Rettungsmission

Sie steht direkt am Strand. Hier wird die Wassermagie gelehrt, aber das ist offensichtlich. Das Wasser fließt nämlich aus Fenstern und über Zinnen, wie kleine Wasserfälle, bildet einen Graben um sie und strömt schließlich ins Meer hinein.
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Azura
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Azura » Dienstag 28. Februar 2023, 13:47

Während sie in ihrem Leid zu versinken drohte, weil sie den vermeintlichen Corax leblos in ihren Armen hielt, da bemühte sich ausgerechnet die Sarmaerin darum, sie zu beschützen. Azura nahm es kaum wahr, denn ihr gesamter Fokus lag auf dem Mann, der sie wirklich für sich gewonnen hatte. Glaubte sie zumindest...
Solange, bis sich plötzlich die Illusion auflöste und sie einen vollkommen Fremden hielt, dem sie gerade in den letzten Momenten seines Lebens beigestanden hatte. Fassungslos und irgendwie auch um ihre ehrliche Trauer betrogen fühlte sie sich, während es in ihrem Kopf noch arbeitete, um das Ganze auch nur im Geringsten verstehen zu können.
Bis die Hexe einschritt und bewusst oder unbewusst einen Denkanstoß in die richtige Richtung gab. Dennoch konnte sie ihn zuerst kaum aufnehmen. Entsprechend fragend fiel ihre Reaktion gegenüber der anderen aus, deren Anwesenheit sie instinktiv doch bemerkt hatte. Natürlich, sie hatte das Feuer um sich herum gespürt, aber sie war zu tief in ihren Gefühlen gefangen gewesen, als dass ihre eigene Magie sie hätte erreichen können. Im Gegensatz zu der regelrecht Explosion durch die Hexe, denn diese hatte sie wahrlich aufgeschreckt, ohne ihr tatsächlich zu nahe zu kommen.
Und nun offenbarte sie ihr gesamtes, grausames Werk. Sie enthüllte jenen Foltermeister, dem ein Arm fehlte und der auf ihren Befehl hin für Leid zu sorgen hatte. Das war nichts, womit Azura sich jemals freiwillig hätte beschäftigen wollen. Zwar war sie in einer Welt aufgewachsen, in der es einen Henker in der Stadt gab und wenn niederes Volk eben bei zu ruchlosen Taten Bekanntschaft mit ihm machte. Seit der Heirat ihrer Mutter allerdings war es für sie ein fernes Schreckgespenst geworden, da für den Adel naturgemäß andere Maßstäbe galten. Somit wollte sie lieber auch gar nicht daran denken, was an diesem Ort alles geschehen sein mochte durch diese eine Hand.
Was sie hingegen definitiv interessierte, war der Umstand, dass es sich dabei um ihren Raben handelte! Erschrocken und erleichtert zugleich, ihn lebend zu sehen, starrte sie ihn einige Atemzüge lange ungläubig an.
Dann jedoch begann ihr Herz heftig zu klopfen und sich zeitgleich zu verkrampfen bei dem Gedanken daran, was ihm angetan worden war. Und das nur, weil diese Hexe ihre Botschaft zweckentfremdet und missbraucht hatte! Warum nur hatte er das zugelassen?!
Nachdem sie sich endlich aufgerappelt hatte nach all den Schrecken und Überraschungen, stand sie einfach nur da und sah ihm entgegen. Es brauchte erst einen Impuls, um sie wieder wirklich handlungsfähig zu machen. Dieser kam auch, direkt von Corax, als sich endlich ihrer beider Blicke trafen. Doch dieser Erstkontakt war viel zu kurz, da es noch andere gab, die er zu beachten hatte.
Trotzdem wollte die junge Frau nicht aufhören, ihn anzusehen. Zugleich musste sie miterleben, wie er vor ihren Augen gequält wurde und sie hatte kein Mittel dagegen. Es tat ihr in der Seele weh und im Stillen schickte sie ein Hilfesuchen an Ventha, sie möge sie unterstützen, ganz gleich, wie. Indem sie ihre Magie verstärkte, einen Platzregen schickte oder das Wasser aus dem Abfluss so steigen lassen würde, dass der Hof überflutet werden und die Hexe darin ertrinken würde! Es war ihr egal, aber ihr stummer Ruf nach ihrer Göttin kam aus ganzem Herzen.
Endlich konnte sich Corax wieder aufrichten und wirkte bekehrt, als wäre er wieder völlig der folgsame Sklave. Etwas, das Azura nicht ausstehen konnte. Wenn er sich ihr gegenüber unterwürfig benommen hatte, war ihr das mehr als seltsam vorgekommen, auch wenn sie Dienerschaft gewohnt gewesen war in ihrem Leben. Der Hexe gegenüber jedoch... Nein, das ging zu weit!
Wo war der Mann hin, der er ihr gegenüber gewesen war? Unflätig, aufdringlich und bodenlos frech, allerdings auch beschützerisch und manchmal sogar schon irgendwie... liebevoll. Diesen einen wollte sie wieder haben und nicht dieses seelenlose Wrack, zu dem er sich machen ließ! Das wollte und konnte sie nicht länger mitansehen, dem musste sie ein Ende bereichten! Und das wollte sie auch tun, mit ihrer besten Waffe: ihrer Zunge.
In dem naiven Vertrauen, dass das Band zwischen ihnen stark genug war, kam sie langsam näher und begann, mit ihm zu sprechen. Nett war sie dabei nicht, aber das musste sie auch nicht. Sie wollte ihn wachrütteln, ihn aus diesem Zustand endlich wieder lösen und ihn zu dem werden lassen, der er in Wahrheit war.
Dass sie dieses Mal jedoch zu weit ging, konnte selbst sie erkennen, als sein Blick plötzlich unruhig wurde. Nein, das hatte sie nicht gewollt, nicht dieses Fünkchen Hoffnung schon wieder zu begraben!
Also beeilte sie sich, ihren letzten Worten noch weitere folgen zu lassen, in dem Versuch, den angerichteten Schaden zu beheben:"Sag mir, wo ist der Mann mit dem Goldkettchen? Der Kerl, der sich mit mir gemessen hat, wer mehr Beleidigungen finden kann oder wessen Sturheit größer ist?" Oh ja, die Umstehenden hörten richtig und wer sie kannte, würde es vielleicht bemerkenswert finden, dass sie von sich selbst zugab, dass sie einen Dickkopf besaß.
Aber es war nicht wichtig, was die anderen dachten. Für sie zählte gerade nur, was ihrem Raben durch den Kopf ging! Und vielleicht auch ein ganz klein wenig dieser Kapuzenträger, wo auch immer er stecken mochte... Aber wirklich nur ein ganz, ganz kleines Bisschen!
Doch ehe sie auf die dumme Idee kommen könnte, mit ihrem Blick nach ihm Ausschau zu halten, reagierte er auf andere Worte von ihr, die sie leiser ausgesprochen hatte, weil sie eben nicht für alle anwesenden Ohrenpaare gedacht waren. "Geschän...?", entkam es ihr mit einem leisen Keuchen des Entsetzens, während sich zu den ohnehin schon rötlichen Flecken in ihrem Gesicht noch rötliche Wangen mischten.
Wie kam er nur auf so etwas?! Er hatte sie verführt und ja, im Endeffekt war er tatsächlich schuld daran, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte, aber... sie hatte es genossen! Sie hatte sich am Ende freiwillig darauf eingelassen und er hatte darauf geachtet, dass sie eben nicht litt, nicht in diesem einen, besonderen Fall! Doch er...
Tränen stiegen ihr erneut in die Augen und der Riss in ihrem Herzen wurde größer. So sah er ihre gemeinsame Lust also an, die sie in den heißen Quellen miteinander geteilt hatten? Als Schändung, als das Schlimmste, das einer Frau passieren konnte, anstatt als das Schöne, das er ihr dabei hatte zuteil werden lassen. Dabei hatte sie gedacht, es hätte ihm auch gefallen, erst recht, nachdem sie diese eine besondere Schriftrolle gelesen hatte. Es tat ihr weh und gleichzeitig begann eine leise Stimme in ihr zu erkennen, dass er es wohl immer so sehen würde, wollen würde... wollen musste.
Ob er es im Gegenzug tatsächlich so freiwillig getan hatte, wie sie es sich gewünscht hatte? Ob er es soweit hätte kommen lassen, wenn die Umstände anders gewesen wären? Was sollte ihm darauf nur sagen? Wie könnte sie ihn erreichen?
Am liebsten hätte sie laut dagegen aufbegehrt und ihn zurecht gewiesen. Doch auf der anderen Seite konnte auch sie nicht völlig aus ihrer Haut raus und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit zugeben, dass sie sich ihm lustvoll hingegeben hatte. Schon gar nicht vor dieser Hexe, die sich schon wieder aus dem Hintergrund hören ließ. Warum konnte Ventha nicht endlich eine Flutwelle schicken, die diese feuermagische Hure mit sich riss und für immer verschlang?!
Um sich nicht noch mehr selbst zu blamieren, versuchte sie es auf eine andere Art. Seine Erwiderung ließ den Riss in ihrem Herzen noch weiter anwachsen. "Woher...?", wisperte sie erstickt und eine Träne schwappte über, sodass sie ihre Wange herabkullern konnte. "Hat er es dir denn nicht gesagt? Und die Perlen? Was ist mit deinem Traum? Hast du mir so wenig geglaubt?!", redete sie auf ihn ein in einer Mischung aus Traurigkeit und Gekränktheit.
Das alles gipfelte schließlich in ihrer verzweifelten Nennung seines Namens. Da zuckte sein Blick wieder in ihre Richtung, aber der Schaden in ihrer Gefühlswelt war bereits angerichtet.
Bevor es allerdings zu einer Katastrophe hätte kommen können, mischte sich auch die Sarmaerin ein, die tatsächlich an ihrer Seite geblieben war. Im Gegensatz zu ihr ging sie sanfter, feinfühliger mit ihm um, mehr wie... wie eine Freundin oder eine Schwester, mit der man sich zwar ebenfalls manchmal stritt, jedoch niemals mit all jener Leidenschaft, wie sie zwischen ihnen beiden geherrscht hatte.
Sie musste sich dabei allerdings auf die Zunge beißen, da auch sie die Botschaft dahinter verstand und in einer ersten, unbedachten Reaktion nur allzu gerne sofort lautstark protestiert hätte. Doch dieses Mal nicht, dieses Mal riss sie sich zusammen, um ihn endlich aus dieser selbstgewählten Folter zu erlösen.
Dennoch konnte sie ein leichtes Zusammenzucken und ein irriertes Blinzeln nicht vermeiden, als ihre Hand genommen und in die Höhe gehalten wurde. Beinahe wäre ihr sogar ein zweifelndes "Äh, ja..." über die Lippen gekommen. Stattdessen biss sie aber die Zähne noch eine Spur fester zusammen und konzentrierte sich lieber darauf, seinen Blick nicht zu verlieren.
Bis die Hexe im Hintergrund lachte und darauf hinwies, wer hier wem den Arm abgetrennt hatte. Erinnerungen an den Anblick anderer verstümmelter Regionen seines Körpers kamen in ihr hoch und sorgten dafür, dass sich ihre freie Hand zur Faust ballte. Wut stieg in ihr auf, gemischt mit Enttäuschung, Mitgefühl und eigenem Schmerz, sodass sich ihre Mimik verfinsterte, während die Tränenspur auf ihrer Wange zu trocknen begann. Wie gut, dass ihre Begleiterin noch nicht fertig war, als Corax schon wieder mit seinem Mantra beginnen wollte, sonst hätte Azura ihm so einige Bemerkungen um die Ohren zu pfeffern gewusst. Doch so hatte sie die Zeit, ein wenig durchzuatmen und sich eine Spur weit zu beruhigen, auch wenn es weiterhin in ihr brodelte.
