatmen zu können.
Was seine Stimme unterbrach und dazu führte, dass sie ihn am liebsten sofort wieder angefahren wäre in ihrem hochkochenden Zorn. Diese ewige Ruhe, als könne nichts sie erschüttern, als wäre das keine mögliche, weltbewegende Wahrheit für sie, war einfach nur zum Haareraufen! Aber dieses Mal nicht, dieses Mal wollte sie es sein, die sich auch beherrschen konnte, nachdem sie gesehen hatte, was passierte, wenn ihm das nicht gelänge. Und hier gab es keinen offenen Balkon mit einem Regenguss, den sie zur Hilfe rufen konnte...
Hörbar atmete die junge Frau aus und fasste einen Entschluss. "Wer sagt mir, dass das auch stimmt?", erwiderte sie leise und dennoch so fest wie möglich, ehe sie die Lider anhob und ihn wieder ansah. "Ich kenne dich kaum und ich weiß nicht, welche Informationen du über mich eingeholt hast, während ich bewusstlos war. Welche Gründe gibt es also, dass ich dir glaube, anstatt davon auszugehen, dass du ein Betrüger bist, der nur an das Vermögen meiner Eltern gelangen möchte?", hielt sie dagegen und war ihrerseits derzeit noch nicht gewillt, ihm tatsächlich ihr eigenes Wissen preiszugeben.
Zwar wäre sie unter anderen Umständen dazu versucht gewesen, aber nach all dem, wie er sie verwirrt hatte... Nein, es war eindeutig besser, wenn sie vorsichtig bliebe. Nur, weil er den Namen ihrer Mutter kannte, bedeutete das noch lange nicht, dass er wirklich mit ihr einst zusammen gewesen war. Schließlich hatte er selbst erwähnt, dass er lang und viel mit Corax gesprochen hatte und auch ihr Rabe wusste ein paar Dinge von ihr. Vielleicht sogar mehr, als sie ihm erzählt hatte, das konnte sie nicht sagen. Es wäre also durchaus möglich, dass er sich lediglich einiges zusammen reimte und mit viel Geschick Behauptungen aufstellte, die bei der richtigen Reaktion ihren Wahrheitsgehalt offenbaren würden.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Samstag 22. Juli 2023, 10:04

Wenn man Azura als Außenstehender beobachtete, sie zugleich aber gut genug kannte, um sich ein Urteil bilden zu können, dann war es doch faszinierend, wie sich Gegensätze immer wieder in ihrem Naturell widerspiegelten. Sie beherrschte die Wassermagie - irgendwie und halbwegs passabel, aber meistens unkontrolliert. Zugleich aber fürchtete sie bei jedem Einsatz, etwas in ihrem Inneren dadurch auslöschen zu können. Es erinnerte an ein Teelicht, das auf den wogenden Wellen des Meeres hin- und hergeschkleudert wurde. Sie wollte einfach nicht, dass es verging. Ähnlich war es mit ihren Manieren. Azura hatte eine unglaubliche Erziehung genossen. Der andunischen Gossenjargon ihrer jüngsten Kindheit saß allerdings ebenso tief in ihr verwurzelt wie das Wissen, nach welchem Besteckstück man in welcher Reihenfolge greifen musste bei einem noblen Mehrgänge-Menü. Sie kannte beide Seiten. Ebenso konnte sie sich kokettiert und geradezu klischeehaft adlig verhalten - ignorant, arrogant. Madiha konnte ein Lied davon singen. Die meiste Zeit nahm Azura die junge Frau aus der Wüste überhaupt nicht wahr. Andererseits konnte sie aber auch freundlich sein. Gerade Männern gegenüber zeigte sich schnell mal eine andere Note ihres Gemüts. Und da erreichte ein außenstehender Beobachter auch das Kernthema seiner Überlegungen: Männer. Azura hatte erst einmal richtige Erfahrungen mit ihnen machen können und hier auch nur mit einem Eunuchen. Ihre Eltern konnten ob des unehelichen Fauxpas' wenigstens beruhigt sein, dass es nachhaltig keine Konsequenzen hätte. Bastardkinder waren störend im Adel. Man musste sie versorgen, ohne sie zu legitimen Erben erklären zu können und irgendwann gerieten sie in ein Alter, da sie es anstrebten. Dann mussten ... Unfälle passieren. Die einzige Alternative bestand darin, ein solches Balg frühzeitig an eine kinderlose Bauernfamilie abzugeben, um es im Glauben großziehen zu lassen, es sei nichts wert.
Wer in Azuras Augen an Wert verlor, waren Männer, die nicht mehr für sie als potenzielle Galane in Frage kamen. Wo sie Kjetell'o also zu Beginn noch heimlich angehimmelt hatte, einen wilden Herzschlag in ihrer Brust und ein sehnsüchtiges Pochen in ihrem Schoß verspürt hatte, da schien es mit der Information ihrer möglichen Verwandtschaft zu ihm wie weggeblasen zu sein. Und dann setzte das azurische Desinteresse einer Adligen ein, die mit einem solchen Mann genauso wenig anfangen konnte wie mit einem Kapitän, dessen Herz für ein Wüstenmädchen schlug. Sie mäkelte an ihnen herum. Ob es einfach ihre Art war oder der Umstand, dass sie sich eingestehen musste, eben nicht alles und jeden zu bekommen, das wusste nur sie selbst. Fest stand, dass sie plötzlich ihr Fähnchen in eine ganz andere Windrichtung drehte und somit die Herzlichkeit aus ihrem Umgang mit Kjetell'o verschwand.
Der Elf jedoch stellte ihre Nemesis dar. Nicht nur, weil er behauptete, ihr Erzeuger zu sein, sondern auch, weil er sich offenbar fest vorgenommen hatte, nie wieder die Beherrschung zu verlieren. Azura beneidete seine an den Tag gelegte Ruhe, selbst jetzt, da die beiden nicht einmal wussten, wo sie sich befanden. Sicher hatte der Waldelf anhand des Zimmers auch schon festgestellt, dass hier etwas nicht stimmte, aber er verschob diese Sachlage auf später. Seine Tochter hatte höhere Priorität. Daher galt seine erste Frage auch nur Azura und ob es ihr gut ging.
"Sehe ich so aus?", blaffte sie ihm empört entgegen, obwohl sie genauso gut ahnen konnte wie er, dass er nicht ihren Zustand meinte, unter dem sie schon seit ihrer beider Kennenlernen litt. Eigentlich ja noch länger, aber das konnte Kjetell'o höchstens von Corax wissen. Wo ihr Rabe ihr nun aber einen nicht minder harschen Konter geliefert oder sie einfach nur angeschnauzt hätte, bis sie sich gegenseitig in eine erotische Lage aus Hassliebe und anziehender Lust geschaukelt hätten, da blieb Kjetell'o wieder ganz er selbst. Er nahm sich sogar die Zeit, Azura ausgiebig zu mustern - jedenfalls so weit, wie es ihr Aufzug in der eingewickelten Decke hergab. Dann schüttelte er sachte den Kopf.
"Nein." Oh, diese Ruhe. Diese Einfachheit seiner Antwort! Es war zum Haareraufen. "Es wird wohl langsam Zeit, dass wir etwas dagegen unternehmen." Seine Hand fuhr an den Hals, zu dem Kleinod, das er trotz der Selbstentzündung hatte retten können. Weder dem Beutel noch seinem Verschlussband schien etwas geschehen zu sein. Das ließ auch darauf schließen, dass es den Tränenperlen im Inneren gut ging. Ihr Gewicht unter der Hand zu fühlen, schickte einen erleichterten Schimmer über seine Züge, dass die Augen wieder mit goldenen Sprenkeln seine tiefgrünen Wälder heimsuchten. Azura konnte sich dem kaum entziehen. Sie besaß ansatzweise seine Augen. Jetzt, da sie die Information ihrer beider Blutsverwandtschaft besaß, bemerkte sie es selbst. Ob Männer sie deshalb so schmachtend anschauten? Wegen ihrer eigenen schönen Augen, in denen manchmal auch Gold am Rand ihrer Pupillen leuchtete und einen Kranz bildete wie ein Diadem, einer Prinzessin würdig?
Seine Bitte, über den feurigen Ausbruch zu schweigen, lenkte Azuras Aufmerksamkeit auf den Elfen zurück. Erneut reagierte sie so forsch wie nicht einmal zuvor, als noch die Möglichkeit im Raum stand, sie und Kjetell'o hätten ... Dinge tun können, die von der Gesellschaft und den göttlichen Naturgesetzten Florencias und Phauns nicht verurteilt würden. Und trotz ihrer Impulsivität ließ er sich erneut nicht aus der Ruhe bringen.
"Glaubst du im Ernst, ich will irgendjemandem davon erzählen?!"
"Ich weiß nicht, wie gut es deiner Beziehung tut, Geheimnisse vor dem Leidträger zu haben. Er hat keine vor dir, soweit ich es überblicken kann. Er ist dir ein offenes Buch." Kjetell'o zögerte. "Nutz das bitte nicht aus, das hat er nicht verdient." Er unterstellte es ihr nicht direkt, aber ahnte schon, wie so manche Adlige einen verliebten Jüngling zu ihren Gunsten zu lenken wüsste mit der Ausrede nicht schuldig zu sein, dass er ihr nach hechelte wie ein Hund der läufigen Gefährtin. Kjetell'o klang dabei auch nicht einmal wie der strenge Vater, der ihr etwas abverlangte. Ihr Ziehvater hatte manchmal den Finger erhoben. Nanana, Azura, so benimmt sich eine junge Dame aus gutem Haus aber nicht, hatte er sie mehr als einmal ermahnt. Letztendlich war er doch eingeknickt wie alle anderen. Azura van Ikari hatte immer ihren Willen bekommen. Wie würde es nun mit einem Waldelfen sein, der sich anmaßte, ihr Vater sein zu wollen und der noch dazu niemals die Geduld mit ihr verlor? Anstrengend würde es, zumindest für sie! Soviel konnte sie sich bereits ausmalen. Allerdings waren ihre Gedanken zu der Situation nach wie vor von Zweifeln umwoben. Vielleicht versuchte ihr Unterbewusstsein auch, den Fakt zu verdrängen, dass sie sich zeitweise nach seiner körperlichen Nähe gesehnt hatte und es ihr auch jetzt noch schwer fiel, seinem Charme auszuweichen. Allein, dass sie erneut diese Nuance von Vanille und Zitrone im Raum wahrnehmen konnte, machte es schwer. Seine Augen machten es schwer. Seine sanfte Andeutung eines Lächelns. Die Tatsache, dass er splitterfasernackt dasaß und sie alles - ALLES - gesehen hatte! Dass sie vor der Schreckensnachricht vermutlich auch alles zugelassen hätte, wäre es soweit gekommen...
Dass sie sich inzwischen versuchte, ihm ein wenig anzupassen und damit nur die Bande zwischen ihnen enger knüpfte, bemerkte sie nicht. Er schon. Sein Schmunzeln wuchs ein wenig und noch etwas breiter, als Azura diese zu ihrer erzwungenen Ruhe widersprüchliche Frage stellte: "Wer sagt mir, dass das auch stimmt?"
"Ich." Ein einziges Wort, simpel und ruhig ausgesprochen. Es beantwortete ihr die Frage im Grunde. Doch Kjetell'o stellte schnell fest, dass sein Wort allein hier nicht ausreichte. Es war zu schwach, denn es kam von einem nahezu Fremden, der Azura Zeit ihres Lebens nicht einmal gezeigt hatte, dass sie seinem Wort Vertrauen schenken konnte. Er musste schief lächeln und wandte kurz den Blick ab. "Das kann ohnehin niemand mehr tun, der den Hintergrund kennt." Er schaute auf. "Du sprichst kein Lyrintha, nehme ich an. Die Sprache der Elfen." Er nickte. "Sie ist für Menschen nicht allzu leicht zu erlernen. Man muss gut mit seiner Zunge umgehen und die vieler Menschen hängt eher schwer und schlaff in ihren Mündern." Warum er ausgerechnet jetzt über seine Zungenfähigkeiten sprechen musste, ohne Hintergedanken, die bei Azura vielleicht gerade wieder aufkommen wollten?!
Kjetell'o winkte ab. "Wenn du möchtest, bringe ich es dir bei. Ich möchte dir viele Dinge beibringen ... an oberster Stelle, dass du mich nicht verabscheuen musst, weil du glaubst, ich hätte kein Interesse an meinem eigenen Kind. Dass es dich gibt ... weiß ich erst seit kurzer Zeit. Dass es mich gibt, weißt du jetzt. Und dass es wahr ist, dass ich dein Vater bin, solltest du dir von jemandem bestätigen lassen, der mich kennt. Mich und dich." Er zog sacht Luft durch die Nase ein, ehe er den Blick nach unten und schließlich zu dem kleinen Gitterfenster richtete. Draußen hingen die grauen Wolken tief. Regen prasselte hörbar auf Dachschindeln. "Aquila van Ikari ist in ihrem Heim. Sie sorgt sich um dich. Weit genug, dass auch sie vernachlässigen würde, wie du aussiehst. Wir könnten aber auch versuchen, es rückgängig zu machen, doch dazu brauche ich die Hilfe des Leidträgers." Seine Augen wanderten zu Azura zurück. "Du empfindest etwas für ihn? Viel? Genug, dass du an eine gemeinsame Zukunft denkst?" Kjetell'o bohrte mit der Ruhe eines Wasserquells nach, der über Jahrhunderte einen Stein aushöhlen konnte, indem er einfach immer und immer wieder die gleiche Frage stellte. Im Gegensatz zu diesem stoischen Tropfen erklärte er aber auch. "Es ist wichtig, für das Ritual. Es sollte jemand durchführen, dem du viel bedeutest ... und der dir viel bedeutet." Er schlug nicht sich selbst vor. "Und wir brauchen ein Opfer." Natürlich. Es funktionierte nie ohne Opfer. Das Problem war inzwischen, dass Azura schon jedes Mal etwas geopfert hatte. Doch Kjetell'o fuhr fort: "Wir sollten irgendeiner Gottheit huldigen, um das Ritual mit ihrer Gunst abzusichern. Ich überlege, einen Apfelbaum zu pflanzen. Florencia steht für das Leben. Vielleicht kann ihre Gunst es in dich zurückfließen lassen." Grübelnd tippte er sich mit zwei Fingern an das Kinn. "Ich weiß nur nicht, ob ein Baum ausreicht..."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 22. Juli 2023, 14:36

Sie war eine junge Frau voller Gegensätze und das wusste sie auch, sie war unstet, ganz so wie ihr natureigenes Element. Nun ja, manchmal, teilweise hingegen passierte ihr solch ein Wandel auch nur. In anderen Situationen hingegen setzte sie ihre Launen auch ganz bewusst ein, um zu bekommen, was sie wollte. Im Moment allerdings war sie nicht wirklich in der Lage dazu. Sie war wankelmütig und das zeigte sich auch, jedoch etwas daran ändern konnte sie gerade nicht.
Nachdem sie sich mit Absicht wieder in die Decke gewickelt und festgestellt hatte, dass de Waldelf wieder wach war, gab es für sie kein wirkliches Entkommen vor ihm. Wenigstens war der Raum groß genug, dass sie einander nicht ständig berühren mussten, das war es aber auch schon. Eine merkliche Distanz hingegen konnte sie nicht herstellen. Somit blieb ihr nichts anderes übrig, als die Arme ablehnend vor der Brust zu verschränken und so zu verdeutlichen, dass sie ihm nicht um den Hals fallen würde, falls er das erwartet hätte.
Im Gegenteil, sie hätte ihm durchaus an die Gurgel gehen können. Wofür? Dafür, dass er in Flammen aufgegangen war, dass er ihr diesen gehörigen Schrecken eingejagt hatte, dass er behauptete, ihr Vater zu sein und wenn es stimmte, nie für sie da gewesen war, und... und... und für diese zurück gekehrte, unerschütterlich wirkende Ruhe, die sie allein durch ihr Vorhandensein schon reizte! Oh, warum nur musste er diese Beherrschung schon wieder an den Tag legen? Hatte er das damals auch getan, als er ihre Mutter... Es schüttelte Azura regelrecht durch und sie kämpfte darum, aufsteigende Bilder dessen möglichst rasch zu verdrängen.
Entsprechend maulte sie ihn an, kaum, dass er den Mund öffnete und obwohl er es durchaus nett gemeint haben mochte. Seufzend schloss sie die Augen und kniff sich in die Nasenwurzel, um ruhig bleiben zu können. Zumindest, soweit es ihrem Naturell entsprach.
Trotzdem schaffte er es mit nur einem einzelnen Wort, dass sie ihm einen beinahe schon vernichtenden Blick zuwarf. Ja, natürlich, sie wollte auch endlich etwas an ihrem Äußeren ändern, das hatte er gut erkannt. Männer! Als ob es notwendig gewesen wäre, etwas derart Offensichtliches auszusprechen! Wie hatte sie nur wenige Stunden zuvor noch jedes Wort für etwas halten können, das sie zum Schmachten bringen könnte?!
Seine nächste Bemerkung, besser gesagt, seine Bitte, lenkte sie ab und ließ sie sich ein weiteres Mal empören. Doch die Krönung des Ganzen kam bei seiner Erwiderung. Einen Moment lang blieb ihr die Spucke weg und ihr Mund öffnete sich leicht.
"Mei... meine... Be... Be... Beziehung...?", keuchte sie und zeigte damit offensichtlich, wie sehr er sie damit aus dem Konzept gebracht hatte. Denn sie hatte sich mit dieser Möglichkeit noch gar nicht beschäftigt, es einfach aus Zeitmangel nicht tun können und wusste nicht einmal, was genau das zwischen ihrem Raben und ihr in Wahrheit sein sollte.
Das wurde jedoch unwichtig, als er sie im nächsten Atemzug auch noch beleidigte, indem er ihr etwas unterstellte, dass sie so niemals vorgehabt hatte! Nun gut, mit dem ein oder anderen Mann, ja, sie hatte viel mit ihren Galanen gespielt und diese mit Freuden um den Finger gewickelt, ohne je auch nur eines ihrer angedeuteten Versprechen einzuhalten. Es war allerdings auch nicht von ihr erwartet worden! Bei Corax hingegen... Nein, niemals!
Ihre Miene wurde finster. "Nett, welches Bild du von mir hast!", schoss sie zurück und hätte noch so manchen Giftpfeil gehabt, den sie mit Hingabe verschossen hätte. Nur... irgendetwas hielt sie davon ab, sodass sie es bei diesem Protest sein ließ. Es ärgerte sie und sie ärgerte sich vor allem über sich selbst, weil sie ihn nicht deutlicher in die Schranken verwies, aber sie brachte es einfach nicht über die Lippen. Stattdessen beschränkte sie sich auf einen neuerlichen bitterbösen Blick in seine Richtung, ehe sie demonstrativ den Kopf abwandte, um anzuzeigen, dass sie ernsthaft schmollte.
Wenig später brachte er das Gespräch in eine andere Bahn und da konnte sie ihre Wut nutzen, um bei ihrer Ablehnung zu bleiben. Sie wollte ihm nicht glauben, weil es viel zu viel durcheinander bringen und regelrecht auf den Kopf stellen würde. Mehr, als sie vermutlich ahnte, weswegen sie sich instinktiv dermaßen dagegen wehrte.
Also machte sie ihre Ablehnung deutlich und bei seiner einsilbigen Antwort warf sie ihm einen schiefen Blick zu, der eindrücklicher als jedes Wort zum Ausdruck brachte, was sie davon hielt. Nämlich nichts! Sie kannten einander nicht wirklich und sie hatte keinen Grund, ihm zu glauben, so wie er nicht wissen konnte, ob und wie ernst sie es mit Corax und dessen Gefühlen meinte. Nein, seine Meinung, sein Wort hatte bei ihr nicht jenes Gewicht und jene Glaubwürdigkeit, die es unter Umständen gehabt hätte, wenn sie sich länger gekannt hätten.
Als er daraufhin in seiner fremden Zunge sprach, hob sie nur beide Brauen ein wenig an. Um sich dann ein weiteres Mal Komplimente der anderen Art anhören zu dürfen, die ihr wenig schmeichelten. Erneut verschränkte sie die Arme vor der Brust. "Und da wären wir wieder dabei, dass ich ein Klotz bin, nicht wahr?", schnappte sie beleidigt und hatte dadurch den Vorteil, ausnahmsweise nicht daran denken zu müssen, was ein zungenfertiger Elf sonst noch damit anstellen könnte.
"Wenn du eine solch... schmeichelhafte Meinung von Menschen hast, wie kommt es dann, dass du dich mit einer davon eingelassen haben willst?", giftete sie weiter, ehe sie sich auf besagte schwere, schlaffe Zunge beißen und es sich verkneifen konnte. Sofort röteten sich ihre fahlen Wangen wieder und sie stieß ein erneutes Schnauben aus, wenngleich dieses mehr ihrem eigenen Verhalten als dem seinen galt.
Schon wieder fing er damit an, dass er ihr Lehrer sein wollte, nur dieses Mal scheinbar nicht ausschließlich wegen ihrer Magie. Ihre Brauen wanderten in die Höhe. Sie wollte ihm nicht glauben und doch... mit jedem weiteren Wort fiel es ihr schwerer, weil... weil sie eben trotz allem eine Menge Fragen in sich trug und er derjenige wäre, der sie beantworten könnte. Sofern er sie nicht anlog... ihr direkt ins Gesicht log!
Dann allerdings wagte er es tatsächlich, ihre Mutter in die Sache hinein zu ziehen. Natürlich, schließlich wäre sie tatsächlich die Einzige, die das Ganze bestätigen könnte, aber... Nein, sie wollte das nicht, sie wollte nicht, dass dieser Frau so etwas zugemutet wurde!
"Woher willst du das wissen?", fragte sie leise und spürte, wie ihre Augen leicht zu brennen anfingen. Oh, wie sehr sie ihre Mutter vermisste, mehr, als sie sich überhaupt bewusst gewesen war! Sie grub ihre Finger in ihre Oberarme, um an sich zu halten und keinen neuerlichen Gefühlsausbruch vor diesem Mann zu haben.
Ihre Miene verfinsterte sich wieder. "Du weißt gar nichts, du kennst sie nicht und sie kann nicht hier sein! Sie war auf Reisen und sie ist mit ihrem Gatten unterwegs, in Sicherheit!", wehrte sie ab.
Um im nächsten Moment zusammen zu zucken. "Und ihn lässt du gefälligst auch aus dem Spiel!", fauchte sie zurück. "Ich lasse sicher nicht zu, dass du ihn für deine Geheimniskrämerei einspannst und ihm sonst noch was antust!", wollte sie ihn weiter beschützen und offenbarte damit wohl deutlicher, dass er ihr alles andere als gleichgültig war, als wenn sie es mit Worten beschrieben hätte.
Er hingegen schien sie kaum zu hören, sondern sprach mehr zu sich selbst und schien davon auszugehen, dass sie keinen weiteren Widerstand leisten würde. Tatsächlich konnte sie sich seinen Überlegungen nicht gänzlich entziehen und murmelte leise den Namen jener Göttin, die als einzige Hilfe für sie infrage käme:"Ventha..." Und tastete dabei an ihre Hüfte, wo sich die Schriftrolle befinden sollte, die gewiss das perfekte Opfer darstellen würde.
Durch die Decke jedoch spürte sie diese nicht, dachte allerdings nicht an diesen Umstand, weswegen sie erschrak und damit begann, sich rasch auszuwickeln. Hoffentlich hatte sie sich gerade nur geirrt! Alles andere käme einer wahren Katastrophe gleich!
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 23. Juli 2023, 17:26

Wäre Kjetell'o nicht gänzlich nackt gewesen, hätte er sich Azura genähert. Oh, wie gern er es tun wollte. Sie - seine Tochter - noch einmal berühren und sie aus der unmittelbaren Nähe anschauen. Selbst in ihrem desolaten Zustand erkannte er Kleinigkeiten, die ihm verdeutlichten, was Azura noch lange nicht wahrhaben wollte. Er ahnte ja nicht, mit welch innerem Konflikt sie nach wie vor kämpfte. Ihm schien seine Wirkung gar nicht bewusst zu sein. Vielleicht, weil seine eigenen Absichten niemals auf einer Ebene stattgefunden hatten, die sich jenseits des Platonischen hätte bewegen können. Vorher war er einfach nicht sexuell interessiert gewesen und später hinaus stellte er bereits Vermutungen an, dass sie die Erbin Aquilas war. Dann hatte er genauer geschaut und Dinge entdeckt. Nicht nur seine eigenen Augen fand er in Azuras Blick wieder, nicht die leichte halbelfische Rundung der Ohren, die einem Menschen vielleicht nicht auffielen, einem Elfen jedoch durchaus. Es war auch ihre Persönlichkeit, die trotz ihres Bezugs zum Wasser sehr hitzköpfig daherkam. Sie erinnerte Kjetell'o an sich selbst und nicht zuletzt war es der gefallene Name van Ikari, der ihn wirklich hatte auf sie aufmerksam werden lassen.
Nun stand sie da, eingewickelt in die Decke, die Arme wie ablehnend vor der Brust verschränkt und verweigerte sich den Tatsachen. Kjetell'o blieb ruhig. Oh, natürlich blieb er ruhig, dass es die Andunierin fast zur Weißglut trieb. Wie konnte er angesichts dieser Informationen nur so gelassen bleiben? Fühlte er sich nicht unsicher, hier nackt auf dem Bett zu sitzen, in einem ihnen beiden vollkommen fremden Raum? Noch hatte sich niemand Fremdes gezeigt und einzig das Wetter, der Duft der salzigen See und die Art des Steines von Wänden, Decke und Boden verrieten Azura, dass sie sich noch immer in Andunie und noch immer in der Akademie der Wassermagie befinden musste. Abgenommen hatte man ihr auch nichts. Weder die Kleidung noch ihre kleinen Habseligkeiten, die sie am Körper trug. Die Schriftrolle hing immer noch an ihrem Gürtel und sie besaß auch noch Kjetell'os Holzfibel, die er ihr zugeworfen hatte. Er durfte sich weiterhin der Perlen im Beutel erfreuen und sicherlich erleichterte es auch Azura, dass sie nicht zerstört worden waren. Es fiel ihr nur schwer, jetzt ihren Fokus auf das Kleinod, auf ihr eigenes Opfer, zu richten. Die Themen, die Kjetell'o ihr zwangsläufig vorlegte, lenkten zu sehr ab. Allein schon, dass er sie in eine Beziehung mit Corax steckte. Ja, sie hatte ihm ihre Liebe nach langer Zeit endlich gestanden und dass sie erwidert wurde, wusste sie schon von weitaus früher. Aber was stellten sie und er eigentlich dar? Könnte sie diesen Dunkelelfen als Teil der Eroberer ihrer Heimatstadt überhaupt jemals ihren Eltern vorstellen? Vielleicht, wenn er aus gutem Hause käme und eine Ehe Vorteile mit sich brächte, aber nicht unter den aktuellen Umständen. Nicht nur, dass sie Corax' Zugehörigkeit in der Welt nicht kannte - er wusste es ja selbst nicht, hatte nicht einmal einen Namen! Ihr Liebster war darüber hinaus zusätzlich verstümmelt. Ein entmannter Elf würde niemals Kinder zeugen und welchen Sinn hatte es dann, sich mit ihm zu verbinden. Die Blutlinie der van Ikari würde enden. Sich das einzugestehen, wenn man doch nur auf diesen einen Moment im Leben hin erzogen worden war, einem künftigen Gatten möglichst viele Kinder zu schenken, musste erst einmal verdaut werden. Sollte sie sich überhaupt enger auf Corax einlassen als nur ihre Liebelei? Sah er es denn bereits anders und hatte Kjetell'o deshalb diesen Floh ins Ohr gesetzt?
"Mei ... meine ... Be ... Be ... Beziehung...?"
"Ihr seid kein Paar?", fragte er vollkommen frei einer Wertung. Er bildete sich kein Urteil, wirkte nur etwas überrascht. Dann senkte er den Blick auf seine nackten Knie. "Das könnte ihn unglücklich stimmen. Ihr solltet es unbedingt klären." Und ganz der Vater, für den er sich hielt, suchte er Azuras Blick, um seinen in eindringlicher Bitte auf ihr ruhen zu lassen. "Nichts sollte erzwungen werden, aber bringe es ihm schonend bei, wenn deine Entscheidung anders ausfällt als seine Erwartungen. Er kann sein Leid noch immer nicht richtig kanalisieren und wer weiß, ob mein Experiment glücken wird."
Kjetell'o war hier jedoch der falsche Ansprechpartner, es sei denn, Azura wollte mehr über seine Experimente wissen und warum er sie an Corax vollzog. Der Waldelf zupfte überhaupt bei jedem ihrer Gruppe an den Strippen. Er hatte Caleb den Einhorndolch gegeben, damit dieser im entscheidenden Moment Serpentis meucheln konnte. Er ließ sich von Corax eine Illsuion der Feuerhexe auferlegen, um für Andunie den Schein zu wahren, sie wäre noch an der Macht. Er wollte Madiha in der Feuermagie unterrichten, aber zu seinen Bedingungen. Und Azura? Auch sie wollte er lehren, doch bei ihr schien es nicht der Kern der Sache zu sein. Sie war laut seiner Aussage sein Fleisch und Blut. Welche Fäden legte er um die Gelenke seiner eigenen Tochter und was bezweckte er?
Azura blieb misstrauisch, auch weil sie es nicht so recht glauben wollte. Es würde alles verändern und hatte ihr Leben nicht schon genug Schaden genommen seit der Belagerung? Wieviel mehr sollte ihre gebeutelte Seele denn noch durchmachen? Sie war glücklich gewesen mit ihrer Mutter und ihrem Ziehvater. Da mochte er noch so sehr Aquilas Namen gebrauchen. Das bewies nichts! Selbst Corax hätte ihn wissen können. Er war in das Anwesen der van Ikaris eingedrungen. Dort lagen Bücher zum Familienstammbaum aus. Es gab Wandteppiche, die die Verbindungen Alycides zeigten und auch die Namen seiner Eltern, entfernten Vettern und sogar eine kleine Stickerei zu ihrem eigenen Namen: Azura van Ikari. Sie war seine Tochter, nicht die irgendeines Waldelfen, der sich anmaßte, nackt mit ihr in einem Raum zu sein!
Sicherlich hatte Corax den Namen ihrer Mutter gelesen und beim Erzählen irgendwie an Kjetell'o herangetragen. Das zumindest malte Azura sich aus und redete sich eifrig in eine Dementierung seiner Behauptung hinein. Dabei gab sie nicht nur preis, was sie von seiner Vaterrolle hielt, sondern auch, wie sehr ihr der nicht leibliche Vater am Herzen lag.
Sie bohrte weiter nach. Wenn er schon meinte, ihr Vater sein zu wollen, dann wollte sie wenigstens versuchen, diese Behauptung in der Luft zu zerpflücken. Sonst könnte ja jeder daher kommen!
"WEnn du eine solch ... schmeichelhafte Meinung von Menschen hast, wie kommt es dann, dass du dich mit einer davon eingelassen haben willst?" Das war ein guter Konter - glaubte Azura. Dass Kjetell'o sich nicht aus der Reserve locken ließ, hätte sie ahnen können. Interessanterweise lächelte er dieses Mal aber eher verlegen und wich gar ihrem Blick aus. Sein Gemüt blieb jedoch ein geduldiger Fels. "Mein Leben sah vor gut zwanzig Jahren noch ein wenig anders aus. Ich war dabei, mir die Hörner abzustoßen und auf Reisen lernt man mehr als nur eine Menschenfrau kennen..." Er räusperte sich und fand schließlich den Mut zurück, um Azura entgegen zu blicken. "Deine Mutter habe ich sehr geschätzt. Aquila und ich zogen uns irgendwie an. Sie besaß ein leidenschaftliches Temperament und wusste, mich damit um den Verstand zu bringen." Erstmals, seit Azura ihn kannte, glommen seine Wangen rosig. Außerden lächelte er warm. Es gab durchaus noch etwas wie Zuneigung für ihre Mutter. "Trotzdem hat es nicht sollen sein ... und das ist meinem eigenen, impulsiven Gemüt zu verschulden. Dass ich sie schwanger zurückließ, war mir nicht bewusst." Er klang aufrichtig, schien den Umstand selbst zu bedauern. Beinahe mochte man ihm die Geschichte glauben. Beinahe ...
Denn auch seine Erzählung, Aquila van Ikari säße allein in ihrem Anwesen, ohne ihren Gatten, obwohl beide doch auf Reisen hätten sein müssen, klang zu weit an den Haaren herbeigezogen. Es weckte Azuras Skepsis und sie war nicht gewillt, nachzugeben, um einem Elfen zu glauben ... oder einem plötzlich aufgetauchten Vater.
"Du weiß gar nichts, du kennst sie nicht und sie kann nicht hier sein! Sie war auf Reisen und sie ist mit ihrem Gassten unterwegs, in Sicherheit!"
Über Kjetell'os in Gold getauchte Wälder legte sich ein ernster Schatten. Seine Haltung festigte sich etwas, weil er sich gerade aufrichtete. Sein Blick lag fest auf Azura. Ehe er ihr antworten konnte, setzte sie allerdings drohend nach: "Und ihn lässt du gefäligst auch aus dem Spiel!"
"Das kann ich nicht", erwiderte er, nur um Azuras Welt vielleicht erneut zu erschüttern. "Deine Eltern haben ihre Reise abgebrochen, als sie vom Angriff der dunklen Völker auf Andunie erfuhren. Sie sorgten sich um dein Wohlergehen und kehrten zurück. Dort stellte sich dein Vater den Dunklen schützend in den Weg. Deshalb ist deine Mutter nun allein." Er ließ diese Information nicht sacken. Azura sollte nicht die falschen Schlüsse ziehen. Er wollte ihr schließlich keine allzu große Angst machen. "Dein Adoptivvater, Alycide van Ikari, wurde wie viele andere Widerständler gefangen genommen. Ich hatte vermutet, dass man ihn in die Akademie der Wassermagie brachte. Ich lag falsch. Er ist nicht hier. Er befindet sich überhaupt nicht mehr in Andunie. Derzeit suche ich nach seinem Aufenthaltsort, weil..." Er stockte, schien zu überlegen und schüttelte dann den Kopf. "Du bist meine Tochter, ich werde nicht vor dir lügen", murmelte er mehr zu sich selbst und setzte neu an. "Deine Mutter versprach mir, Kontakt zu dir aufnehmen zu dürfen, wenn ich dich und ihren neuen Gatten finden kann." Er lächelte freudlos. "Ich schätze, ich habe mir inzwischen meine Belohnung herausgenommen, ohne die vereinbarte Leistung erbracht zu haben. Aber ich finde ihn schon, Azura. Ich merke ja, wie wichtig er dir ist - euch beiden."
Er gab seiner Tochter einen Moment Zeit, es zu verdauen. Schließlich riet er jedoch: "Deine Mutter ist ganz allein. Du liegst ihr am Herzen. Du solltest zu ihr gehen, ganz gleich, welche Erscheinung du bietest. Mich hat es auch nicht abgehalten. Wir könnten es vorher aber auch mit dem Ritual versuchen, sobald der Leidträger hier ist und wir ein passendes Opfer für eine Gottheit gefunden haben."
Die passende Gottheit lag Azura schon auf der Zunge. Für sie kam nur Ventha in Frage und die Herrin der See erwartete bereits etwas von ihr. Es wäre die Gelegenheit, die Schriftrolle an sie zurückzugeben. Vorausgesetzt, sie ließ sich darauf ein, es als Opfer anzunehmen, denn im Grunde stand ihr das Schriftstück ohnehin bereits zu. Azura wollte danach greifen und fand es nicht. Panisch entwickelte sie sich, nur um festzustellen, dass es noch immer verborgen unter ihren Stoffen am Gürtel hin. Sie hatte es einfach nicht richtig erwischt. Die Schriftrolle würde sie retten. Nun fehlte nur noch ihr Rabe und das Wissen, wie man ein solches Ritual anwandte.
Und sie mussten hier heraus, wo auch immer Kjetell'o und sie sich befanden.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Sonntag 30. Juli 2023, 13:52