Solange, bis er plötzlich und ganz leise etwas zu ihr sagte, das wie eine kühle Dusche auf ihren Zorn wirkte. Ihre Gesichtszüge wurden weicher und ihr Körper entspannte sich ein wenig. "Ach, Corax...", seufzte sie.
Da trat er von ihnen zurück und sie blinzelte verständnislos. Sie hatte keine wirkliche Ahnung vom Kampf, sodass ihr gar nicht erst der besorgniserregende Gedanke, dass er lediglich Platz zum Schwungholen haben wollen könnte, kam. Das hatte er auch gar nicht vor, sondern drehte ihnen plötzlich... den Rücken zu? Wieso das denn nun wieder? Was war jetzt los?
Azura sah zu der anderen hin, dann befreite sie ihre Hand und rieb sich unbewusst den leicht kribbelnden Arm, denn das Blut hatte darin ob des langen Hochhebens nicht sonderlich gut zirkulieren können. Daraufhin wandte sie sich wieder ihrem Raben zu und wollte schon auf ihn zutreten, ihn berühren, als sich die Ereignisse für ihr Empfinden überschlugen.
Noch während ihr das Klirren der Klinge, wie sie auf den Steinfliesen auftraf, in den Ohren nachhallte, steigerte sich die Wut anderswo dermaßen, dass sie einen leisen Schrei ausstieß, als plötzlich Flammen aufloderten. Nicht, weil sie Angst bekäme, dazu ging alles viel zu schnell. Sondern weil es in ihrem Inneren weh tat und ihre Magie sich instinktiv mit aller Macht dagegen auflehnte. Dabei hatte die junge Frau keinen Blick dafür, ob und welche Flüssigkeiten in ihrer näheren Umgebung darauf reagieren würden.
Sie sah nur, wie direkt vor ihr Corax plötzlich in einer Art Lichtblitz vernichtet werden sollte. "Nein!", brüllte sie aus Leibeskräften und fühlte sich geblendet von der Helligkeit, sodass es einige rasche Herzschläge dauerte, bis sie wieder mehr als gleißendes Licht sehen konnte.
In dieser Zeit stieg ein schwarzer Federball hoch und wollte fliegend fliehen, aber aufgrund seiner Verstümmelung purzelte er wieder zu Boden und schlitterte ihr direkt vor die Füße. Rauchend blieb er am Boden liegen und ihr gefror das Blut in den Adern. "Nein! Corax!", schrie sie mit sich überschlagender Stimme auf und sank entkräftet in die Knie, denn der Anblick gemeinsam mit der gerade erst ungesteuert genutzten Magie raubten ihr die Möglichkeit, sich auf den eigenen Beinen zu halten.
"Corax, nein, nein, nein, nein, bitte nicht!", wimmerte sie schluchzend und barg das kleine Bündel Federn in ihren Händen, um ihn beschützend und tröstend an ihrer Brust zu drücken. Jene Brust, die derzeit nicht das war, worauf sie stolz sein konnte und was ihm gefallen mochte. Doch das kümmerte sie nicht. Sie wollte ihn lediglich so nah an ihr Herz drücken, mit ihrer Nähe wärmen und ihn endlich einmal spüren lassen, dass er ihr unendlich viel bedeutete.
Aber nicht einmal dieser eine Moment wurde ihr vergönnt. Stattdessen musste sich die Hexe wieder einmischen, half ihr jedoch auch dabei, ihre Wut neu zu entfachen und damit ihre womöglich letzten Reserven zu mobilisieren. Mit stürmischen Blick sah sie auf und direkt zu ihrer Feindin hin, noch ohne, der eigentlich berechtigten, Angst vor ihr.
"Jetzt halt endlich einmal den verdammtes Maul, du billige Hure!", fauchte sie und kämpfte sich auf die Füße, ohne Corax loszulassen, den sie nun erst recht beschützend an sich drückte. Womöglich etwas zu stark, ohne es zu bemerken, solange er sich nicht dagegen wehren würde.
"Kapier' endlich, dass du diejenige bist, die hier stört, und nicht wir!", fuhr sie todesmutig fort und versuchte, unerkannt und ungeschult ihre Magie zu lenken, um die andere aus einem Hinterhalt angreifen zu können. Nicht, dass sie so etwas schon einmal getan hätte oder wirklich dazu fähig wäre, aber... Wie hatte ihr Rabe ihr immer gesagt? Sie musste nur fest daran glauben... Und das tat sie im Moment, felsenfest!
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Gevatter Tod » Dienstag 28. Februar 2023, 17:55

((ooc: die folgende Szene ist für jeden, der noch einen Herzschlag hat nicht sichtbar.))

(Kazel kommt von: Das neue Heim)

„Uh, hier is ja was los!“
Tod zog seinen Gesellen aus dem Strom aus Zeit und Raum. Die Szene an sich war schon merkwürdig, aber dadurch dass die Zeit still stand, wirkte manch Gesicht zu einer Fratze aus Hass und Wut verzerrt noch hässlicher! Sie standen auf einem viereckigen Innenhof eines großen Gebäudes und die 'Kufperhaarige' hielt einen verletzten Vogel, eine Krähe so aus der Nähe sogar zu erkennen, deutlich zu fest an ihren etwas faltigen Busen gedrückt. Einige andere bekannte Gesichter aus Kazels vorherigen Besuch erkannte er ebenfalls. Da war dieses narbige Mädchen aus der Taverne, die verzweifelt wirkte, aber auch irgendwie... glühend. Kazel sah sich weiter um und entdeckte gerade höhere Ränge und Balustraden, Balkongängen nicht unähnlich, wo weitere Gesichter die Szene betrachteten. Tod zupfte an seiner Kutte um ihn einen Leichnam am Boden aufmerksam zu machen.
„Das ist Roland. Armer Kerl.“
Der Mund des Leichnams wirkte noch merkwürdig feucht, die Lippen etwas aufedunsen und sein Blick schien schon vor seinem Ende gebrochen. Unter der Haut bewegte sich der Geist des Toten und wölbte sich dem Gevatter entgegen, als er seine Hand über ihn hielt.
„Konzentration. Du weist noch wie es geht?“
Ja...schon...aber da fiel Kazel noch eine Leiche auf. Von der war kaum noch etwas übrig und die Seele hatte sich schon fast los gerissen. Von Fleisch und Knochen war kaum etwas geblieben und sogar die Rüstung war geschmolzen. Wollte der sich gerade los reißen? Ein Poltergeist war bestimmt nichts, was hier gerade gut wäre. Kazel fühlte instinktiv, oder es lag an seinem neuen Job, dass er schnell handeln musste. Die Sense lag auch schon in seinen Fingern. Das Gefühl von Endlichkeit lag schwer auf seiner Handinnenfläche. Das Werkzeug zu schwingen war wie einem Reflex zu folgen, wenn man nicht nachdachte. Dann wurde Kazel selbst zum Werkzeug. Er musste sich eigentlich nur seiner Aufgabe hingeben.
*Schnipp*
Der 'Gebrutzelte' war eingefangen und zog sich in jenes kleine Leuchten zusammen, dass dann weiter gehen durfte. Dann wanderte Kazels Blick wieder zu Tod. Der Gevatter 'schnitterte' gerade drei Seelen gleichzeitig, die er in einer Ecke dicht beieinander liegend gefunden hatte, wie für den Abfall aufgetürmt. Es waren tot gepeitschte Wassermagier, wie man klar an ihren Roben erkennen konnte. Waren sie in der Wasserakademie in Andunie? Anscheinend. Tod tat an seine Seite und zeigte scheinbar wahllos auf weitere Gesichter:
„Benutze deine Gaben. Der da... in einer Minute. Der kurz darauf und die da hinten...“
So markierte er weitere Seelen die sehr bald hier ihr Ende finden würden. Aber um diese zu holen, würde er wohl die Zeit wieder anlaufen lassen müssen. Irgendwie fühlte sich das für Kazel nicht so toll an, denn er lebte ja noch und konnte noch nicht vollkommen unbehelligt zwischen den Lebenden wandeln. Aber Tod hatte auch dafür einen guten Rat:
„Kaputze uff und druff.“
Er grinste lipplos und positionierte sich hinter einem Sterblichen, dessen Sanduhr nur noch drei Körnchen hatte. Die lange gebogene Sichel schwebte schon über dem Haupt des Mannes.
„Und keine Sorge. Die Lebenden sehen uns nicht, bis es soweit ist. Vorher wollen sie es einfach nicht. Nur bei kleinen Kindern und Katzen... ach dazu später.“
Kazel spürte den Sog. Die Zeit lief weiter und jemand der fast durch ihn hindurch gelaufen wäre, machte einen kleinen Ausweichschritt, als würde seine Seele spüren, dass er sonst sterben würde. Es war ein merkwürdiges Gefühl und manch einer ...so wie Tod es gerade vormachte... Kazel schüttelte den Kopf. Der Gevatter schritt mit ausgebreiteten Armen quer über den Hof und jedes lebende Wesen machte instinktiv Platz. Ob nun das Schicksal die Schritte lenkte, oder Tod wieder einen seiner schwarzen Scherze machte, war egal. Er demonstrierte seinem Gesellen, dass er sich nicht sorgen musste, etwas falsch zu machen. Wenn es soweit war, dann zog es ihn an die richtige Stelle. Sonst gingen ihm die Lebenden aus dem Weg.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 4. März 2023, 22:56

Es war wohl niemand auf solche Situationen wirklich vorbereitet. Alles schien für einen Moment die Luft anzuhalten und einem Zeitraffer gleich vor den graublauen Augen abzulaufen. Wie war sie eigentlich hier gelandet? Ein Mädchen, das kaum etwas zu bieten hatte, geschweige denn konnte? Wie kam sie dazu sich neben eine ihr fremde Person zu stellen und ihre Hand zu ergreifen, obwohl sie genau wusste, dass ihre Person und ihre Nähe kaum auf Akzeptanz stießen? Um einen Mann aus den Ketten seines Lebens zu lösen, der sie hatte töten wollen und sie bereits mehrfach bedrohte? Madiha hätte keine dieser Fragen beantworten können. Noch in Sarma hatte sie geglaubt, dass sie ihren Weg fortan allein gehen und ein besseres Leben, leben würde. Dass sie zukünftig nur sich selbst Rechenschaft ablegen müsste und niemand sie würde daran hindern können, ihren Traum zu erfüllen. Nun aber stellte sie fest, dass das gar nicht so einfach war. Dass man mit jedem Schritt auch Menschen berührte, die kleben bleiben wollten. Die man nicht mehr so einfach abschüttelte und sich wieder sich selbst zuwandte. Die einem zeigten, dass es mehr geben konnte als man selbst zu träumen gewagt hatte. Madiha war nicht vorbreitet darauf gewesen, sich überhaupt auf jemanden verlassen zu wollen. Dass sie bereit wäre, ihr eigenes, so kostbares Leben zu riskieren, um es jemandem zu schenken, der sich nicht selbst helfen konnte. Dass sie nun inmitten einer feuermagischen Schlange und dunkelelfischen Schergen stand, um den vielleicht letzten Atem dafür aufzuwenden, für Corax der Mensch zu sein, der kleben blieb, hätte sie nicht für möglich gehalten. Doch das was man selbst erlebte, musste man zurückgeben, nicht wahr? Madiha hatte durch Caleb gelernt, dass Spuren zu hinterlassen, weitaus wichtiger war als das schönste, beste Leben der Welt zu führen. Ganz gleich, wer man war oder woher man kam. Madiha hatte erkannt, dass nicht zählte, was man selbst erhielt… sondern was man geben konnte. Das war wahrer Besitz und Madiha konnte Corax ihre Ehrlichkeit schenken. Ihren Mut und ihre Sicht auf die Dinge. Um seine Welt etwas besser erblühen zu lassen. Ihre würde dadurch nicht verblassen – wenn alles gelänge, würde ihre eigene Welt um einiges reicher sein. Doch der Einsatz versprach eben keine sicheren Gewinne. Das machte es zu etwas Besonderem. Madiha sah zu, wie Corax nach ihren Worten zurückwich und sich abwandte.
Azura aber befreite ihre Hand, was Madiha mit einem Stirnrunzeln kommentierte, weil sie gar nicht mehr gemerkt hatte, dass sie sie hielt. Es war nicht wichtig. Ihre Augen glitten zum Raben zurück, der sich gegen seine Herrin auflehnte. Madiha lächelte siegesgewiss und nickte sogar bekräftigend in seinem Rücken. Richtig so! Er schaffte das. Doch dann geschah das, was immer passierte, wenn sich der Sklave gegen seinen Herrn auflehnte. Madiha’s Siegesblitzen in den Augen wich einem blanken Entsetzen als sie zusehen musste, wie Corax in die Knie ging. In ihrem Kopf hallte das immergleiche Wort. Stirb… Ihre Kehle wurde trocken, während sie mit weitgeöffneten Augen zusah, wie der einarmige Rabe gefoltert wurde. Es ging immer so weiter… Leid war das Einzige, was er erleben durfte. Nach ein Bisschen Glück, folgte für Corax immer Leid. Madiha spürte einen Stich in ihrer Brust. Seit der Schifffahrt und ihrem Erkennen, was Jakub Tauwetter dem Kind Corax angetan hatte, fühlte sie sich auf eigenartige Art mit ihm verbunden. Er war ihr Ausblick auf eine Zukunft, die auch sie hätte ereilen können. Und die sie mit Grauen erfüllte und ihr zuflüsterte, wie viel Glück sie doch gehabt hatte. Sie hatte an einem Scheideweg einen anderen Weg eingeschlagen und verfolgte nun einen Pfad, der ein wenig Wiedergutmachung bereithielt. Caleb war das Glück, das sie am Ende des ersten Abschnitts des Weges gefunden hatte. Ihr Anker. Azura könnte der Anker für Corax sein, doch dafür brauchten die beiden die Gelegenheit, sich endlich auszusprechen. Und Madiha? Sie würde für Corax die Ankerkette sein, die dafür sorgte, dass er den Halt nicht verlor! Doch er musste überleben.

Rauch in alarmierenden Farben stieg auf und spuckte ein Knäul an schwarzen Federn aus, die krachend zu Boden fielen und regungslos liegenblieben. Madiha sah mechanisch und entsetzt auf Corax, unfähig sich zu rühren. Noch immer lief die Zeit in einem Raffer ab, der ihr jede Handlung erschwerte. Madiha war wahrlich nicht auf solche Situationen vorbereitet. Und hätte sie geahnt, was der Fremde über ihren Platz hier dachte, sie hätte wohl eine Welle der Unsicherheit gespürt. "Corax, nein, nein, nein, nein, bitte nicht!" Mit einem Ruck lief die Zeit wieder in der richtigen Geschwindigkeit und ließ das Mädchen beinahe schwindelig zurück. Das Entsetzen blieb ihr ins Gesicht geschrieben, während sie zusah, wie Azura das Bündel an sich presste. Auch sie war erschrocken über das neuerliche Schicksal. Lebte er noch? Sie konnte es nicht erkennen, doch Azura war bereits sehr viel weiter. "Jetzt halt endlich einmal dein verdammtes Maul, du billige Hure!", ihre Angst wandelte sich in Zorn und bauschte ihre Magie auf. Auch Madiha konnte fühlen, wie sie unruhiger wurde. Wie sich erneut die Wassermassen auf sie stürzen wollten. Azura hatte sich bereits zu Serpentis umgedreht, die in Madiha’s Rücken zornig um ihren Sklaven zeterte. Noch immer stand Madiha da und blinzelte. Ihr war, als wäre sie gelähmt. Als würde sie nicht recht anwesend sein und alles durch einen seltsamen Vorhang betrachten. Es wirkte so unwirklich und doch… doch spürte sie, wie sich ihre Magie erneut gegen alles sträubte, was sie vernichten könnte. Gleichzeitig aber war da ein Sog. Etwas, was sie nur sehr schwach fühlen konnte. Keine Zeit blieb ihr, diesen Sog zu ergründen, da zeterte Azura schon weiter: "Kapier' endlich, dass du diejenige bist, die hier stört, und nicht wir!" Wir… Das Mädchen hob den Blick auf das Gesicht der Andunierin. Wir! Wir zusammen. Das hatte auch Madiha gesagt, um Corax zu erreichen. Plötzlich wich ihre Angst ein Stück in den Hintergrund und sie ballte eine Hand zu einer Faust. Ihr Kopf wandte sich wie fremdgesteuert und sie suchte abermals Jakub, Caleb und Kjetell’o. Sie sah nur den ersten Maat, wie er sich gegen Angreifer verteidigte. Wo war Caleb? Das Mädchen hätte sein Gesicht gerne gesehen. Hätte gerne für eine kleine Sekunde die Chance gehabt, ihm stumm zu sagen, was sie empfand. Auf der anderen Seite, hatte sie ihn nicht sicher wissen wollen? Und jetzt, da er vielleicht in Sicherheit war, wollte sie ihn hier sehen? Madiha entschied, dass er lieber irgendwo sein Leben schützen sollte, wenn er die Chance hatte. Kurz glitt ihr Blick dennoch über die Ränge, ob sie ihn sehen konnte. Doch der Sog in ihrem Innern wurde stärker. Sie fühlte sich zu Azura hingezogen, obwohl sie nicht sicher wusste, woran das lag. Dass jene ihre Magie versuchte einzusetzen und tatsächlich jegliche Wasserreserven dafür anzuzapfen also auch die Wasservorräte innerhalb der Körper um sie herum, versuchte, ahnte Madiha nicht. Doch das Mädchen fasste einen Entschluss und dieser wurde auch je nötig, da Serpentis soeben ihr Urteil gesprochen hatte.
Madiha riss den Blick von dem leeren Fleck, an dem Caleb zuvor gestanden hatte, fort und endlich war sie wieder in der Lage, sich vernünftig zu bewegen. Herrin über sich selbst zu sein.

Die Sarmaerin machte eine äußerst entschlossene Miene und trat an Azura und Corax heran. Sie wandte sich nun ebenfalls Serpentis zu und blickte mit funkelnden Augen zu der Hexe empor. Kampfwille lag in ihnen und Entschlossenheit. Noch immer hatte Madiha ihre Linke zu einer Faust geballt, während sich die Rechte auf Azura’s Schulter legte. Kjetello’s Worte flossen durch ihren Verstand und Madiha versuchte Azura’s kühlende Wassermagie dafür zu nutzen, um nicht ungelenkt zu explodieren. Gleichwohl aber versuchte sie ihre Wut und ihre Leidenschaft zu nutzen, um ihre eigene gezielter, gesteuerter zu vermehren. Madiha war wie ein Schwamm, wenn sie etwas lernen durfte. Nie war ihr das möglich gewesen, sodass sie bereits bei Dunia verbissen daran arbeitete, etwas Neues zu lernen. „Perfektion…“, glitt es ihr für Hörende zusammenhanglos über die Lippen, dann aber verstärkte sie ein wenig den Druck auf Azura’s Schulter und murmelte in das Ohr der Adeligen: „Wenn wir das schaffen wollen, dann nur zusammen!“. Etwas in ihr gab ihr diese Gewissheit. Sie konnte nicht sagen, warum ausgerechnet sie beide, doch Madiha war felsenfest davon überzeugt, dass es so sein musste. Und so ließ sie Azura’s Wassermagie in einem Versuch durch sich hindurchfließen, sah wieder den ruhigen, meandernden Lavastrom vor ihrem geistigen Auge und veränderte dann das Bild ihrer Vorstellungskraft. Ihre Augen funkelten beinahe vor Konzentration, doch sie versuchte dann Serpentis zu kopieren: Madiha starrte auf die Feuerhexe und wollte mit Hilfe der Andunierin dafür sorgen, dass der Hexe das Zunderzeug fehlte. So wie Serpentis ihre kleine Feuerwand-Magie einfach absorbiert und in etwas anderes verwandelt hatte, versuchte Madiha mit aller Kraft ihr einen Teil ihrer Macht zu nehmen. Sie wollte sie absaugen, in sich aufnehmen und auf dem Fluss der Lava davontragen lassen. Sie wollte Serpentis schwächen. Wollte dafür sorgen, dass die Feuerhexe angreifbar wäre für das Wasser, das mit brachialem Zorn zuschlagen könnte. Und nicht gleich verdampfte, wenn sie ihren Teil richtig machen konnte. Dabei verließ sich Madiha auf ihr Gefühl und auf das, was Kjetell’o ihr versuchte, binnen kürzester Zeit zu suggerieren. Im Fluss zu sein und auf Azura’s Welle reitend, um ihre Magie zu lenken und sich das morgerianische Feuer einzuverleiben, um es in einer alles beendende Explosion freizugeben oder in sich zu speichern, um selbst zu verglühen, doch die anderen zu retten. Sie würde dafür sorgen, dass die Ankerkette nicht zu früh riss. Sie würde Corax die Freiheit schenken – auch wenn es ihre eigene kosten könnte.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Kazel Tenebrée » Sonntag 5. März 2023, 14:06

Solang er die Kutte trug, musste Kazel sich keine Gedanken um sein Äußeres machen und ob er damit jemanden erschrecken könnte. Wie der Gevatter gesagt hatte, würde er einem Sterbenden in der Gestalt erscheinen, als die diese Seele den Tod interpretierte. Irgendwie war er sogar gespannt darauf, als wer oder was er auftreten mochte. Er hoffte nur, dann auch eine passende Rolle spielen zu können. Sein Blick fiel dabei sofort auf seinen Lehrmeister, kaum dass sie am Zielort angekommen waren. Eine Hand schob sich allerdings unter die Kutte und auf den Magen des Mischlings. Er lebte noch und das führte zur unliebsamen Übelkeit, wenn man durch Zeit und Raum sprang. Krampfhaft presste er die Hand auf seinen Bauch und glaubte, das Rumoren darin auch spüren zu können. Bittere Galle hing ihm im Rachen. Kazel kämpfte um seine Selbstbeherrschung, damit er einer frisch gestorbenen Seele nicht alsbald vor die Geisterfüße kotzen würde. Sein Meister wusste, ihn abzulenken.
Offenbar schien einiges los zu sein, wohin auch immer Tod ihn mitgenommen hatte. Der Lehrling schaute sich um. Nie zuvor hatte er diesen Ort gesehen. Die mächtigen Mauern erinnerten an Morgeria, vor allem weil er gelegentlich ein wehendes Banner mit dem Wappen seiner Heimat darauf sah. Aber der Himmel war so klar und die Luft roch ganz anders. Das gesamte Farbenspiel von Tageslicht wirkte auch nicht so ... bedrückend. Die Szenerie, in die Gevatter Tod sich und ihn selbst allerdings hinein katapultiert hatte, schon.