Es war gut, dass er sich nicht auf sie zu bewegte, ganz gleich, aus welchen Gründen. Denn nun, wo sie wusste... oder besser gesagt, seine Behauptung gehört hatte, würde sie sich davor tunlichst hüten, sich noch einmal von ihm berühren zu lassen. Viel zu unangenehm wäre es ihr, nachdem sie vor kurzem noch gänzlich andere Wünsche gehegt hatte. Oh ja, diese hatte er ihr ausgetrieben, definitiv!
Nur ihre Gedanken mussten das noch begreifen und damit aufhören, ihr ständig Unerreichbares vorzugaukeln. Selbst, wenn er sie angelogen haben sollte, würde diese Möglichkeit von nun an immer zwischen ihnen beiden stehen.
Und... war es nicht auch zu ihrem Vorteil? Schließlich hatte sie jetzt einen handfesten Grund, ihn möglichst weit von ihm fernzuhalten und käme dadurch nicht länger in Versuchung, ihren Raben zu hintergehen. Wobei... in ihrer Vorstellung hatte sie das bereits getan und das nagte noch zusätzlich an ihr. Oh, warum nur hatten sie sich überhaupt begegnen müssen?!
Dass sie indes durchaus Eigenheiten und Merkmale besaß, die den seinen ähnelten, war ihr dabei nicht bewusst. Sie selbst hatte dafür derzeit keinen Blick, besser gesagt, sie wollte ihn auch gar nicht haben. Denn es hätte ihre Barriere aus Zweifeln aushöhlen und zum Einsturz bringen können. Etwas, das sie im Moment nicht haben wollte, nach all dem, wie er sich ihr gegenüber benommen und in welche Zwickmühle er sie gebracht hatte.
Und das Ganze schien auch noch nicht vorbei zu sein, während er wieder die Ruhe in Person war und sie allein durch dieses Verhalten in Rage brachte. Dass sie indes nicht explodierte, verdankte sie vermutlich der Feuchtigkeit, die sie überall um sich herum spüren konnte, und der salzigen Brise, die ihre Nase beständig kitzelte und sie daran erinnerte, wie nahe sie ihrem eigenen Element und ihrer Göttin war. Außerdem war es anstrengend, sich ständig echauffieren zu müssen, und sie wollte nicht ihre gesamte Energie dadurch verlieren. Dazu war sie viel zu wütend auf ihn, als dass sie ihm diesen Triumph zugestehen wollte.
Trotzdem brachte er sie mit jedem neuen Thema, das er anschnitt, beinahe dazu, schon wieder aus der Haut fahren zu wollen. Zugleich konnte er sie dieses Mal obendrein überrumpeln, denn wie genau das Verhältnis zu ihr und Corax war, wusste sie selbst nicht. Woher denn auch? Er hatte sie entführt, danach verführt und schließlich auf eine Weise berührt, dass sie ihn so oder so niemals würde vergessen können. Jedoch... was war es denn nun, was wirklich zwischen ihnen bestand?
Er hatte ihr schon mehrfach gesagt, was er für sie fühlte und sie hatte es auch in den magischen Schriftrollen lesen können. Und sie? Sie hatte ihm vor kurzem ebenfalls gestanden, wie viel er ihr bedeutete, und für sie war es in diesem Moment tatsächlich Liebe gewesen. Allerdings begann sie schon wieder zu zweifeln, hauptsächlich an sich selbst. Liebte sie ihn tatsächlich oder hatte sie nur gedacht, so zu empfinden, obwohl es eher einer Schwärmerei und Liebelei gleich kam? Wie konnte es sein, dass sie keine Stunde danach sich vorgestellt hatte, mit einem anderen Mann auszukosten, was er ihr erst schmackhaft gemacht hatte? Oder war sie schlichtweg eine untreue Seele und müsste sich diesen Makel eingestehen, der dazu führen würde, dass sie ein unschuldiges Herz brechen würde?
Konnte man mit ihr überhaupt eine Beziehung führen und wenn ja, wie sähe diese denn aus? Wären sie lediglich zusammen unterwegs oder müssten sie... heiraten? Kinder könnten sie ja keine gemeinsam zeugen, sofern es keine Möglichkeit gäbe, ihm das Wichtigste dafür nachwachsen lassen zu können. Somit gäbe es nichts, das sie aneinander binden würde auf Dauer. Wie schnell würde er ihrer überdrüssig werden, weil sie nun einmal anders altern würde als er und obendrein nur wüsste, was er ihr beibringen würde im Bett? Was würde dann passieren? Oder gar, wenn er erführe, wie rasch sie sich einem anderen zugewandt hätte, wenn dieser nicht ihr Va... Va... ihr angeblicher Erzeuger wäre?
Nein, mit so jemandem würde er wohl kaum mehr Zeit als nötig verbringen wollen! Oder durfte sie noch hoffen...?
Azura haderte mit sich selbst und ihr Gegenüber war in ihren Augen nicht der geeignete Ansprechpartner dafür. Das zeigte ihr auch seine Reaktion, die dafür sorgte, dass sie leise schnaubte. Als ob sie von ihm einen Rat hätte hören wollen! Außerdem... auf wessen Seite stand er eigentlich? Unterstellte ihr nur Schlechtes und wollte ihren Raben beschützen, ganz so, als wäre er dessen Vater!
Am Schluss seiner kleinen Ansprache fiel dafür ein Wort, bei dem sich ihr sämtliche Nackenhaare aufstellten. Ohne zu überlegen, fuhr sie ihn sofort an:"Er ist kein Experiment, er ist ein eigenständiges, beseeltes Wesen, Dunkelelf hin oder her!" Ihre Augen blitzten vor Zorn und sie machte tatsächlich einen halben Schritt drohend auf ihn zu, jetzt selbst in der Rolle der Beschützerin. Wäre da nicht die Decke gewesen, die ihre Bewegungsfreiheit einschränkte und sie dadurch an deren Existenz erinnerte, sodass sie stoppte, ehe sie ins Straucheln geraten konnte.
Trotzdem blieb ihre Mimik finster. "Es haben ihn schon genug andere benutzt. Untersteh dich, ihm das auch noch anzutun!"
Und sie selbst? Benutzte sie Corax ebenfalls nur für ihre eigenen Zwecke? Sie presste die Lippen fest aufeinander und würgte an dem Brocken, den ihr eigenes Gewissen ihr gerade in die Kehle gestopft zu haben schien, weswegen sie auch den Blick abwenden musste. Es behagte ihr eindeutig nicht, in welche Richtung sich das Ganze zu entwickeln begonnen hatte.
Da war es ihr nur recht und billig, von sich und ihrem eigenen Gefühlschaos abzulenken, indem sie versuchte, seine Behauptung als Lüge zu entlarven. Also ging sie wieder zum Angriff über und es verwunderte sie nicht im Geringsten, dass er dabei ruhig blieb. Nur die erkennbare Verlegenheit war neu und sorgte dafür, dass sich ihre Stirn minimal runzelte, ansonsten änderte das jedoch nichts an ihrer ablehnenden Haltung.
"Natürlich...", warf sie am Ende mit einem wenig damenhaften Schnauben ein und machte damit deutlich, wie wenig sie ihm glaubte. "Männer können es sich immer einfach reden.", schickte sie noch murrend hinterher, in Gedanken daran, dass es vor der Hochzeit für ihre Mutter keineswegs einfach gewesen war.
Dass sie und ihr Stiefvater überhaupt ernsthaft zueinander gefunden hatten, trotz ihrer Existenz, war sowieso eine der seltenen Ausnahmen im Leben. Umso weniger glaubwürdig klang der Waldelf bei seiner Erzählung, dass die Beiden sich nun räumlich getrennt haben sollten, nachdem sie gemeinsam aufgebrochen waren... damals... vor der Eroberung der Stadt... Nein, das wollte sie sich nicht vorstellen, dazu waren die Zwei nach all den Jahren noch immer viel zu glücklich miteinander gewesen.
Doch der andere wollte ihr auch diese Illusion nehmen und ja, er machte ihr Angst damit. Allein bei der Erwähnung, dass ihre Eltern umgekehrt waren, um ihr zu helfen, wurde sie blass um die Nase. Als er dann auch noch andeutete, ihrem Stiefvater wäre etwas zugestoßen... da wankte sie leicht und musste sich an der Wand abstützen, um nicht den Halt zu verlieren. Alycide van Ikari mochte in jungen Jahren das Fechten erlernt haben, wie es in den hohen Kreisen üblich war, aber das machte ihn noch lange nicht zum Kämpfer! Sein Schwert war für gewöhnlich das Wort gewesen, so sehr, dass sie ihm begierig nachgeeifert hatte, um ihn im Laufe der Zeit darin sogar zu übertrumpfen. Und jetzt...?
Aber es war noch nicht vorbei mit den niederschmetternden Informationen. Die junge Frau wurde noch blasser und in ihrem Magen bildete sich ein unangenehmer Knoten. "Ge... gefangen...? Wo...?", wisperte sie und spürte, wie ihr die Tränen der Sorge zu kommen drohten. Hastig blinzelte sie mehrfach, um diese körperliche Reaktion zu unterdrücken.
Um sich dann erneut in die Rebellion zu flüchten, die ihr schon oftmals geholfen hatte, Unangenehmes zu überstehen. "Und wer sagt mir, dass dies die Wahrheit ist? Dass du mir nicht nur einen Schrecken einjagen willst, damit ich mich auf deine Pläne einlasse? Vielleicht ist das ja jetzt gerade auch nur wieder eines deiner... Experimente?!", ging sie zurück zum Angriff und weigerte sich, über den möglichen Wahrheitsgehalt weiter nachzudenken.
Viel zu viel Angst machte ihr diese Vorstellung, dass ihre Mutter allein wäre, hilflos, und ihr Stiefvater verschollen, während der Waldelf derjenige sein wollte, der ihn wieder finden würde. Nein, nein, nein, das wollte und durfte sie nicht zulassen! Sie musste hier raus, musste herausfinden, was geschehen war und zur Not selbst ihrem Stiefvater zur Hilfe kommen. Ja, das wollte sie tun! Das wäre viel besser, als hier in diesem Raum mit einem nackten Mann zu sitzen, der verboten attraktiv war und zugleich behauptete, an ihrer Entstehung beteiligt gewesen zu sein! Nur... wo war sie eigentlich?
Zum ersten Mal begann sie, sich umzusehen und ihre Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Nun ja, sie versuchte es zumindest, denn schon wieder hielt seine Stimme sie davon ab. Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen in dem Bemühen, nicht sofort den nächsten Giftpfeil in seine Richtung abzuschießen.
Trotzdem erreichte er damit, dass sie an ein spezielles Opfer dachte und instinktiv danach greifen wollte. Die Decke war ihr dabei hinderlich und da sie es somit nicht sogleich fand, fuhr ihr der Schreck siedend heiß durch die Glieder und sorgte dafür, dass sie sich hastig auswickelte.
Erst, als die Decke zu Boden fiel und sie tastend sowohl die Fibel, als auch die Schriftrolle erfühlen konnte, atmete sie hörbar erleichtert aus. Ja, schloss sogar in einem Moment der Unachtsamkeit die Augen, so froh war sie über ihren Fund.
Dann besann sie sich wieder und während ihre Finger sich enger um das kostbare Schriftstück schlossen, hob sie ihre Lider an, um ihr Gegenüber entschlossen mit ihrem Blick zu fixieren. "Ich habe dir schon gesagt, du sollst Corax da raus halten! Er ist kein Experiment und ich werde nicht zulassen, dass du ihn dazu machst!", sprach sie leise und so beherrscht wie möglich, was alles andere als einfach für sie war. "Und ich bin auch keines, das lass dir gesagt sein!"
Sie hatte schließlich bereits einmal deutlich gemacht, dass sie sich nicht wie eine Marionette behandeln lassen und nach seiner Pfeife tanzen würde, nur, weil er das von ihr wollte. Auch jetzt würde sie nicht einfach mitmachen, nicht einmal für den möglichen Preis ihrer zurückkehrenden Schönheit und Jugend. Das konnte er vergessen! Sie traute ihm nicht mehr...
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Montag 31. Juli 2023, 08:37

Wenn man sich als Mann eine Azura van Ikari vom Hals halten wollte, musste man also nur behaupten, direkt mit ihr verwandt zu sein. Da sie zu jung war, um als Mutter eines Erwachsenen in Frage zu kommen, blieb nur noch der verschollene Bruder oder aber der Vater. Dass ausgerechnet Kjetell'o eine Rolle einnehmen sollte, wollte sie nicht akzeptieren. Also hielt sie es für eine Lüge und dennoch konnte sie sich ihm auch jetzt nicht mehr nähern. Das hatte wenig damit zu tun, dass er nach wie vor ohne Bekleidung auf dem Bettrand saß. Seine Behauptung hatte einen tiefen Graben ausgehoben, den Azura nicht durchqueren wollte. Trotz allem zweifelte sie weiterhin, aber wie echt war der Zweifel? Sie nahm ihn als Vorwand, um sich nicht mit offengelegten Tatsachen zu beschäftigen, denn hätte sie auf die kleinen Details geachtet, wären ihre die Ähnlichkeiten zwischen ihr und dem Waldelfen aufgefallen. Dass sie allerdings zu einem Teil elfisches Blut in sich tragen sollte, war nicht so verlockend wie der Schrecken, dass Kjetell'o - ausgerechnet er! - sie gezeugt haben sollte.
Den einzigen Vorteil, den sie fortan für sich daraus zog, war, dass Corax ihr kein Fremdgehen unterstellen könnte. Auch wenn es in ihrem Kopf bereits anders aussah, nach außen hin hatte sie keine Untreue ihm gegenüber gezeigt. Wäre das jedoch wirklich so schlimm? Wenn sie doch überhaupt kein Paar waren! Azura hatte es Kjetell'o schließlich weder bestätigt, noch dementiert. Sie wusste selbst nicht genau, wie ihr Verhältnis zu dem Raben stand. Sie liebte ihn, zumindest war ihre Beteuerung zu jenem Zeitpunkt aufrichtig gewesen. Andernfalls hätte die Schriftrolle der Wassermagie sich nicht gezeigt. Es war Corax' Beweis ihrer Gefühle für ihn gewesen und daran hielt er fest. Sie hingegen konnte sich nicht so sicher sein, vor allem nicht, wenn Kjetell'o sie mit seiner ruhigen Anwesenheit ständig an die Versuchung erinnerte, die beinahe in mehr als eine Richtung zur Katastrophe hätte führen können.
Was aber bedeutete Corax ihr nun wirklich? Selbst wenn sie ihn auch langfristig liebte, fürchtete sie, dass er das Interesse an ihr verlieren könnte. Warum sie diese Angst hegte, war schwer zu ergründen, denn gerade Corax hatte keine Anzeichen gezeigt, sie jemals verlassen zu wollen. Es stimmte, er dackelte fortwährend Madiha hinterher, aber das schien andere Gründe zu haben. Er akzeptierte schließlich auch ihre Zuneigung, die sie Caleb entgegenbrachte. Er buhlte nicht um sie, er folgte nur ihren Befehlen und erfüllte ihre Wünsche. Der Grund war, weil er sie zu seiner Herrin auserwählt hatte. Ansonsten las er Azura jeden Wunsch von den Augen ab, war sofort für sie da, wenn sie ihn brauchte. Wo steckte er jetzt?
Sie nahm sich endlich einmal die Zeit, sich in ihrem kleinen Domizil umzuschauen. Ein Blick zum Fenster ließ sie schlussfolgern, dass sie sich nach wie vor in Andunie befanden. Sie kannte ihre Stadt, die Luft, die Farbe des Himmels, wenn Ventha die Küste segnete. Sie erkannte das Geschrei der Möwen und das Rauschen des Meeres rief ihren Namen. Hierbei hatte sie nun wirklich keine Zweifel. Das war Andunie. Ihre Heimat, die jenseits eines vergitterten Fensters lag, welches zu allem Überfluss auch noch zu klein wäre, um sich selbst ohne die Vergitterung hindurch zu zwängen. Einem schmalen Kind würde es vielleicht gelingen, aber Azura zöge sich dann doch zu viele Blessuren zu, als dass es das Wert gewesen wäre. Außerdem besaß der Raum ja auch noch eine Tür. Aus Holz war sie und sichtlich verstärkt. Die Eisenscharniere hinterließen einen schweren Eindruck, waren aber ebenso wenig verrostet wie die Gitter, die auch an einem kleinen Guckfenster oben in der Mitte der Tür angebracht worden waren. Was sich auf der anderen Seite befand, konnte Azura nicht sehen. Vor das Guckloch war ein Riegel geschoben. Sie hörte auch niemanden jenseits der Tür, dürfte beim Versuch sie zu öffnen aber feststellen, dass abgeschlossen war.
Der Raum an sich bot wenig Komfort, der einer Frau ihres Standes gebührte. Schmutzig konnte man das Mobiliar allerdings nicht nennen. Es war alles in allem schlicht gehalten. Das Bett - gerade so breit genug für zwei Körper - diente seinem Zweck. Es besaß keine mit Gänsefedern gefüllte Matratze, sondern eine mit Stroh, aber es roch nicht, als wäre dieses schon faulig. Kissen und Decke besaßen einfarbige Leinenbezüge, bestanden nicht aus Daunen und würden in den kältesten Nächten der Jahreszeit folglich nicht so warm halten wie ihre alte Bettwäsche im Anwesen. Ein Nachttisch neben dem Bett trug eine entzündete Laterne. Dort stand auch ein Becher - leer. Außerdem lag ein offenes Kästchen mit kleinen Kräuterpastillen bereit. Ein angebrachtes Etikett auf der Innenseite des offenen Deckels verkündete:


Baldrian-Pastillen, zur oralen Einnahme
Pflanzliches Beruhigungsmittel zu Anwendung bei Unruhe und/oder Angst-, sowie Schlafstörungen
Wirkstoff: Pulver der Badrian-Wurzel
Empfohlene Dosis: 3 mal täglich eine Pastille, abends etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen einnehmen
Nutzungszeitraum: maximal 6 Wochen, nicht ohne Absprache mit einem Heilkundigen
Kühl lagern, für Gebiete mit Temperaturen wie in Sarma ungeeignet
Schriftrolle Fuss

In dem Kästchen selbst fanden sich gleich mehrere Glasfläschen mit grünen Pastillen. Eines davon war bereits angebrochen worden. Ob man Azura oder Kjetell'o solche Pastillen verabreicht hatte, blieb ungeklärt. Sie fühlte sich nicht wie im Rausch. Allerdings durfte Azura feststellen, dass sie ausgeruht wirkte und sich trotz der erschreckenden Nachrichten, die der Elf ihr nun offenlegte, nicht die übliche Panik einstellte, die schnell zu einer Ohnmacht führte. Stattdessen wuchs in ihr eine Wut auf den Elfen heran. So sehr Kjetell'o ihren Raben nämlich in Schutz nahm, so widersprüchlich erschien es, von ihm zu hören, dass er offensichtlich Spielchen mit Corax trieb. Lag ihm an dem anderen Elfen nur etwas, weil er ihn für seine Zwecke nutzen wollte?
"Er ist kein Experiment, er ist ein eigenständiges, beseeltes Wesen, Dunkelelf hin oder her!", fuhr Azura ihn an. Kjetell'o blieb ruhig. Er erwiderte ihren zornigen Blick ohne jegliche Regung. Schließlich nickte er sogar in stiller Zustimmung. "Du solltest ihn das ab und zu mal hören lassen. Ich bin sicher, es freut ihn."
Dies schürte ihre Wut nur noch mehr. Sie machte sogar einen Schritt auf das Bett zu, stolperte aber beinahe über die Decke und ließ sie somit einfach fallen. Da sie Kleidung trug, fühlte sie sich sicher genug, es auch ohne das Bettzeug zu schaffen. "Es haben ihn schon genug andere benutzt. Untersteh dich, ihm das auch noch anzutun!"
Kjetell'o lächelte warm. Er sah Azura so voller Zuneigung an, dass die goldenen Sprenkel in seinen Augen nur für sie funkelten. Die Andunierin würde jedoch niemals wieder sexuelle Anziehung darin sehen. Hier schaute ein mutmaßlicher Vater seine Tochter voller Stolz an. "Du bist ein so gutes Kind", meinte er, ehe ihm ein leises Seufzen entkam. "Leider ist es zu spät. Ich nutze ihn bereits in vollem Ausmaß. Das heißt, soweit wie er und ich sind. Ich sagte schon, es ist ein Experiment, aber es läuft gut, bisher. Und ehe du überschäumst ... er hat dem Ganzen zugestimmt. Er weiß, dass ich ihn einsetze."
"Natürlich ... Männer können es sich immer einfach reden." Azura schnaubte. Ihre Aussage galt sowohl in Bezug auf Corax und die Hintergründe, wie es zu einer Verbindung zwischen dem Elfen und ihrer Mutter hatte kommen sollen. Doch das Töchterchen blieb die einzige mit Groll im Herzen. Kjetell'o ließ sich nicht weiter locken. Er fuhr nicht aus der Haut. Vielleicht hatte man ihm den Großteil des angebrochenen Baldrian-Fläschchens eingeflößt. Vielleicht atmete er es, dass er stets so ruhig blieb.
"Ich hätte es mir gern kompliziert gemacht, wenn ich von deiner Entstehung gewusst hätte", erwiderte er mit aufrichtigem Bedauern. "Wie alt bist du jetzt? Wieviel deiner Zeit habe ich verpasst?" War das von Belang für Azura? Sie brauchte Kjetell'o im Grunde nicht. Sie hatte ein schönes Leben und fürsorgliche Eltern. Eltern, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablasen ... wie Corax. Ihr Gewissen erinnerte sie daran und das beklemmende Gefühl der Doppelmoral schwebte für einen Moment über ihrem Gemüt. Es wurde jedoch schnell aus dem Weg geräumt, als Kjetell'o die Karten endlich offen auf den Tisch legte. Hätte er es mal sein gelassen, denn Azura gefielen die Informationen ganz und gar nicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Aquila und Alycide sich jemals trennen würden. Dass beide aber sofort umkehrten, sobald sie ihr Prinzessin in Gefahr wähnten, klang plausibel. Nur warum hatte ihr Ziehvater sich losgelöst?
Kjetell'o gab eine Antwort ab, die Azura bis tief ins Mark erschütterte. "Ge... gefangen...? Wo...?"
"Du musst zuhören", entgegnete er ruhig. Es war kein Vorwurf, nicht einmal ein Tadel. Aus Kjetell'os Mund klang alles wie ein gut gemeinter Rat, aber jene konnten manchmal mehr zum Bärendienst werden als wenn er sie offen beschuldigt hätte. "Ich sagte bereits, ich weiß es nicht. Er muss mit anderen Gefangenen aus Andunie herausgebracht worden sein. Ich sammle Informationen und warte noch auf die Rückkehr eures Freundes ... Jakub Tauwetter. Er hat sich bereit erklärt, mir zu helfen." Dass Kjetell'o den Ersten Maat der Blauen Möwe ordentlich dafür ausgezahlt hatte, verschwieg er. Jakub war schließlich eher Caleb treu und ob dieser überhaupt von den famliären Umständen rund um Azura und Kjetell'o wusste, konnte sie nicht ahnen. Wahrscheinlich aber wusste nicht einmal Jakub etwas. So wie Kjetell'o seine Pläne in die Tat umsetzte, ließ er andere an Fäden tanzen wie Marionetten. Er zog die Strippen, dass sie munter umher sprangen und das taten sie auch, ohne das Stück zu kennen, auf dessen Bühne sie sich zeigten. Vermutlich wusste Jakub nur, dass er Alycide van Ikari finden sollte, ohne nähere Details zu kennen. Kjetell'o behielt weiteres für sich. Er hatte offen zu Azura gesprochen, ihr aber längst noch nicht alles gesagt. Was sie wusste, reichte aus. Er würde ihren Ziehvater suchen und finden. Diese Vereinbarung hatte er mit ihrer Mutter Aquila getroffen und die Gegenleistung stand nun vor ihm. Kjetell'o hatte wirklich Interesse an ihr, wenn er für eine Kontaktaufnahme bereit war, einen fremden Mann aus den Fängen der dunklen Völker zu befreien.
Wie konnte Azura da nur weiterhin zweifeln? Nun, weil sie Azura van Ikari war und zwischen all den ruhigen Wellen ihres Geistes einen impulsiven Funken besaß, der sich nicht so einfach auslöschen lassen wollte. Das galt nicht nur für ihren Ziehvater, sondern auch für sie. Azura war niemand, der sich gut an Strippen anderer machte. Sie wollte keine Marionette sein. Sie war die Spielerin! So ließ sie sich weder auf Kjetell'os Erklärungen ein, noch auf seinen Vorschlag, das Ritual zu vollziehen, von dem er glaubte, ihr dadurch ihr altes Ich zurückgeben zu können. Allzu sicher schien der Elf sich nämlich auch nicht zu sein. Sein Spiel besaß viele Möglichkeiten, ohne Sicherheiten. Was aus Azuras Sicht gefährlich daran war, er nutzte Menschen und Elfen für seine Zwecke dabei aus, ohne dass es eine Garantie für Erfolg gab. Nun, das konnte er tun, aber nicht mit ihr oder ihren LIebsten!
"Ich habe dir schon gesagt, du sollst Corax da raus halten! Er ist kein Experiment und ich werde nicht zulassen, dass du ihn dazu machst! Un ich bin auch keines, das lass dir gesagt sein!"
"Du hörst nicht zu." Kjetell'o lächelte. "Corax hat zugestimmt. Er ist bereit, an sich zu arbeiten und seine Kräfte zu entdecken. Ebenso wie er bereit ist, bei einem Ritual zu helfen, um dir die Schönheit zu geben, die du verdienst." Seine Augen wanderten an Azura entlang. Dann erhob sich Kjetell'o, wobei er das Kissen weiterhin höflich vor seine Mitte hielt. Er verringerte die Distanz zwischen Azura und sich selbst. Er streckte seine freie Hand nach ihr aus, als wollte er ihr wieder das Haar hinter ihr Ohr schieben. "Ich würde so gern dein wahres Ich sehen. Deine Schönheit und Freude, wenn du wieder regeneriert bist. Und ich möchte sehen, wie der Leidträger sich wandelt. Wusstest du, dass er in allen Farben der Welt glitzern kann?" Er kam noch dichter, würde Azura aber nicht berühren, falls sie ihm auswich. Er drängte ihr sich nicht so bewusst auf. Er schaute sie nur eindringlich an. "Er ist kein Grauschelm, wie er vorgibt. Genauso wenig wie dein Körper uns glauben machen will, du seist dem Verfall näher als dem Leben. Ich werde euch diese Illusionen nehmen, falls ihr mich lasst. Ich weiß, das kostet Vertrauen und ich fürchte, ihr müsst erst einmal im voraus bezahlen. Aber ich werde euch nicht enttäuschen. Ihn nicht und dich auch nicht. Gerade du liegst mir sehr am Herzen, Azura." Er war ihr nah, so nah. Seine Lippen hauchten ihren Namen. Sie roch Vanille und Zitrone. Goldene Lichtflecken tanzten durch die grünen Wälder und seine Haut verströmte natürliche Wärme. Er lächelte sie an wie er es ständig tat. Von seiner Seite aus hatte sich nichts geändert. "Ich würde dich wirklich gern in den Arm nehmen, mein Kind."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Montag 14. August 2023, 13:47