Da standen sich einige Gestalten in einem Hof gegenüber, der nicht nur zwei wunderschön gestaltete Brunnen besaß, sondern auch eine nicht allzu tiefe Hofsenke mit Abflüssen - gefüllt mit menschlichen Überresten und reichlich Blut. In diesen Pfützen lagen misshandelte Männer und Frauen, denen man teilweise die Kleidung vom Leib gepeitscht hatte. Kazel wusste, wie es aussah, wenn das passierte. Und er erinnerte sich sofort an den eigenen Schmerz beim Anblick der Fremden. Er wusste um das Leid, das sie gerade durchmachten. Es schauderte ihm, so dass er sich einen anderen Fokus suchte.
Da gab es einen Balkon, der den gesamten, eckigen Hof umfasste. Getragen wurde er von zahlreichen Steinsäulen und Zuschauer standen darauf. Die meisten aber blickten voller Entsetzen auf das Geschehen im Hof selbst nieder. Menschen und Dunkelelfen fanden sich dort. Die meisten trugen lange Roben, als seien sie Magier oder anderweitig Gelehrte. Oder Sademos, schoss es dem Mischling durch den Kopf. Er entdeckte aber auch Dunkelelfenkrieger in ihren klassisch schwarzen Rüstungen. Jene gab es zahlreich in Morgeria. Man setzte sie als allgemeine Ordnungshüter ein, auch wenn ihre Art Ordnung zu halten, selten etwas mit Gerechtigkeitssinn zu tun hatte, sondern vielmehr mit Willkür. Adelshäuser füllten ihre Reihen aus Leibwachen aber ebenso gern mit ausgesuchten Mitgliedern der morgerianischen Stadtwache. So erhielten sie billige Arbeitskräfte, wohingegen die Wächter sich neben dem täglichen Sold noch etwas hinzuverdienen konnten. Kazel hatte seit jeher beide Parteien lieber gemieden und auch jetzt ließ er den Blick bevorzugt an einen anderen Ort wandern. Auch er konnte sich nicht entziehen, was im Zentrum des Geschehens vonstatten ging. Vor allem dann nicht, als er einige bekannte Gesichter dort entdeckte.
Die kupferhaarige Schönheit - wäre sie nicht irgendwie untot - kannte er noch aus der Spelunke, in der dieses schreckliche Blutbad stattgefunden hatte. Damals hatte Tod ihm zum ersten Mal gezeigt, wie er seine Aufgabe zu erfüllen hatte. Nur nicht bei der jungen Frau. Sie besaß Sonderrechte. Das Bündel aus Federn an ihrer Brust hingegen nicht und auch wenn Kazel erst einen Blick auf das Stundenglas des Lebens dieses kleinen Wesens würde werfen müssen, um es genau zu wissen, spürte er instinktiv, dass es nicht gut um das Geschöpf stand. Umso besser schien es dem anderen bekannten Gesicht zu gehen, das er erblickte. Es war die andere junge Frau, die er damals in irgendeinem unterirdischen Labyrinth gesehen hatte. Da war sie verzweifelte gewesen und hatte um das Überleben ihres verletzten Gefährten gekämpft, den Kazel nun nicht hier ausmachen konnte. Damals hatte er Mitleid empfunden, jetzt hingegen zeigte sich eher das Bedürfnis, der Exotischen aus dem Weg gehen zu wollen. In ihren Augen brannten Feuer und sie schien versucht zu sein, diese gleich in alle Richtungen zu schleudern. Dabei war es doch diese unheimliche Dunkelelfe, die gerade mit magischer Hitze einen der ihren geschmolzen hatte!
Kazels Aufmerksamkeit lag auf dem schwelenden Klumpen aus ineinander verschmolzenem Metall und Fleisch, während Tod gerade über den anderen Verstorbenen - einen Mann namens Roland - sprach.
"Konzentration. Du weißt noch, wie es geht?", hörte er die hohle, kalte Stimme seines Meisters durch seinen eigenen Geist streichen, aber er schaute gar nicht hin. Sein Blick fixierte den anderen Leichnam. Dort stahl sich gerade die Seele ins Freie. Sie drückte sich zwischen dem schwarz verkohlten Leib und der mit ihm verschmolzenen Rüstung hindurch. Sie würde stiften gehen, wenn man sie nicht einfing, wie sein Meister es zu sagen pflegte. Was dann passierte, konnte Kazel gedanklich gerade nicht schnell genug abrufen. Er wusste nur, dass es schlecht wäre und mehr Arbeit für den Gevatter bedeuten würde. Also ließ er die Aufforderung des Todes selbst außer Acht und sprintete vor. Er musste die andere Seele erreichen. Wie war das noch? Sense zur Hand und sie mit einem Schnippen vom Körper trennen, bevor sie es selbst tat.
Im Lauf rief Kazel seine eigene Sense herbei, so wie er auch die Sanduhr mit seiner Lebenszeit in seine Handinnenfläche beschwören konnte. Der Meister hatte ihm diese Wekzeuge mitgegeben und wenn er die Kutte trug, konnte er darauf zugreifen. Es war einfach, er brauchte kaum darüber nachzudenken und doch ... Mit einer Sense kann ich gar nicht umgehen. Der Gedanke eines Lebenden. Der Schüler verstand noch nicht, dass er sich an dieser Stelle lösen und differenzieren musste. Als Lehrling des Todes besaß er die nötigen Fähigkeiten direkt und könnte sie reflexartig durchführen, wenn er sich nur darin treiben ließe. Aber er versank weder in Panik noch in Verzweiflung, sondern improvisierte auf seine Weise. Wurfsterne beherrschte er, aber diese nützten einem Kuttenträger wie ihm nichts. Seine lebende Seele konnte noch passabel mit dem Dolch umgehen, also formte Kazel in Gedanken die Sense zu eben jener kleinen, handlichen Klinge um. Es gelang ihm, auch wenn sein Dolch fast einer Sichel glich. Die Klinge war gebogen wie eine Sense, schimmerte fast so hell wie die Sterne tief in den Augenhöhlen seines Meisters, aber er führte sie dolchartig und holte zum Schnitt aus, als er fast bei der Seele angekommen war.
Mit der unbewaffneten Hand umschlang er das Schimmern der gesitigen Überbleibsel dieses Dunkelelfen. Kazel war Lehrling. Er handelte nicht nach Lehrbuch. Er hatte schließlich keines erhalten. Außerdem war er noch immer am Leben und somit zu mehr Emotionen fähig als es der Gevatter sich selbst zuschreiben konnte. Er empfand Mitleid mit dieser fremden Seele, die gerade ihr Leben verloren hatte - in Schmerz und Leid. So wollte er ihn auf eine Weise empfangen, die ihn nicht ruhelos werden ließ. Er versuchte, den Geist zu umarmen, ehe jener sich in seiner Unsicherheit über das eigene Schicksal vom Körper lösen konnte.
"Ruhig", raunte er ihm zu, ohne zu wissen, ob der Geist ihn erhören konnte. Bei all den Frauen in Sademos Folterkeller hatte es funktioniert, aber diese waren zu dem Zeitpunkt noch am Leben gewesen. "Es ist vorbei, ganz still. Der Schmerz kann dir nichts mehr anhaben. Ich bin sein Advokat, sein Geselle. Ich bringe dich dorthin, wo du nun Frieden finden kannst." Mit diesen Worten setzte Kazel mit anderer Hand die Klinge seines Dolches am unteren Stück der Geisterseele an wie Tod es ihm schon mit der Sense gezeigt hatte. Er spürte einen sachten Widerstand, dann schnippte es und der Geist löste sich von seinem zu Tode geschmolzenen Körper. Kazel, der ihn immer noch umarmte, hielt seine Hand dicht um die Seele gelegt, die immer kleiner wurde, bis sie zu einem winzigen Licht wurde. Obwohl er es als Geselle des Gevatters nicht tun musste, atmete Kazel durch. Er hatte es geschafft, oder nicht? Sein Blick suchte jenen des Meisters. Tod war aber gerade selbst dabei, einige Seelen mit der Sense von ihren Leibern zu lösen. Die unheimliche Dunkelelfe explodierte wahrlich in einer feurigen Wolke aus Zorn und richtete ihre eigenen Artgenossen hin, ohne sich überhaupt nach ihnen umzuschauen.
Wut stieg in Kazel auf. Wut und Entschlossenheit, bis er bemerkte, dass beides nicht von ihm kam. Mit der gefangenen Seele zog er sich von dem Wüstenmädchen und der Kupferhaarigen mit Sonderrechten zurück. Die eine glühte innerlich, während sich in der anderen brachiale Wogen auftürmten. Es war besser, ihnen aus dem Weg zu gehen. Er wollte nicht von ihrem Zorn zermalmt werden.
Tod aber lehrte seinen Schüler eine weitere Eigenheit, die nur seinesgleichen beherrschte. Nichts in der Welt der Lebenden konnte ihn treffen, solange er in seinem Auftrag unterwegs wäre. Der Gevatter drehte sich. Seine Kutte flog in schweren Falten um das Gerippe, hinterließ Striemen aus Schatten und Schwärze, außerdem die seichte Kühle, die Kazel so zu schätzen wusste. Er betrachtete den Gevatter, wie er durch die Menge der Lebenden hindurch glitt, ohne auch nur einen von ihnen zu berühren. Sie wichen ihm instinktiv aus und so sah es aus, als tanzte er durch eine Masse, die ihm und einer unsichtbaren Aura Platz machten. Kazel hatte den Tod niemals tanzen sehen, was dazu führte, dass er erst schmunzeln und dann sogar auflachen musste. Bizarr, bedachte man den Grund ihrer beider Anwesenheit, aber wer sonst durfte morbide sein, ohne dadurch pietätlos zu wirken? Jeder brauchte ein wenig Freude bei seiner Berufung. Außerdem hatte gerade sein Meister ihm doch geraten, mit etwas mehr Humor an seine Pflichten zu gehen.
Kazel lächelte noch immer, als er sich selbst daran versuchte, unberührt durch die Reihen der Lebenden zu gelangen. Er tanzte dabei nicht, zu erstaunt war er, dass es auch bei ihm funktionierte. Dann aber folgte er den Anweisungen seines Meisters. Wann immer jener auf einen der Lebenden zeigte, huschte Kazel in dessen Richtung und wartete darauf, dass es endete. Entgegen des Gevatters aber nahm er sich für jede Seele die nötige Zeit. Davon hatten sie beide schließlich ausreichend. Er empfing die Verstorbenen mit einer Umarmung, einem Lächeln und sanften Worten. Er sprach ihnen ihr Mitgefühl aus, versuchte die zu beruhigen oder in einem Zustand des Friedens Willkommen zu heißen. Er wollte ihnen die Angst nehmen. Die Angst vor dem Sterben, dem Tod und dem Verlust. Die Angst vor seiner eigenen Gestalt, wie auch immer die Seelen ihn sehen mochten.
Er selbst fühlte sich dabei ... wunderbar. Der Tod war nicht kalt, nicht emotions- oder gnadenlos. Er war es nicht, wenn er es nicht zuließ. Kazel ging mit anderen Methoden heran, genauso wie er mit anderer Perspektive seinen Meister sah - als einen Freund und Vertrauten, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, damit man den schweren Gang nicht allein tun musste. Kazel war da, um die Seelen zu leiten und um sie von ihren sterblichen Überresten zu lösen. Das Schnippen klang bereits wie Musik in seinen Ohren und auch er tanzte dazu, auf seine eigene Weise. Seine Bewegungen mit der Dolchsense wurden geschmeidiger, routinierter, obgleich er kaum Jahrtausende damit verbracht hatte, es zu perfektionieren. Das würde auch noch mehr Zeit brauchen, aber für den Anfang glaubte er, seine Sache gut zu machen. Denn es fühlte sich gut an. Der Tod war nichts Schlechtes.