Obwohl sie sich dagegen stemmte mit allen Mitteln, ihrem Gegenüber zu glauben, konnte... und wollte sie sich ihm nun auch nicht mehr an den Hals werfen. Es gab Zweifel in ihrem Inneren gegen ihre sture Meinung, dass dies nicht möglich sein konnte, und diese sorgten dafür, dass sie sich tatsächlich zurück hielt. Außerdem fühlte sie sich von ihm in gewissem Sinne betrogen, ohne es konkret in Worte fassen zu können, und auch gedemütigt, weswegen sie auch gar nicht länger seine Nähe wollte.
Natürlich, sie könnte von ihm einiges lernen, vermutlich allem voran die Möglichkeiten, wie man sein geglaubtes eigen Fleisch und Blut im Stich ließe, jedoch war sie nicht bereit, sich darauf einzulassen. Und zu seinen Bedingungen erst recht nicht! Nein, sollte sie jemals, worüber sie derzeit nicht einmal bereit war nachzudenken, ihn als ihren Lehrer akzeptieren, dann vollkommen und ausschließlich zu ihren Bedingungen! Bislang hatte sie ja schließlich immer ihren Willen bekommen... also... in der Theorie.
Nun hingegen und seit ihrer ersten Begegnung mit Corax... Nein, das war kein passendes Thema jetzt. Sie musste sich konzentrieren und erst einmal diese Situation bewältigen.
Danach konnte sie sich damit beschäftigen, was sie in ihren Gedanken und Träumen ihrem Raben bereits angetan hatte. Besser gesagt, könnte... sofern sie keinen Grund fände, es zu verdrängen und vor sich herzuschieben, wie so vieles in letzter Zeit. Das konnte sie unter anderem dadurch, indem sie sich endlich einmal umsah und sich wunderte, wo sie sich überhaupt befand. Der Raum war relativ klein, schmucklos und die Stäbe an den wenigen Öffnungen verhießen nichts Gutes.
Hatte man sie etwa... eingesperrt? Ausgerechnet mit diesem Waldelfen?! Und wieso hatte man ihm eigentlich keine Kleidung verpasst, wenn man sie schon gemeinsam in ein Bett steckte? Sie hatte nichts getan und obendrein verdiente sie solch eine Behandlung nicht! Wäre sie allein gewesen, sie wäre vermutlich längst an der Tür gestanden und hätte lautstark nach Freilassung, Erklärung und insbesondere Entschuldigung verlangt! Ob sie indes jemand gehört und beachtet und ernst genommen hätte... nun, das stünde auf einem anderen Blatt.
So hingegen kam sie vorerst noch nicht auf diesen Gedanken, denn ihr Zellengenosse verstand es viel zu effektiv, ihre Gedanken ständig in andere Richtungen zu lenken. Und noch viel mehr ihre Wut auf ihn zu schüren, sodass sie bei aller Mühe es mehr als schwer hatte, nicht zu explodieren und ihm an die Gurgel zu gehen.
So auch, als sie ihren Liebsten verteidigte, den sie schon von dem Waldelfen ausgenutzt wähnte. Bei seiner Erwiderung verschränkte sie die Arme vor der Brust und schnaubte wenig damenhaft. "Es freut ihn mehr, wenn ich ihn beschimpfe.", grummelte sie und benutzte unbewusst dabei ihre Muttersprache. Nicht, dass sie davon ausging, dass er sie nicht verstehen würde damit, so viel Glück hätte sie vermutlich nicht. Aber es waren dann trotz allem ihre Gedanken verbunden mit gewissen Sehnsüchten, die ihr da über ihre Lippen kamen.
Dann allerdings besann sie sich auf ihr Gegenüber und schon flammte der Zorn erneut auf. Die Reaktion hingegen, allein schon dieser scheinbar stolze Blick auf sie, brachte sie dermaßen aus dem Konzept, dass sie blinzelnd einen Schritt wieder zurück wich. Ein weiteres Mal schnaubte sie. "Ich bin kein Kind!", schnappte sie, in ihrer jugendlichen Ansicht davon, längst erwachsen zu sein und sich entsprechend zu verhalten.
In der Zwischenzeit fuhr er fort und sorgte dafür, dass sich ihre Miene weiter verdunkelte. "Zugestimmt, ja? Und was hast du ihm gesagt, damit er nach deiner Pfeife tanzt? Ihn gelockt, ihm gedroht oder was?", warf sie ihm an den Kopf und musste sich mit Macht gegen Bilder von möglicher anderweitiger Zweisamkeit erwehren.
Nein, das hatte er ihm nicht angetan, immerhin hatte er nichts angedeutet von Corax' größter Verstümmelung zu wissen. Oder...? Sie hoffte es für ihren Raben definitiv nicht! Und schon ging es an den nächsten Punkt, der ihr sauer aufstieß, vor allem in Hinblick darauf, dass ihre Mutter nur dank sehr viel Glück einen Mann für ihr Herz gefunden hatte, obwohl sie eine Tochter hatte. Ihr hätte dasselbe Schicksal blühen können, wenn ihr Liebster nicht dafür gesorgt hätte, dass sie zumindest in diesem Punkt derzeit keine Sorgen haben musste. Und wer wusste schon, wie es bei ihr ausgegangen wäre...? Oh ja, Männer hatten es bei dem Thema so viel einfacher und das war schlicht und ergreifend ungerecht!
Bei seinem Widerspruch warf sie ihm einen Blick zu, der deutlich machte, was sie davon hielt und wie sehr sie ihm glaubte: nämlich überhaupt nicht! Um dann beleidigt den Kopf wegzudrehen. "Man fragt eine Dame nicht nach ihrem Alter!", schmollte sie und würde es ihm gewiss nicht verraten. Auch nicht unter dem Umstand, dass sie bei weitem älter und... toter aussah, als sie es eigentlich sein sollte. Wegen ihres eigenen Fehlers...
Dieses Mal war ihr die Ablenkung willkommen und zugleich auch nicht, denn sie machte sich tatsächlich ernstlich Sorgen um ihren Ziehvater. Jenen Mann, der ihre Mutter von ganzem Herzen liebte und der es ihnen beiden ermöglicht hatte, ein bislang absolut sorgenfreies Leben führen zu können.
Seine Worte sorgten dafür, dass sie die Augen verdrehte. "Und du musst aufhören, wie ein leise plätschernder Bach vor dich hin zu reden. Das ermüdet!", konterte sie in jugendlicher Rebellion, sodass es beinahe schon so wirkte, als wären sie tatsächlich Vater und Tochter.
Als er fortfuhr, runzelte sich ihre Stirn und sie versuchte tatsächlich einen Moment lang, den Namen mit einer Person in Verbindung zu bringen. Nicht, dass sie ein Problem damit hatte, sich Namen und dazu gehörige Gesichter zu merken, das hatte sie schließlich jahrein jahraus geübt als Grundvoraussetzung dafür, auf dem schmierigen Parkett der adeligen Gesellschaft zu bestehen. Aber das bedeutete auch, dass sie eine Auswahl traf, welche Namen von Belang wären und welche nicht.
Schließlich dämmerte es ihr allmählich und ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte, fragte sie direkt und wenig schmeichelhaft:"Der Glatzkopf?" Denn nur diese Person blieb übrig, der mit ihnen soweit zu tun hatte, dass es scheinen mochte, als wäre er ein... Freund. Außer sie hatte in den Tagen ihrer Bewusstlosigkeit noch mehr verpasst, als bislang angenommen.
Daraufhin wandten sie sich dem nächsten Thema zu, auch wenn dieses ebenfalls alles andere als erfreulich war. Erneut weckte er ihren Widerstand, sodass sie ihm diesen auch sofort kundtat. Und ein weiteres Mal war da dieser Vorwurf getarnt in melodiöser Tonlage, der sie aufschäumen ließ. Sie hätte ihm auch so einiges an den Kopf zu werfen gehabt diesbezüglich, wenn er sich nicht erhoben hätte.
Anfangs noch runzelte sich ihre Stirn deswegen, während sie darum kämpfte, ihren Blick nicht in eine gewisse Region abschweifen zu lassen, dann begann sie, im selben Ausmaß, wie er sich ihr näherte, vor ihm zurück zu weichen. Was hatte er jetzt vor? Was sollte das?!
"Ach ja?", wehrte sie ab und hatte nicht vor, sich in ihrer alten Pracht vor ihm präsentieren zu wollen. Wer wusste schließlich, auf welche Ideen er dann käme, um aus ihr doch noch seine Marionette zu machen und an einen anderen Mann zu verscherbeln! So dachten Väter... oder angebliche Väter schließlich immer! Bis auf ihren Ziehvater, den es tatsächlich gekümmert hatte, was sie wollte.
Bei der Erwähnung von Corax hingegen vergaß sie einen Moment lang, weiter vor ihm zurück zu weichen. Sie erinnerte sich an den Moment, in dem er vor Glückseligkeit ganz hell geworden war und dass sie sich noch nie so geborgen und wohl bei ihm gefühlt hatte, wie in diesen wenigen Atemzügen. Es war einfach nur... schön gewesen.
"Ach nein...?", murmelte sie, noch halb in der Erinnerung versunken daran. Blinzelnd kehrte sie zurück und begriff nun auch etwas mehr, was er überhaupt gesagt hatte. "Kein Grauschelm...?", hakte sie weiter nach und schalt sich in Gedanken selbst eine Närrin. Sah so einfach nur sein neuester Köder aus, um sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen? Und sie war dumm genug, ihm zu zeigen, wie gut ihm das auch noch gelang!
Ärger auf sich selbst kroch in ihr hoch, während er ihr immer näher kam und sie mit einem Mal die Wand im Rücken spürte, sodass sie nicht weiter auskam. Sein Duft stieg ihr in die Nase und erinnerte sie an das Wohlgefühl, an das Begehren, das sie bis vor kurzem dabei noch gefühlt hatte. All das brodelte in ihr und schließlich sorgte sein ausgesprochener Wunsch dafür, dass die erste Welle sich aufzubäumen begann.
Doch im Gegensatz zu sonst schleuderte sie nicht sofort gegen die Klippen am Ufer, sondern stieg weiter und weiter, bedrohlich und als Warnung an. Azura indes lächelte plötzlich... ja, tatsächlich, sie lächelte lieblich, so wie früher oft, wenn sie ihren Ziehvater um den Finger hatte wickeln wollen und genau wusste, dass allein dieser Ausdruck ihn warnte... um ihn im nächsten Moment umso mehr in die Knie zu zwingen.
"Möchtest du das, ja?", säuselte sie und drückte sich von der Wand ab, sodass sie sich tatsächlich allein deswegen schon beinahe berührten. "Nun, das könntest du natürlich auch tun...", fuhr sie in diesem lieblichen Tonfall fort, der schon viele in trügerische Sicherheit gewogen hatte. Sobald sie jedoch jemand kannte, wüsste er sofort, dass nun absolute Alarmstufe galt.
Sie indes näherte sich ihm immer mehr, Millimeter für Millimeter, streckte sich ihm entgegen, als wolle sie ihn küssen. Ja, sie senkte sogar ihre Lider allmählich und öffnete ihre Lippen leicht. Alles wirkte, als wäre sie absolut bereit für eine Umarmung samt eines Kusses. Bis... sie im letzten Moment innehielt und langsam die Augen öffnete, um seinen Blick zu suchen und einzufangen zu versuchen. Um dann, mit genau jener lieblichen Tonlage und ganz so, als folge nun eine herzzerreißende, kitschige Liebeserklärung, erklärte sie:"Solltest du mich noch einmal anrühren, erfährst du, wie kalt ein Bad im Wasser wirklich sein kann."
Schlagartig verschwand jegliche Lieblichkeit aus ihrer Mimik und sie beeilte sich, an ihm vorbei zu kommen, um erneut einen so großen Abstand wie möglich zwischen sie beide zu bringen. Dort verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah ihn in einer Mischung aus Herausforderung und Ablehnung an.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 18. August 2023, 14:50

Die sonst so rettende Ohnmacht wollte nicht eintreten und selbst wenn, half Azura das auf Dauer nicht. Irgendwann erwachte sie wieder daraus und dann wäre Kjetell'o immer noch anwesend - nackt, mit dem Bestreben für sie nun ein Vater zu sein, den sie glaubte, nicht zu brauchen. Sie hatte einen Vater und könnte sich keinen besseren als Alycide wünschen! Hoffentlich ging es gut. Er hätte ihre Mutter nicht aus freien Stücken allein zurückgelassen. Etwas musste passiert sein und das besorgte sein Prinzesschen von Tochter doch sehr. Aber es gab auch andere Dinge, mit denen sie sich nun lieber nicht auseinandergesetzt hätte. Ihr Körper war jedoch ausgeruht. Eine Ohnmacht ließ sich nicht immer herbeirufen. Eine Flucht war allerdings ebenfalls nicht möglich, wie sie nun feststellen musste. Der kleine Raum, in dem sie sich zusammen mit ihrem mutmaßlichen Erzeuger befand, wirkte wie ein Gefängnis ... eines, das ihren Ansprüchen nicht entsprach, aber wie sie es sich für eine Adlige wohl mindestens vorstellte. Sie fühlte sich zumindest gefangen darin, denn das einzige Fenster war vergittert und sogar vor die kleine Guckluke in der Tür hatte man Eisen gepackt. Bislang ließ sich nur mutmaßen, ob die Tür zu allem Überfluss versperrt wäre. Weder Azura noch Kjetell'o hatten versucht, sie zu öffnen. Der Elf erwog es nicht einmal. Er stand stattdessen noch immer in all seiner viel zu verführerischen Pracht vor ihr. Er lockte, scheinbar vollkommen unbewusst, was er bei einer Frau alles weckte einzig und allein mit seinem Anblick. Und auch wenn Azura seinen Aussagen genug Glauben schenkte, um inzwischen gleiches Blut in ihm zu sehen, schwächte es die Verlockung kaum. Es ließ sich nicht abstreiten, dass Kjetell'o nach wie vor attraktiv war. Nackt vielleicht sogar noch mehr. Wenn er doch nur nicht ihr Vater wäre! Und wenn es Corax nicht gäbe ...
Ihr Rabe rettete sie wieder einmal, selbst in seiner Abwesenheit. Ihr Gewissen appellierte daran, was sie ihm antun könnte, würde sie Kjetell'o oder wer auch immer ihr noch begegnete nachgeben. Sie befand sich wirklich in einer Zwickmühle, denn nicht nur dass Corax Dunkelelf war, er gehörte auch zum absolut niedersten Gesellschaftsbild. Nicht einmal mehr Soldat war er, sondern nur ein Sklave. Einer, der ihr auch keine Nachkommen würde schenken können. Ihre Blutlinie endete, wo ihre Liebe sich entfaltete, denn hatte sie ihm diese Worte nicht vor kurzem erst gestanden? Wie konnte sie unter jenen Umständen dann Kjetell'o weiterhin mit der Versuchung im Hinterkopf ansehen? Es mischte sich zwar auch dieses Ekelgefühl mit hinein, weil er doch ihr Vater sein wollte. Eine Emotion, die nur natürlich war. Florencia und Phaun hatten es in die Wege geleitet, um Inzest zu vermeiden. Trotzdem schien die Natur selbst mit Kjetell'o einen fleisch gewordenen Regelbruch anzustreben.
Wer auch immer sie mit ihm zusammen eingesperrt hatte, schien das auch nur unterstützen zu wollen. Im Gegensatz zu ihr hatte man Kjetell'o einfach nackt belassen. Nicht einmal Ersatzkleidung lag bereit oder etwa doch? Jetzt, da Azura sich genauer umschaute, entdeckte sie nicht nur einen Satz Kleidung. Zwei Oberteile, ein Hemd und eine Bluse, in venthagefälligem Blau lagen sorgsam zusammengefaltet auf zwei grauen Hosen. Jedenfalls, wenn Azura nicht so vehement mitsamt Decke aus dem Bett gesprungen wäre. Man hatte die Sachen ursprünglich sorgsam ans Fußende platziert. Durch ihre Flucht waren sie zu Boden gefallen und lagen nun durcheinander wie ein kleiner Berg aus Lumpen da. Eines der heruntergefallenen Kissen bedeckte sie halb und so waren sie die ganze Zeit über verborgen geblieben. Nun sah Azura den Stoff hinter Kjetell'os verboten attraktiven Körper aufblitzen, der danach schrie, ihn nie wieder anziehen zu wollen.
Seine Worte hingegen blieben für Azura ein Grund, bei dem sie mit ihrem inneren Zorn kämpfte. Es machte sie ja schon wütend, dass ihr Gegenüber in sein Schema unverrückbarer Ruhe zurückgekehrt war, aber wie er über Corax sprach, brachte den Funken in ihrem Inneren so zum Lodern, dass ihre magischen Flüsse sieden wollten. Er benutzte Corax, gab es nicht nur offen zu, sondern behauptete auch, ihr Rabe wüsste davon.
"Zugestimmt, ja? Und was hast du ihm gesagt, damit er nach deiner Pfeife tanzt? Ihn gelockt, ihm gedroht oder was?"
"Sicher liegt auch etwas Verlockendes in der Aussicht, die wir beide für ihn anstreben." Kjetell'o wog den Kopf hin und her, ehe er ihn sacht schüttelte. Man wollte seiner ruhigen Hülle die im Kerzenschein atemberaubend schimmernde Haut abziehen! "Letztendlich habe ich ihm nur erzählt, dass er niemandem Leid zufügen muss, um ein Grauschelm zu sein ... und siehe da, er ist's gar nicht. Als wir es erkannten, bot sich Raum für Experimente. Für wahrlich verlockende Dinge, die das Gefüge dieser Magie-Art neu formen könnten."
Ehe diese neue Information zu Azuras Geist durchdringen konnte, musste sie jedoch andere Hürden überwinden. Schließlich sorgte sie sich nicht nur um ihren Raben, sondern auch um ihren Ziehvater. Beides machte ihr zu schaffen und Kjetell'os Art, ihr all sein Wissen endlich offen mitzuteilen, trug nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Azura war niemand, der sich durch die Ruhe anderer selbst beruhigen ließ. Im Gegenteil, irgendwie schürte es bei ihr stets Zorn und Trotz.
So schnappte sie auch zurück, als der Elf leise murmelte: "Und du musst aufhören, wie ein leise plätschernder Bach vor dich hin zu reden. Das ermüdet!" Er setzte seine nächste Waffe ein. Er lächelte, mit der Sanftheit eines Mannes, der aufgrund seiner Lebensjahre von mehr Erfahrung sprechen konnte. Er stellte sich dadurch nicht wertend über Azura. Vielmehr lächelte er warm, fast ein bisschen neidisch über ihre jugendliche Sorglosigkeit. "Ich möchte nicht wiederholen, was sich ereignet und uns letztlich hierher geführt hat." Er wies mit beiden Händen und einer ausufernden Geste durch den Raum. "Auch wenn es ermüdet, ist es doch immens wichtig, dass ich die Ruhe bewahre. Lebenswichtig." Das letzte Worte setzte er mit so viel Nachdruck hintenan, dass selbst Azura den Ernst daraus hören konnte. Sein Lächeln gab Kjetell'o dadurch aber nicht auf. Er kehrte zum eigentlichen Thema zurück. Offenbar hatte er an Corax einen Narren gefressen. Natürlich, denn jener ließ sich erneut in eine Rolle stecken, die sich dafür eignete, ihn zu misshandeln. Experimente, weil er kein wirklicher Grauschelm sein sollte ... aber Méllyn Kicherklang hatte Azura doch eindeutig andere Dinge erzählt. Sie hatte nicht einmal lange in Corax' Nähe bleiben können, weil die gegensätzliche Magie ihr zu schaffen machte.
"Ach nein...? Kein Grauschelm...?"
Kjetell'o beantwortete ihr die Frage durch ein bestätigendes Kopfschütteln. "Nicht ausschließlich. Obwohl ich behaupten möchte, dass er sich als solcher wirklich ungemein gut schlägt. Grauschelme ... nutzen das Leid anderer, um ihre eigenen Kräfte zu stärken. Sie gewinnen Macht für noch leidvollere Zauber daraus. Man könnte fast behaupten, ihre Magie ähnelt haraxischen Linien, aber dafür bin ich mit Dämonen nicht weit genug bewandert. Was feststeht, ist, dass Schelme jeglicher Art Illusionen schaffen können. Die einen nutzen als Kern ihrer Kraft Traurigkeit, Leid, Schmerz und Unglück. Die anderen wirken mit dem kleinsten Lächeln eines Dritten ihre Magie." Er streckte einen Finger in die Luft. "Normalerweise stoßen beide Richtungen der Schelmenmagie einander ab. Sie vertragen sich so wenig gut wie Feuer und ... und Wasser." Eine Weile ruhten seine wunderschönen Wälder mit den Goldsprenkeln auf Azura. Dann trat er näher, immer dichter, bis seine Tochter den Stein der Wand im Rücken spüren und nicht mehr zurück konnte.
"Feuer und Wasser. Das eine lässt das andere verdampfen oder stirbt, wenn es gelöscht wird. Es kommt immer auf das Ausmaß und die Größe der jeweiligen Seiten an." Plötzlich klatschte Kjetell'o in die Hände. "Wenn man beides in sich vereint und im Gleichgewicht halten könnte ... was glaubst du, Azura? Würde es den Wirker beeinträchtigen oder befähigen? Wäre er glücklich oder in Gefahr?" Er ließ die Hände sinken, um eine noch geradere Haltung anzunehmen. Er schien gar ein Stück über sie hinweg zu wachsen, mehr noch als zuvor. "Der Leidträger und ich wollen es herausfinden. Vor allem möchte er es wissen ... leben, ohne dass Leid seine Entscheidungen bestimmt. Und er möchte jemanden glücklich sehen." Er kam noch näher, so unendlich dicht. Sie berührten einander fast und genau das war es, was Kjetell'o sich gerade mehr denn je zu wünschen schien. Es funkelte schon in seinen Augen, bevor er es aussprach. "Das ist dein Verdienst und ich könnte nicht stolzer sein. Ich ... würde dich wirklich gern in den Arm nehmen, meine Tochter."
"Möchtest du das, ja?" Kjetell'o nickte, breitete die Arme etwas aus. Er kannte Azura bei weitem nicht gut genug, um ihre Spielereien zu erahnen. Vielleicht, weil seine Absichten aufrichtig wirkten. Sie hingegen traute ihm nicht, allein weil er sich zu ihrem Vater machte und sie mehr Enttäuschung über seine Abwesenheit in sich barg als die Freude, dass sie einander gefunden hatten. Sie näherte sich ihm und seine goldenen Lichter begannen richtig zu leuchten. Oh, der Wald stand in Flammen vor Euphorie, aber Kjetell'o drückte das Feuer dieses Mal nur in seinen Augen aus. Er beherrschte sich. Azura tat dies ebenso. Sie hatte in ihrer Zeit als Adelstochter schließlich gerade wie keine andere gelernt, diese Maske des Ränkespiels zu tragen. Heuchelei, falsche Komplimente und höfliche Ablehnung, gesprochen mit einer Zunge, gegen die kein noch so scharf geschmiedetes Schwert ankam. Das war ihr Element. Nun zog sie ihre Waffen.
Sie neigte sich Kjetell'o engegen, mit ihren Lippen so dicht an die seinen, dass sie die Wärmer ihrer beiden Körper spüren konnten. Azura senkte die Lider, schrägte das Gesicht ein wenig wie zum Kuss bereit. Da hielt sie schlagartig inne. Es wäre aber auch so nie dazu gekommen, denn sie vergaß, mit wem sie sprach. Kjetell'o war sich seiner Position seit Erkennen stets bewusst gewesen und er zog klare Grenzen zwischen Vater und Tochter. Er wich ihren Lippen bereits vorab zurück. Er hatte nie vorgehabt, sie zu küssen und auch tiefer gelegen regte sich nichts ob Azura Nähe. Das hatte auch nichts mit ihrem untoten Aussehen zu tun. Roch sie überhaupt noch? Er verzog nicht einmal die feine Elfennase.
Azura ließ ihn dennoch nicht entkommen. Ihr scharfer Blick fing Kjetell'o ein. Dieses Mal konnte er sich dem ihren nicht entziehen. Seine Pupillen flackerten sogar einmal, als er die Ähnlichkeit goldener Ränder in ihren Augen sehen konnte. Er frohlockte, doch damit war es schnell vorbei, als sie sprach. "Solltest du mich noch einmal anrühren, erfährst du, wie kalt ein Bad im Wasser wirklich sein kann."
Sie brauchte keine Magie und nicht einmal Wasser, sondern nur solche Worte, um den brennenden Wald in seinen Seelenspiegeln zu löschen. Das Glühen verflog, die goldenen Sprenkel zogen sich etwas zurück. Seine Augen blieben nach wie vor ein zauberhaft, geheimnisvoller Wald, aber er lag jetzt in der Dämmerung da, kurz bevor das Licht daraus verschwand. Kjetell'o versuchte offenbar, es wegzublinzeln, aber es misslang. Dann senkten sich auf seine Lider, zusammen mit den Armen. Er räusperte sich und machte einen Schritt zurück. Er schuf Freiraum für Azura.
"Natürlich. Das ... habe ich zu respektieren." Er schlug die Hände im Steiß zusammen und wandte sich halb ab. Dann schritt er zum vergitterten Fenster und blickte hinaus, wo man doch nur Gestein und Venthas regengrauen Himmel sehen konnte. Plötzlich kicherte er leise auf, aber es klang wenig erfreut, eher leidlich.
Was nach keinem von beiden klang, sondern mehr ein Kratzen von Metall über Holz war, stammte von der kleinen Guckluke in der Tür. Der Riegel wurde zurückgeschoben und ein Paar grauer Augen, über denen sich wahre Raupen aus ergrauem Haar breit machten, spähte in den Raum hinein. Die zugehörige Stimme eines Mannes älterer Generation stieß überrascht aus: "Oh, endlich seid ihr beiden wach!" Dann räusperte sich der Beobachter, denn sein Blick fiel auf die unwiderstehlich knackige Kehrseite des Elfen. "Bitte ... zieht Euch etwas an. Auch als Sklave solltet Ihr Anstand besitzen." Ein erneutes Räuspern und die düstere Sprache der Dunkelelfen als unbekannter Kommentar drang aus dem Hintergrund, unsichtbar für Azura und Kjetell'o. Raupenbraue blickte über die Schulter zurück und anschließend wieder in den Raum. "Die Meisterin Mortis scheint nach wie vor unpässlich. Ich habe die Vertretung zwar hier, aber ohne das Wort ihres Leidträgers besitzt keiner von ihnen die nötige Befehlsgewalt. Schließlich ... sind wir nur Menschen." Kurz legte sich Stille über die Szene. "Äh ... er war vorhin da. Der Leidträger, meine ich. Wir lassen ihn suchen, vielleicht kann er die Situation aufklären." Schon wollte der Mann mit den dichten Brauen die Luke wieder schließen und das würde er auch, falls Azura nicht EInhalt gebot. Kjetell'o machte dafür einen Anstalten, wenngleich er sich nun nach der Kleidung umschaute und fündig wurde.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 19. August 2023, 13:10

Erstaunlicherweise sehnte sie dieses Mal keine Ohnmacht herbei. Nicht, weil sie sich unbedingt ihrer Situation und somit auch der Wirklichkeit stellen wollte. Nein, wäre es nur nach dem gegangen, hätte sie liebend gerne die Schwärze und Stille begrüßt. Doch die Anwesenheit des Waldelfen hielt sie in der Realität, denn in seine Arme wollte sie inzwischen keineswegs mehr sinken.
Auch wenn er noch immer verboten attraktiv war und die Gelegenheit beinahe wie geschaffen gewesen wäre dafür, allein die Möglichkeit, dass er tatsächlich ihr Erzeuger sein könnte, ließ sie davon einen großen Abstand nehmen. Und auch ihr schlechtes Gewissen ihrem Raben gegenüber, natürlich...
Zugleich schaffte er es mit seiner beständigen Ruhe ihr dermaßen auf die Nerven zu gehen, dass sie sich gerade über ganz anderes Gedanken machte, als von ihm gehalten zu werden. Ja, inzwischen gelang es ihr sogar einigermaßen, ihre Blicke in Höhe seines Gesichtes zu halten, trotz des Wissens, dass es lediglich ein Kissen war, das die Sicht auf das Männlichste an ihm verbarg.
"Ach!", machte sie auf seine Aussage hin, dass auch er etwas für den Dunkelelfen anstreben wollen könnte, und zeigte damit deutlich, wie wenig sie ihm glaubte. Nun ja, wenn sie ehrlich zu sich selbst wäre, dann waren auch ihre Ziele mit ihm nicht vollkommen... uneigennützig. Allerdings wollte sie ihn eben nicht benutzen, schon gar nicht in einer Art und Weise wie dies bisher mit ihm geschehen war. Umso mehr wollte sie ihn jedoch auch vor anderen schützen, die das in ihren Augen vorhatten. Und so, wie ihr Gegenüber stets an den Fäden seiner Schüler zu ziehen schien, konnte sie sich schwer vorstellen, dass eine Verbindung von ihm und Corax zum Besten des letzteren wäre.
"Du gefällst dir in der Rolle des Lehrers, nicht wahr? In der Position dessen, der alles weiß und in dessen Entscheidungsgewalt allein es liegt, wie viel davon die anderen erfahren!", warf sie ihm vor, obwohl sie nicht ahnen konnte, ob er sich nur ihr und der Sarmaerin gegenüber so gegeben hatte oder auch bei ihrem Raben.
"Außerdem... wenn du ihm bei seiner Magie hilfst, wieso braucht es dann diese Streicheleinheiten dazu, hm? Ist dein Interesse so edel, wie du vorgibst, oder ist das in Wahrheit nur Tarnung?", fuhr sie fort, als diese Erinnerung vor ihrem geistigen Auge aufblitzte, und ja, sie war eifersüchtig. Nicht nur, weil sie es unangebracht gefunden hatte, wie er ihren Liebsten im Nacken berührt hatte, sondern auch, weil... weil... Corax in den Genuss von etwas kommen könnte, das ihr verwehrt bleiben würde. Oh, was war die Welt doch ungerecht!
Sie rang mit sich und widmete sich dem neuen Gefühl, das bei seiner Erzählung aufkam, umso bereitwilliger, da es sie davon ablenkte. Sorge um ihren Stiefvater, die ihr wohl niemand in diesem Ausmaß zugetraut hätte, gemischt mit Wut auf den Elfen vor ihr.
Bei seiner Reaktion auf ihre Worte wäre sie ihn am liebsten angesprungen, weil... er sie schon wieder so seelenruhig anlächelte und weil er... Ihr Blick schoss regelrecht nach unten, als er seine Arme ausbreitete und dabei seine Mitte entblößte, sodass sie seine Geste gar nicht mitbekam. Einen viel zu langen Atemzug sah sie seine verführerische Männlichkeit direkt an, ehe sich ihre Wangen röteten und sie sich zwingen konnte, den Kopf wegzudrehen.
"Und wie kann das sein, dass du, der seine Magie angeblich so gut im Griff hat, sofort in Flammen aufgehst, wenn du Gefühle zulässt?" Ein flüchtiges, freudloses Grinsen huschte über ihre Lippen. "Scheinbar solltest du Unterricht bekommen und nicht geben!" Ja, auch bei ihr nahm die Magie Überhand, sobald sie eine viel zu heftige Gefühlswallung ereilte, vor allem in der letzten Zeit war es so gewesen. Aber ansonsten war sie bei weitem nicht so heftig, wenn sie all die Empfindungen auslebte, die ihr mitunter hitziges Gemüt nicht unterdrücken ließ. Das war auch gut so, sonst wären sie beide vermutlich schon wieder pitschnass... oder gar ertrunken in diesem Gefängnis, in dem sie sich, warum auch immer, befanden.
Danach sprach er wieder von ihrem Raben und schaffte es mit seinen Worte, ihre Ansicht auf den Kopf zu stellen. Sie selbst hatte sich kaum mit Magiearten befasst und war somit auf das wenige Wissen angewiesen, das sie damals von der Elfe über ihren Liebsten erhalten hatte. Und den Unterschied, den sie dabei zu sehen bekommen hatte. Das sollte falsch gewesen sein?
Azura schüttelte leicht den Kopf und wich zugleich vor ihm zurück, als er sich ihr langsam näherte. Dabei blieb es allerdings nicht, denn sein Themenwechsel innerhalb des Punktes Magie ließ sie leicht zusammen zucken. Feuer und Wasser... in einem... wie eine Lebensflamme, die flackernd um ihre Existenz kämpfte, wenn zu viel Nässe um sie herum herrschte... War das Zufall? Oder... wusste er mehr...? Was hatte Corax ihm erzählt?!
Ihr Atem begann, schneller zu fließen, und ihre Hände wurden ein wenig feucht, während sie seinem Blick nicht standhalten konnte. Bei seinen theoretischen Fragen entkam ihr eine für menschliche Ohren kaum hörbare Bemerkung, für die sie sich nur zu gerne die Zunge abgebissen hätte. "Es tötet..." Denn so fühlte es sich stets an für sie, wenn sie zu viel mit ihrer Wassermagie spielte. Als würde sie erlöschen, langsam und spürbar, bis eine Ohnmacht sie für gewöhnlich rettete. Das war schließlich auch der Grund gewesen, warum ihre Mutter all die Jahre verhindert hatte, dass sie ihr magisches Potential schulte und auslebte!
Blinzelnd versuchte sie, diese Gedanken zu verbannen, als ihr klar wurde, dass er wieder zu Corax und seinen Fähigkeiten zurück gekehrt war. Nein, er hatte nicht sie gemeint, er konnte sie gar nicht gemeint haben! Obwohl... hatte sie ihrem Liebsten eigentlich von diesen Gefühlen erzählt, wenn sie Wasser zu beherrschen und zu lenken versuchte? Sie wusste es nicht mehr. Ohnmachten hatte er bei ihr erlebt, aber konnte er auch die richtigen Schlüsse ziehen, die er dann diesem Waldelfen weiter gegeben hatte und der sie zu deuten wusste? Nein, das war ihr Geheimnis, ihr gut gehütetes und kaum selbst verstandenes Geheimnis, das sonst niemand wissen konnte... durfte... sollte! Aber was, wenn doch...?
Dass er ihr so verboten nahe in all seine Pracht war, half ihr nicht gerade beim Denken und so fasste sie einen Entschluss, der ihn lehren sollte, noch einmal so dicht zu ihr zu treten. Es war leicht, in ihre adelige Rolle zu schlüpfen, in jene der Spielerin, wie sie es all die Jahre getan hatte. Sie nahm auch seine Reaktion wahr, das Leuchten in seinen Augen und wusste, dass sie ihn am Haken hatte. Nur, um am Gipfel ihrer Scharade die Maske fallen zu lassen und unmissverständlich zu erklären, was sie wollte und was nicht, während sie Abstand zwischen sie beide brachte. Die Wirkung war... verheerend und eigentlich das, was sie hatte bezwecken wollen, also im Prinzip ein voller Erfolg.
Wieso aber versetzte es ihr dann einen leisen Stich im Herzen, als sich die Farbe seiner wundervollen Augen zu trüben schien? Warum regte sich in ihr das Bedürfnis, die Schärfe ihrer Worte zu lindern und seine offensichtliche Enttäuschung zu lindern? Daran war er doch selbst schuld, nachdem er ihre Mutter verlassen hatte und niemals als ihr Vater da war in all den Jahren! Sofern er es überhaupt war...
Der Zwiespalt in ihrem Inneren vergrößerte sich, während er sich abwandte, und sorgte dafür, dass sie nicht einmal seine Kehrseite bewunderte. Ihr Blick richtete sich erstaunlich zünftig auf seinen Hinterkopf, während sie im Stillen mit sich rang, was sie nun tun sollte. Gerade, als jener Teil mit dem schlechten Gewissen die Oberhand gewinnen konnte und sie den Mund öffnete, um entsprechend etwas zu sagen, ertönte ein Geräusch, das diese Reaktion unterband.
Ihre Stirn runzelte sich wie von selbst und nachdem ihr klar geworden war, dass es nicht von ihm gekommen war, drehte sich ihr Kopf in Richtung Tür. Von draußen wurde die kleine Öffnung in der Tür aufgeschlossen und Licht konnte durch das kleine Rechteck in den Raum fallen, ehe es von einer Gestalt wieder verborgen wurde. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich und sie versuchte sich zu erinnern, ob sie diesen Gesichtsausschnitt schon einmal gesehen hatte, ohne Erfolg.
In der Zwischenzeit sprach er mit ihrem unfreiwilligen Zimmergenossen, ehe sich aus dem Hintergrund noch jemand meldete, den sie aufgrund des Zungenschlags nicht verstehen konnte. "Wieso bin ich..." Sie stockte und erneut zeigte sich für diejenigen, die sie kannten, dass sie fähig war, trotz ihrer arroganten Art etwas dazu zu lernen und nicht sofort wieder zu vergessen.
"... sind wir überhaupt hier? Kommt das dabei raus, wenn man nach Hilfe sucht?! Ich erwarte, dass sich diese Tür jetzt sofort öffnet!", verlangte sie zu erfahren. Sie war schließlich keine Gefangene, zumindest nicht, soweit sie es wusste, und hatte nicht vor, sich dazu machen zu lassen. Dass sie das nicht mitzubestimmen hatte, war ihr in dieser Hinsicht vollkommen gleichgültig.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Dienstag 22. August 2023, 19:13