Das einzig Schlechte hierbei war das Tun der feurigen Dunkelelfe. Sie tötete ohne Skrupel und ohne auch nur einen Gedanken an die Konsequenzen. Ihr war das Leben nichts wert, vor allem nicht das Leben anderer. Aber Kazel war nicht hier, um zu richten. Er durfte nur aufräumen, was diese Person anrichtete und oh, sie ließ keinen Stein auf dem anderen. Hin und wieder warf der Geselle des Gevatters einen Blick zur Szenerie und auch zu den beiden, ihm bekannten Frauen. Sie mussten dieser Elfe Einhalt gebieten. Er hatte sich klar positioniert und fragte sich, ob sie es schaffen würden.
Wie viele wohl noch würden sterben müssen? Kazel hoffte insgeheim, dass es mindestens noch eine Seele sein würde und dann kam ihm ein Gedanke. Meister? Wär ich soweit, diese Dunkelelfe dort zu holen? Das heißt, falls sie stirbt? Er war versucht, sich ihr zu nähern, um einen Blick auf die Sanduhr zu werfen, aber er sah ein, dass es noch nicht soweit war. Er musste abwarten, was die Lebenden unternahmen. So viele Augen waren auf diese Frau gerichtet. Irgendeine dieser Seelen musste doch zum Helden werden ... möglichst, ohne dass Kazel sie würde empfangen müssen.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Erzähler » Montag 6. März 2023, 14:46

Ventha war erschreckend still geworden, ließ man das stetige Rauschen des Meeres und das Donnern der Gischt außer Acht, die sich immer wieder gegen die Felsen der andunischen Küste warf. Hinter Azuras Stirn aber tat sich nichts. Wo war das sanfte Prickeln der Stelle hin, an der die Göttin selbst sie mit einem Kuss gesegnet hatte? Warum begehrte sie nicht mit wildem Sturmgewitter auf, um ihre Gläubige zu retten?
Wäre es nur so einfach, aber wäre Azura ihre einzige Gläubige, um die sie sich kümmern müsste, so hätte Venthas Macht Serpentis ohnehin nichts entgegen zu setzen. Dann wäre sie keine Göttin und würde wohl aus ihrem Reich heraus stürzen, um selbst ein sterbliches Dasein zu fristen, vielleicht ein bisschen angehimmelt von Azura, weil sie noch immer schön und ihr so ähnlich wäre. Vielleicht gäbe sie eine gute Wassermagierin ab. In jedem Fall eine bessere als die Adlige selbst, die gerade kaum Verbindung zu ihrem Element aufnehmen konnte. Nicht einmal Tränen wollten ihr kommen, angesichts des Kummers, den sie mit ansehen musste. Ihr Rabe war nicht mehr er selbst. Sowohl körperlich als auch in der Seele. Serpentis hatte ihn in ihren Fängen und jeder Funke Aufbegehren wurde bestraft. In seiner Verzweiflung, seinem Irrglauben allein zu sein, hatte er sich dieser Furie zugewandt, obwohl er doch hatte wissen müssen, dass sie nicht Gutes für ihn verhieß. Aber ein Herz, dessen Schlagen durch den Tod der Liebsten entrissen wurde und selbst zum Stillstand gebracht wurde, weil es glaubte, die einzig gute Herrin in seinem Leben enttäuscht zu haben, hatte nichts mehr zu verlieren. Es suchte den Schmerz und das Leid und die Selbstzerstörung, um noch einmal einen Schlag zu spüren ... bevor es zerbrach. Er hatte ja nicht ahnen können, wie falsch er lag. Sie lebte, Azura lebte noch. Und sogar Madiha an ihrer Seite beteuerte, dass sie bereit war zu verzeihen. Jeder machte Fehler, aber konnte man Morde verzeihen? Er hatte so viele begangen und nun sollte er sich selbst das letzte bisschen Hoffnung nehmen, das es zu ihm geschafft hatte. Es war eine Prüfung der Loyalität. Wenn er jetzt die Klinge gegen Azura und Madiha erhob, würde ihn nichts und niemand mehr retten können.
Und Ventha schwieg. Als Göttin mischte sie sich nicht in jedes Belangen der Sterblichen ein. Sie fieberte höchsten mit, was man an tosenden Gewittern spüren konnte. Doch der Himmel blieb halbwegs klar, nur noch von wenigen Regenwolken verhangen, die sich nach und nach verzogen. Er stand in so starkem Kontrast zu der Düsternis, die sich hier im Hof der Wasserakademie abspielte. Doch die Göttin wusste, wann sie zu schweigen hatte. Die Sterblichen würden ihren Weg gehen. Sie war interessiert zuzusehen, welchen Pfad sie einschlugen. Sie wollte sich gar nicht einmischen, denn göttlich zu sein war langweilig und nur die Spannung derer, die etwas zu verlieren hatten, unterhielt sie. So blickte sie auf Azura und die anderen herab und lächelte seicht, als sie den Pfad bereits erkannte.
Corax lehnte sich auf. So klein die Hoffnung auch war, er blickte ihr in Form von Madiha und Azura entgegen. Beide. Zusammen. Sie waren hier. Sie waren gekommen, um ihn zu retten und vielleicht auch, um ihm zu verzeihen. Dass es andere Beweggründe für Azura gab, sah er nicht. Er fragte sogar, woher er es hätte wissen sollen, wieviel er ihr bedeutete. Etwas, das sie schockiert zurück ließ.
"Hat er es dir denn nicht gesagt? Und die Perlen? Was ist mit deinem Traum? Hast du mir so wenig geglaubt?!"
"Oh, spricht sie von diesen Perlen?!" Serpentis besaß ein elfisches Gehör, das seinesgleichen suchte. Mit einem Grinsen führte sie ihre Hand zum eigenen Hals und von dort einem feinen, roten Fadenstrang herab in ihr Dekolletée. Sie zog das Säcklein hervor, gebunden aus einem Stück Stoff von Azuras Totenkleid, verschnürt mit ihrem Haar und dem roten Faden, mit dem sie Corax' Herzwunde geschlossen hatte. Sie wusste, was in dem Bündel ruhte. All die Tränenperlen, die sie geweint und für ihn gegeben hatte. All die kleinen Hoffnungsträger. Die Schlange von Feuerhexe hatte ihm auch jene entrissen. Ja, woran sollte er noch glauben? Und dennoch ... sie waren hier. Sie, Azura. Und Madiha. Und Caleb. Selbst Jakub hatte sich aufgemacht, ihn zu suchen. Nicht, um von ihm eine Entschuldigung abzuringen, sondern eher umgekehrt. Wenn alles vorbei wäre. Das musste er doch sehen.
Ventha schwieg weiterhin. Sie wusste, dass der Rabe es tat und endlich kam es auch bei ihm an. Er wandte sich um. Er hielt die Klinge fest umklammert, aber nicht, um sie gegen die Frauen zu erheben. Gegen seine Freunde. Er stellte sich Serpentis Mortis entgegen. Diese letzte Hoffnung würde sie ihm nicht nehmen! Das tat sie auch nicht. Sie entschied sich stattdessen dafür, ihm das Leben zu nehmen.
Im ersten Moment und als sie die endgültige Befehlskette für das Halsband der Züchtigung freisetzte, schien es auch so zu sein. Doch der Rabe ergab sich seinem Schicksal nicht, dieses Mal nicht. Er war Leid. Er war bereit, noch länger zu leiden und nicht schon abzutreten. So verwandelte er sich im Augenblick der Explosion, die seinen Hals in eine verkohlte Masse aus geschmolzenem Gewebe verformt hätte und stieg als rauchender Rabe mit purpublitzendem Schweif empor. Ein Flügel allein genügte aber nicht, um zu entkommen. Er konnte sich nicht in der Luft halten, drehte ab, stürzte und krachte auf die Steinplatten vor Azuras Füße. Der kleine Vogelleib zuckte noch oder waren es die Blitze, die ihn dazu bewegten?
Und Ventha schwieg. Dafür erhob Azura ihre Stimme zu einemSchreien und Klagen. "Corax, nein, nein, nein, nein, bitte nicht!" Zusammen damit erhob sich auch ihre Magie. Wild und ungezügelt, dass sie in ihrem Inneren fürchten müsste, selbst zu vergehen wie so oft, wenn das Ausmaß ihrer Wassermagie eine Grenze überschritt. Aber dieses Mal achtete sie nicht auf sich. Es war ihr gleich. So bemerkte sie auch nicht, wie wenig sie im Grunde doch nur bewirkte. Zwar riss sie mit ihren Kräften Blut vom Boden empor und ließ einige Gemüter in der Nähe schwanken, als sie deren Flüssigkeitsvorräte angriff, doch so richtig bewirkte sie damit nichts. Es war ein unkontrolliertes Hin und Her von Wellen, die allein zwar Eindruck machten, in einem Meer besser schlagender Rhythmen aber gänzlich untergingen. Nur einer allein beobachtete dieses Geschehen mit anderen Augen, weil er Augen dafür hatte. Die meisten sahen nur den zu Boden gestürzten Raben und die Überreste des Skalvenhalsbandes als schwelende Metallstückchen auf den Steinplatten. Kjetell'o aber richtete seine golden Funken von Augen auf Azura. "Interessant...", murmelte er, als ihre Wassermagie sich zurückzog, um wirklich nicht die winzige Flamme ihres Inneren zum Erlöschen zu bringen. Jener Funken, den sie soeben für den Bruchteil eines Wimpernschlages freigelegt hatte.
Azura aber bemerkte es nicht. Sie beugte sich herab, ergriff das kleine Bündel aus Federn und presste es gegen ihre eigene, fahle Brust. So tot sie selbst aussah, darunter schlug ihr Herz kraftvoll, lebendig und nur für ihren Raben. Sie hatte sich zu ihm hingekämpft, diesen Zustand akzeptiert und es bis hierher geschafft. Sie hatte sogar offen eigene Schwächen wie die ihrer Sturheit ausgesprochen, für ihn! Er durfte jetzt nicht gehen.
Sie versuchte, ihn ihre Wärme spüren zu lassen und hatte Erfolg. Das kleine Bündel an ihrer Brust regte sich noch. Ein Schnabel erschien und rieb sich an dem Stoff ihres Kleides. Er zupfte sich ein Loch hinein, um die Schnabelspitze gegen ihre nackte Haut pressen zu können. Aus dem wirren Gefieder aus Schwärze blickte ihr ein rot schimmernder Edelstein entgegen. Corax sah sie an. Er war nicht imstande jetzt zu sprechen, aber er lebte. Und er sah sie.
Rot wie seine Iris, so rot fühlte sich nun auch die Woge aus Zorn an, die Azura entstieg. Wie flüssiges Feuer schoss das Blut durch ihre Adern, zwang ihre Muskeln zum Arbeiten, so dass sie sich mitsamt ihres Vögelchens an der Brust aufrichtete und noch während sie wuchs, spie sie Serpentis all ihre Verachtung, all ihren Hass für die Taten dieser Frau entgegen. Corax drückte sie dabei immer fester gegen sich, dass sie die Spitze seines Schnabels fühlte. Sie stach in ihr Fleisch. Er bewegte sie, ließ sie wissen, dass er weiterlebte und dass sie deshalb weiterkämpfen musste. Für ihn. Für sich. Für sie alle.
Damit schloss sie nicht nur Corax und Madiha ein, sondern auch Caleb und Jakub. Alle, die gekommen waren, um den Raben - um ganz Andunie - von seiner dunkelelfischen Herrin zu befreien. Das Wüstenmädchen jedoch suchte zunächst die Umgebung nach ihren Gefährten ab. Sie spürte die wachsende Unruhe in Azuras Nähe, aber auch eine seltsame Kühle, die immer wieder wie ein Windhauch streifte. Nur war dieser nicht erfrischend. Er verhieß das Ende. Der Tod war hier, lauerte in den Schatten darauf, jemanden zu holen. Serpentis musste es sein, wenn sie alle wieder glücklich werden wollten.