Hinter Kjetell'o steckte mehr als der veboten attraktive Shyáner Elf mit der Geduld ganzer Gebirgsketten und einem Blick, der nicht nur die Frauenwelt zum Schmelzen bringen konnte. Es existierten allerdings nur sehr wenige, noch lebende Personen, die in seine Abgründe hatten blicken können. Welche Hintergedanken sich in dem schönen Kopf zusammensetzten und wie seine wahren Motive aussahen, verriet er äußerst selten, bis gar nicht. Er kannte das Gewicht einer falsch platzierten Wahrheit. Dennoch schien er bei Azura und ihren Begleitern so aufrichtig zu sein wie nur bei wenigen. Immerhin war die adlige Andunierin sein eigen Fleisch und Blut. Er wollte ihr so viel wie möglich und zugleich auch nur so viel wie nötig mitteilen. Seine Gefühle für sie schienen jedoch echt und offen dargelegt worden zu sein. Trotzdem traute Azura ihm nicht. Er besaß etwas Manipulatives, sei es seiner elfischen Herkunft verschrieben, seiner eigenen Persönlichkeit oder den Umständen, unter denen er sich der Gruppe angeschlossen hatte. Er zog stets an den Fäden, hielt sich zurück, wo weder seine Meinung noch sein aktives Handeln nötig waren und blieb aufgrund seiner geduldigen, ruhigen Art eher charmant im Gedächtnis, wenn überhaupt. Er wusste die Figuren über das Spielbrett zu rücken, ohne dass sie überhaupt die Regeln kannten. Und das reichte Azura offensichtlich aus, ihm nun weniger zu trauen, falls sie es vorher überhaupt getan hatte. Bei ihr kam eben noch seine Aussage hinzu, ihr biologischer Erzeuger zu sein und der Schock, dass sie diesen bis vor wenigen Stunden noch angehimmelt und im Geiste bereits in erotische Szenarien mit ihr gelenkt hatte. Die Scham über derlei Gedanken unterdrückte sie mit einem schlechten Gewissen Corax gegenüber ebenso wie mit der nun misstrauischen bis ablehnenden Haltung Kjetell'o gegenüber. Und langsam wurde sich auch der Elf dessen bewusst. Außerdem erkannte er, was es einbrachte, ehrlich mit seiner Umwelt umzugehen. Er wandelte auf einem schmalen Grat. Azuras Reaktion auf seiner Offenheit zufolge schwankte er gerade, drohte dabei in eine falsche Richtung zu fallen und so blieb nur noch eines: wieder auf Distanz gehen. Er bedauerte es, denn er hoffte noch immer, seine Tochter würde sich ihm ebenfalls öffnen. Bislang sah es jedoch nicht danach aus.
"Du gefällst dir in der Rolle des Lehrers, nicht wahr? In der Position dessen, der alles weiß und in dessen Entscheidungsgewalt allein es liegt, wieviel davon die anderen erfahren!"
"Diese Position hat durchaus ihren Reiz, aber ich hab sie mir nicht bewusst ausgesucht. Ich tue, was nötig ist", schenkte er ihr wohl die letzte Portion absoluter Ehrlichkeit, bevor sich die Vorsicht auch auf seiner Seite wieder aufbaute. Azura wollte ihm nicht glauben. Er hatte einen Fehler gemacht, weil er hoffte, dass Blut letztendlich dicker als Wasser wäre. Doch sie verschmähte sein Blut. Ihr Ziehvater musste ein guter Mann sein.
Kjetell'o musterte sein Kind milde und ein bisschen wehmütig. Er hätte ihr ein ebensolcher Mann sein können, ein guter Vater. Wenn nur die Umstände anders gewesen wären...
"Außerdem ... wenn du ihm bei seiner Magie hilfst, wieso braucht es dann diese Streicheleinheiten dazu, hm?"
Eine der haselnussfarbenen Brauen hob sich in einem perfekt geschwungenen Bogen empor. "Streichelheinheiten?", wiederholte Kjetell'o mit fragendem Unterton. Dass Azura ihn mit dieser schneidenden Frage überrumpelte, kam nicht zum Vorschein. Er musterte sie nur ruhig, ob sie ihm Auskunft gäbe, denn er konnte darauf nichts sagen. Kjetell'o fiel kein Moment ein, in dem er Corax sinnlich gestreichelt oder gar liebkost hätte. Shyáner Elfen besaßen hierbei aber vielleicht auch ein anderes Weltbild als beispielsweise Andunier, die ihre Kinder um besserer Handelsbeziehungen wegen in arrangierte Ehen verkauften.
Kjetell'o wäre es lieber, er könnte seine Tochter streicheln, sanft über den Kopf und den Rücken, nachdem er sie als stolzer Vater umarmt hätte, aber Azura lehnte nicht nur ab, sie verpackte es sogar in eine zuckersüße Drohung, wie nur eine Adlige es vermochte. Er konnte sich davon nun aber weder brechen lassen noch in seiner Enttäuschung versinken. Für sie war seine Magie und dessen Kontrollverlust nun ein Thema und sie ließ nicht locker. Also riss Kjetell'o sich zusammen, um ihr mit der nur ihm eigenen Ruhe weiterhin zu antworten. Trotzdem schien sich etwas verändert zu haben.
"Und wie kann das sein, dass du, der seine Magie angeblich so gut im Griff hat, sofort in Flammen aufgehst, wenn du Gefühle zulässt?"
Er lächelte - verlegen! Seine feinen Wangenknochen nahmen sogar den Hauch einer rosigen Färbung an, wenn man genauer hinschaute. Dazu müsste Azura ihm allerdings sehr nahe kommen. Kjetell'os Teint verbarg vieles, was sein sanftmütiges Lächeln wohl auch in Bezug auf seine Emotionen beherrschte. "Es gibt nur Weniges, das mich emotional weit genug aufzuwühlen weiß, damit ich die Kontrolle verliere", säuselte er mehr zu sich selbst. Dann sah er auf. Er musterte Azura sehr lang, schaute über ihre halb verweste, fahle Gestalt hinweg, wanderte mit seinen Augen ihre Haare entlang und blieb schließlich an ihrem eigenen Blick haften. "Mein schönes Kind..." Er atmete durch. Azura verlange ihm wahrlich mehr ab als er bereit war zuzugeben. "Ich werde besser aufpassen, nun da ich mir der Gefahr bewusst bin. Es darf nicht nochmal, passieren, denn die Kontrolle zu verlieren kann verheerende Folgen haben."
"Es tötet..."
Erneut musterte der Elf seine Tochter. Er nickte und nach einer Weile fragte er überraschend offen heraus: "Hast du schon einmal getötet? Bewusst oder gegen deinen Willen?" Er bat sie nicht, es ihm zu erzählen. Er forderte es auch nicht. Kjetell'o wusste bereits, dass jede persönliche Information von Azura für ihn ein Gewinn wäre. Sie war nicht bereit, sich ihm zu öffnen und deshalb trat etwas in seine Augen, das den goldenen Schimmer darin verblassen ließ. Kjetell'o wandte sich von ihr ab, so dass Azura Gelegenheit erhielt, sich noch einmal in ihrer Unterkunft umzuschauen. Doch nichts konnte sie von diesem Stechen ablenken, das sie empfand, als sie die Enttäuschung im Blick des Elfen wahrgenommen hatte.
Gerade, als sie handeln und ihm etwas dazu sagen wollte, wurde sie noch vor ihrer Tat abgehalten. Die Sichtluke in der Tür öffnete sich. Azura erkannte ein Paar fremder Augen mit reichlich Brauen darüber. Sie hörte Gespräche, erkannte vielleicht noch die Boshaftigkeit in der Tonlage der dunkelelfischen Muttersprache Lerium, aber die Worte blieben ihr ein Rätsel. Sie wusste nur eines: Wenn sie jetzt ihre Gelegenheit verpasste, würde sie diesen Raum vermutlich für eine ganze Weile nicht mehr verlassen. Also forderte sie sogleich und ganz dem andunischen Adel gefällig, freigelassen zu werden.
Das buschige Augenbrauenpaar samt Augen blinzelte. Dann hörte Azura ein Räuspern. "Nun, äh ... um die Wahrheit zu sagen..."
"Ich werde es ihrer Genialität, unserer Herrin Mortis, erklären", ließ Kjetell'o sich vernehmen, blickte aber nur über die Schulter gen Tür. "Lasst das Kind gehen, es hat nichts damit zu tun. Ein Missgeschick während des Unterrichts. Ich bin Lehrsklave für die ausgesuchten Schülerinnen ihrer Herrin und..."
Plötzlich wurde der buschige Blick beiseite gedrängt. Ihn ersetzte ein viel kälteres Paar Augen. Eisblau waren sie, fast weiß mit winzigen, aber scharfen Pupillen. Umrahmt wurde dieser Blick von dunkelbrauner Haut, die bald ins Ebenholzfarbene hinüberglitt. Corax' Haut erinnerte mehr an Asche. Wenn man ihn aber kannte, wusste man, dass da ein anderer Dunkelelf durch das Guckloch starrte. Seine Stimme war kalt und schneidend wie seine Augen.
"Serpentis Mortis ist unabkömmlich und Ihr - Lehrsklave - habt hier nichts zu melden!" Von jenseits der Tür sprachen gleich mehrere Stimmen durcheinander, ohne dabei aber allzu laut zu werden. Das erledigte schon der Elf, dessen Blick sich kurz abwandte. "Genug! Ihr mögt vielleicht in Bezug auf die Akademie plötzlich als Berater ihrer Herrlichkeit dienen, aber in Anwesenheit eines Dunkelelfen seid auch ihr nur minderwertiger Abschaum!" Er schalt offensichtlich einige Nichtdunkelelfen. Berater von Serpentis. Leider konnte sie nicht erscheinen, denn sie war tot und Kjetell'o steckte hier in der Zelle - ohne Illusionszauber. Sie bräuchten...
"Leidbringer..." Die Stimme des Elfen klang trotz der eigentlich eher boshaften, bis skrupellosen Eigenschaft des Lerium überraschend warm. Ehrfürchtig. Den Grund durften Azura und auch Kjetell'o wenig später erfahren, als sich das Augenpaar im Guckloch erneut änderte. Wieder war es dunkle Haut, aber die beiden tiefroten Rubine, die in den Raum funkelten, blieben unverkennbar. Kjetell'o wandte sich ganz um und lächelte. "Leidbringer..."
Corax' Blick zuckte, als er sah, was man bereits gerüchteweise an ihn herangetragen hatte. Azura mit einem nackten Mann, der nicht er selbst war. Seine Augen hefteten sich an sie, während Kjetell'o das Lächeln verlor. Dann wurde die Sichtluke wieder verriegelt. "Es ist nicht so wie du denkst!", rief der Shyáner noch, aber zu spät.
Eine Weile blieb es stillt. Schließlich öffnete sich die Tür und Corax betrat den Raum. Er eilte auf Azura zu, blieb jedoch vor ihr stehen, um sie zu mustern. Im Hintergrund lugten ein dunkelelfischer Wächter und ein beleibter Magus - jener mit den Raupenbrauen - herein. Sie füllten den Türrahmen aus. Eine schnelle Flucht wäre wohl unmöglich. Doch jetzt war Corax ja hier. Sein Kopf ruckte herum. Er sah Kjetell'o direkt an, der sich, nackt wie er war, sofort näherte.
"Wie ist es dann?", fragte der Rabe. Er legte Azura eine Hand auf die Schulter, gestattete sich selbst vor den Augen Fremder jedoch nicht mehr. Dann rümpfte er die Nase, während er Kjetell'o ansah. "Ich kann dein Leid riechen."
Jener nickte wissend. "Es tut hier nichts zur Sache und nein, ich werde es dir nicht überlassen."
Corax engte die Augen. Im nächsten Moment fuhr Kjetell'o mit einer Hand in seinen Nacken und streichelte ihn dort. Es raschelte leise, aber nur geringfügig. Beide Elfen tauschten Blicke. Kjetell'o war es, der irgendwie ... hoffnungsvoll wirkte? Seine Augen wuchsen, nahmen einen fragenden aber zugleich erwartungsvollen Ausdruck an. Corax nickte. "Ja, es ist wieder passiert", sagte er. "Nein, ich weiß nicht, wie." Schon schwand die Vorfreude aus den Augen des Shyáner Elfen. "Warum bist du nackt?"
"Wäre es nicht besser, du nimmst uns Sklaven zu ihrer Herrlichkeit mit, damit wir es nicht zwei Mal erklären müssen?" Kjetell'o lächelte schwach, aber entwaffnend genug, dass die Wache an der Tür schon aufbrummte und Raupenbraue beiseite schubste, um Platz zu machen. Er bellte allerdings: "Ihr geht nackt, Lehrsklave!"
Corax wandte sich um. "Das entscheidet nicht Ihr, Wächter." Der Dunkelelf biss die Zähne zusammen, neigte aber das Haupt und zog sich zurück. Wenig später kam er mit Kleidung zurück. Schlichte Roben in den Farben der Akademie, dazu Unterwäsche und ein Paar bequemer Stoffschuhe. Kjetell'o reichte es aus. Er zog sich um, während Corax und Azura warteten. Letztere hatte somit ein wenig Zeit, sich ungestört mit ihrem Raben zu unterhalten, wenn sie es nur leise tat. Ansonsten war er bereit, sie und Kjetell'o anschließend erst einmal aus ihrer Arrestzelle zu bringen. Er selbst stellte keinerlei Fragen. Dafür merkte Kjetell'o wenig später an ihn gewandt an: "Der neue Liebling ihrer Herrlichkeit, der Leidbringer, besitzt schon enorm viel Macht hier. Fühlt es sich gut an, einmal das Sagen zu haben? Ein dunkelelfisches Privileg."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Dienstag 22. August 2023, 22:47

Auf der einen, der lauten Seite war ihre eigene Enttäuschung über ihn und sein Verhalten, aber auch ihr Frust darüber, dass sie vermutlich niemals in den Genuss dieses männlichen Körpers gelangen würde und dennoch immer wieder schwach werden würde, die dafür sorgten, dass sie fest der Meinung war, nie in ihrem Leben mehr mit ihm zu tun haben zu wollen. Doch auf der anderen, noch leisen Seite war der Keim für ihre Neugier gesät, eine Empfindung, die zu vielen Fragen und ehrlichem Interesse führen könnte, sollte sie dazu kommen, ihn jemals zu hegen und zu pflegen.
Im Moment allerdings projizierte sie sämtliche negativen Gefühle auf ihn und wollte mitunter bewusst seine Worte falsch verstehen. Dass sie ihn dadurch jedoch lehrte, dass es ausgerechnet die Wahrheit war, die er besser tunlichst für sich behielt, dessen war sie sich nicht bewusst. Denn, auch wenn sich in ihr sämtliche Fasern dagegen sträubten, dass er tatsächlich ihr Erzeuger sein könnte, wenn man ihr genügend Zeit lassen würde, würde sie dankbar für seine Offenbarung sein.
Selbstverständlich hatte sie sich schon oft gefragt, wer jener Mann gewesen war, der ihre Mutter mit einer Leibesfrucht zurück gelassen hatte. Jene Frau, die keineswegs leichtfertig war oder sich zu jedem ins Bett gelegt hätte. Nicht nur einmal hatte sie als kleines Kind eindeutige Angebote an Aquila mitangehört, die sich dermaßen in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten, dass sie Jahre später sich noch daran erinnern und erst mit dem Alter allmählich hatte verstehen können, was die Männer damals gewollt hatten. Doch sie waren allesamt abgewiesen worden, ganz gleich, welchen Preis sie geboten hatten, bis ihr Ziehvater gekommen war und sie beide zu sich geholt hatte.
Ja, er hatte versucht, ihr ein guter Vater zu sein und sie hatte die Vorteile, die sich daraus ergeben hatten, weidlich ausgereizt. Auch hing ihr Herz stärker an ihm, als sie sich selbst eingestehen wollte und als sie ihm je hätte zeigen können. Und dennoch... die leiblichen Wurzeln zu kennen, womöglich zu verstehen zu beginnen, warum in ihr beinahe so etwas wie zwei gegensätzliche Seelen wohnten, das könnte ihr noch sehr viel wert werden. Wenngleich nicht jetzt und nicht hier und nicht... sofort in seiner Anwesenheit.
Dazu waren die anderen Gefühle zu stark und auch der Widerwille anzuerkennen, dass sie diesen unwiderstehlich attraktiven Elf niemals, niemals auf jene Art und Weise zu spüren bekommen würde, ihn herausfordern könnte, wie sie es mit Corax hatte erleben können. Gut für ihre Treue, zumindest die offensichtliche, und trotzdem zum Haareraufen, da sich ihr Gewissen damit nicht beruhigen lassen wollte.
Also bemühte sie sich, jedes Thema, das sich zwischen ihnen ergab, auszureizen, um nicht darüber nachdenken zu müssen, welcher Zwiespalt in ihr herrschte... mal wieder! Hinzu kam, dass sie generell auf Kriegsfuß mit möglichen Lehrpersonen stand, um stets aufs Neue zu beweisen, dass sie diese nicht benötigte. Dass dies nicht stimmte, wusste sie im Prinzip zwar, aber... es tat mitunter wirklich gut, diesen Personen zu zeigen, dass sie bei weitem nicht so allwissend und überlegen waren, wie sie sich gerne selbst darstellten. Dass sie es oftmals nicht anders tat... Nun, diesen Blickwinkel von außen besaß sie nun einmal nicht.
Bei seiner Erwiderung deutete sie ein respektloses Augenrollen an. "Nötig für wen?", hakte sie nach und ließ in ihrer Stimme mitklingen, dass sie ihm wenig Glauben schenkte, dass er sich diese Position nicht ausgesucht hätte. Als ob er es nicht weidlich auskostete, mehr zu wissen als sein Umfeld! Ausreichend, um sie zu lenken, wie es ihm beliebte, anstatt sie einzuweihen und lediglich zu begleiten. So wie... wie... ein Vater es doch tun sollte...
Warum nur dachte sie ausgerechnet in diese Richtung?! Noch war längst nicht erwiesen, dass er die Wahrheit gesagt hatte und nicht nur ausnutzen wollte, dass sie ihren Erzeuger nicht kannte!
Besser, sie blieb in ihren Überlegungen bei einem anderen Thema und das warf sie ihm auch direkt an den Kopf, wenngleich mit einem eifersüchtigen Beigeschmack, den sie gerne herunter gewürgt hätte. Bei seinem Nachhaken schnaubte sie wenig damenhaft und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. "Ja, Streicheleinheiten! Was bringt es, ständig sein Gefieder zu berühren?", fuhr sie mit etwas mehr Schärfe und der Forderung nach Erklärungen fort.
Während sie sich daran erinnerte, dass sie ihn ebenfalls dort gestreichelt und den Eindruck gehabt hatte, dass es ihm gefiele. War das mit dem Waldelfen auch so? Übte er denselben Zauber auf ihren Raben aus wie auf sie? Was hatten sie in den letzten Tagen alles getan, wenn sie Zeit unter vier Augen und ungestört verbracht hatten?!
Im Gegensatz zu Corax jedoch wollte sie derzeit keine Berührungen von ihm, vielleicht würde es auch niemals soweit kommen! Und um das klar zu machen, wandte sie ihre effektivste Waffe an, ihre Zunge.
Damit sie im nächsten Moment noch anderes ins Gespräch einbrachte. Tatsächlich erhielt sie eine Reaktion, die dafür sorgte, dass sie ihre Stirn leicht runzelte, denn er lächelte und wirkte irgendwie... verlegen dabei. Sie versuchte, seinen Blick zu fixieren und beobachtete ihn genau, wenngleich ihr aufgrund der Distanz und des nicht ganz so vorteilhaften Lichtes die leichte Röte in seinen Wangen entging.
Bei seinem Säuseln, das sie aufgrund ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit für seine Antwort auch hörte, huschte ein feines, trotz allem zufrieden wirkendes Grinsen über ihre Lippen, das sie einfach nicht unterdrücken konnte. "Wie schmeichelhaft!", bemerkte sie und ja, sie fühlte sich wirklich geschmeichelt davon, schließlich hatte sie es ja auch darauf angelegt, seine ruhige Fassade endlich zum Einsturz zu bringen. Obwohl sie es sich weit anders vorgestellt hatte und mit völlig anderen Folgen. Die es nun niemals geben würde, wenn er die Wahrheit gesagt hatte...
Als er sie daraufhin wieder musterte, hätte sie sich ohne diesem Vorwissen gefragt, ob er sie damit schon ausziehen wollte. Jetzt hingegen... fragte sie sich, was er nun von ihr wollte und was er als nächstes für eine Strippe würde ziehen wollen, um sie so zu bewegen, wie es seinem Sinn entsprach.
Das Runzeln kehrte bei seinem Kompliment in ihre Stirn zurück und sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich bin kein Kind!", protestierte sie, um nicht zu sehr über den Rest seiner Worte nachzudenken. Zumindest jene, die bereits zurück lagen.
Die Kommenden hingegen ließen sie unvorsichtig werden und etwas preisgeben, das sie niemandem verraten wollte, nicht einmal ihrem Liebsten. Wie gut, dass er es falsch verstand und nicht die richtigen Schlüsse daraus zog. Was nicht bedeutete, dass seine folgende Frage einfacher für sie gewesen wäre, denn sie ließ sie abrupt aus sämtlichen Gedanken aufschrecken und ihn mit großen Augen und blassem Teint anstarren. "Was...?", keuchte sie und schüttelte heftig den Kopf, hob sogar abwehrend die Hände.
Nein, das würde sie niemals tun, sie könnte nie jemanden töten! Obwohl... was war das mit der Hexe gewesen? Oder mit dem Umstand, dass der dumme Kapitän ihr nachgesprungen war und ihre Schachkünste gefordert gewesen waren, um ihn zurück zu schicken...? Oder bei ihrer Ankunft auf dessen Schiff...
Azura musste schwer schlucken und hatte das Gefühl, als bräuchte sie die Wand, die sie hinter sich ertasten konnte, um sich auf den Beinen halten zu können. Sie tötete nicht, sie konnte das gar nicht, selbst bei Tieren war sie nicht so brutal wie manch anderer Adeliger gewesen. Und trotzdem...
Ob es allerdings ein solch besserer Moment war, die Enttäuschung und das Verblassen der Farben seiner Augen zu sehen, war ihr nicht wirklich klar. Und auch wenn er ein Lügner sein könnte, der ihr Unwissen über die Identität ihres Erzeugers ausnutzen könnte, irgendwie... kratzte es an ihr, dass sie ihn dermaßen gekränkt hatte. Warum, das konnte sie sich nicht beantworten, und auch die Überwindung, einen Schritt auf ihn zu zumachen, war eine beinahe übergroße.
Doch dieses Bedürfnis stieg in ihr hoch und sie hätte wohl über kurz oder lang etwas entsprechendes gesagt, wenn... ja, wenn die Sichtluke in der Tür nicht geöffnet und sie beide gestört worden wären. Also stürzte sie sich regelrecht darauf und verlangte auch nach Freilassung oder zumindest Antworten über ihre aktuelle Situation.
Die Reaktion war ein Blinzeln und ein beginnendes Stammeln, als auch schon ihr Zellengenosse nachzulegen versuchte. Wobei es ihr überhaupt nicht gefiel, schon wieder als Kind bezeichnet zu werden. Sie warf ihm auch einen entsprechenden, tadelnden Blick zu, ohne sonderlich viel Hoffnung, dass er es beachten würde.
Doch soweit kam er auch gar nicht, denn mit einem Mal wechselte der Anblick durch die Luke. Azura wandte sich diesem neuen Augenpaar zu und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, als Zeichen, dass sie sich so leicht nicht gedachte, einschüchtern zu lassen. Hätte sie nicht so viel Zeit mit Corax verbracht, hätten diese weißen Pupillen ihr möglicherweise Angst eingejagt. So allerdings fühlte sie sich gestärkt genug, dass sie sogar ihr Kinn in einem Anflug von Trotz und ungebrochenem Willen anhob.
Plötzlich wurde der Waldelf verbal angegangen und sie schnaubte beinahe lautlos. "Wenn der Umgang mit den Sklaven immer so läuft, werden bald keine mehr zur Verfügung stehen!", murmelte sie in sich hinein und machte das Spiel um die Rolle des anderen soweit mit. Es war eine Scharade, das wusste sie, aber eine notwendige, wenn sie das richtig verstanden hatte. Ab und zu konnte sie ja doch zuhören...
Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt, denn draußen wurde es lauter und unruhiger. Fragend warf sie ihrem Zellengenossen einen Blick zu, als auch schon ein weiteres Augenpaar erschien. Es war rot, bekanntes und geliebtes Rot, es war... ihr Rabe!
Die Augen der jungen Frau weiteten sich ein wenig, aber ihre Lippen zeigten ein erleichtertes Lächeln, ehe sie seiner Blickrichtung folgte und sich erinnerte. Mit einem Mal wurde sie blass und glaubte zu ahnen, was er sich bei dem nackten Anblick in ihrer Nähe denken würde, während er auch schon einen Satz rief, der in solchen Situationen ein regelrechtes Klischee darstellte. Oh, wenn Corax das nur nicht gesehen hätte! Sie hatte nichts getan, in Gedanken jedoch...
Das geräuschvolle Aufschließen der Tür und deren öffnen lenkten sie soweit ab, dass sie nicht näher darüber nachdenken musste. Das würde schon noch kommen, das befürchtete sie aus vollem Herzen.
Prompt kam er herein und ging auch direkt zu ihr hin, dann jedoch blieb er stehen. Sie schluckte schwer und sah etwas unsicher zu ihm hoch, denn am liebsten wäre sie in seine Arme geflüchtet. Aber der Moment ließ sie zögern und sich davor ängstigen, dass er sie abweisen könnte, wenn sie es dennoch täte. Er wandte den Blick ab und sie senkte den ihren, weil sie glaubte, jetzt würden die vernichtenden Worte kommen, völlig gleichgültig, dass er Stunden zuvor noch andere Andeutungen gemacht hatte, sollte er ihr nicht genügen.
Die Frage ließ sie dagegen leicht zusammen zucken, während seine Berührung ihren Kopf regelrecht in die Höhe riss. Ihr Herz hämmerte wie wild und sie versuchte, ihn mit ihren Augen wieder zu sich zu lenken. Als ihr dies nicht gelang, wagte sie es, ihre Hand zu heben und mit leicht zittrigen Fingern auf die seine zu legen.
"Corax...", wisperte sie kaum hörbar und wollte nicht, dass die Zwei sich wegen dieses Missverständnisses streiten würden. Nicht so sehr wegen dem Wohlergehen des Waldelfen oder weil sie daran dachte, wie handgreiflich ihr Rabe werden konnte. Es war vielmehr, weil es ihrem Gewissen umso mehr Nahrung gegeben hätte, das auch so schon ausreichend stark ihm gegenüber ausgeprägt war, obwohl sie lediglich gedanklich Dinge getan hatte, die niemals in der Wirklichkeit umsetzbar wären.
Da erwähnte er schon das Leid ihres Zellengenossen und sorgte dafür, dass sie sich auf die Unterlippe biss und an ihm vorbei gegen die Wand sah. Deutlich war ihr noch die Erinnerung an das Erlöschen der Farbe seiner Augen im Sinn und auch da regte sich ihr Gewissen wieder.
Seltsam... früher hatte sie ihre Zunge oft gewetzt und Bemerkungen auch gegenüber jenen Personen gemacht, die sie zu ihrem engeren Freundeskreis gezählt hatte, um bewusst zu verletzen und sich niemals darum gekümmert, wenn sie mitten ins Schwarze traf. Sie hatte gewusst, sie würde keine Konsequenzen erleben, denn sie war von diesen Leuten weiterhin umkreist worden. Bei diesen beiden Männern hingegen... Warum nur war ihre Welt um so vieles komplizierter geworden?!
Leise seufzte sie und wandte ihren Kopf in genau jenem Moment, als der Waldelf in den Nacken ihres Liebsten griff. Ihre Miene verdüsterte sich und sie schnaubte leise. "Sag ich ja, Streicheleinheiten!", nuschelte sie in sich hinein, wollte allerdings ausnahmsweise nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es erleichterte sie, dass die Zwei sich nicht sofort an die Gurgel gingen, da wollte sie niemanden daran erinnern, dass dies noch ausstehen könnte, ehe es eine ausreichende Erklärung gäbe.
Und diese wollte sie Corax geben, im Gegensatz zu dem Waldelfen, der sich mal wieder in Ablenkung geübt hatte. Bis dahin hielt sie sich zurück und atmete innerlich auf, als er auch auf Kleidung für den anderen bestand, die recht zügig gebracht wurde.
Während der Nackte sich endlich anzog, obwohl ein leiser Teil in ihr diesen Umstand durchaus zu bedauern wusste, wandte sie sich direkt an ihren Raben und fasste ohne Umschweife zusammen, was zu ihrem... Problem seiner fehlenden Bekleidung geführt hatte. "Er hat behauptet, er wäre mein Va... der Mann, der mich gezeugt hat und ist daraufhin in Flammen aufgegangen. Ich habe ihn gelöscht, bis ich ohnmächtig geworden bin und dann sind wir hier aufgewacht.", wisperte sie ihm entgegen, dass hoffentlich nur seine Elfenohren diese Worte würden aufschnappen können. Dabei sah sie ihm in die Augen und betete im Stillen zu Ventha, dass er die Wahrheit hinter ihrer Bemerkung erkennen würde, der Rest ihrer Gefühle, die sie vor diesem Ausbruch gehegt hatte, nicht sehen könnte.
Danach hielt sie unwillkürlich den Atem an und harrte seiner Reaktion.
Um wenig später endlich diese Zelle verlassen zu können, wenngleich sie es mit gesenktem Blick tat und sehr vorsichtig damit umging, wie nahe sie Corax dabei kam. Nur für den Fall, dass er das nicht wollen könnte.
Erst, als auch der Waldelf wieder etwas sagte, sah sie auf und ihn skeptisch an. Was sollte das denn jetzt? War das Neid, den sie zu hören glaubte? Oder bildete sie sich das ein? Wollte er ihrem Raben lediglich schmeicheln und so das Eis brechen? Das wäre dann wohl kaum der richtige Weg! Oder etwa doch...?
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 25. August 2023, 20:14