Wo steckte Caleb? Madiha hatte ihn mit der Bitte fortgeschickt, sich in Sicherheit zu begeben. Da sie ihn nirgends entdecken konnte, hatte er ihren Wunsch wohl beherzigt. Er würde nicht erneut den gedankenlosen Helden mit Herz spielen, ihr zuliebe. Er würde sich verborgen halten und zusehen, wie sie ihr eigenes Leben auf's Spiel setzte - falls er nicht gänzlich geflohen war wie so oft. Aber nein. Nicht eine Spur Unsicherheit konnte Madiha nun erreichen, selbst wenn sie sich tief in ihrem Inneren versteckte und ebenso lauerte wie der Gevatter mit seiner Sense. Azuras Wut und auch ihre eigene wirbelten zu stark in- und umeinander, so dass sie kaum etwas Anderes zuließen als das Bedürfnis, alles herauszulassen, was die beiden Frauen gegen Serpentis richten könnten. Aber war das so?
Etwas zog an dem Wüstenmädchen. Es kam von außen, wollte sich aber etwas aus ihrem Inneren bemächtigen, um es zu verwenden. Sie konnte die Quelle nur erahnen, doch es ließ sich schlussfolgern, dass Azura etwas damit zu tun hatte. Die Andunierin bereitete sich eigentlich darauf vor, einen Angriff aus dem Hinterhalt zu starten. Dass die dabei aber ganz unbewusst versuchte, jegliche Flüssigkeitsreserven ihrer Umgebung anzuzapfen, war ihrer Unerfahrenheit mit den eigenen Kräften geschuldet. Wassermagie konnte gefährlich sein, wenn man sich bewusst wurde, dass sie jegliche Art von Wasser ausnutzte. Auch das Blut anderer. Aber auch Madiha ließ sich von der verführerischen Gefahr ungeübter Magie einlullen. Beide hatten nie eine richtige Ausbildung genossen. Beide wussten nicht, wie langweilig die ersten Jahre einer magischen Lehre sein konnten. Wenn man noch nicht wirklich zaubern durfte, sondern eher Konzentrationsübungen machte, um der Versuchung zu widerstehen, alles und jeden seiner Umgebung für die eigene Anwendung zu nutzen. So konnten beide junge Frauen sich dessen auch nicht erwehren. Sie ließen sich in den Bann ziehen. Selbst als Madiha in gutem Glauben ihre Hand auf Azuras Schulter legte, um aus ihr die besonnene Vernunft von Wasser für ihr eigenes Element zu finden, bemerkte sie nicht, was sie damit anrichtete; zusammen mit Azura. Zwei ungeübte Magierinnen verknüpften ihre Fähigkeiten, um eine ungezähmte Bestie mit mehr Klauen und Zähnen auszustatten und dann in naiver Gutmütigkeit die Käfigtür zu öffnen.
Es fühlte sich für beide aber auch nicht falsch an. Das war das Gefährliche daran. Erfahrene Magier hinegen erkannten, was hier entstand. Serpentnis sah den Versuch eines Hinterhaltes, noch lange bevor er ausgeführt werden konnte. Sie grinste, als sie den Kopf schon in eine Richtung drehte, noch bevor dort etwas geschah. Sie hatte das Blut des Soldaten fast schon brodeln spüren können. Jetzt aber, in jenem Moment, da eine zeitlose, höhere und von den meisten ungesehene Gestalt in schwarzer Kutte mit bleichem Finger auf einen Mann in Magierroben zeigte, benötigte es nur noch einen Herzschlag oder drei gefallene Sandkörner, bis es geschah. Sein hochroter Kopf schlug plötzlich Blasen und im nächsten Moment platzten ihm sämtliche Adern des Körpers unter der Haut. Einige durchbrachen die empfindliche Schutzhülle des Körpers, bei anderen färbte sich der Bereich darunter aber nur dunkelrot, ehe das Gewebe zu dampfen begann. Azuras Magie hatte seine Blutbahn attackiert und in Wallung gebracht. Madihas feurige Komponente hatte das Blut erhitzt, bis beides zusammen ausgebrochen war. Tot stürzte der Mann zu Boden, wo sein vergossener Lebenssaft noch immer kochend heiß brodelte.
Eine dunkelelfische Soldatin wich zurück, während zwei Magier ihres Volkes aufkeuchten und eine Menschensklavin beiseite schafften, die offensichtlich mehr Wertschätzung von ihren Herren erhielt als es Corax bei Serpentis jemals hatte erwarten dürfen. Die Feuerhexe lachte auf. "So viel Potenzial, aber so schändlich ungenutzt. Ihr kleinen Mörderinnen." Sie lachte lauter, dann streckte sie beide Hände ab und zeigte in die Menge. Elfen wie Menschen wichen vor ihr zurück. "Ich kann das viel kontrollierter!", schrie sie auf und riss ihre geballten Fäuste nach innen. Aus zwei Ecken des Hofes heraus drangen Schreie, als zwei Leiber in Flammen aufgingen und als schwarze, kümmerliche Kohlreste ihrer selbst ein Ende fanden. Panik brach unter den Umstehenden aus. Selbst ein Teil der dunkelelfischen Wachen entschied, dass eine Flucht nun die bessere Option wäre. Rasch sammelten sich Trauben bei den Treppen und Türen zum Hof, um eben jenen zu verlassen.
"Oh, wollt ihr gehen und eure Herrin verlassen?", schimpfte Serpentis, ohne sich umzusehen. "Nichts da! Jeder, der flieht, wird brennen. BRENNEN, HAHAHAAHAH! Bre-" Sie brach ab, als ... nichts geschah. Das Feuer gehorchte ihr nicht. Es verbrannte nicht die Verängstigten. Es zerstörte keine Leben. Sie schaute sich um und sah, was wirklich mit ihrer Macht geschah. Sie alle sahen es.
Madiha suchte Azuras wassermagische Fähigkeiten, um sie als Katalysator einzusetzen, während sie sich das Feuer einer anderen einverleiben wollte. Jegliche Flammen, die Serpentis hatte aufzüngeln lassen wollen, stoben nun auf beide Frauen zu. Azura würden sie gewiss verbrennen, vertrocknen, ausdampfen. Corax an ihrer Brust zuckte unruhig. Er war kein Elementarmagier und selbst er spürte, dass hier gerade gehörig etwas schief ging. Doch es war Madiha, auf die es die Flammen abgesehen hatte. Sie zog diese an wie Licht die Motten. Sie spürte die Hitze auf sich zurasen. Sie hielt die Faust nach ihr ausgestreckt. Jene Faust mit den noch immer verbrannten Handflächen, die nach wie vor nicht ganz abgeheilt waren. Wenn Serpentis Feuer ihren Körper fände, würde es sich einen Weg hinein brennen. Es würde sie verglühen lassen oder explodieren. Sie würde alles um sich herum zerstören, begonnen bei ihr als Kern. Die Erkenntnis kam zu spät. Gerufene Mächte ließen sich von ihr nicht mehr umlenken und die dunkelelfische Hexe hatte nun nicht vor, sie aufzuhalten. Sie war mächtig genug, sich gegen einen feurigen Ausbruch zu schützen, wenn sie sich nur rechtzeitig darauf vorbereitete. Und das tat sie. Alles im Hof würde unter einer Flammennova vergehen. Alles und jeder ... außer ihr.
Und Ventha ... "Oh, ihr Unglückskinder!"
Das war nicht Ventha. Es prickelte auch nicht hinter Azuras Stirn. Sie fühlte sich ohnehin viel zu heiß an. Sie brauchte nicht noch mehr Körperwärme. Warum also legte noch jemand einen Arm um sie. Einen schlanken Arm mit filigranen Fingern, aber sie konnten zupacken. Die Fingernägel drückten ihre kleine Sichelmonde in das graue Fleisch ihrer Schulter. Es schmerzte, denn es war die verletzte Schulter, aber der Schmerz war gut. Er holte sie aus dem Glauben heraus, verbrennen zu müssen. Er klärte ihre Sicht auf die Dinge ein wenig. Sie sah ... Kjetell'o und wie gut er doch aussah ohne seine Kapuze! Diese war ihm in den Nacken gerutscht, gab endlich die Sicht auf seine feinen Züge frei. Adlig fein wirkte er mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und ebener Haut. Er war schön wie so viele Elfen. Vor seinen Spitzohren fielen ihm geflochtene Strähnen seines Haares herunter. Nicht alle davon besaßen die Farbe von getrockneten Gräsern. Das helle Braun seines Haares wirkte an manchen Stellen sogar blond, aber gerade verzeinzelte Strähnen innerhalb der Flechtzöpfe hatte er mit künstlicher Farbe verschönt. Ein sanftes Pink wie von reifenden Erdbeeren, ein helles Grasgrün und weiches Himmelblau begegneten Azuras Blick zusammen mit zahlreichen kleinen Holzperlen, geschnitzten Holzblättern und Lederbändchen. Einen Teil seiner Haare hatte der Elf sich nach hinten gebunden, doch angesichts der aktuellen Ereignisse waren sie etwas aus den Fugen geraten. Die übrigen hellbraunen bis blonden Strähnen fielen ihm über die Schultern, umrahmten sein von der Sonne angenehm gefärbtes Gesicht und als seine Augen kurz zur Seite huschten, um Kontakt mit Azura aufzunehmen, da sah sie in teifgrüne Wälder, auf moosbewachsene Baumstämme und saftige Gräser, während goldene Sonnenflecken einen gespenkelten Pfad durch die Baumkronen hinein in dieses Paradies suchten.
"Saphira! Konzentriere dich! Du musst sie kühl halten. Beruhige ihr Blut. Ich glaube an dich!" Sein Arm um ihre Schulter zog sie enger an seinen Leib und daran vorbei, damit sie Madiha berühren konnte. Jene fühlte sich heiß an, fiebrig nur ohne den Schweiß. Sie war trocken und heiß wie die Wüste. Kjetell'o aber zögerte nicht, seine Hand von ihrer Schulter zu nehmen. Madiha konnte es spüren. Auch bei ihr würden Mondsicheln als Spur seiner Fingernägel zurückbleiben. Vor allem aber spürte sie Serpentis' Hitze. Ihr Feuer war so brennend, so heiß! Madihas eigene Kräfte kamen ihr wie ein wackelndes Kerzenflämmchen am Ende eines Dochtes vor inmitten eines in Flammen stehenden Hauses. Es war so drückend. Sie würde innerlich verglühen. Genau das wäre auch geschehen, hätte Kjetell'o nicht eingegriffen. So spürte sie eine weitere Macht, Serpentis durchauch ebenbürtig, aber anders heiß. Ja, auch er brannte, aber er züngelte nicht an der hölzernen Fassade ihrer Seele. Er war ... Stahl. Balken aus gehörteter Lava und gebranntem Stein fügten sich dort ein, wo Serpentis ihr Haus niederreißen wollte. Kjetell'o versuchte, es zu stützen und zu halten, wo es ihm gelang. Sein Material war bereits gebrannt. Die Hexe konnte es nicht zerstören. Aber noch immer schwelten ihre Flammen um Madihas Existenz herum, denn sie hatte sie gerufen.
"Lenk sie zurück. Kühl dich ab und schick sie heim. Deine Welt ist noch zu klein für diesen Gast." Die Worte des Elfen erreichten ihr Ohr, aber ohne Azuras Hilfe würde Madiha nicht einmal die Chance erhalten, das Feuer zu lenken. Das mussten beide jungen Frauen nun allein schaffen und anschließend darauf hoffen, dass genug Kraft übrig bliebe, sich Serpentis entgegenzustellen. Kjetell'o hingegen hoffte auf etwas Anderes. Er riss den Kopf aus der flackernden Woge unsichtbarer Hitze um ihn und die Mädchen herum. Dann krähte er so laut es ihm möglich war: "Magie wird nicht mit Magie bekämpft!"
Niemand, nicht einmal Kjetell'o, wusste, ob die Worte ihr Ziel erreichten. Einzig eine Gestalt im Hof ahnte, dass gleich etwas geschehen würde. Etwas - jemand - würde sterben. Es kam nun auf alle anderen an, wessen Faden seine Sense oder die seines Gesellen durchtrennen durfte. Oh, wie ungeheuer spannend! Er hätte sich eine Schale Puffmais mitbringen sollen...
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Gevatter Tod » Dienstag 7. März 2023, 14:31

Tod und Kazel 'tanzten' zwischen den Lebenden, zwischen der Zeit und brachten hier und da den Seelen Frieden.
„Das hast du gut gemacht.“
, lobte Tod Kazel, als dieser die Seele einfing, die gerade stiften gehen wollte.
„Du hast gute Instinkte.“
Er grinste und ging weiter seiner Berufung nach. Auch Kazel sah sich um und fühlte aber noch mehr mit den Sterblichen, als sein Meister. Manche holte man nicht gern, aber andere...
Meister? Wär ich soweit, diese Dunkelelfe dort zu holen? Das heißt, falls sie stirbt?
Er war versucht, sich ihr zu nähern, um einen Blick auf die Sanduhr zu werfen, aber er sah ein, dass es noch nicht soweit war. Er musste abwarten, was die Lebenden unternahmen. So viele Augen waren auf diese Frau gerichtet. Es gab noch so viel zu tun, aber sein Lehrmeister sah auf und ließ den Blick schweifen. Manch ein Sterblicher rieb sich schaudernd die Arme, wenn der Blick des Todes über ihn glitt. Er ging gerade etwas weiter weg hinter den Reihen.
„Frage dich, warum du sie lieber holen würdest, als zum Beispiel jenen dort...“
Tod wies mit ausgestrecktem Finger auf jenen, der letztens bei dem vernarbten Mädchen gestanden hatte, als sie das erste Mal in Andunie gewesen waren. Auch dieses Gesicht kannte Kazel bereits.
„Hinterfrage deine Motive und prüfe dich selbst, ob du schon soweit bist. Du gibt ihnen Frieden vom Leben und führst sie ihrem Ende zu... und es kann auch den einen da treffen, mein Schüler. Du erinnerst dich? Du hast ihn schon einmal gesehen, wie wir ihn fast geholt hätten. Aber dann hab ich die Nadel des Mädchens angestupst, dass sie durch seine Haut stach, damit sie seine Wunde nähen konnte ... nur damit er wenig später unserem 'Kupferkopf mit Sonderrechten' hinterher springen konnte. Ein wahrlich riskant lebender Sterblicher! Ich bin gespannt, ob er es dieses Mal schafft oder mir nochmal ... ach, ich bau am besten den Schachtisch schon einmal auf."
Tod grinste lipplos, aber irgendwie tatsächlich kühler als sonst. Auch wenn er einen seiner schwarz-humorigen Witze gemacht hatte, so war es fraglich, ob er noch einmal die Seele des Mannes um sein Weiterleben spielen lassen würde. Inkonsequenz war etwas, das man Tod nun wirklich nicht nachsagen konnte und so viele Chancen gab das 'Leben' nun auch nicht heraus um die man spielen konnte, sonst würden bald die Menschen glauben sich alles erlauben zu können, da sie ja eh immer wieder kehren konnten. Aber Tod hatte da etwas angesprochen...
Kazel sollte seine eigenen Motive hinterfragen. Kazels Wunsch die bösartige Elfe zu Schnippeln, war er gerechter als zum Beispiel jenen Mann zu holen, der schon einmal dem Tod entkommen war? Es fiel ihm bestimmt leichter bei ihr, als bei ihm, allein schon weil sein Denken da wohl doch noch Sympathien verteilte. Motive... Was also wollte er anders bei ihr machen, wenn ihre Zeit gekommen war. Wollte er überhaupt etwas anders machen? Warum wählte er sie? Der Tod war keine Bestrafung, er war nur das Ende aller Dinge. Gerade bei dieser bösartigen Person wäre unendlicher Frieden... ungerecht? Dachte er so? Aber ob, wann und wie sie ging, stand noch nicht fest. Am Ende aber gab es auch für sie eben jenen Frieden, den nur der Tod schenken konnte... und Kazel. Warum also wollte er bei ihr sein, wenn es zu ende ging?
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Azura » Mittwoch 8. März 2023, 14:00

Nicht nur für die Sarmaerin hatte sich das Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Auch Azura war längst weit entfernt von all dem, was ihre Existenz bis vor kurzem noch ausgemacht und ausgefüllt hatte. Fort aus der bequemen Blase einer verwöhnten Adelstochter, die alles haben konnte, was sie wollte, solange es sich bezahlen ließ. Und mehr hatte sie im Grunde auch nicht begehrt, denn es war ihr nicht bewusst gewesen, wie viel Leere und Einsamkeit in ihrem Herzen tatsächlich vorhanden gewesen war.
Solange, bis ihre Heimatstadt erobert und sie entführt worden war, um an ausgerechnet jenen Mann gekettet zu werden, der sie genau auf diesen Missstand aufmerksam gemacht hatte. Der sich unbemerkt, erfolgreich verdeckt von all den Grobheiten und Gemeinheiten, in ihre Gefühlswelt geschlichen hatte und wegen dem allein sie es geschafft hatte, ins Leben zurück zu kehren. Wegen dem sie nun hier stand und gemeinsam mit einer anderen, der sie sonst wohl niemals begegnet wäre, schon gar nicht auf irgendwie gleicher Ebene, versuchte, ihn aus den Fängen einer Hexe zu retten, ungeachtet dessen, wie dumm und tödlich das Ganze für sie ausgehen könnte.
Zuerst jedoch galt der nächste Angriff nicht ihr oder ihrer Begleiterin, sondern eben jenen Einen, den sie zu retten wagten. Corax litt unter diesem feuermagischen Irrsinn umseinen Hals, der plötzlich in Flammen stand und unter Feuerwerk preisgab, dass sich ein schwarzer Vogel daraus zu retten versuchte. Erfolgreich auf der einen und erfolglos auf der anderen Seite, denn sowie er diese Gestalt angenommen hatte, verlor er zwar den Halsring, aber eben auch seine Fähigkeit, sich fortzubewegen. Mit einem Flügel konnte eben niemand fliegen!
Unfähig, ihm rechtzeitig zur Hilfe zu kommen, konnte sie seine Bemühungen nur mit blutendem Herzen beobachten und ihn aufsammeln, als er schon zu ihren Füßen rutschte, nachdem er hart auf den Steinfliesen aufgeprallt war. Doch nun hielt sie ihn im Arm, an ihre Brust gedrückt, ihn ihren Herzschlag spüren lassend und gewillt, ihn keiner weiteren Folter auszusetzen, damit er überleben und heilen konnte.
Das machte sie mit ihren Worten auch ziemlich deutlich... für ihre Verhältnisse, denn sie zeigte keine Scheu davor, die Hexe zu beleidigen. Mehr noch, ihre Magie meldete sich zurück und das weitaus stärker aufgrund all der Gefühle, die gerade in ihrem Inneren tobten. Schrecklich unbeherrscht und unkontrolliert begann sie in einem Ausmaß zu wüten, das nicht nur für die junge Frau selbst gefährlich wurde.
Dass sie Wasser und andere Körperflüssigkeiten für ihre Zwecke nutzen wollte, war für sie nichts Neues. Woran sie allerdings definitiv nicht dachte, war der Umstand, dass diese sich auch in den Körpern noch befinden konnten, um von ihr angezogen und gebraucht zu werden.
Leicht zuckte sie zusammen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, die ihr zugleich so etwas wie Wärme spendete in einem Umfeld, das für sie immer kühler und nasser zu werden schien. Kurz sah sie zu der anderen hin und deutete ein Nicken an, ehe sie sich wieder ganz der Hexe widmen wollte, um diese umso effektiver angreifen zu können.
Aber noch war es nicht so weit, nicht nur, weil sie das unwillkürlich spürte, sondern auch, weil eine bekannte, sarmaische Stimme an ihr Ohr drang. Ohne den Blick dieses Mal abzuwenden, nickte sie knapp. "Wir wollen nicht, wir werden!", grollte sie und drückte Corax beschützend noch etwas fester an ihre Brust.
Dass er dabei seinen Schnabel gegen ihre Haut piekste und das auf Dauer unangenehm wurde, war entging ihr in diesen Momenten. Sie wollte ihn retten, sonst nichts. Ob und in welchem Ausmaß sie selbst dabei verletzt wurde, kümmerte sie vorerst nicht.
Nun ja, ein bisschen vielleicht schon, vor allem, wenn sie daran dachte, dass dieses schamlose Miststück auch noch ihre Tränenperlen um den Hals trug. Die musste sie ebenfalls noch retten, irgendwie! Sie waren wichtig, waren ein Opfer gewesen in einer Zeit, in der sie keine anderen Möglichkeiten gehabt hatte, und etwas, das sie womöglich irgendwann einmal zurück bekommen könnte. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie oder was genau sie damit hergegeben hatte. Dennoch hatte es ihr die Kehle zugeschnürt und ihr die Galle hochgetrieben, als ihre Widersacherin gezeigt hatte, wo sich das Säckchen mit dem kostbaren Inhalt nun befand.
Oh, allein der Gedanke an diesen Anblick half ihr noch einmal immens dabei, ihre magischen Kräfte zu bündeln. Und dann, plötzlich, geschah etwas. Nicht das, was sie gewollt hatte, und schon gar nicht, was sie sich vorgestellt hatte, oh nein, viel, viel schlimmer! Mit einem Mal spürte sie, wie etwas in ihrer Umgebung an Druck verlor, als unzählige Adern platzten, und ihr Kopf ruckte in dessen Richtung.
Während der leblose Körper zusammensackte und eine Soldatin daneben wegtrat, wehrte sich ihr Verstand dagegen zu begreifen, was dort vor sich ging. Was sie gerade angestellt hatte... Umso grauenhafter klang das hämische Lachen in ihren Ohren und die Worte brachten es in ihrem Gehörgang regelrecht zum Klingeln. Was bei Ventha...? Es dauerte, bis die Botschaft, dieses neue Wissen, in ihren Geist wirklich vorzudringen begann, länger, als ihr Zeit dafür gegeben wurde.
Denn plötzlich erklangen von zwei Seiten aus Schreie und erneut wehte der Gestank verbrannter Körper an ihre Nase heran. Ihr wurde die Kehle eng und ihr Magen rebellierte, indem sie ein paar Mal trocken würgen musste. Dennoch hielt sie ihren Raben unerschütterlich an sich gedrückt, wenngleich inzwischen auch ein wenig, um an ihm Halt zu finden. Halt in einer Situation, die ihr immer mehr abverlangte, auf das sie nicht vorbereitet gewesen war.
Indes brach um sie herum Panik aus und die Anwesenden versuchten, sich endlich in Sicherheit zu bringen. Das gefiel der Hexe ganz und gar nicht. Doch Azura kam nicht dazu, sich darüber zu freuen, denn nun war es die Sarmaerin, die sie drei in große Gefahr brachte. Auf einmal schossen jene Flammen, die für die Fliehenden gedacht gewesen waren, auf sie zu in einer Geschwindigkeit, die eine Flucht ausschloss.