Azura brauchte einen Sündenbock. Nicht nur für ihre aktuelle Situation, die Umstände von ihres Vaters Nacktheit, der Tatsache, dass er überhaupt ihr Vater sein sollte und nicht zuletzt auch noch all der Scherereien, mit denen sie sich schon länger herum schlagen musste, beispielsweise ihre anhaltende untote Optik. Kjetell'o passte nun perfekt in die Rolle, auch weil außer ihm niemand in dem kleinen Arrestraum war. So ließ Azura all ihren Frust und die Emotionen an ihm aus, mit denen sie aufgrund der Situationen nicht umgehen konnte oder wollte. Sie versuchte nicht einmal, ihn zu verstehen. Das hätte sie ohnehin nicht geschafft. In ihren Augen war er ein Marionettenspieler, der eine Schau aufführte, an den Strippen zog, niemals aber selbst auf die Bühne trat. Mit Glück sah ein kluger Zuschauer mal seine Hände, die die Fäden der tanzenden Holzpuppen führten, aber darüber hinaus blieb alles an ihm verborgen. So sah sie es auch jetzt, obwohl Kjetell'o sich gerade ihr durchaus geöffnet hatte. Vermutlich wussten sie und möglicherweise auch Corax noch am meisten von dem Shyáner Elfen. Sie allein wusste, dass er ihr Vater sein sollte. Die Information genügte ihr aber schon, um eine Schlucht zwischen sich und ihn zu reißen. Sie verurteilte ihn dafür, dass er ihr Vater und niemals anwesend gewesen war, als sie ihn als Kind gebraucht hätte. Sie verurteilte ihn, nicht für seine Mutter dagewesen zu sein und am Ende fand sie sogar noch den Grund seiner Lehrtätigkeit, um ihn auch dafür als schlechten Elfen anzusehen. Alles, was ihr einen Nährboden bot, um Distanz zu seiner weiterhin existenten Attraktivität zu vergrößern, nutzte sie aus. Dass sie ihn damit mehr als kränken könnte, sah sie nicht. Noch ließ Kjetell'o sich allerdings nichts anmerken. Er versuchte es in seiner altbekannten, ruhigen Art, antwortete ihr, aber auch hier ging er mit vertrauten Methoden vor. Er erwiderte zwar etwas auf ihre Fragen, vollkommen offen wirkte es jedoch nicht.
So hakte Azura sofort nach, als er meinte, dass er sein Nötigstes täte, um sowohl ihr, als auch Corax und Madiha etwas beizubringen. "Nötig für wen?" Azura blieb misstrauisch. Er seufzte tonlos, aber unter einem warmen Lächeln. "Das ... würde ich dir gern sagen, aber ich kann nicht." Es gab also doch Geheimnisse. Wenigstens war er ihr gegenüber offen genug, sie überhaupt anzudeuten. "Alles, was ich sagen kann, ist, dass es zum Wohle Andunies geschieht. Vielleicht zum Wohle Celcias. Und nun musst du diese Information wieder vergessen. Sie ... kann gefährlich sein."
Er spielte mit ihr, sah dabei aber nicht danach aus, als genoss er es. Vielmehr lag Bedauern in seinen Augen, als würde er wirklich gern offener sprechen. Doch auch er musste sich offenbar an gewisse Regeln halten oder besaß Prinzipien, die ihm wichtiger waren als sein eigen Fleisch und Blut - wenn das überhaupt stimmte! Azura wollte es noch nicht so recht glauben, vielleicht auch aus dem kleinen Teil heraus, dass ihr so dieser unsagbar attraktive Elfenkörper verwehrt blieb. Sie durfte ihn bewundern, aber nicht berühren und schon gar nicht empfangen. Wenn er wirklich ihr Vater wäre, würde das mehr als einen Skandal auslösen. Sie stand schon wegen Corax mit einem Bein in Problemen. Entjungfert von einem Dunkelelfen, noch dazu einem ehemaligen Sklaven und Eunuchen. Selbst wenn man über seinen gesellschaftlichen Status würde hinwegsehen können und er sich bei seinen Eltern etablierte, so könnte er niemals die Blutlinie der van Ikaris fortführen. Da Azura das einzige Kind wäre, gab es auch keine Alternativen. Oh, es käme noch einiges auf sie zu.
Kjetell'o hingegen schien von Corax eine Menge zu halten. Er hatte zumindest eine Faszination für den Raben entwickelt. Eine, auf die Azura durchaus eifersüchtig war. Sie bekam keine Streicheleinheiten von dem Shyáner! Aber selbst er schien es nicht so zu sehen, wenn seine Hand bei Corax im Nacken landete und er dort sein schwarz wucherndes Gefieder aus Leid kraulte.
"Ja, Streicheleinheiten! Was bringt es, ständig sein Gefieder zu berühren?"
Kjetell'o schmunzelte überrascht. Dann lächelte er ganz sanft. "Mache ich das? Ich schätze, ich habe es mir direkt angewöhnt. Anfangs wollte ich nur erfühlen, wie viele Federn sich je nach Größe seines Leids bilden. Ich muss jedoch zugeben, es beruhigt auch zu wissen, wieviel er davon tragen kann. Eine große Bürde, aber wenn wir es schaffen, sie zu nutzen - wenn meine Theorie stimmt - wird zumindest er darunter nicht mehr leiden. Im Gegenteil."
Wenig später hätte Kjetell'o ob dieser Aussage aber wirklich etwas Leid an Corax erübrigen können und auch Azuras Herz wurde schwerer, als sie in die verblassten Lichtsprenkel der elfischen Augen schaute. Sie hatte mit ihrem Argwohn etwas bewirkt. War er nun gekränkt, enttäuscht? Zumindest wirkte er unglücklich und wandte sich von seiner Seite der von ihr geschaffenen Schlucht ab, um nun aus dem vergitterten Fenster zu sehen. Nicht einmal eine Azura hatte das gewollt und wäre sie just nicht in diesem Moment unterbrochen worden, hätte sie wohl versucht, es wiedergutzumachen. Stattdessen tat sich einiges jenseits der Tür ihres Gefangenenzimmers und wenig später erschien wirklich Corax auf der Bildfläche. Azura sah seine Rubinaugen durch das kleine Guckloch. Sie schenkten ihr sofort Zuversicht, hier wieder heraus zu gelangen. Zunächst einmal wurde die Tür jedoch entriegelt und ihr Rabe betrat den Raum. Er blieb sofort bei ihr stehen, berührte ihre Schulter, aber zu mehr Austausch von Zärtlichkeiten kam es nicht. Sie hatten Beobachter von der Tür aus. Außerdem war Kjetell'o nach wie vor nackt und ... Corax hatte ihn gesehen.
Beide Männer gingen jedoch deutlich ruhiger miteinander um und am Ende landete Kjetell'os Hand erneut im Nacken des Raben. Er kraulte die wenigen Federn, während Azura sich einen bissigen Kommentar nicht verkneifen konnte. Corax schaute auf sie herab. "Bist du ... eifersüchtig?" Etwas funkelte in seinem Blick auf. Etwas, das sie lange Zeit vermisst hatte und mit Kjetell'o unmöglich teilen konnte. Corax neckte sie. Er war nicht wütend, er störte sich auch nicht an ihrer Eifersucht, wohingegen seine berechtiger gewesen wäre. Immerhin stand sie hier mit einem Nackten im Raum. Er zog sie nur ein bisschen auf und ... es gefiel ihm. Er grinste seicht. Dann hob er seine Hand, um sie in Azuras Nacken zu legen. Auch sie erhielt Streicheleinheiten, noch dazu vom richtigen Mann. Es fühlte sich unsagbar schön an ... bis er leicht kniff. "Keine Federn" scherzte er. Von der Tür her räusperte sich der dunkelelfische Wächter unter Missbilligung. Damit verdarb er Corax die Laune. Jener zog sofort seine Hand zurück und Kjetell'o tat es ihm bei seinem Nacken gleich. Anschließend wurde Kleidung für den Waldelfen geholt. Azura nutzte die Gelegenheit, das Missverständnis aufzuklären ... und Corax ... er glaubte ihr. Sie sah es. Er wirkte sogar eine Spur weit erleichtert, während das wenige Gefieder in seinem Nacken erneut raschelte und Glauben machte, unter dem Schwarz andere Farben zu besitzen.
Die Informationen ließen Corax dennoch stutzen. Er sah zu Kjetell'o zurück. "Erzeuger?", wiederholte er, musterte den anderen eingehender. Kjetell'o hatte sich gerade die Hose zugeschnürt und zog nun das Hemd über den Kopf. Zwischen den beiden Teilen seines Kragens lugte er mit entwaffnendem Blick aus dem Stoff heraus.
"Du bist kaum älter als ich", bemerkte Corax.
"Ist das ein Problem?", fragte Kjetell'o. Der Rabe schüttelte den Kopf. Kjetell'o winkte ab. "Es ist ohnehin nicht von Belang", meinte er mit neutralem Tonfall. "Sie ist nicht daran interessiert. Und ich werde mich zurückhalten." Sein Blick wanderte zu Azura. Er sah nach Abschied aus. Oh, sie hatte eine große Schlucht gesprengt. Kjetell'o winkte nicht einmal mehr von der anderen Seite her. Er wandte sich auch nicht mehr wirklich direkt an azura, unterhielt sich eher mit Corax, als sie wenig später durch Korridor und katakombenartige Gemäuer zurück in höhere Etagen des Institutes gingen. Begleitet wurden sie nicht. Der dunkelelfische Wächter hatte bei den Arrestzellen zu bleiben und die Magier von der anderen Seite der Tür - Berater der Herrin Serpentis - sollten wieder ihrer Arbeit nachgehen. Corax teilte ihnen das kühl und bestimmt mit. "Serpentis Mortis wird sich der Aufgabe schon wieder annehmen, sobald sie diese für würdig genug empfindet", hatte er gesagt. Sein Ton war harsch und kalt gewesen. Da brauchte es nicht einmal Lerium, um ihm seine Herkunft zu glauben. Die Magier hatten nicht rebelliert. Der Leidträger war mit den mutmaßlichen Sklaven von dannen gezogen und nun kehrten sie in einem unbesuchten Salon ein, der eigentlich für Studierende als Rückzugsort gedacht war. Blau und Grau dominierten den Raum sowohl bei Wandteppichen als auch den Polstermöbeln. Es gab mehrere Sitzgelegenheiten. Gebäck und Tee standen bereit, aber auch jede Menge Karaffen mit Wasser, frische Äpfel von den andunischen Plantagen. Eine riesige Muschelskultpur, die halb so groß wie Azura war und in einer Metallhalterung stand, spielte auf magische Weise eine Musik, die an das Meeresrauschen erinnerte und doch ihre ganz eigene Melodie besaß.
Kjetell'o nahm auf einem schlichten Holzstuhl mit blauer Polsterung Platz. Corax ließ sich auf einer Sofahälfte nieder, bot Azura die andere Seite an. Er suchte ihre Nähe und als die Tür geschlossen wurde, zeigte er es auch endlich direkt. Seine verbliebenen Finger wanderten zu ihrer Hand. Er hielt sie schnell, suchte die Verbindung und wirkte erleichtert darüber, sie fühlen zu können. Sein Blick galt ihr, nicht Kjetell'o, als dieser einen Kommentar über seine Position als Leidbringer und Liebling der Feuerhexe abgab. Er klang nicht neidisch und auch nicht so, als verhöhnte er Corax damit. Ein Kompliment war es aber auch nicht. Aus dem Shyáner sprach die Neugier. Auch er hatte längst mitbekommen, dass Corax sich selbst nur als minderwertigen Sklaven sah. Nun aber hatte er Macht demonstriert. Er hatte den anderen Dunkelelfen mit wenigen, scharfen Worten in die Schranken gewiesen. Er hatte sich dominant gezeigt wie zu den Anfängen, als er Azura entführt hatte. Damals hatte er sich als Serpentis' Soldat zu erkennen gegeben und auch wie einer gehandelt. Er nahm die Rolle ein, die man ihm aufbürdete. Und wenn nur noch der Sklave übrig blieb, dann war er das. Ihm schien wichtig, eine höhergestellte Person zu haben, deren Willen er erfüllen konnte. Entweder waren das aktuell Madiha oder Kjetell'o, wenn er Serpentis' Aussehen als Illusion trug.
Wo steckte die Sarmaerin eigentlich? Auch Caleb war nicht da, dabei dunkelte es schon längst. Corax hatte beide nicht erwähnt. Er hielt Azuras Hand und reagierte endlich auf Kjetell'os Bemerkung: "Ich besitze keine Macht. Ich nutze nur die Möglichkeiten, die die aktuellen Rollen bieten. Du hast gesagt, ich soll mich als der dunkelelfische Leidbringer ausgeben, der direkt unter Serpentis steht."
Kjetell'o nickte. "Die Dunkelelfen regieren Andunie derzeit. Auch wenn es dir nicht gefällt, du ... bis aktuell mehr wert als wir alle zusammen." Er hob eine Hand und zeigte ihm als auch Azura das Beutelchen, in dem sich die Seelenperlen der Andunierin verbargen. "Sogar darüber hinaus. Ich habe das Ritual studiert, Leidbringer. Es braucht eine nahestehende Person zu Azura. Du könntest jene sein. Es wird Zeit, das Ritual anzugehen, damit sie zu ihrer Mutter zurück kann. Was sagst du?"
Corax blickte auf den Beutel, ehe er zu Azura schaute. Er drückte ihre Hand. "Wenn es funktioniert, wärst du wieder die Alte. Dann kann ich nur noch von deiner Schönheit sprechen. Vielleicht sollten wir noch warten. Ich habe mich kaum darüber beklagt, wie verwest du aussiehst." Er schmunzelte, neigte sich vor und haschte nach ihren Lippen, ganz unabhängig davon, wie grau sie waren oder ob sie nach Tod schmecken mochten. "Ich liebe dich", hauchte er ihr anschließend ins Ohr und etwas leiser fügte er an: "Falls du ... andere Männer willst, dann ... stehe ich dir nicht im Weg."
Kjetell'o wandte sich ab. Er schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Elfen hörten nun einmal deutlich besser, doch er mischte sich nicht in die Angelegenheiten seiner Tochter ein. Das würde er nicht mehr tun, denn sie wollte ihn überhaupt nicht an ihrem Leben teilhaben lassen. Und Kjetell'o ... akzeptierte das.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 26. August 2023, 20:48

Mal wieder fühlte und war sie mit einer Situation überfordert, ohne die Zeit sowie Gelegenheit, aber vor allem den Zwang zu erhalten, sich damit und den Auswirkungen auf sie beschäftigen zu müssen. Stattdessen hatte sie weder Raum, noch Ruhe für sich, sondern war mit ihrem angeblichen Erzeuger in einem Zimmer, das obendrein wie ein Gefängnis wirkte. Als ob sie etwas angestellt hätte!
Wieso war sie überhaupt hier gelandet? Sie war ohnmächtig geworden und wusste demnach nicht, wer warum so entschieden hatte und was sie dagegen tun sollte.
Doch zuvor musste sie sich erst einmal gegen den Waldelfen behaupten, den sie beständig von sich stieß, weil sie viel zu überrumpelt von dieser Entwicklung war, als dass sie hätte zulassen können, dass er sich ihr noch einmal näherte. Und auch wenn er behauptete, für ihre Erschaffung verantwortlich zu sein, machte ihn das nicht weniger attraktiv in seiner kompletten Nacktheit, die sie niemals auf jene Art und Weise genießen dürfte, wie ihr Körper es gerne hätte. Was wirklich zum Haareraufen war!
Allerdings, sollte er die Wahrheit über ihr Verhältnis zueinander sagen, dann hätte sie wegen vollkommen anderer Gründe so einige Hühnchen mit ihm zu rupfen. Mit ihm, der erwartete, dass sie ihn mit offenen Armen nach all den Jahren empfing, als wäre er niemals abwesend gewesen und hätte sich wie ein richtiger Vater um sie gekümmert. Ja, selbst ihr Stiefvater hatte eher selten körperliche Zuneigung von ihr empfangen, obwohl sie ihn den Großteil ihres Lebens kannte und er immer bedingungslos für sie da gewesen war. Da konnte kein ihr Fremder davon ausgehen, dass er mehr erhalten würde. Oh nein, bestimmt nicht!
Und erst recht nicht bei all seiner zur Schau gestellten Ruhe, die sie viel leichter in den Wahnsinn zu treiben verstehen konnte, als ihr Rabe mit seinem gesamten Gebaren, seit er sie entführt hatte. Es reizte sie und brachte sie dazu, dieses Verhalten zu durchbrechen, unabhängig davon, welche Konsequenzen das haben könnte, dass er womöglich erneut in Flammen aufgehen würde. Nun, dann würde sie ihn eben wieder löschen. Doch sie hätte einen kleinen Sieg errungen und demonstriert, dass sie ihn ebenso zur Weißglut bringen konnte wie umgekehrt. Diese Herausforderung war weiterhin vorhanden.
Allerdings verstand er es ohnehin mit jedem Gesprächsthema aufs Neue, sie zu reizen und dazu zu bringen, im Angriff zu verweilen. Dass sie dadurch ihn jedoch immer weiter von sich wegstieß und mehr kaputt machen könnte, als ihr lieb wäre, ahnte sie nicht. Sie hatte ihre Eltern, jene Menschen, die sie aufgezogen hatten, so oft von sich geschubst, ohne, dass diese sie hatten fallen lassen und nicht mehr hätten verzeihen können, dass sie unbewusst davon ausging, dass es bei ihm gleichfalls so wäre, wenn er tatsächlich ihr Erzeuger wäre. Dennoch war auch sie ein wenig gereift und allmählich in der Lage dazu zu erkennen, wann sie einen Schritt zu weit gegangen war. Zumindest im Verlauf ihres Gesprächs käme es soweit.
Im Moment hingegen waren sie noch bei einem anderen Thema, das ihr ein leises Schnauben entlockte. "Ach, gefährlich, hm? So gefährlich, wie die Sache mit der Hexe? Wenn ich es nicht weiß, vielleicht renne ich ja dann erst recht in diese Gefahr hinein. Frag Corax, in letzter Zeit ziehe ich Probleme ziemlich erfolgreich an. Da wäre es nur von Vorteil, wenn ich mehr davon weiß, wovor ich mich hüten soll.", hielt sie dagegen und achtete erstaunlich wenig darauf, dass sie ihm womöglich einen kleinen Hinweis zu ihren letzten Erlebnissen gegeben hatte.
Zumindest dazu, dass diese alles andere als harmlos gewesen waren. Wobei... allein ihre Gesellschaft mit ihrem Raben war schon mehr, als es eigentlich für sie vorher bestimmt gewesen wäre. Und mehr, als wahrscheinlich auch gut für sie selbst war. Denn, wenngleich sie selbst in Gedanken bereits ihrem Liebsten untreu geworden war, bedeutete das nicht, dass sie ihn tatsächlich zu teilen gedachte. Nicht, was das Körperliche betraf, die Sache mit der Sklaverei hingegen ließ sie außen vor.
Entsprechend platzte es früher oder später aus ihr heraus, Eifersucht darauf, dass ihr Gegenüber den Dunkelelfen immer wieder streichelte, gepaart mit jener, dass sie diese Geste auf diese Art von ihm niemals würde empfangen dürfen. Seine Reaktion wollte sie glauben machen, er täte das gar nicht bewusst, und sie war auch kurz darauf, es ihm wirklich abzukaufen. Aber die Eifersucht war nun einmal jenes Gefühl, das ihr den Blick schon des Öfteren verschleiert hatte und das keineswegs zu ihrem Vorteil.
Sie presste die Lippen aufeinander und wandte den Blick ab, ballte sogar die Hände zu Fäusten einen Moment lang. Um sie dann mit großer Willensanstrengung wieder zu öffnen und mit einem Seufzer zu murmeln:"Er soll nicht leiden!" Das versuchte, sie sich vor Augen zu halten, denn das war etwas, das sie tatsächlich anstrebte.
So, wie sie eigentlich auch nicht derart viel Enttäuschung bei dem Waldelfen hatte heraufbeschwören wollen. Ihre Worte waren klar und unmissverständlich gewesen, entsprachen jenem Gefühl, das sie in dieser Situation für ihn hegte, denn sie war noch lange nicht soweit, sich darüber Gedanken machen zu können, was sie allein von der Option hielt, dass er ihr Erzeuger sein könnte. Jedoch hatte sie ihn damit auch nicht dermaßen offensichtlich verletzen wollen, denn... sie glaubte zu spüren, dass dies echt war.
Azura haderte mit sich, ob sie etwas tun oder sagen sollte, um ihrer eigenen Klinge im Nachhinein die Schärfe etwas zu nehmen. Ehe sie aber soweit war, eine Entscheidung getroffen zu haben und diese obendrein auch noch umzusetzen, wurden sie von außen gestört und es dauerte nicht lange, da gesellte sich jener Mann zu ihnen, über den sie immer wieder gesprochen hatten.
Sein Anblck ließ ihr Herz hüpfen und zugleich schwer werden, denn auch sie hegte die Befürchtung, dass er, verständlicherweise, die Situation falsch verstehen würde. Und was ihre Gedanken betraf, hatte er ja auch recht... Trotzdem kam er zu ihr und schien nicht auf sie wütend zu sein, sondern anfangs allein dem Waldelfen die Schuld an welcher Sünde auch immer zu geben.
Solange, bis jener ausgerechnet wieder in den Nacken ihres Liebsten griff und sie ihre Worte nicht rechtzeitig herunter schlucken konnte. Der eine ignorierte sie, während der andere... äußerst zutreffend erkannte, was mit ihr los war. Woraufhin sie Corax einen fast schon tödlichen Blick schenkte, die Hände in die Seite stemmte und mit einem beleidigten "Tz!" den Kopf abwandte. Eigentlich hatte sie diese Behauptung dementieren und das mit ihrer Reaktion untermauern wollen, doch sie erweckte den genau gegenteiligen Eindruck damit, ohne es verhindern zu können. Zwar platzte sie nicht vor Eifersucht, noch nicht! Allerdings war sie auch nicht völlig zu leugnen, obwohl es besser wäre, wenn niemals jemand erführe, dass diese nicht nur der Tatsache geschuldet war, dass ein anderer als sie den Raben im Nacken kraulte.
Da sie sich von ihm abgewandt hatte, bemerkte sie sein Vorhaben erst, als er es ausführen konnte. Leicht fuhr sie zusammen, als sie plötzlich Finger in ihrem eigenen Nacken spüren konnte, und... musste leicht schlucken, denn er ließ damit ihr Herz schneller klopfen. Nicht so intensiv wie früher und schon gar nicht in ihren Schoß ausstrahlend, trotzdem hätte sie es genossen, wenn er nicht so rasch wieder damit aufgehört hätte.
Auch neckte er sie weiter, sodass sie ihm einen schiefen Blick zuwarf. "Und keine Schuppen, falls das deine nächste Idee gewesen wäre.", konterte sie und zeigte ihm, nur ganz flüchtig und so, dass hoffentlich allein er es sah, die Zunge.
Indes räusperte sich bereits jemand an der Tür und erinnerte sie drei daran, dass sie nicht so ungestört waren, wie sie es gerne gewesen wären. Hände verschwanden aus Nacken und Kleidung wurde endlich gebracht, sodass es keine Nackten mehr geben würde.
Da dieser jedoch nichts zu seinen Umständen gesagt hatte, es Azura aber umso wichtiger war, Corax im Groben aufzuklären, nutzte sie diesen Moment, um es ihm knapp zusammen gefasst, zu zuraunen. Es ließ sie innerlich aufatmen, dass er ihr dies zu glauben und nicht als Ausrede abzutun schien.
Bei seinem einzelnen Wort deutete sie ein Schulterzucken an. "Sagt er...", murmelte sie und wusste wirklich noch nicht, was sie davon halten sollte und ob sie irgendwann bereit wäre, es als Wahrheit zu akzeptieren. Oder wenigstens ihre Mutter dahingehend zu fragen...
Als ihr Rabe sich dann an den Waldelfen wandte, runzelte sie leicht die Stirn und stupste ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. "Du bist doch auch schon mehr als ein paar Jahre erwachsen... körperlich, nicht geistig.", raunte sie ihm zu und diesmal war sie es, die sich ein feines, herausforderndes Grinsen bei diesem Necken nicht verkneifen wollte. Zwar wusste sie nicht, ob er sexuell so früh schon hatte aktiv werden wollen, wie er es als Sklave hatte müssen, aber sie bezweifelte, dass er unter anderen Umständen bis zu ihrem gemeinsamen ersten Mal hätte warten wollen.
Dann allerdings verging ihr jegliche Lust darauf, als der Waldelf wieder sprach. Sie erstarrte und musste schlucken, während sie seinen Blick wie ein Brennen auf ihrer verwelkten Haut zu spüren glaubte, während sie selbst jegliches Sehen in seine Richtung vermied. So hatte sie das doch gar nicht gemeint!
Fest presste die Lippen aufeinander und wusste ausnahmsweise einmal nicht sofort eine schlagfertige, klärende Antwort darauf. Vor allem, weil in ihr so viele widerstreitende Gefühle herrschten, dass sie nicht wusste, welchem sie zuerst nachgeben sollte. Da war es vermutlich ganz gut, dass Corax die Führung übernahm und jene Stärke zeigte wie damals, als sie einander unfreiwillig kennengelernt hatten.
Es war ein Verhalten, an dem sie sich messen, daran reiben konnte, damit sie sich beide hochschaukelten, eines, bei dem sie nicht ständig an jenes zerbrechliche Kind denken musste, das glaubte, sie wäre wie eine Mutter für ihn. Oh, bloß nicht mehr an diesen Vergleich denken, sonst wäre sie, wenn auch nicht von der Blutlinie her, bald erst recht in jener Situation, wie sie beinahe mit dem Waldelf geraten wäre, wenn er es von seiner Seite aus nicht verhindert hätte. So schwieg sie erst einmal und blickte stur zu Boden, während sie an der Seite des Dunkelelfen ging, von diesem von dem anderen getrennt.
Als sie den neuen, ihr noch unbekannten Raum betraten, stockte sie lediglich kurz an der Schwelle und sah sich flüchtig um, ehe sie seufzend eintrat und sich nach einem kleinen Brunnen sehnte, in dessen kühles, sprudelndes Nass sie wenigstens ihre Finger hätte halten können. Es hätte sie beruhigt und ihr geholfen, das Chaos in ihrem Kopf ein wenig sortieren zu können. Ihre Augen wanderten wie von selbst zu jener seltsamen Muschel und die Melodie, die sie spielte, war schon anzuhören. Nur ersetzte sie eben jenes Gefühl nicht.
So dauerte es ein wenig, bis sie mitbekam, dass Corax auf sie zu warten schien, und noch einen Moment zögerte sie, dann gesellte sie sich tatsächlich zu ihm. Es überraschte sie, wie rasch er ihre Hand ergriff und hielt, als könne sie ihm Halt bieten und hätte ihn nicht in ihrer Vorstellung längt hintergangen. Mit jemandem, der ihr Erzeuger zu sein behauptete.
Lautlos seufzend sah sie auf seine Finger herab und begann, seinen Handrücken mit ihrem Daumen zu streicheln, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Sie ließ die Männer reden, hörte nur mit halbem Ohr zu und versank stattdessen ein wenig in ihren Gedanken.
Was sollte sie von dieser Entwicklung nur halten? Sollte sie dem Waldelfen überhaupt glauben? Schließlich kannte sie ihn im Prinzip nicht und ob er nicht andere Ziele verfolgte, sodass er ihr diese Lüge glaubwürdig unter die Nase rieb? Sie wusste es nicht und das nagte an ihr, weil es auf der anderen Seite durchaus die ein oder andere Erklärung bot. Vor allem eine, die ihr schon ihr ganzes Leben zu schaffen machen, am meisten dann, wenn sie ihre Wassermagie zu intensiv einsetzte. Wenn er also ihr Vater wäre, er, ein Feuermagier, dann könnte es sein, dass sie einen Teil davon geerbt hätte. War so etwas überhaupt möglich...? Konnte jemand wirklich zwei Arten von Magie in sich tragen? Zwar hatte sie sich immer als etwas Besonderes gesehen, hatte es auch irgendwie gelernt, um eben in jener Welt des Adels bestehen und sich wichtig machen zu können, aber tief in sich drinnen wusste das kleine Mädchen von damals, dass sie im Endeffekt nicht so wichtig sein konnte. Warum also sollte das ausgerechnet bei ihr der Fall sein?
Ein Druck an ihrer Hand unterbrach ihre Gedanken und ließ sie unwillkürlich aufsehen. Fragend runzelte sie die Stirn, denn sie hatte nicht mitbekommen, dass es nun um ihre geweinten Tränenperlen ging. Blinzelnd versuchte sie, seinen Worten einen Sinn zu geben.
Funktionieren? Wieder die Alte? Von ihrer Schönheit sprechen? Moment... Meinte er etwa das... das Ritual, für das er wie eine Marionette verwendet werden sollte, um ihr...?
Während die Gedanken in ihrem Kopf noch darum rangen, einen Sinn zu ergeben, war Corax schon weiter und schnappte kurz nach ihren Lippen, obwohl sie zu abgelenkt von sich selbst war, um darauf reagieren zu können. Noch immer sah sie ihn an, als er sich zu ihr neigte und ihr die drei magischen Worte ins Ohr hauchte, dass sie ob seines warmen Atems leicht schauderte.
Es hätte schön werden können, sie hätte sich entspannen können, wenn... ja, wenn da nicht dieser Nachsatz gewesen wäre, der sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen fahren ließ. "Was?!", entfuhr es ihr keuchend.
Abrupt entzog sie ihm ihre Hand und sah von ihm zu dem Waldelfen und wieder zurück. Ihre Miene verfinsterte sich in dem Maße, in dem ihr Gewissen in ihr hoch kochte und ihr vorgaukeln wollte, er wisse längst darum, was sie bis vor wenigen Stunden noch von dem anderen sich ersehnt hatte.
Plötzlich sprang sie auf, denn es hielt sie nicht mehr auf dem Sofa, und sie stemmte die Hände in die Hüfte und nahm ein paar tiefe Atemzüge, dass sich trotz aller Schlaffheit ihre Brust beinahe schon vorteilhaft hob und senkte. "Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?!", fauchte sie angriffslustig.
Ehe ihr Kopf herum fuhr und sie mit ihrem Blick den Dritten im Bunde fixierte. Er hatte vorhin etwas gesagt, das sie nicht vergessen hatte, und nun war zumindest eine Empfindung diesbezüglich klar genug, um aus ihr hervor brechen zu wollen. "Und du! Fängst du schon wieder an, an den Fäden zu ziehen, ja?! Ich habe nie gesagt, dass ich nicht interessiert bin, dass du..." Sie stockte mitten im Satz und biss sich auf die Unterlippe, weil ihr mehr herausgerutscht war in ihrem Eifer, als sie hatte preisgeben wollen.
Doch nun war es zu spät und das wiederum entlockte ihr ein wenig damenhaftes Schnauben. Außerdem führte es dazu, dass sie umso mehr in den Angriff überging, um sich zu verteidigen, wie sie glaubte, es tun zu müssen. "Ich glaube dir einfach nicht, verstanden?", fuhr sie ihn an und schüttelte entschieden den Kopf. "Warum sollte ich das überhaupt tun? Nach all den Jahren kommst du auf einmal daher und behauptest, du wärst derjenige, der meine Mutter damals geschwängert und einfach sitzen gelassen hat, und erwartest, dass ich dir das einfach so glaube? Dass ich es nicht für eine Lüge halte, nur, damit ich nicht... damit du nicht mit mir..."
Hier verließ sie der Zorn allmählich, als ginge ihr die Kraft aus... oder als wäre sie eine Welle, die allmählich an einem viel zu sanft ansteigenden Strand auslief, weil sie zu viel Platz hatte, um ihren Schwung nicht halten zu können. Stattdessen begannen sich ihre Wangen zu röten, weil sie sich selbst gerade daran erinnert hatte, was sie am liebsten mit dem Waldelfen getan hätte und das trotz ihrer Gefühle zu ihrem Raben, der gerade eben erst wieder betont hatte, er würde das akzeptieren, sollte sie ihm untreu weden.
Und es nun mit dem anderen nicht mehr tun würde, weil er den effektivsten aller Gründe von sich gegeben hatte, den sie sich vorstellen könnte. Jenen, der sie zugleich in ihrem Stolz nicht kränken konnte... oder eher durfte, weil sie sich ihren Erzeuger nicht hatte aussuchen können. Während eine Ablehnung wegen ihres Aussehens oder ihres Geruchs auf Dauer nicht haltbar geblieben wäre, sobald sie ihre ehemaligen Schönheit zurück hätte. So hingegen... Oh ja, da war es wieder, dieses Gefühl der hilflosen Wut in ihr!
So sehr, dass sie prompt mit dem Fuß aufstampfte, als wäre sie tatsächlich noch ein Kind, wie er sie ständig nannte. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust und ihre Mimik zeigte deutlich, dass sie zu trotzen begann. "Männer! Immer machen sie es sich leicht, dabei machen sie alles nur noch kompliziert! Ihr Beide seid sogar noch schlimmer als dieser Kapitän!", warf sie ihnen an den Kopf und weigerte sich weiterhin, den abwesenden Van Tjenn bei seinem Vornamen zu nennen.
Stattdessen wandte sie sich ab und stapfte zu der Muschel, um dort schmollend den so Gescholtenen ihren Rücken zu zeigen. Sie hatte allmählich eindeutig genug!
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 27. August 2023, 14:03

Sie befanden sich beide in einer Situation, die sie nicht verstanden. Sowohl Azura als auch Kjetell'o mochten sich überfordert fühlen, wenngleich gerade der Elf nicht zeigte. Er lächelte, blieb ruhig. Es war das einzige, an das er sich klammern konnte, denn es waren vertraute Muster. Mit ihnen ließen sich unbekannte Szenrarien überstehen. Trotzdem sah er es wohl als leichter an, wenn er sich Verbündete suchte. Mehr noch: Blutsverwandte. Er hatte Azura gesucht und sie gefunden, aber sie lehnte es ab, sich ihm nun noch weiter zu nähern. Sie hatte sich andere Vorstellungen gemacht als er, hatte in Gedanken bereits Corax betrogen, weil sie an unsittliche Momente mit einem Mann dachte, der nun ihr eigener Vater sein sollte. Sie sperrte sich und sie sperrte vor allem Kjetell'o aus. Dass er darauf so arg getroffen wirkte, hatte sie allerdings nicht gewollt. Es machte ganz den Anschein, als läge ihm eigentlich sehr viel daran, dass er und Azura einander näherkämen. Vielleicht nicht, indem sie auf körperliche Tuchfühlung gingen, aber sich dennoch nahe waren. War es nicht genau das, was sie ihm vorwarf? Er hatte sich Zeit ihres Lebens, ja schon während ihrer Entstehung nicht um sie gekümmert. Er hatte sie nicht aufgesucht, sie nicht umsorgt. Er war ihr kein Vater gewesen, all die Jahre nicht! Aber versuchte er es nicht jetzt? Er sagte ihr so viel, wie ihm möglich war. Jedenfalls behauptete er das, aber es reichte Azura nicht aus, nur zu wissen, dass jedes weitere Detail für sie gefährlich werden könnte.
"Ach, gefährlich, hm? So gefährlich, wie die Sache mit der Hexe?", hielt sie dagegen, aber Kjetell'o fing nur ihren Blick ein und nickte. Genau eine solche Sache. "Wenn ich es nicht weiß, vielleicht renne ich ja dann erst Recht in diese Gefahr hinein. Frag Corax, in letzter Zeit ziehe ich Probleme ziemlich erfolgreich an." Kjetell'o schmunzelte mit liebevoller Sanftheit. "Das hast du vermutlich von mir", murmelte er. "Da wäre es nur von Vorteil, wenn ich mehr davon weiß, wovor ich mich hüten soll."
"Nein", erwiderte der Elf fest. "Wäre es nicht. Du weißt bereits zu viel - vorerst. Vielleicht kann ich darüber sprechen, wenn sich alles geregelt hat, aber nicht vorher. Ich bin bereits jetzt ein Risiko eingegangen, das mir Ärger einbringen wird. Vertrauen ist nun alles, was wir haben." Das genügte nicht. Wie sollte Azura ihm auch vertrauen? Weil er behauptete, ihr Erzeuger zu sein? Konnte sie überhaupt auf diese Aussage zählen bei einem Elfen, der mit solcher Passion aus dem Hintergrund heraus die Strippen zog? Sie ließ ihm keine Gleegenheit, sich darüber detaillierter zu erklären und er war nicht der Typ, der es einforderte. Er blieb ruhig und lächelte. Es brachte sie nur noch mehr zur Weißglut.
Zum Glück erschien jemand, der mit ihrer Impulsivität umzugehen wusste, weil sie nicht nur an ihm abprallte, sondern weil er sie zu kontern wusste. Corax erschien auf der Bildfläche und er stellte sich sofort in ihre Nähe. Er schien ihre Gedanken nicht zu ahnen, er liebte sie immer noch. Er sagte es sogar, bis ... ja, bis er etwas nachsetzte, das Azuras Hoffnungen zersplittern ließ. Ahnte er denn etwas, dass er ihr aus dem Nichts heraus quasi einen Freifahrtschein gab, ihn zu betrügen? Sogar mit ihrem eigenen Erzeuger, was auf einer ganz anderen Ebene noch einmal skandalös wäre?!
Doch nicht Corax' Haltung dazu ließ sie allein erschrecken. Es war auch Kjetell'os Annahme, sie würde kein Interesse daran haben, ihn überhaupt als Vater kennenlernen zu wollen. Beides zusammen versetzte Azuras innere Wellen in solche Schwingungen, dass der kleine Funke inmitten dieser See geradezu um Hilfe schrie. Er flackerte wild, bäumte sich auf und kämpfte dagegen an, nicht zu erlöschen. Dass er das Wasser dadurch aber nur hitzig zum brodeln brachte, bemerkte das Flämmlein ihrer Seele nicht. Sie hingegen schon, verhinderte es aber auch nicht. Es musste heraus. Also riss sie ihre Hand aus der des Raben und schaute beide Männer mit finsterer Miene an. Sie sprang vom Sofa auf, noch ehe Corax erneut nach ihr greifen konnte und nahm ihre altbekannte Haltung ein, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging, sie sich aber voller Zorn darüber echauffieren wollte. Musste? Es ging mit ihr durch. Wenn Kjetell'o wirklich ihr Vater war, hatte sie zumindest seine Ruhe nicht von ihm erhalten.
"Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?!", fauchte sie Corax entgegen. Jener blickte nahezu verständnislos, konnte ihren wütenden Augen aber nicht lange Stand halten. Wo er sonst konterte, tat er es dieses Mal nicht. Das passierte gelegentlich, nämlich immer dann, wenn es zumindest für ihn kein Spiel war.
"Das heißt, dass ich dich liebe, ganz gleich, wem du dich hingeben willst ... oder ob du dich an anderen erfreust. Ich möchte nur bei dir sein", erwiderte er. Er wollte nur seinen Platz, an ihrer Seite. So wie er ihn in aller Verzweiflung bei Madiha als seine neue Herrin gesucht hatte. Wie er ihn bei Serpentis gesucht hatte, nachdem er hatte glauben müssen, ansonsten vollkommen allein zu sein. Das wollte er nicht: Einsamkeit. Dann trübten sich seine Gedanken. Dann waren die unheimlichen Wesen erschienen, die ihm düstere Lösungsvorschläge einflüsterten, denen er hoffnungsvoll folgte, nur um diesem Zustand zu entrinnen. Sie existierten nicht mehr, aber das Muster konnte Corax dadurch noch nicht ablegen. Noch immer hatte er Angst davor, Opfer seines eigenen Leids zu werden oder es zu schaffen, bis es ihn übermannte. Er litt lieber bewusst, nur ein wenig. Lieber ertrug er Dinge, die ihn aber nicht von jenen fortstießen, denen er sein Herz geschenkt hatte.
Azura stieß ihn nicht fort, aber sie sah es auch nicht. Noch nicht. Sie war in ihrer eigenen Wut gefangen und jene hatte Kjetell'o offenbar noch nicht genug getroffen. Es schäumte in ihr hoch, bis es sich Bahn brach. Sie wandte sich dem Shyáner zu. "Fängst du schon wieder an, an den Fäden zu ziehen, ja?! Ich habe nie gesagt, dass ich nicht interessiert bin, dass du ... Ich glaube dir einfach nicht, verstanden?" Kjetell'o musterte sie absolut ruhig, aber seinem Blick fehlte immer noch das goldene Leuchten. Die Sprenkel hatten so viel an lieblicher Farbe eingebüßt. "Warum sollte ich das überhaupt tun? Nach all den Jahren kommst du auf einmal daher und behauptest, du wärst derjenige, der meine Mutter damals geschwängert und einfach sitzengelassen hat, und erwartest, dass ich dir das einfach so glaube? Dass ich es nicht für eine Lüge halte, nur, damit ich nicht .... damit du nicht mit mir..."
"Verstanden." Kjetell'o nickte nur. Er hatte sich ihren Wutanfall angehört, der langsam abebbte und er zog die Konsequenzen daraus. Selbst wenn sie ihm näherkommen wollte, konnte sie nicht aus ihrer Haut, ihm wütend zu sein. Er hatte damals nicht nur ihre Mutter im Stich gelassen, sondern auch sie. Und er hatte es erst gut 20 Jahre später gewagt, es in Ordnung bringen zu wollen. Eine lange Zeit für ein Menschenmädchen. Für einen Elfen von über Hundert Jahren aber wohl nicht mehr als ein Wimpernschlag. Trotzdem war es offensichtlich zu spät. Sie war nicht bereit, ihn anzuhören. Und er akzeptierte das.
Kjetell'o schritt fast lautlos an ihr vorbei zu dem Sofa herüber, auf dem Corax saß. Er sah, wie der Dunkelelf die Faust ballte und die Zähne aufeinander presste. Der Shyáner schüttelte sacht den Kopf, verzichtete nun aber darauf, ihm seine Hand in den Nacken zu legen. Wenn er es merkte, würde er es nicht mehr tun, um die Wogen glatt zu halten. "Legst du mir erneut Serpentis' Haut an? Dann werde ich mich dieser offenen Probleme nun widmen."
Corax schaute auf. Es fiel ihm schwer, seine Hand zu lockern, aber es gelang und er wischte damit einmal vor Kjetell'o durch die Luft. Jene flimmerte kurz. Einige optische Merkmale der Feuerhexe schimmerten wie ein halb durchsichtiger Schleier über dem Elfen, ehe sie in sich zusammenbrachen. Noch immer stand er als Kjetell'o vor ihnen. Ehe Corax eine Entschuldigung murmeln konnte, lächelte der andere: "Ich sehe schon. Du hast dich heute arg verausgabt. Dann wird es warten müssen. Serpentis fühlt sich offenbar nicht allzu wohl." Er neigte leicht den Kopf, auch noch einmal zurück und in Azuras Richtung - der Höflichkeit halber. "Gute Nacht. Ruht euch aus." Dann schritt er schon Richtung Tür.
"Männer! Immer machen sie es sich leicht, dabei machen sie alles nur noch kompliziert! Ihr beide seid sogar noch schlimmer als dieser Kapitän!"
"ES REICHT!" Niemand musste Lerium beherrschen, um den Zorn aus diesem Ruf heraushören zu können. Corax war es nun, der aufgesprungen war. Sein Blick loderte. Die Rubine standen unter Feuer, ohne dass er diese Magie-Richtung überhaupt beherrschte. Auch aus ihm sprach der Zorn. Er richtete ihn allerdings ausschließlich auf Azura und blieb dabei doch in gewissem Rahmen beherrscht genug, nicht weiter herum zu brüllen. Seine Worte waren scharf, hart, aber nicht überdimensional laut. Trotzdem schlugen sie mit voller Wucht ein. "Was ist eigentlich dein Problem mit Caleb? Und nenn ihn beim Namen, er ist unser Freund! Er hat dir das Leben gerettet, wo ich es nicht konnte und trotzdem hasst du ihn? Warum? Weil er dich nackt gesehen hat?" Er wusste davon. "Ich hab ihm längst eine Abreibung dafür verpasst und glaub mir: Du interessierst ihn kein Stück mehr in dieser Hinsicht. Er liebt die kleine Herrin. Madiha!" Corax verließ seinen Platz. Er kam ebenfalls auf die Muschel zu und wirkte größer und dunkler als sonst. Ob es seine Magie war, die hier mitspielte oder einfach nur die Tatsache, dass er es wagte, sich aufzulehnen ... sich Luft zu machen? "Keiner von ihnen hat sich je gegen dich gestellt, trotzdem trittst du sie mit Füßen. Machst du das immer mit jenen, die dir nur helfen wollen? Auch Kjetell'o will dir helfen. Er hat ein Ritual vorbereitet, hast du das überhaupt mitbekommen, Azura? Er weiß eine Möglichkeit, dir dein altes Ich zurückzugeben und du ignorierst das völlig. Stattdessen wirfst du ihm vor, nicht für dich da gewesen zu sein? Er ... er ist jetzt da. DA! Siehst du? Und nun geht er!"
Damit hatte Corax Recht. Kjetell'o schaute den Raben an, der sich mehr und mehr in das entwickelte, was ihm seinen Spitznamen verpasste. Er litt. Er litt unter diesem Moment, dass ihm erneut Federn sprossen. Sie reichten ihm bereits als Umhang bis zur Hüfte, aber dieses Mal griff der Shyáner Elf nicht ein. Er hatte zugehört. Er hatte gehört, dass Azura nicht wünschte, dass Corax litt. Dann würde sie es nun geraderücken müssen und nur sie allein. Kjetell'o hatte sich den Konsequenzen stellen wollen, die er fast zwanzig Jahre zuvor begangen hatte. Er war gescheitert, aber er hatte es versucht. Er hatte es aus eigener Macht versucht, denn niemand hatte ihm diese Bürde abnehmen können. Das wäre nicht gerecht gewesen. Es wurde Zeit, dass auch Azura allein Verantwortung übernahm. Der Elf wandte sich ab. Er öffnete die Tür, huschte hindurch und hinaus. Für heute verschwand er von der Bühne, überließ die Marionetten sich selbst. Es blieb zu hoffen, dass er bei einigen nicht die Fäden gekappt hatte.
Azura konnte sich darauf aber aktuell kaum konzentrieren. Zu sehr stand Corax im Vordergrund, denn er stand direkt vor ihr. Seine Atmung ging heftig, seine Rubine schwammen in salzigen Tränen aus Zorn, Leid und Unverständnis für ihr Verhalten. "Er ist dein Vater", brachte der Rabe mit krächzender Stimme hervor. "Ganz gleich, wann er sich dessen bewusst wurde. Er ist es und er wollte zu dir. Statt ihn so anzugehen, solltest du ihn anhören. Mit ihm reden. Du solltest ..." Er wischte sich über die Augen und schaute zur Seite. Er konnte Azura nicht ansehen, als er ihr entgegen spie: "Du solltest dich glücklich schätzen, überhaupt einen Vater zu haben! Sogar zwei. Du hast zwei!"
Endlich ebbte auch seine Wut ab. Das Leid ergriff die Oberhand, als es den Umhang aus schwarzen Federn vollendete, bis sie ihm bis zu den Fußknöcheln reichte. Als es sich über seinen Kopf legte, dass er wie ein schwarzer Ritter mit Rabenhelm aussah, aus dem nur die roten Augen müde hervor glühten. Der schwarze Rabenschnabel, der ihm spitz und lang über die Nase ragte, wirkte wie eine Barriere, um andere auf Abstand zu halten. Auch er ging nun etwas auf Abstand zu Azura. Leiser brachte Corax noch hervor: "Wenn man gleich zwei Mal mit einem Vater gesegnet wird, ist es wohl ein Leichtes, einen davon von sich zu stoßen. Und Freunde brauchst du offenbar auch nicht." Er schaute auf. "Denn du hast mich. Ich werde dich immer lieben." Auch wenn er gerade darunter litt.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Sonntag 27. August 2023, 20:13

Während der Waldelf gelernt hatte, mit Ruhe zu lächeln, ganz gleich, wie schwierig die Situation auch sein mochte, da hatte sie die Erfahrung gemacht, dass Angriff die beste Verteidigung darstellte. Ehe ihr jemand emotional zu nahe kommen durfte, der sie nicht groß gezogen hatte, und sie womöglich auch noch verletzlich erleben könnte, biss sie zuvor um sich, um zu zeigen, dass man sie lieber nicht attackierte. Dass man es sich mit ihr gut stellte. Und, dass sie selbst wiederum jedes Mittel verwandte, um von sich abzulenken und stattdessen andere bloß zu stellen.
Es war wichtig gewesen in dem Umfeld, in dem sie sich bewegt hatte, in dem es echte Freundschaften nicht gegeben hatte und in dem zu viel Vertrauen vernichtend gewesen war. Sie hatte sich in jener Phase des Erwachsen-Werdens in einer Schlangengrube befunden und gelernt, die größte und giftigste von allen zu werden, umschwärmt und gefürchtet zugleich. Beliebt, begehrt... und dennoch in Wahrheit ziemlich einsam. Solche Erfahrungen konnte man nicht einfach ablegen, auch nicht, wenn man mehr Reife besessen hätte als Azura, und sobald sie überfordert war, fiel sie ohnehin umso leichter in ihre alten Muster erst recht zurück.
So auch ihm gegenüber, der weiterhin vorgab, ihr Erzeuger zu sein, jener Mann, der für ihre Existenz mitverantwortlich war, ohne jemals Verantwortung übernommen zu haben. Sie hingegen lehnte diese Option ab, bräuchte schlichtweg Zeit, um sich mit diesem Gedanken überhaupt auseinander zu setzen und damit, was es für sie bedeuten könnte.
Sie wollte und musste ihn auf Abstand halten. Ihn jedoch bis ins Tiefste zu verletzen, das hatte sie nicht vorgehabt, ausnahmsweise einmal nicht. Auf Distanz sollte er gehen, solange, bis sie bereit zu etwas anderem wäre, mehr nicht. Was sie hingegen unterschätzte, war, dass sie sich nicht in ihrem gewohnten Kreis bewegte, sodass ihre spitze Zunge zu scharf geführt worden war.
Gelegenheit allerdings, die Wunde ein wenig zu versorgen, damit sie von selbst würde heilen können, ohne eine zu große Narbe zu hinterlassen, bekam sie nicht, weil sie zu früh dafür gestört wurden. Wenngleich sie sich freute, dass ihr Rabe erschien und sie beide wenigstens von ihrem Gefängnis erlöste. Viel mehr jedoch trug er nicht zu ihrem Wohlgefühl bei, da er ausgerechnet etwas ansprach, ihr sogar so etwas wie Absolution erteilte, wegen dem sie sich schon jetzt in Grund und Boden schämte.
Dabei hatte sie es ja nicht einmal im Ansatz ausführen können, sah man von dem ungehinderten Anblick auf diesen fremden und dennoch angeblich eng verwandten Astralleib ab! Stand es ihr trotzdem so deutlich ins Gesicht geschrieben, welch untreue Seele sie war? Welchen Verrat sie zu begehen sich ausgemalt hatte, obwohl sie genau das Gegenteil sein wollte?!
Es war der berühmte Tropfen, der das Fass bei ihr überlaufen ließ, wodurch sich ihre Wut empor schwang und auf beide Männer wie ein heftiger Regenguss entlud. Und wie bei ihr, als auch bei dem Waldelfen verfiel Corax in sein bekanntes Muster, wich ihrem Blick aus und gab ihr eine Erwiderung, an der sie sich nicht reiben konnte. Die ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen drohte, wenn sie ihr nicht so dermaßen ins Herz geschnitten hätte, dass sich ihr die Kehle einen Moment lang zuschnürte.
Fest presste sie die Lippen aufeinander und ballte die Hände zu Fäusten, um nichts zu sagen, das wie ein zu stark gebogenes Wurfholz zu ihr zurück kommen würde, um statt ihren Gegner sie selbst zu treffen. Stattdessen wandte sie sich ab und dem anderen zu, der ebenfalls seine Schelte erhalten sollte. Wie schon viel zu oft, biss die junge Frau um sich, um zu kaschieren, dass sie viel verletzlicher war, als sie sein durfte.
Und er? Er blieb die Ruhe selbst. Natürlich, blieb er vollkommen ruhig! Anstatt ihr zu kontern, noch einmal zu zeigen, dass in ihm mehr steckte, wenngleich er dafür nicht gleich den nächsten Raum abfackeln müsste, gab er ihr absolut keine Fläche, sondern blieb aalglatt.
Sie keuchte auf und wich einen halben Schritt zurück, während er sich bereits abwandte und dem Dunkelelfen zu. "Verstanden?", wisperte sie fassungslos und zugleich... Was? Verletzt? Gekränkt? Seinerseits zurückgewiesen, ehe das heftige Gewitter die Luft endlich hätte reinigen können?
Sie wusste es nicht, begriff es auch nicht und konnte dennoch diese Gefühle nicht leugnen. Sie vermischten sich mit den übrigen und bauschten sich nur noch mehr auf, bis sie erneut aus ihr hervor brachen, ohne, dass sie wirklich den Männern noch zuhörte. "Verstanden... mehr hat er nicht zu sagen...", murmelte sie zwischendurch zu sich selbst, ohne es recht zu bemerken.
Und als sie schließlich laut gesagt hatte, was sie noch zu sagen hatte, wandte sie sich ab und der Muschel zu, demonstrativ. Auch wenn ihr Kopf zur Seite ruckte, als plötzlich ihr Liebster aufbrauste und zumindest auf diese Weise zeigte, dass sie nicht vollkommen umsonst blind um sich geschlagen hatte. Flüchtig sah sie ihn über die Schulter an, ehe sie den Blick wieder nach vorne wandte, mit erhobenem Kinn und bebendem Herzen, sich an ihre bisher vorherrschende Wut klammernd, um nicht einzuknicken. Nicht jetzt, nicht hier und nicht vor Zeugen!
Da konnte er noch so furchteinflößend wirken, wie er wollte! Unter anderen Umständen hätte sie diese drohende Gefahr in ganz andere Gefühlswallungen versetzt, jetzt aber... Nein, diesmal nicht...
Ziemlich schnell schaffte er es allerdings, dass sie wieder zu ihm herum wirbelte und ihn ihrerseits mindestens genauso leidenschaftlich zornig anfunkelte. "Er ist nicht...", begann sie und konnte ihn dennoch nicht unterbrechen.
Als er dann obendrein auch noch erwähnte, dass der Kapitän sie unbekleidet gesehen hatte... da färbten sich ihre Wangen puterrot und unwillkürlich sah sie zu dem Mann, der behauptete, sie gezeugt zu haben, auch wenn dieser sich heraus hielt. Seine Anwesenheit sorgte dafür, dass ihr Gesicht trotz aller Verwesungsgrade eine Tomate im Vergleich zu ihr blass aussehen lassen würde.
Doch Corax war noch nicht fertig und diesmal war er es, der mit seiner Zunge eine tiefe, schmerzende Wunde zu schlagen wusste. Du interessierst ihn kein Stück... Das saß! Auch wenn sie Van Tjenn nicht einmal mehr mit der Kneifzange anfassen würde, bedeutete das noch lange nicht, dass es ihr angeknackstes und auf Schein getrimmtes Selbstbewusstsein verkraftete, diese Wahrheit ins Gesicht geschleudert zu bekommen.
Fest ballte sie ihre Hände zu Fäusten, grub sich die eigenen Fingernägel so tief ins Fleisch, dass dieser körperliche Schmerz sich beinahe wie Balsam gegen den seelischen anfühlte, indem er sie davon ablenkte. Zumindest ein kleines Bisschen... Ihr dabei half, aufrecht stehen bleiben zu können, der Brandung stand zu halten, bis diese nachließ. Oder aufhörte, wie im Fall von Corax' Tirade an sie.
Allerdings ruckte ihr Kopf zur Seite, sodass ihre Augen zu sehen bekamen, was er gerade geschildert hatte. Der Waldelf... er ging, ließ sie allein, ohne noch etwas zu ihr gesagt zu haben. Und plötzlich... plötzlich sackte die Wut in ihr zusammen wie eine Welle, die sich zu hoch aufgebaut hatte und den Schwung verlor, der sie bislang vorwärts getrieben hatte.
Ohne es zu wollen... und ohne es verhindern zu können, stiegen ihr die Tränen in die Augen und sie begann zu zittern, nicht sonderlich stark, vielleicht nicht einmal wirklich wahrnehmbar, aber sie fühlte es, weswegen sie ihre geballten Hände erst recht nicht lösen konnte. Das Herz sackte ihr regelrecht in die butterweichen Knie und wäre nicht ihr Rabe noch anwesend gewesen, sie wäre womöglich schluchzend zu Boden gesunken, um sich in einer Mischung aus Schuld, Enttäuschung und Selbstmitleid erst einmal in sich zu vergraben.
So jedoch wanderten ihre Augen zurück zu ihm, obwohl sie ihn nur noch verschwommen sehen konnte, und sie schluckte mehrmals in dem hilflosen Versuch, ihre Fassung zurück zu gewinnen. Die Wut war verraucht, richtiggehend verpufft, und zurück blieb Schmerz in verschiedenster Ausprägung. Er dagegen war noch nicht fertig mit ihr und machte ihr weiter Vorwürfe, die sie weiterhin trafen, wenngleich subtiler und nachhaltiger, anstatt lediglich mit großer Wucht.
Eine Träne quoll aus ihrem Auge und bahnte sich langsam seinen Weg ihre Wange hinab, während ihr Liebster vor ihr seine Gestalt zu ändern begonnen hatte. Erst gegen Ende hin fiel ihr das auf und es war für sie noch schwerer zu ertragen als alles, was er ihr bis dahin gesagt hatte. Es brachte allerdings auch Bewegung in sie, denn obwohl er gerade von sich aus vor ihr zurück gewichen war, trat sie nun zu ihm heran. Noch immer standen ihr Tränen in den Augen, als sie die Hand hob und wie ein Hauch über das Gefieder vor ihr strich.
Dann beugte sie sich langsam vor, auch auf die Gefahr hin, dass der erschienene Schnabel scharf wäre und sie angreifen könnte, um ihm einen Kuss darauf zu hauchen. Als sie sich wieder von ihm löste, sah sie ihn umso trauriger an. "Du verstehst es nicht...", wisperte sie kaum hörbar.
"Mag sein, dass ich zwei Väter habe... mag sein, dass er mir kein Lügenmärchen erzählt hat... Das ändert nichts daran, dass ich keinen davon verdient habe.", entkam es ihr in einer ehrlichen Verletzlichkeit, den zuletzt ihre Mutter vor Jahren zu sehen bekommen hatte. Jahre, in denen Azura gelernt hatte, diesen innersten Kern ihrer Selbst mit allem Möglichen abzugrenzen, um ihn niemals wieder an die Oberfläche gelangen zu lassen.
Warum also tat sie es jetzt? Weil sie davon ausging, dass sie ihn bald nie wieder sehen würde? Es gab hier keine Klippe, nicht direkt, und sie war noch nicht verzweifelt genug, um ihr Leben erneut beenden zu wollen, nachdem sie so sehr für eine Rückkehr gekämpft hatte. Aber das bedeutete nicht, dass sie sich nicht innerlich zurück zog und sich so tief verwundet fühlte, dass sie nicht einmal mehr die Kraft fand, von dieser Schwäche abzulenken.
Doch sie war noch nicht fertig, einmal angefangen, ließ sich diese Welle von Traurigkeit und Schmerz nicht so leicht aufhalten. "Ja, ich bin es nicht einmal wert, geheiratet zu werden. Du wolltest doch wissen, was dein..." Das unser brachte sie trotz allem nicht über die Lippen, denn sie sah nicht, dass sie womöglich irgendwelche wahren Freundschaften hätte schließen können, wenn sie diese zuvor nicht weggebissen hätte. "... Freund getan hat. Frage lieber, was er nicht getan hat." Unter anderen Umständen hätte sie sich nun wieder aufgeplustert und in ihre Wut, ganz gleich, ob nachvollziehbar oder nicht, hinein gesteigert. Jetzt hingegen blieb ihre Stimme leise und ungewohnt kraftlos. "Es war arrangiert, schon alles offiziell und anstatt sich zu fügen, wie es von uns verlangt wurde, hat er sich aus dem Staub gemacht und allen gezeigt, dass ich nicht verdient habe, geheiratet zu werden, zur Mutter künftiger Erben gemacht zu werden. Er hat es vorgezogen, die Freiheit zu nutzen, die alle Männer haben, und hat demonstriert, dass nicht einmal der Umstand, dass ich eine viel zu vorteilhafte Partie für ihn gewesen wäre, ausreicht." Sie seufzte leise und wandte den Blick nun ihrerseits von ihm ab, in Richtung Fenster.
Einen Moment lang verstummte sie, dann hatte sie eine Entscheidung getroffen. "Komm mit...", bat sie ihn leise und wandte sich der Tür zu. "Komm mit und ich zeige dir, warum ich auch deine Liebe nicht verdient habe."
Denn sie wollte ihm seine Schriftrollen aushändigen, ihm gestehen, dass sie einen Teil davon gelesen hatte und damit besiegeln, wovon sie ausging. Dass er ihr dies nicht verzeihen und sie seinerseits verstoßen würde. Es geschähe ihr schließlich nur recht, auch wenn sie fühlte, dass es sie tief im Herzen treffen und sie ihn unsäglich vermissen würde. Doch wenn sie jetzt schon einmal soweit war, dann wollte sie den eingeschlagenen Weg auch zu Ende gehen.
Wo dieses läge, sobald der endgültige Bruch da wäre? Sie wusste es nicht, aber sie fühlte, was ihr nächster Schritt wäre. Die Schriftrolle an ihrer Hüfte wartete darauf, der rechtmäßigen Besitzerin zurück gegeben zu werden. Und da sie nicht glaubte, dass diese noch als Opfer benötigt werden würde, worauf sollte sie noch warten? Vielleicht fände sie in Venthas Tempel... oder am Seeufer oder an einem plätschernden Brunnen zumindest eine kurzfristige Art der Zuflucht, bis sie soweit wäre, alles weitere so einsam, wie sie sich gerade wähnte, weiter zu bestreiten.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Montag 28. August 2023, 01:43

Was hatten ihr Ziehvater, vor allem aber ihre Mutter sich davor gesträubt, sie an die Akademie der Wassermagie zu schicken. Keiner von beiden wünschte, dass die kleine Azura in arkanen Kräften ausgebildet wurde, die so gefährlich sein konnten, dass sie ihr Leben gefährdeten. Auf diese Weise war Azura eine Karriere als adlige Magierin verwehrt gewesen und alle glaubten, es sei das Richtige für das Kind. Doch wie sah es mit ihrem Umfeld aus? Alycide verhätschelte sie stets, weil er ihr keinen Wunsch hatte abschlagen können. Ihre Mutter ging liebevoll mit ihr um, stets besorgt um das Wohl ihrer kleinen Prinzessin und bemüht darum, dass sie ihren Ziehvater als solchen annahm. Das hatte sie schneller getan als gedacht. Nun jedoch war Kjetell'o in ihr Leben getreten, der behauptete, ihr richtiger Vater zu sein. Ausgerechnet ein Elf, noch dazu ein Feuermagier. Vieles passte nicht. Azuras größtes Problem aber war ihre Zuneigung, die sich für diesen Mann entwickelt hatte und die durchaus hätte in einem Betrug gegenüber Corax enden können. Einzig ihre Blutsverwandtschaft - oder auch nur die Möglichkeit dieser - verhinderte nun, dass sie sich ihm noch würde an den Hals werfen können. Doch auch das stimmte die Andunierin unzufrieden, denn ihr Leib lechzte danach, von dem des Elfen verführt zu werden. Gleichzeitig schwamm nun Ekel bei diesem Gedanken mit, so dass Azura in ihrer Gefühlswelt allein schon hin- und hergerissen wurde. Diese Überforderung sorgte dafür, dass sie in alte Muster zurückfiel. Wie ein in die Ecke gedrängten Tier biss sie um sich, nur dass ihre Angriffe nicht verzweifelt wild waren, sondern gezielt. Sie wusste, wie sie andere verletzen konnte. Bei Kjetell'o schaffte sie es, sogar eine Spur zu gut. Die Wunde war tief, setzte ihm zu und ein wenig tat es ihr plötzlich auch Leid. Doch sie konnte sich nun nicht erklären. Corax befreite sie und den Elfen aus ihrem Gefängnis, führte sie in einen anderen Raum, wo er sich zunächst aber mit Kjetell'o besprach. So erfuhr er ebenfalls von dem Gerücht, der andere Elf sei Azuras Erzeuger. Beide sprachen über das Ritual, damit die Tochter wieder vor die Mutter treten könnte. Wer, wenn nicht Aquila könnte Aufschluss über Kjetell'o liefern, wenn Azura ihm schon nicht glaubte. Doch sie hörte nicht zu. Etwas, das Kjetell'o ihr bereits mit väterlichem Tadel vorgehalten hatte. So geriet das Gespräch über ihr Rückverwandlungsritual erneut in den Hintergrund, ganz so als wünschte Azura gar nicht, aus ihrem untoten Zustand zu entkommen. Sie wünschte auch kein ruhiges Gespräch mehr mit beiden Männern. Denn obgleich Corax ihr erneut seine Liebe gestand - mehr noch, ihr jedes Fremdgehen erlauben würde, solange sie ihn bei sich bleiben ließe - da resignierte Kjetell'o. Er versuchte nicht länger, sie von dem Umstand zu überzeugen, ihr Vater zu sein. Er spürte ihre Sturheit und ahnte, dass sie sich um nichts in der Welt umstimmen lassen würde. So verließ er die Kammer, um sich seinen eigentlichen Motiven zu widmen. Denn er war nie aufgrund von Azura an die Akademie der Wassermagie gekommen. Alles, was sich um seine Tochter drehte, entsprang eigenen Ideen. Ob er sie bereuen sollte, würde sich noch zeigen müssen. Für's Erste wollte er Abstand gewinnen, um selbst mit der Tatsache fertig zu werden, dass er offenbar zu spät gekommen war, um noch einen Kontakt zu seinem eigenen Kind aufbauen zu können. Das saß tief.
Corax, der das Leid des anderen geradezu riechen konnte, ließ ihn ziehen. Er versuchte nicht einmal, ihn zum Bleiben zu bewegen. Er sah, dass sowohl Kjetell'o als auch Azura ein wenig Ruhe brauchten und so hielt er den Elfen nicht auf. Stattdessen versuchte er, an seine große Liebe zu appellieren. Leider gelang es ihm nicht wirklich diplomatisch, aber bei jemandem wie Corax entpuppte sich sein Ausbruch im Grunde als kleiner Erfolg. Er hatte sich nicht einmal in dieser Form gegen Azura aufgelehnt, seit sie von seinen wahren Hintergründen erfahren hatte. Seit sie wusste, dass er schon immer nur ein Sklave gewesen war, hatte er sich ihrem Willen gefügt, war ihr gefolgt und hatte stets versucht, es ihr Recht zu machen. Doch seither hatte er wie sie Verbündete gefunden. Mehr noch: Freunde. Er mochte Madiha nach wie vor als seine kleine Herrin bezeichnen, doch war sie inzwischen mehr und auch Caleb war ihm ein treuer Freund geworden. Dass Azura es anders empfand als er, wo die beiden ihren Leichnahm doch so lange behütet und durch Andunie geschleppt hatten, verstand er nicht. Er wusste nur eines: Es machte ihn wütend, dass die Frau, die er liebte, so sehr gegen ihre gemeinsamen Freunde austeilte. Sie stocherte sogar in Dingen herum, die der Vergangenheit angehörten.
Corax wusste von dem Umstand, dass Caleb Azura nackt gesehen hatte. Er hatte es dem Raben selbst gebeichtet und dafür eine ordentliche Schelle kassiert. Damit war das Thema gegessen und eine Männerfreundschaft erblüht. Azura konnte es jedoch nicht so leicht überwinden, versuchte aber, es ihrem liebsten Raben zu erklären. Denn es steckte mehr dahinter.
Mit Tränen in den Augen und zitternden Fingern näherte sie sich dem Mann, der nun mehr denn je wie ein rabenhafter Ritter aussah. Ein Umhang schwarzer Federn wuchs ihm aus dem Nacken und über die Schultern bis über die Arme und hinunter zu den Knöcheln. Auf dem Kopf hatte sich ein Helm geformt, schwarz wie seine Federn und auch in rabenhafter Zier. Ein Schnabel schützte ihn davor, dass andere seinem Gesicht zu nahe kommen konnten und würde er mit dem Kopf nicken, wäre er sicher in der Lage, das eine oder andere Auge auszupicken. Seine eigenen lugten unter dem Helm hervor, rot und traurig, wie Azuras von Tränen verklärt. Sie küsste den schwarzen Schnabel. Er bestand nicht aus Metall. Das Material konnte sie nicht benennen, aber es war scharf. Immens scharf. Sie schnitt sich die Lippe ein wenig ein, obwohl sie nur einen sanften Kuss daran gesetzt hatte. Ein einzelner Blutstropfen suchte sich seinen Weg zur Schnabelspitze. Corax schüttelte ihn nicht von sich. Überhaupt reagierte er nicht, so dass Azura sich nur umso mehr genötigt sah, ihm die Situation zu erklären. Wenigstens jene um Caleb herum und warum sie nach wie vor einen solchen Hass auf ihn verspürte.
Es war Schmerz, Zurückweisung. Etwas, womit sie nicht umgehen konnte, denn ebenso wie offen ihre Gefühle zu zeigen hatte sie nie gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Wenn ein Vater und sei er nicht mit ihr verwandt, ihr jeden Wunsch gewährte, dann rechnete man nicht damit, irgendwann ein Nein zu erhalten. Eine Lektion, die Azura in einem Leben fernab von Luxus und sorgenfreier Tage, mehr als geholfen hätte. Nun musste sie es auf die harte Tour lernen und ausgerechnet von ihrem echten Vater, der sie jetzt hatte stehen lassen, sowie von Corax.
"Du verstehst es nicht ... Mag sein, dass ich zwei Väter habe ... mag sein, dass er mir kein Lügenmärchen erzählt hat ... Das ändert nichts daran, dass ich keinen davon verdient habe."
"Umso dankbarer solltest du sein", erwiderte Corax zwischen zusammengepressten Zähnen. Auch er bebte. Er besaß überhaupt keinen Vater, keine Mutter, niemanden. Man hatte ihm dies alles geraubt, bevor er auch nur alt genug war, seine Familie als solche in Erinnerung behalten zu können. Und nun sprach seine Azura davon, ihre Väter nicht zu verdienen. Väter. Zwei. Ja, sie verdiente keinen davon, denn sie wusste sie nicht zu schätzen. Es machte ihn so unsagbar wütend, aber er hielt sich zurück. Er hatte ihr genug gesagt und wollte im Grunde doch nicht wütend auf sie sein. Aber es tat weh zu sehen, was sie alles hatte ... und er nicht. Er hatte nur sie, Madiha und Caleb. Mehr, als man sich im Grunde wünschen konnte, aber auch hier schmerzte es, dass seine Liebe gegen den Rest so sehr austeilte. Warum nur?
Azura erklärte es.
"Ja, ich bin es nicht einmal wert, geheiratet zu werden. Du wolltest doch wissen, was dein Freund getan hat. Frage lieber, was er nicht getan hat. Es war arrangiert, schon alles offiziell und anstatt sich zu fügen, wie es von uns verlangt wurde, hat er sich aus dem Staub gemacht und allen gezeigt, dass ich nicht verdient habe, geheiratet zu werden, zur Mutter künftiger Erben gemacht zu werden. Er hat es vorgezogen, die Freiheit zu nutzen, die alle Männer haben, und hat demonstriert, dass nicht einmal der Umstand, dass ich eine viel zu vorteilhafte Partie für ihn gewesen wäre, ausreicht."
"Nein. Er war einfach nur mutig genug, die Freiheit zu fordern, für die du .. und ich ... zu feige waren, zu kämpfen", erwiderte Corax matt. Dann hob er den Kopf an. Er wirkte müde, aber in seinen Augen funkelte noch immer diese Wut. "Doch das ist nicht das Problem. Caleb ist nicht das Problem und auch nicht Kjetell'o. Du bist so erpicht darauf, anderen ihr Glück zu missgönnen, dass du den Blick auf dein eigenes übersiehst. Obwohl es direkt vor deiner Nase steht." Er reckte die seine, damit der Rabenschnabel nicht mehr zwischen ihnen stand. So blickte er ein wenig auf Azura herunter, aber mit einer Traurigkeit, dass sien gesamtes Gefieder raschelte. "Hätte Caleb sich nicht mutig aufgebäumt, seine Ketten gesprengt und die Freiheit ergriffen, dann ... wäre ich ohne dich. Ich denke darüber nach, dir einen Ring zu schenken", fügte er an und wich ihrem Blick aus. Es war der wohl schlechteste Moment, um einen Antrag zu machen. Mehr noch, er besaß keinen Ring. Die Idee war frisch, auch wenn sein Herz schon länger dafür schlug. Caleb hatte es besser angestellt und nicht einmal geplant. Er wollte nicht heiraten, noch nicht, aber an Madihas Finger ruhte nun ein schöner Ring. Corax hatte keinen für Azura dabei. Er seufzte. "Ohne den Segen deiner Eltern würde ich es sowieso nicht wagen", brummte er. Obwohl er sich des Konstruktes einer Familie aus Vater, Mutter und Kind nicht bewusst war, verstand er doch das Ranggefüge. Man musste das Oberhaupt um Erlaubnis bitten. Er hatte es nie selbst tun können, in seinem Leben aber schon mitbekommen. Vielleicht nicht in Bezug auf eine Hochzeit, aber es gab genug Gründe, deren Erlaubnis man sich vom Ranghöchsten einholte: das Auspeitschen fremder Sklaven, zum Beispiel. Er schauderte kurz und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf Azura.
Sie forderte ihn gerade auf, ihr zu folgen. Wo auch immer sie hingehen wollte, Corax blieb stehen. "Nein." Es war nur ein simples Wort, aber es steckte viel dahinter, wenn man gerade lernte, eben kein Sklave mehr zu sein. Corax lernte. Seit er in Andunie angekommen war, lernte er es. Es hatte Rückschläge gegeben. Den größten hatte er wohl erlebt, als er sich vollkommen allein sah und zu Serpentis flüchtete, aber selbst dann hatte er sich von diesem Altverhalten befreien können - mit der Hilfe seiner Freunde und der Frau, die er liebte. Sogar Kjetell'o, den er zu dem Zeitpunkt nicht einmal kannte, hatte seinen Beitrag geleistet, um ihn zu retten. Und nun lernte er nicht nur unter ihm, der Leidträger zu sein, sondern jener Elf entpuppte sich auch als Azuras Vater. Einen Vater, den sie nicht annehmen wollte.
Er schaute seine LIebste so voller Unglück an und doch so entschlossen. Nein, das tat er nicht. Er schaute müde. Traurig und erschöpft war er. Der Federumhang musste schwer wiegen. "Ich komme nicht mit", betonte er noch einmal. "Ich ... brauche etwas Zeit für mich jetzt. Bitte." Azura hatte nicht nur Kjetell'o verletzt. Es wurde Zeit für sie, dass sie lernte. Nicht immer fügten sich alle ihrem Willen. Dass jetzt auch noch ihr Rabe dazu zählte, würde sie einiges an Kraft zum Verdauen kosten. Dadurch, dass er nun aber ebenfalls allein sein wollte, erhielt sie Gelegenheit zum Nachdenken. Er kam nicht mit ihr mit. Er trennte sich, um einen anderen Weg einzuschlagen. Bevor er Azura jedoch stehen ließ, richtete er noch einmal seinen Blick auf sie. "Ich liebe dich. Daran ändert sich nichts." Es war ihm wichtig, dass sie das wusste. Trotzdem brauchte er nun Zeit. Auch er hatte Dinge zu verarbeiten. Wenigstens zählte nicht länger die Angst dazu, Azura könnte Gefallen an Kjetell'o gefunden haben und mit ihm schlafen wollen. Corax hätte sie nicht aufgehalten, aber sein Umhang aus Federn wäre dadurch nur dichter geworden. So hatte er sich wenigstens von diesem Gedanken lösen können. Dafür wusste er nun, dass Azura mit zwei Vätern gesegnet worden war. Dass sie Caleb grollte, weil jener sich nicht in sein Schicksal ergab, sondern kämpfte. Für den Raben war der Dieb zu einem Idol geworden. Auch er wollte kämpfen. Und er wollte einen Ring beschaffen, so gern ... später. Jetzt brauchte er seinen Freiraum, so sehr es ihn auch schmerzte. Denn eigentlich hatte er doch nur zu seiner Liebsten gehen wollen.
Azura blieb allein zurück. Jetzt war niemand da, mit dem sie sich messen konnte. Niemand, der ihre Wut zu spüren bekäme. Niemand, der sie tröstete oder schimpfte oder sie anderweitig von der Erkenntnis ablenkte, dass sich nicht jedes Mal ihrem Willen fügten. Dass sie sich vom Feuer abwandten, wenn es sie zu oft verbrannte. Dass manchmal nur noch Asche zurück blieb. Die Metapher hätte zu ihrem mutmaßlichen Vater besser gepasst, aber wenn seine Behauptung stimmte, dann ... vielleicht könnte Azura tief in ihrem Innern den kleinen Kern verstehen, der darum kämpfte, keinen Aschehaufen zu hinterlassen. Doch dazu musste sie erst einmal ihre Gedanken ordnen. Am besten ging das immer am Wasser.
Niemand war da, niemand hielt sie auf. Tatsächlich konnte sie einfach umher streifen, solange sie die Kleidung einer Elevin der Akademie trug. Denn dann hielten selbst die dunkelelfischen Wächter sie für eine. Vielleicht fände sie einen Ort, an dem sie auch wieder zur Ruhe fände und ihre nächsten Schritte würde planen können. Im Grunde gab es doch einiges zu tun und eigentlich stand ganz vorn der Wunsch, wieder so schön und frisch zu werden, wie sie es gewohnt war. Dazu aber bräuchte sie Kjetell'o und das Ritual. Sie bräuchte jemanden, der ihr nahe war. Und sie bräuchte ihren Beutel mit Tränenperlen. Zumindest Letzteren fand sie. Er hing an der Klinke der Zimmertür. Kjetell'o musste ihn dort befestigt haben, damit sie oder Corax ihn nehmen konnten. Er gab ihr zurück, was ihr war und worauf er ebenso wenig Anspruch hatte wie auf die Gunst seiner Tochter, die ihn abgewiesen hatte.
Manchmal entkamen bissige Raubtiere der Gefahr, die sie in die Ecke drängte, indem sie sich wehrten. Aber war die gewonnene Freiheit das Risiko wert, bei der Selbstverteidigung auch die Verbündeten zu zerfleischen?
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Dienstag 29. August 2023, 14:01

Sich nicht mit ihrem ureigensten magischen Element beschäftigen zu dürfen, damit hatte die junge Frau als Kind lange gehadert. Vielleicht hätte sie sich vollkommen anders entwickelt, hätte sie die Möglichkeit gehabt, auf diese Art des Lernens stürzen zu dürfen und einen Sinn dahinter zu sehen. In allen anderen Fächern, die sie stattdessen hatte absolvieren müssen, hatte sie sich nur gelangweilt, mal später, aber meistens eher früher. Es hatte sie nicht darüber hinweg trösten können, dass sie das, was sie instinktiv machen wollte, nicht durfte.
Mit zunehmenden Alter hatte sie zwar verstanden, warum vor allem ihre Mutter sie aus Angst davon ferngehalten hatte. Das hatte es jedoch nicht besser gemacht. Im Gegenteil, sie hatte rasch heraus gefunden, dass ihre Eltern selbst im Zwiespalt deswegen gewesen waren, zwischen ihr diesen Wunsch erfüllen und ihr Leben bewahren, dass sie dafür andere notwendige Grenzen gar nicht erst gesetzt hatten, um ihr eine Art Ersatz zu bieten. Einen, den sie weidlich ausgenutzt hatte und dadurch vieles nicht hatte lernen müssen, was ihren Charakter positiver hätte prägen können.
Somit fehlten ihr Erfahrungen und Verhaltensweisen, die sie vor so manchem Problem, vor allem allerdings auch vor den kommenden emotionalen Schmerzen hätten bewahren können. Welche, die ihr viel eher geholfen hätten, klarer zu sehen. Doch es ließ sich nicht ändern und obwohl sie zumindest nach ihrer untoten Phase begonnen hatte, endlich diesen Weg einzuschlagen, war sie noch nicht weit genug voran gekommen, um diese Situation zu vermeiden, anstatt sie herauf zu beschwören. Zurück blieben Leid und Traurigkeit in ihren verschiedensten Formen.
Während der eine Elf ging und sie verletzt ob dieses Rückzugs zurück ließ, da brauste der andere auf und zeigte, dass in ihm mehr steckte als der sich verstellende Mann, der alles mit sich machen lassen würde, um nicht allein zu sein. Es war richtig und es trug mit dazu bei, Azura ein wenig mehr die Augen zu öffnen. Gleichzeitig aber brach es auch Barrieren, sodass ihr ebenfalls die Tränen kamen und ihr die Kraft fehlte, ihre eigene Schwäche zu überspielen. Viel eher kam endlich einmal ein wenig Wahrheit aus ihrem Mund, kraftlos und nicht dazu gedacht, zu verletzen, um sich zu verteidigen, sondern, um sich zu erklären zu versuchen.
Etwas, das sie so gut wie nie in ihrem Leben hatte tun müssen, da sie stets davon hatte ausgehen können, dass ihr so oder so alles verziehen werden würde. Zugleich machte er ihr aber auch keine Angst, weder mit seinem Ausbruch vorhin und seiner drohender wirkenden Erscheinung, noch jetzt mit seinem vogelhaften Aussehen. Dafür hatten sie gemeinsam schon zu viel erlebt und vertraute sie ihm.
Ja, er hatte es geschafft, dass sie ihm so sehr vertraute, dass er ihr nichts tun würde, dass sie sich ihm sogar zu nähern wagte. Dass sein Schnabel messerscharf war, bedachte sie nicht und kümmerte sich auch nicht darum, denn es war ihr wiederum wichtig, ihm zu zeigen, dass auch er ihr viel bedeutete. Sie mochte es nicht mit Worten ständig sagen können, denn sie war in einer Welt aufgewachsen, in der jede verbale Aussage glaubhaft gemacht werden konnte, unabhängig davon, ob sie eine Wahrheit beinhaltete oder nicht. Handlungen dagegen waren um einiges aufschlussreicher und ehrlicher.
Also wagte sie sich vor, hauchte ihm einen Kuss auf den Schnabel und nahm es hin, dass ihre Lippe danach zu brennen begann, weil sie sich geschnitten hatte. Doch so, wie er den auf ihn fallenden Tropfen Blut ignorierte und diesen sich seinen Weg bahnen ließ, so reagierte auch sie nicht auf diesen körperlichen Schmerz.
Langsam richtete sie sich auf und öffnete ihr Herz ein wenig dem Mann gegenüber, der es zu erobern verstanden hatte. Wäre die Situation eine andere, weniger belastende gewesen, vielleicht hätte er diesen Vertrauensbeweis eher annehmen können. So hingegen... sperrte sich nun ihr Rabe gegen ihre Worte und zeigte ihr, wie man sich auf der anderen Seite der aufgebrochenen Schlucht fühlte, hilflos und... zurück gewiesen.
Dabei hätten sie beide sich in ihren Gefühlen viel zu gut verstanden. Denn so, wie Corax in der Hinsicht auf ihre zwei Väter neidisch war, so empfand sie es der Sarmaerin gegenüber, obwohl sie viel zu stolz und verblendet war, um sich das ernsthaft eingestehen zu wollen. Die andere schien froh zu sein, ihrer bisherigen Welt entkommen zu sein, und ging richtig mutig in dieses neue Leben, in das Unbekannte und sich ständig Wandelnde. Die Andunierin dagegen... Ja, sie hatte jemanden gefunden, den sie zu lieben glaubte und der das erwiderte, der an ihrer Seite stand und ihr so unendlich viel gezeigt hatte.
Aber im Endeffekt... machte ihr das alles einfach nur Angst. So verwöhnt sie auch gewesen sein mochte, viel zu viel sogar, umso mehr hatte sie wenigstens gewusst, was von ihr erwartet wurde, wie ihre Rolle auszusehen hatte und welche Verhaltensweisen wann von ihr gefordert wurden. Sie hatte gelernt, sich in dem goldenen Käfig, in dem sie gelebt hatte, zu bewegen und dabei zu glänzen, der umschwärmte Mittelpunkt zu sein und die Einsamkeit zu übertönen, die sie in ihrem Inneren gefühlt hatte. Ihr war bewusst gewesen, welche Position ihr einst bestimmt sein würde, welche Aufgaben sie zu bewältigen hätte und welche Möglichkeiten sie dafür benötigte. Alles war ihr klar gewesen, nichts unbekannt.
Anstatt jedoch das glanzvolle, wenn auch im Prinzip langweilig-sinnbefreite Leben einer adeligen Tochter und alsbald adeligen Ehefrau wie Mutter zu führen, war sie entführt und ihr gesamtes Dasein auf den Kopf gestellt worden. Aber ihr fehlte die Fähigkeit, die Vorteile darin zu sehen und zu nützen wie die andere. Sie hatte den Boden unter den Füßen verloren und nicht gelernt, die Hilfe anderer anzunehmen, um einen neuen, festen Untergrund betreten zu können.
Wie schon einmal, als sie gedemütigt worden war und sich alles, was sie in ihrem Käfig gehabt hatte, wieder neu hatte zurück erkämpfen müssen. Doch da war wenigstens der Rahmen, das Umfeld das Gleiche geblieben und hatte sie die Regeln gekannt. Hier aber... Sie fühlte sich allein, verloren, unfähig.
Genauso wie bei dem Umstand, dass sie womöglich hätte Freunde in den Gefährten finden können. Was bedeutete es schon, solch eine Freundschaft? Sie hatte in ihrer alten Welt Freundinnen gehabt, jede Menge sogar, und alle hatten danach gestrebt, es sich mit ihr gut zu stellen und so zu sein wie sie. Nur... das war alles oberflächlich gewesen, jede von ihnen hatte sich gehütet, tatsächlich etwas preis zu geben und sich angreifbar zu machen. Wer es doch gewagt hatte, war mitunter bei passender Gelegenheit vernichtet worden, sowohl von ihr, als auch von anderen.
Nein, auch in der Hinsicht hatte sie nie gelernt, was es bedeutete, eine Freundschaft, eine echte, ehrliche Freundschaft schließen zu können, die einem eine Stütze und keine Last wäre. Im Endeffekt war sie einsam gewesen und sie merkte, dass sie es bald wieder sein würde.
Also versuchte sie es mit einer neuen Weise, um sich davor zu bewahren, indem sie sich öffnete. Die Erwiderung auf ihre Erklärung zu dem Kapitän hingegen war... niederschmetternd. Mehr noch, es lähmte sie regelrecht, sodass sie sich nicht einmal dagegen aufplustern konnte, als er ihr Feigheit vorwarf.
Dabei verkannte er die Möglichkeiten einer Frau, eines Mädchens! Jungen und Männer, die konnten das, die konnten sich ihre Freiheiten nehmen und einfach verschwinden, wenn ihnen der Sinn danach stand. So wie der Kapitän... so wie der Waldelf! Und so... wie es auch Corax früher oder später tun würde... Aber das sagte sie ihm nicht, die Kraft dafür hatte sie bereits mit ihrer Erzählung gefühlt verbraucht.
Doch es kam noch mehr, als ihr Liebster fortfuhr, Vorwürfe machte und zugleich... etwas andeutete, das ihr Herz eigentlich vor Freude hätte hüpfen lassen sollen. Tatsächlich war ihr, als setze es einen Schlag lang aus, nur eben vielmehr aus Schreck und Traurigkeit. Schließlich stand so viel zwischen ihnen, seit den letzten Minuten scheinbar umso mehr, als dass sie das zulassen könnte.
Wichtiger war ihr da eine andere Klärung, besser gesagt, eine Rückgabe in voller Überzeugung, dass er sie danach ebenfalls nicht mehr würde sehen wollen, sobald er wüsste, dass sie seine intimsten Gedanken kannte, ohne ihn zuvor um Erlaubnis dafür gebeten zu haben. Auch wenn sie generell nicht gelernt hatte, so etwas zu tun, spürte sie, dass es in diesem Fall ihm gegenüber gut gewesen wäre. Unabhängig davon, welche Umstände dazu geführt hatten. Dafür mussten sie jedoch in ihr Zimmer, zu ihrer Truhe gehen, deswegen wollte sie, dass er sie begleitete.
Diesmal allerdings... lehnte er ab. Die junge Frau, die schon einen Schritt in Richtung Tür gemacht hatte, erstarrte mitten in der Bewegung. Es dauerte ein paar Herzschläge, bis sie sich ihm zuwenden konnte. "Nein...?", wisperte sie, die offensichtlich nicht damit gerechnet hatte. Dabei lag kein Vorwurf oder gar Unmut in ihrer leisen Stimme, sondern nichts weiter als... Verblüffung. Verblüffung darüber, dass er etwas ablehnte, das sie ihm geben wollte, weil es ihm gehörte.
Wobei... hatte sie darüber überhaupt gesprochen? Oder schlichtweg angenommen, dass ihre Bitte, ihr zu folgen, ausreichen würde...? Sie hatte so viele Gedanken, die gerade in ihrem Sinn herum wirbelten, dass sie sich gar nicht mehr sicher darüber sein konnte.
Stumm konnte sie ihn nur ansehen und hörte, was er ihr sagte. So ganz begriff sie es nicht und als es allmählich bei ihr einsickern konnte, war sie zu nichts anderem in der Lage, als seine Bewegungen mit den Augen zu verfolgen, schweigend und eindeutig nicht darauf vorbereitet.
Und dann... war sie allein, starrte auf die geschlossene Tür und hatte niemanden mehr, an den sie das Wort richten konnte. Erneut kamen ihr die Tränen, doch lediglich ein oder zwei wurden groß genug, um ihr über die Wangen herab zu rollen und von ihrem Kinn zu tropfen. Sie bemerkte es nicht und kümmerte sich so auch nicht darum. Zu sehr hatte seine Reaktion sie getroffen, jetzt, ausgerechnet jetzt, nachdem sie sich einmal geöffnet und schwach gezeigt hatte.
Allerdings wurde sie nicht wütend, fühlte sich nicht verzweifelt oder sonst irgendetwas, das sie hätte benennen können. Nein, in diesem Moment erschien es ihr irgendwie, als wäre sie... leer, einfach nur leer. Und allein, ein vertrauterer Umstand, mit dem sie wenigstens umgehen konnte. Denn er brachte sie dazu, aus ihrer Erstarrung zu erwachen und instinktiv damit zu beginnen nach etwas zu suchen, das ihr helfen konnte, immer geholfen hatte! Wasser... Sie wollte zu einer Wasserquelle, das Nass auf der Haut spüren und dessen Beständigkeit nutzen, um zu verarbeiten, was geschehen war, um wieder mehr zu sich zurück zu finden.
Trotzdem empfand sie es, als würde sie sich durch Watte bewegen und wäre jene fremdgesteuerte Marionette, die von dem Mann im Hintergrund gelenkt wurde, wie sie es dem Waldelfen zum Vorwurf machte. Lediglich einmal kurz stutzte sie und schien beinahe aus diesem Zustand zu erwachen, als sie die Tür geöffnet hatte und dabei etwas an der Klinke baumeln sehen konnte. Flüchtig hielt sie inne und starrte darauf, begriff und begriff zugleich nicht, um was es sich handelte. Jedoch griff sie nach dem Beutelchen und ließ ihn in ihrem Ausschnitt verschwinden, wo er zumindest weich und warm ruhen konnte.
Dann ging sie den Gang weiter entlang, sah sich nicht um und kümmerte sich auch nicht darum, ob und wer sie so zu sehen bekam. Jedenfalls wurde sie nicht aufgehalten und irgendwann hatte ihre Intuition geschafft, sie zu einem kleinen, plätschernden Brunnen zu führen, der in einer relativ abgelegenen Ecke stand. Befand sie sich dabei eigentlich in dem Gebäude der Akademie selbst oder draußen in einem Hof? Hatte der Regen nachgelassen oder war er weiterhin ein ständiger Begleiter im Hintergrund? Sie wusste es im Moment nicht, die Aufmerksamkeit für ihre Umwelt fehlte ihr derzeit grundlegend.
Als sie ihre Finger in das kühlende Nass tauchte, schloss sie mit einem leisen Aufschluchzen die Augen und versuchte, erst einmal nur diese Empfindung wahrzunehmen. Dabei musste sie sich mit der anderen Hand auf dem Rand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, zumindest das körperliche.
Ihre innere Balance hingegen... wo war diese nur hin? Wie hatte es soweit kommen können, dass jeder ihrer Schritte der falsche zu sein schien, ganz gleich, was sie tat?
Sie verstand ihr Umfeld nicht mehr, kannte die neuen Rahmenbedingungen nicht und fühlte sich unfähig, sich an dieses neue Unbekannte anzupassen. Sie wollte zurück in ihren Käfig, aufwachen, als wäre dies alles nur ein langer, langer Traum gewesen. Ein Traum, der auch schöne Momente gehabt hatte, denen sie nachtrauern würde, vor allem ihrem Raben, der ihr so unendlich viel bedeutete. Aber es wäre danach wieder einfacher, eintöniger, einsamer, jedoch bekannt.
Lautlos seufzend öffnete sie langsam ihre Augen und sah mit bodenloser Traurigkeit auf das klare Wasser. "Nur wäre das nicht richtig, nicht wahr...?", murmelte sie dem flüssigen Element zu, ohne eine Antwort zu erwarten. Wer sollte ihr diese schließlich auch geben?
Ventha hatte sie schon so oft beehrt und sie sogar gesegnet, doch sie durfte nicht erwarten, dass die launische Göttin dieses Verhalten auf Dauer beibehalten würde. Warum auch sollte sie das tun? Die Schriftrolle...
Der Gedanke ließ sie schlucken und ihre Finger langsam zurück ziehen. Auch die andere, trockene Hand löste sie und legte sie auf jenes Utensil mit dem darin verborgenen Wissen. Das war es, was ihre Göttin von ihr wollte, das wusste sie. Und es hätte eine gute Grundlage für dieses Ritual geboten, von dem die Männer ständig gesprochen hatten. Bei dem ein bedeutendes Opfer nötig wäre...
Langsam, wie von selbst, hob sie ihre freie Hand mit den feuchten Fingern an und holte das Beutelchen aus ihrem Dekolleté. Ihr Blick fiel darauf und sie sah vor ihrem geistigen Auge die Perlen darin, die sie für ihren Liebsten geweint hatte in dem Versuch, ihn damit zu trösten. War dies wirklich der Grund, warum sie nun wie eine wandelnde Leiche herum laufen musste? Weil sie etwas von sich geopfert hatte, das ihr fehlte, um wieder so zu werden wie vor ihrem Sprung? Schön und jugendlich und begehrenswert...
War das denn noch von Bedeutung? Was zählte es überhaupt, dieses vergängliche Äußere? In ihrer alten Welt, ja, da war es das Um und Auf gewesen, sie war umschwärmt und bewundert worden. Galane hatten sie mit Komplimenten überhäuft und mit Blicken ausgezogen, ihre sogenannten Freundinnen hatten nachgeahmt, was ihnen möglich gewesen war, um ebenfalls so glänzen zu können. Und was hatte es ihr gebracht? Im Endeffekt... was würde es ihr nützen, sich auf etwas einzulassen, von dem sie nicht wusste, ob es ihr tatsächlich ihr altes Aussehen zurück geben würde? Was sollte sie auch damit anfangen in einer Welt, in der sie sich nicht zurecht fand?
Sie könnte wenigstens zu ihrer Mutter zurück und würde ihr mit ihrem Äußeren keinen zusätzlichen Kummer bereiten, ja, das wollte sie auch. Auf der einen Seite zumindest... Auf der anderen bereitete ihr diese mögliche Wiedersehen ebenfalls Angst. Denn wie würde Aquila van Ikari reagieren? Würde sie ihr anmerken, dass sie ihre Unschuld verloren hatte und somit auf dem Heiratsmarkt viel weniger wert wäre? Was würde sie erwarten, das sie ihr erzählte von dem Erlebten? Wie sollte sie sich ihr gegenüber verhalten?
Langsam ließ sie die Hand mit dem Beutelchen sinken, bis dieser auf dem Brunnenrand zur Ruhe kam. Gleichzeitig löste sie die Schriftrolle von ihrem Gürtel und fasste einen Entschluss. Nein, es war nicht richtig. Sie hatte den Fehler begangen, indem sie von Bord des Schiffes gesprungen war und diese Tränen als Opfer notwendig gewesen waren. Das sollte sie akzeptieren und damit leben, dass es sie eben ihre Schönheit gekostet hatte. Genauso, wie sie akzeptieren sollte, dass sie eine Enttäuschung war für alle in ihrem Umfeld und gut daran täte, dieses zu verlassen, um weitere Enttäuschungen zu vermeiden.
Dafür jedoch musste sie ihre Schuldigkeit gegenüber Ventha begleichen, um wirklich diesen Schlussstrich ziehen und gehen zu können, wohin der Weg sie auch immer führen würde. Ja, das wäre wohl das einzig Richtige. Das, was von ihr noch zu erwarten sein konnte, ehe sie die anderen von sich erlöste. Zurück geben, was anderen gehörte, nicht als Opfer für etwas einsetzen, das sie nicht verdiente.
Die junge Frau nickte sich selbst zu und öffnete ihre Lippen, weil sie den Namen ihrer Göttin rufen wollte. Anders wusste sie schließlich nicht, wie sie auf sich aufmerksam machen und die Schriftrolle zurück geben sollte. Allerdings kam es nicht soweit, denn aus irgendeinem Grund entglitt ihr die Rolle beinahe aus den Fingern und sie musste rasch nachgreifen. Dabei bekam sie das Material nicht sonderlich gut zu fassen, sodass es erst recht aus ihrem Griff rutschte und zu Boden fiel.
"Na, wunderbar!", entkam es ihr grummelnd und ärgerlich auf sich selbst, weil sie jetzt scheinbar auch noch ungeschickt wurde. Die Luft aus ihren Lungen stoßend, beugte sie sich mit verblasster Eleganz nach unten und griff nach dem Schriftstück, das sich durch den Aufprall ein wenig aufgerollt hatte. Ohne es bewusst zu tun, huschten ihre Augen gewohnheitsmäßig über die entblößten Buchstaben. ... einfacher Wassertröpfchen-Magier... stand da zu lesen und das ließ sie innehalten.
Da sie bislang niemals Unterricht in der Wassermagie erhalten hatte und generell von diesem Thema ferngehalten worden war, wusste sie nichts über die Bezeichnungen der einzelnen Stufen. Aber es weckte, obwohl sie das kaum für möglich gehalten hätte, ihr Interesse und holte sie ein Stück weit aus ihrem verzweifelten Brüten.
Anstatt also ihr Vorhaben sofort in die Tat umzusetzen und nach Ventha zu rufen, richtete sie sich auf und entrollte die Schriftrolle etwas mehr. Ihre Augen überflogen den anfänglichen Text und blieben schließlich an etwas anderem hängen. "Wasserschild...", murmelte sie mit leicht gerunzelter Stirn und las gemächlicher weiter.
Sie wusste nicht, warum, doch irgendwie wirkte die Beschreibung dieses Zaubers... nun, verlockend und so, dass sie ihn ausprobieren wollte. So sehr, dass sie sich den Text durchlas und eine Hand dabei löste, um die geschilderten Kreise mit dem Zeigefinger in der Luft zu vollführen. Nicht, dass sie ernsthaft glaubte, diesen Schild aus Wassertröpfchen erschaffen zu können, denn sie war ungeübter als dieser Wassertröpfchen-Magier und sich dessen auch bewusst.
Dennoch... es juckte sie in dem zeichnenden Finger, es trotzdem zu probieren und bereitete ihr beinahe schon... Vergnügen? Jedenfalls wäre es in der Lage, ihren Ehrgeiz zu wecken oder ihr zu zeigen, dass sie es besser lassen und tatsächlich nach der Rückgabe einfach gehen sollte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 31. August 2023, 09:53

So schrecklich die Situation im Moment auch war, ihrer Entwicklung tat es gut, auch einmal Grenzen gesetzt zu bekommen oder mit Konsequnzen für ihre Worte und Taten konfrontiert zu werden. Die Frage war, ob es nicht bereits zu spät für sie wäre, es zu lernen und ob dieser Lerneffekt auch nachhaltig von Dauer wäre.
In andunischen Märchen war von einem Burschen die Rede, der ständig und überall, wo er konnte, seine Mitmenschen alarmierte, Wölfe wollten ihn fressen. Es geschah so lange, so oft ohne Wahrheit dahinter, dass ihm irgendwann niemand mehr glaubte. Hätte aber einer, nur ein einziger, noch einmal mit Ernst zugehört und gehandelt, wäre das Kind aus der Geschichte am Ende nicht von eben jenen Wölfen gefressen worden, die es regelmäßig beschworen hatte.
Azura erzählte bewusst keine Lügengeschichten, insofern ließen sich Märchen und Wahrheit nicht miteinander vergleichen. Allerdings fuhr sie die Krallen gegen Personen aus, die ihr aufrichtig helfen wollten. Menschen, die sie zumindest von ihrer Seite als Verbündete sahen und die sie mit ihrem Gebaren mehr als einmal hätte vertreiben können. Mittlerweile schien die Adlige einmal zu oft nach Wölfen geschrien zu haben. Kjetell'o war gegangen und jetzt verabschiedete sich auch ihr Rabe. Er machte ebenfalls eine Entwicklung durch. Eine, die ihm sein Selbstbewusstsein zurückgab, ihn zu mehr machte als nur einem gehorsamen Sklaven. Er begann nicht, sich gegen sie zu wehren. Nein, er entdeckte nur seinen eigenen Willen wieder und dass dieser genauso von Bedeutung war wie alle anderen. Er spürte aber auch die Kraftlosigkeit, die Müdigkeit, ihr beizustehen. Vor allem aber musste er gerade erkennen, dass sie in Kjetel'o, Madiha und Caleb keineswegs die Freunde sah, für die der Rabe sie hielt. Dieses kleine Bündel an Glück, an dem er neben seiner LIebe zu Azura festhalten konnte. Sie wollte es nicht haben. Sie wollte es aus ihrem Leben verbannen, so schien es. Aber er würde an ihrer Seite bleiben und somit ebenfalls dieses Bündel verlieren.
Es kostete Kraft. Es kostete Mut. Und wo beides schwand, stieg zumindest sein Wille, sich damit allein auseinandersetzen zu wollen. Er folgte Azura nicht. Er wollte nicht, nicht dieses Mal. So ließ er sie zurück. Auch Corax ging - nicht für immer, aber für den Moment brauchte er Zeit für sich. Er brauchte eine stille Ecke, um gegen das Gewicht seines eigenen Leidens anzukämpfen. Die schwarzen Schwingen drohten, ihn zu erdrücken und er konnte sie längst nicht mehr nutzen, um zu fliegen. Er würde nie wieder fliegen.
Er wusste aber auch nicht, was Azura mit ihrer Forderung, ihr zu folgen, bezwecken wollte. Sie hatte nur das gesagt: Komm mit mir, ohne weitere Details zu nennen. Diese fanden lediglich in ihrem Kopf statt wie vieles andere. Vielleicht täte es gut, sich mehr zu öffnen, damit ihre Umwelt begriff. Jetzt aber war es zu spät dafür.
Die Welt fühlte sich etwas kälter, noch etwas trostloser an, als ihr Rabe durch die Tür verschwand. Azura van Ikari war allein, nur dieses Mal ohne den goldenen Käfig um sich herum. Nichts schützte sie mehr vor unliebsamen Blicken oder dass jemand nach dem kleinen Paradiesvögelchen langen könnte. Sie besaß nicht mehr den Luxus, dass andere hinter ihr den Käfigboden säuberten, sie fütterten oder ihr Spielzeuge in ihre kleine, goldene Welt hängten. Es gab nur noch sie.
Diese Leere breitete sich nicht nur im Raum aus, sondern auch in Azura selbst. Sie überlagerte jegliche Gelegenheit einer Emotion, an die Oberfläche zu gelangen. Nichts blieb mehr außer dieser Leere. Sie betäubte Azura gänzlich und doch handelte sie nach einer Weile. Keine Emotion, aber das Wissen, wie sie sich stets hatte beruhigen und wiederfinden können, drang bis zu ihr durch. Sie brauchte Wasser und so trug ihr Körper sie wie durch einen Traum mit reichlich Nebel aus dem Raum. Sie spürte den Untergrund kaum. Die Geräusche ihrer Schritte drangen ebenso wenig zu ihr durch wie einige Reaktion von Personen, an denen sie offen und mit ihrer nahezu untoten Optik vorbei zog. Sie bekam nicht die erschreckten Gesichter der Magierschüler mit, ebenso wenig die emotionslosen Blicke der dunkelelfischen Wächter oder die Erklärungen einiger weniger, dass sie die untote Hülle einer der Frauen wäre, die Serpentis angegriffen hatte. Die Feuerhexe hätte ihr nicht gestattet, dieses Welt zu verlassen. Auf ewig würde sie nun deren Sklavin sein und zu einer magischen Kämpferin ausgebildet, um wie eine Waffe einsetzbar sein - gehorsam, aber tot. Diese Antworten beruhigten ein paar wenige, entsetzten aber umso mehr. Jemand wollte Azura aufhalten, aber wagte es nicht, ihren von Verfall zerfressenen Körper auch nur zu berühren. So gelangte sie mühelos nicht nur aus ihrem Zimmer und durch die Korridore. Sie verließ die Magierakademie, ohne es zu bemerken.
Draußen regnete es noch immer. Ventha entlud all ihre Wut oder all ihre Trauer. Was auch immer, jedenfalls konnte die Göttin sich nun nicht erneut zu Azrua herab begeben. Dass sie diese überhaupt für eine Zeit lang als Verbündete hatte erfahren dürfen, grenzte an ein Wunder. Welche Sterbliche konnte das schließlich von sich behaupten? Nein, sie durfte sich keine Illusionen machen, ihre geliebte Ventha würde nun für jede Kleinigkeit erscheinen. Sie war nur noch an einem interesstiert: An der Schriftrolle der Wassermagie.
Dieses Wissen schaffte es auch endlich, zu Azura durchzudringen und als sie bereits an irgendeinem Brunnen irgendwo in Andunie stand, fiel ihr ein, dass das Kleinod noch an ihrem Gürtel hin. Azura tastete danach, ergriff es und es entglitt ihren Fingern.
"Na, wunderbar!" Missmutig beugte Azura sich vor und griff nach der Rolle. Das Siegel war durch den Sturz gebrochen und nun konnte sie auch einen Blick auf den Text werfen. Die Rolle wirkte so wenig magisch wie sie selbst. Es standen dort zwar einige Zauber vermerkt, gesammelt von einem jungen Wassertröpfchen-Magus, damit er seine eigenen Kräfte zu beherrschen lernte, aber darüber hinaus enthielt dieses Pergament nichts. Und doch schien es zu genügen, die Zauber zu lesen, um sich deren Handhabung verinnerlichen zu können. Einer davon fiel Azura besonders ins Auge: der Wasserschild.
Vielleicht war es der Gedanke dabei, dass Schilde schützten und er das Pendant zu ihrem goldenen Käfig sein könnte, was ihr gefiel. Vielleicht erregte er auch nur deshalb Aufmerksamkeit, weil er für jemanden mit ihren Fähigkeiten zu meistern sein könnte. Was auch immer der Grund war, sie fühlte sich ambitioniert genug, ihn zu versuchen. So las die Adlige sich den Text zum Zauber eingehender durch und versuchte, die beschriebenen Handbewegungen umzusetzen. Tatsächlich funktionierte es und zwar überraschend gut. Es musste am vielen Wasser liegen, das ihr zur Verfügung stand. Nicht nur hier am Brunnen oder in ihr selbst, noch immer als Tränenspuren auf ihrer Haut, auch der Regen half ihr, Zugang zu ihrem Element zu finden. Um sie herum formte sich ein zylindriger Schild, eine halb durchsichtige Barriere aus herab fließendem Wasser, das sich zu ihren Füßen sammelte und dann wieder zum oberen, gezogenen Ring floss, um sich erneut schützend um sie herum zu ergießen. Doch Azura stellte im Gegensatz zu üblichen Wassermagierin etwas fest: Der Schild schützte sie nicht nur von außen. Er bewahrte auch ihr Innerstes. Das Wasser ihrer Seele, ihre arkanen Kräfte, zogen sich zurück, um die elementare Schutzwand zu bilden. Erst legten sie eine kleine Insel frei, dann konnte sie vor ihrem geistigen Auge sehen und tief in ihrem Innern spüren, was sich dort erstmals in ihrem Leben vollkommen sicher fühlte, obwohl sie Wassermagie wirkte. Denn wo sonst die magischen Wellen in ihr hoch schwappten und drohten, es auszulöschen, da legten sie es nun frei, formten Platz und einen Schutzring auf um diesen winzigen Kern. Azura entdeckte eine Flamme, klein wie bei einer Kerze, deren Docht fast ausgebrannt war, aber sie existierte. Und erstmals konnte sie brennen, wenn sie ihre Wassermagie wirkte. Sie flackerte freudig, streckte sich und wuchs ein wenig, dass ihr warm wurde. Sie schaute voller Staunen und Begeisterung dem Schutzschild zu, der sich um sie bildete und sie schien zu wissen, dass dieser Schild nicht tödlich über ihre gegenelementarische Eixstenz hereinstürzen würde. Azura fühlte sich zum ersten Mal beim Wirken ihrer Magie ... stabilisiert. Alles war wie in Balacne. Nichts zehrte an ihr. Keine Panik stieg auf.
Das Bild vor ihrem geistigen Auge schwand und sie schaute nur noch auf die Wand aus Wasser, die sie umgab. Es floss an diesem unsichtbaren Schild entlang, so dass sie die Umgebung dahinter nur verschwommen wahrnehmen konnte. Trotzdem wusste sie mit einem Mal, wo sie sich befand. Sie kannte diesen Ort, weil sie ihn oft genug aufgesucht hatte, wenn sie die Ruhe des Wasser, zugleich aber auch die Schönheit der Natur erleben wollte. Es war eine der wenigen andunischen Parkanlagen, die sie anzog. Wie oft hatte sie schon an diesem Springbrunnen gesessen und die Blumenbeete betrachtet. Der Park schien von Andunies Eroberung gänzlich unberührt geblieben zu sein. Was sie erkannte, war schön wie immer. Und dann erkannte sie eine Getalt, sie sich bei einem der Beete langsam aufrichtete und zu ihr herüber schaute.
Sie kannte seine Statur, sie ihr inzwischen vertraut war wie keine andere. Die dunkle Haut, die Spitzohren, über denen sich das nebelkrähenartige Haar ergoss. Die Rubine, welche sie durch den Schleier aus Wasser musterten. Er wandte sich ihr zu, hob seine linke Hand und winkte ihr damit. Da zerfiel ihr Wasserschild und sie konnte endlich direkt auf den Mann schauen. Er trug kein Federkleid mehr, aber ... etwas stimmte nicht. Es war er, kein Zweifel. Er sah eins zu eins aus wie Corax und doch... Der Dunkelelf mit dne Rubinaugen, wie sonst nur ihr Rabe sie besaß, wandte sich auf einen Ruf vom Rand des Parks hin ab. Er seufzte und winkte - mit beiden Armen - dem Rufenden zu. Dann eilte er zum Ausgang und schloss sich Gestalten in den Schatten an, die ihn zu sich riefen. Gemeinsam verschwanden sie in der inzwischen hereingebrochenen Nacht.
Azura war erneut allein.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Donnerstag 31. August 2023, 12:13

Es tat weh, unendlich weh, dass nun auch ihr Rabe sie alleine ließ. Mehr noch, dass er seinen eigenen Willen durchsetzte und nicht sie den ihren. Doch im Gegensatz zu bisher fehlte ihr dieses Mal die Kraft, sich dem zu widersetzen und erzwingen zu wollen, dass ihre Wünsche beachtet wurden. Oder lag es daran, dass es ausgerechnet Corax war, der sich da gegen sie stellte? Der Mann, dem ihr Herz gehörte und bei dem es ihr wichtig war, was er wollte?
Vielleicht war es auch eine Mischung aus Verausgabung, leise Erkenntnis und ihre positiven Gefühle, die dafür sorgten, dass sie ihn nicht einmal zurück... bei sich zu halten versuchte. Sie plusterte sich nicht auf, sie begehrte nicht auf oder wurde zornig, sie... gab schlichtweg nach und akzeptierte fürs Erste seine Entscheidung.
Dennoch fühlte sie sich im Anschluss daran innerlich irgendwie leer, leer und allein. Ein Zustand, den sie kannte und mit dem sie besser umzugehen wusste, als mit all den Neuerungen sonst um sich herum. Es half ihr, einen Weg für sich selbst zu finden, und auf diesen lenkte ihr Unterbewusstsein ihre folgenden Schritte.
Einen Blick für ihre Umgebung oder dafür, wer sie alles sah und wie darauf reagiert wurde, hatte sie nicht. Im Moment kümmerte es sie nicht einmal, denn derjenige, dessen Meinung für sie am meisten zählte, war sowieso nicht bei ihr. Dabei hätte sie manches Getuschel durchaus zu empören gewusst. Sie, eine Sklavin?! Lächerlich! Niemals würde sie sich dazu machen lassen und schon gar nicht von der Hexe, die zum Wohle aller nicht mehr existierte! Doch sie hörte es nicht, wodurch ihr auch keine Information entschlüpfen konnte, die nicht nur ihr eine Menge Schwierigkeiten eingehandelt hätte.
Stattdessen ging sie, Schritt für Schritt, bog mal hierhin ab, nahm jene neue Richtung, durchquerte Türen und Tore, Höfe und sogar die Zugangsbrücke der Akademie war eine Zeit lang ihr Untergrund. Davon sah sie nichts bewusst, sondern fühlte sich weiterhin wie durch einen dichten, den Blick verschleiernden Wattebausch gehend.
Solange, bis sie an ihrem Ziel angelangt war, von dem sie davor gar nicht gewusst hatte, dass sie hierhin wollte. Und erst, als sie ihre Finger in das plätschernde, kühle Nass tauchte, klärte sich ihre Sicht auch allmählich wieder. Noch erfasste sie nicht alle Anhaltspunkte ihrer Umgebung, jedoch bemerkte sie, dass auch von oben Wasser auf sie fiel, wodurch sie erkennen konnte, dass sie sich im Freien befand. Wo genau, erschloss sich ihr anfangs nicht, dazu war sie noch viel zu sehr in ihrer inneren Aufgewühltheit gefangen.
Und als sich diese allmählich legte, sie zurück ins Gleichgewicht zu finden schien und einige Entscheidungen für sich traf, da... gab es wieder etwas anderes, das sie zu sehr ablenkte, als dass sie sich umsehen wollte. Die Schriftrolle entglitt ihren Fingern und bei dem Aufprall zerbrach das filigrane Siegel, das sie bislang zusammen gehalten hatte. Eigentlich hatte Azura nicht vorgehabt, einen Blick auf den Text zu werfen. Wozu auch? Ihre eigene Magie tat ihr nur in äußerst kleinen Dosen gut und somit wäre es keine gute Idee, sich überhaupt weiter damit zu beschäftigen, so schwer es ihr auch fallen mochte.
Jetzt allerdings... konnte sie einfach nicht widerstehen und ihre Augen flogen wie allein über das geschriebene Wort, bis sie an etwas hängen blieben, das sie anzog und ihre Neugier noch stärker weckte. Warum es ausgerechnet dieser, für Anfänger vorgesehene, Zauber war, der sie dermaßen fesselte, wusste sie nicht zu sagen. Jedoch interessierte es sie auch nicht besonders, denn im Prinzip wollte sie nur einmal kurz ein wenig ausprobieren, ehe sie die Rolle ihrer Göttin überantworten würde. Besser, sie befasste sich also nicht zu intensiv damit. Nur dieses eine Mal, diesen Schild, den wollte sie versuchen, zustande zu bringen.
Es ging erstaunlich... leicht, wahrscheinlich wegen all dem Wasser um sie herum, und kostete sie kaum Kraft, wie sie feststellte. Beinahe kam es ihr sogar so vor, als hätten sämtliche Wassertropfen lediglich darauf gewartet, dass sie mit dem Finger in die Luft zeichnete und sie zu dieser Form heran zog. Ein kleines, feines und fast schon selig wirkendes Lächeln erschien auf ihren Lippen, als es ihr dermaßen problemlos gelang, diesen Schild herbei zu rufen.
Dann aber geschah noch etwas, etwas, das sie ungläubig aufkeuchen und einen halben Schritt zurück weichen ließ, während erneut die Umgebung um sie herum vollkommen unbedeutend wurde. Obwohl es absolut unmöglich und sie sich dessen auch bewusst war, vermeinte sie plötzlich genau sehen zu können, wie es in ihr drinnen aussah. So klar, wie wenn es in der Realität vor ihr gelegen hätte als Bild oder gar lebendige Vorlage, konnte sie ein Flämmchen ausmachen, schwach und schon weiter herabgebrannt, von dem sie instinktiv wusste, dass es oft um sein Dasein kämpfen musste und stets in der Angst existierte, bald gelöscht zu werden. Um dieses klene Flämmchen herum nahm Wasser Abstand, formte einen Kreis und... begann es zu schützen. Mehr noch, es gab ihm Raum, um sich etwas mehr zu entfalten, zu wachsen und kurz zu erleben, wie es wäre, wenn es nicht ständig bedroht würde.
Ein Zittern durchlief ihren Körper und mit einem Mal verspürte sie etwas, das sie auf diese Weise nicht kannte. Es war beinahe wie... wie ein innerer Frieden, eine Zuversicht und eine Gewissheit, dass sie nicht vergehen musste wegen dem Widerspruch, der in ihrem Inneren herrschte. Diese neue Erfahrung wärmte sie bis in die letzten Haarspitzen und bescherte ihr eine so wohlige Empfindung, dass sie sich einen Moment lang, unabhängig von ihrer derzeitigen Erscheinung, tatsächlich wohl in ihrer Haut fühlte. Sie war kurzfristig rundum im Gleichgewicht mit sich selbst, das Flämmchen wuchs und das Wasser schützte, anstatt zu vernichten.
Ein langer, hörbarer Atemstoß floss über ihre Lippen und das Bild verblasste allmählich, ohne die damit verbundenen Gefühle mitzunehmen. Diese hielten an, während sie endlich ihre Umgebung wieder sehen konnte. Mehr noch, es wirkte auf einmal so, als könne sie generell ihre Umwelt besser wahrnehmen.
Da war das ständige Plätschern von Wasser, sowohl in dem Brunnen, als auch der Regen, wenn er auf die Blätter und auf den Kies traf. Geräusche, die ihr vertraut waren, die sie mochte, die ihr oftmals... Freude bereitet hatten, schließlich gehörte es zur Musik, die Venthas Segen begleitete. Vogelgezwitscher gab es keines, dazu war es bereits zu spät und auch zu verregnet, sodass die Gefiederten sich längst Schutz gesucht hatten. Dafür gab es anderes zu hören, wenn man nur aufmerksam genug war, manches Rascheln oder Patschen, wenn etwas die Oberfläche der Lacken hier überall traf, oder auch ab und zu ein Schmatzen viel zu feuchter Erde, die sich klebrig anheften konnte.
Und die Luft erst! Tief sog Azura die regengeschwängerte und zugleich frische Luft in ihre Nase ein und seufzte wohlig auf bei dem Geschmack, den sie in ihrem Gaumen hinterließ. Oh ja, sie liebte diese Regentage in Andunie, sie wirkten so befreiend! Gemeinsam mit dem neuen Mut ihres inneren Flämmchens fühlte es sich gleich umso intensiver an.
Während vor ihr noch immer der Wasserschild in der Luft hing, glitt ihr Blick davon weg und sie konnte in dem schwächer werdenden Licht ausmachen, dass ihr dieser Ort vertraut vorkam. Irgendwie... war er ihr bekannt und das nicht auf die flüchtige Weise, sondern vielmehr wie etwas, das sie häufiger schon vor Augen gehabt hatte. Wäre es noch etwas heller gewesen oder hätte sie mehr Zeit gehabt, hätte ihr in den Sinn kommen können, woher diese Empfindung rührte. Dass dies einer jenen wenigen Gartenanlagen war, die sie von klein auf kannte und in der sie von klein auf umher gestreift war, oftmals mit ihrer Mutter und das auch noch nach der Hochzeit ihrer Eltern. Hier hatte sie immer wieder Frieden und Ruhe finden können, so klein die Anlage auch sein mochte, und es hatte sie stets zu dem Brunnen gezogen so wie auch an diesem Tag.
Doch als sie noch auf der Suche nach Anhaltspunkten für dieses Erkennen suchte, das am Rande ihrer Erinnerung bereits wartete, abgeholt zu werden, wurde sie nachhaltig von einem Anblick abgelenkt, den sie so nicht erwartet hatte. Warum sie überhaupt in diese Richtung blickte, wusste sie nicht, vielleicht war es einfach die Bewegung, als sich die Person in ihrer Nähe aufrichtete.
Die junge Frau keuchte auf, der Schild zerfiel und sie musste sich hastig am Brunnenrand festhalten, um nicht zu straucheln. Blass um die Nase starrte sie auf den Mann, der sich ihr zugewandt hatte und ihr... winkte? Wieso winkte er ihr?! Nein, sie war ihm nicht gefolgt, sie hatte ihm seine erbetene Freiheit lassen wollen, ehrlich!
Doch... anstatt wütend zu sein und ihr Vorwürfe zu machen, wirkte er irgendwie... unbeteiligt und wieder ganz er selbst, ohne Federn, ohne vor Wut glänzenden roten Augen, ohne... Moment mal!
Blinzelnd rieb sie sich über die Augen und begriff nicht, wie das sein konnte. Dort drüben, bei einem der Beete, da stand Corax, ihr Rabe, ihr Liebster und ihr Herzensbrecher, das war unbestritten! Aber... wie war das möglich, dass er wieder beide Arme besaß? War das eine Illusion? Oder hatte der Waldelf schneller als gedacht das Problem mit dem Nachwachsen lösen können? Narrten sie womöglich ihre eigenen Augen, weil für sie einfach alles zu viel wurde und sie es sich so sehr für ihn wünschte?
Plötzlich wandte der Dunkelelf sich von ihr ab und winkte in Richtung Ausgang, ehe er sich rasch in Bewegung setzte. "Nein...", wisperte sie und hatte das dringende Bedürfnis, ihn jetzt und so nicht gehen zu lassen. Irgendetwas stimmte hier nicht und dem musste sie einfach auf den Grund gehen.
Bevor er vollkommen verschwunden war, rief sie ihm hinterher:"Corax! Corax, warte! Bitte, warte auf mich!" Schon raffte sie ihren Rock, obwohl dieser nicht bodenlang war und sie somit nicht zum Stolpern bringen würde, und lief ihm hinterher, die Schriftrolle fest in der anderen Hand, die ihr wenige Zeit zuvor so viel geholfen hatte.
Noch immer spürte sie diese Nachwehen inneren Friedens, auch wenn ihr Herz gerade wie wild trommelte und das Knirschen des Kies' unter ihren Schritten zu übertönen schien. "Corax!", rief sie erneut und erreichte, viel zu spät, den Ausgang.
Mit einem leisen Keuchen, denn der kurze Lauf hatte ihren Körper angestrengt, erreichte sie endlich jene Stelle, an der sie den Mann zuletzt hatte sehen können. Hastig drehte sie ihren Kopf in diese und jene Richtung, allerdings reichte das schwache Abendlicht nicht aus, um ihn noch entdecken zu können. Oder sonst jemanden auf der Gasse, der ihr hätte weiterhelfen können. Trotzdem wollte sie nicht sofort aufgeben, sondern erhob ein weiteres Mal ihre Stimme:"Corax? Wo bist du?"
Als würde sie ahnen, dass dies nicht ausreichen würde, blieb sie nicht lange stehen. Zwar hatte sie keinen Anhaltspunkt, wohin er sich gewandt haben könnte, aber dadurch war jede Richtung genauso gut wie die anderen, sodass sie sich nach rechts wandte und die Gasse entlang laufen würde, sollte er sich nicht von sich aus zeigen.
Und wenn das nicht helfen würde...? Nun, dann könnte sie es auch noch in die entgegen gesetzte Richtung versuchen.
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