Ihre eigenen Augen weiteten sich und alles in ihr schrie regelrecht auf aus Angst, in diesem Inferno zu verdampfen. Jede Faser ihres Körpers rief verzweifelt nach jedem noch so winzigen Wassertropfen, um sich instinktiv vor dem endgültigen Ende zu bewahren.
Solange, bis eine Stimme durch das Brausen des herankommenden Infernos drang. Wie als Antwort keuchte sie auf, während sie das Gefühl hatte zu versagen und langsam, bei lebendigem Leibe gebraten zu werden. Da legte sich ein Arm um sie und Schmerz flammte in ihrer lädierten Schulter auf. Einer, der ebenfalls brannte und bis in ihre Fingerspitzen zu rasen schien, allerdings irgendwie auf eine andere Weise, sodass es sie nicht noch zusätzlich vergehen ließ. Nein, im Gegenteil, ihr war, als wäre diese Pein dazu geeignet, sie aus ihrer Starre, mit der sie ihrem endgültigen Untergang entgegen geblickt hatte, zu holen.
Sie blinzelte... mehrfach und jedes einzelne Mal rieb ihre Haut unangenehm über ihre trockenen Augäpfel, reizte sie und hätte sie zum Tränen gebracht, wenn sie diese Flüssigkeit noch in sich getragen hätte. Trotzdem klärte es weiter ihren Blick, bis sie es schaffte, sogar ihren Kopf zu drehen, um nachzusehen, wer sie hier aus ihrem gefühlten Feuertod erretten wollte. Sie sah zuerst nur einen Körper, gehüllt in einen Umgang und mit einer Fibel zusammen gehalten, über deren Symbolik sie in einem scheinbar vollkommen anderen Leben nachgedacht hatte.
Es dauerte ein... oder eher zwei Herzschläge, bis sie ihren Kopf allmählich anheben und bis zu dem nun offenbarten Gesicht sehen konnte. Einem Antlitz, das einfach nur unbeschreiblich schön war, filigran und edel, ohne direkt an Männlichkeit einzubüßen. Mit einer sonnengebräunten Haut über den Zügen, die dazu einzuladen schien, sie zu berühren, zu streicheln und zu... küssen. Wie sie wohl schmecken würde? Wäre sie weich, glatt, warm? Und dann erst diese Augen!
Ihr Puls beschleunigte sich in diesem absolut unpassenden Moment, während sie gerade ihr Leben zu geben drohte für einen anderen Mann, dessen Vogelgestalt sie an ihre erschlaffte, unappetitlich gewordene Brust presste. Doch dieser Anblick war einfach viel zu schön, als dass sie ihren Blick und ihren Geist sofort davon hätte abwenden können.
Solange, bis seine Stimme erklang und ihr ein... Seufzen entlockte, mit dem sie eine Spur nachgab und sich enger an ihn schmiegen wollte trotz der Hitze um sie herum. Nur leider wurde ihr das nicht gestattet, denn anstatt, dass er sie schützend in seine Umarmung zog, schob er sie mehr oder weniger an sich vorbei.
Blinzelnd fand sie sich plötzlich neben ihrer Begleiterin wieder, just, als auch der Sinn seiner Worte sie allmählich erreichen konnten. Sie sollte...? Aber wie? Das konnte sie doch gar nicht! Außerdem... ihr war selbst viel zu heiß, als dass ausgerechnet sie hätte kühlen können! Es sei denn...
Ein Pieksen an ihrer Brust lenkte ihren Blick kurz an sich herab und der Anblick ihres verletzten Raben löste so unendlich viele Gefühle in ihr aus, dass es ihr wie ein wirbelnder Sturm vorkam, dessen Sog sie sich kaum entziehen konnte. Der allerdings sich auch so anfühlte, als könne er sie tatsächlich abkühlen. Und war Ventha schließlich nicht Herrin der See und der Winde?
Sie selbst konnte lediglich Wasser heraufbeschwören, aber ihre Göttin konnte dieses auch wirklich eiskalt werden lassen. Das hatte sie bei ihrem Sprung vom Schiff mehr als deutlich zu spüren bekommen. Vielleicht also könnte sie ihren inneren Gefühlssturm dazu verwenden, noch einmal Kraft für ihre Magie zu finden?
Azura wusste es nicht und allmählich bekam sie es auch mit der Angst zu tun. Jedoch... sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte und könnte. Sie war hierher gekommen, um Corax zu helfen, und die Sarmaerin hatte sie begleitet, bis ins Zentrum des Unglücks. Die junge Frau mochte hochnäsig ohne Ende, ein wahrer Dickkopf und noch vieles mehr sein, aber... sie besaß Anlagen dazu, sich zu bessern. Und dazu zählte auch, dass sie die andere jetzt nicht im Stich ließ.
Langsam, mit zitternden Fingern hob sie ihre Hand und wollte diese auf die Schulter ihrer Begleiterin legen. Jedoch war diese wahrlich brennheiß, sodass sie auf den ersten Schmerz hin zischend ihre Rechte zurück zog. Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen und starrte einen unendlich langen Moment auf ihre gerötete Haut, mit der sie die Berührung gewagt hatte.
Noch immer hätte sie aufgeben und andere die Arbeit machen können. Doch die Zeit in ihrem Palast der Stille hatte wahrlich das richtige Samenkorn in ihr zum Keimen gebracht. Also presste sie ihre Lippen fest aufeinander, kniff die Augen zu... und legte ihre Hand fest auf die Schulter der anderen.
Es tat weh, irrsinnig weh! Trotzdem versuchte sie instinktiv zu atmen und daran zu denken, wie der Sturm in ihrem Inneren die kalten Wellen voran trieb und sie durch seine Stärke kühl genug hielt, damit sie nicht in all der Hitze elendig verdampfen mussten.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 10. März 2023, 11:14

Sowohl Azura als auch Madiha waren es nicht gewohnt mit anderen zusammenzuarbeiten. Beide Frauen lebten ein im Grunde einsames Leben innerhalb einer Sozialstruktur, die sich am Leben bediente und vorgaukelte, die Erfüllung zu sein. Während Azura sich einredete, Teil dieses erfüllten Lebens gewesen zu sein und erst langsam erkannte, dass es eine gewisse Leere bediente, hatte Madiha nie geglaubt irgendwo dazuzugehören. Während das Leben pulsierte, blieb sie unsichtbar darin und sah es vorbeiziehen. Man hatte ihr eingetrichtert, dass sie niemals das haben konnte, was andere ihr vorlebten. Weil sie den Wert nicht besaß, den ihr andere beimaßen. Weil sie nicht dem Stand entsprach, in den sich andere selbst erhoben. Madiha gehörte zum ‚niederen Volk‘. Zu dem Anteil, der als wertlos und verachtenswert angesehen wurde. Doch das Mädchen aus Sarma hatte diesen Worten nie ganz geglaubt. Sie behielt sich trotz allem immer ein Stück Stärke und bemühte sich, die körperlichen und geistigen Verletzungen, nicht gänzlich zuzulassen. Sie war etwas wert. Und sie würde es jenen zeigen, die daran zweifelten. Und wenn sie zu Boden ging, stand sie wieder auf. Und wenn sie Missachtung erfuhr, dann strafte sie jene mit Zuwendung! Ihrem Trotz war es wohl geschuldet, dass Madiha den Worten des neuen Mannes in ihrer Runde Gehör schenkte. Dass sie es trotz der aufgewühlten Emotionen und ihrer eigenen Magie, die alles verschlingen wollte, schaffte, die Worte im Kopf nachhallen zu lassen. Und dass sie auf Azura zuging, die sie mit ihrer eigenen Magie lockte. Dieses Mal stieß sie sie nicht ab. Madiha glaubte, es wäre ihre Entscheidung, sich der Wassermagierin zu nähern. Dass jene aber ihre Körperflüssigkeiten zur Hilfe rief, um gegen Serpentis zu bestehen, ahnte Madiha indes nicht. Sie fühlte sich nur seltsam angezogen, gleichwohl aber auch ungewohnt heiß und trocken.
Das Brodeln in ihr wich einer beständig ansteigenden Hitzewelle und dem Wunsch, dass sie in der Lage wäre, gegen das drohende Unheil seitens Serpentis zu bestehen. So legte die Sarmaerin der Andunierin eine Hand auf die Schulter und murmelte ihr etwas zu. "Wir wollen nicht, wir werden!", folgte die Zustimmung und endlich waren sie sich einig. Madiha drückte vorsichtig Azura’s Schulter und richtete ihren Blick mit flammender Entschlossenheit auf die Hexe. Das Mädchen hatte keine Ahnung von Magie. Sie konnte lediglich fühlen, dass es etwas in ihr gab, das benutzt werden wollte. Mehr als in den letzten Jahren zusammengerechnet, wollte dieser Teil endlich hinausgelassen werden. Sicher trug die Gegenmagie ihren Teil dazu bei, doch auch Madiha fasste ein neues Vertrauen in sich. Sie hatte die Barriere erschaffen, die sie sich vorgestellt hatte. Sie hatte es geschafft, das Feuer nach ihrem Willen zu formen und nun wollte sie das wiederholen.

Wie falsch ihre Annahme war, musste sie später erfahren. Madiha wurde getrieben von dem Wunsch hilfreich zu sein. Sie wollte etwas gut machen und dafür sorgen, dass endlich Frieden für sie alle einkehrte. Oder für die anderen, denn auf ihrem Weg bedachte sie sich selbst nicht. Ihr Wunsch war es, dass sie alle befreit würden von der Hexe Serpentis. Dass diese Akademie befreit würde. Madiha hatte das Bedürfnis diese Macht in sich zum Schutz einzusetzen. Und sie glaubte, sie wäre in der Lage dazu. Sie glaubte, sie hätte das Zeug dazu es zu tun. Wie falsch sie doch damit lag. Mit Hilfe von Azura’s Kräften, wollte sie die Feuermagie der Hexe absaugen. Sie wollte ihre Magie auf dem Fluss der Wassermagie zu sich rufen und sie in sich aufnehmen, um sie dann sogar gezielt vielleicht auf Serpentis abzugeben. Um sie zu befreien. Ganz gleich wie schwer es sie selbst verkohlen könnte, denn ihre Hände zeugten von der Gefahr, die für sie selbst bestand. Und für andere… Denn während sie noch Azura’s Magie suchte, um sie besser greifen und einsetzen zu können, geschah etwas, was dem Mädchen beinahe sämtliche Ambitionen geraubt hätte. Sie sah, wie hier und dort Köpfe von Umstehenden platzte. Madiha ließ Azura erschrocken los und starrte auf die Toten. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen und sie wusste instinktiv, dass das ihre Schuld war. Ihre und Azura’s. Zweifel mischten sich in ihr Denken. Zweifel, dass sie nicht in der Lage war, ihrem eigenen Wunsch zu entsprechen. Doch zu spät. Sie hatte bereits die Mächte der Hexe heraufbeschworen und zu sich gerufen.
Madiha spürte die sengende Hitze, die die Luft in Schwingungen brachte. Sie wandte sich von dem grauenhaften Bild der von ihr Getöteten ab und starrte Serpentis entgegen. Die Luft schimmerte unter der geballten Hitze ihrer Magie. Madiha riss die Augen auf als sie spürte, dass diese Welle alles vernichten würde. Dass die Hitze auch für sie zu groß war. Was habe ich getan…, dachte sie und riss ihre Faust der Wand aus heißer Luft entgegen als könne sie sie damit aufhalten, auf sie zuzuschnellen. Wie ein auslachendes Mahnmal sah sie ihre verkohlte Handfläche vor sich und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Sie hatte einen Fehler gemacht. Einen erheblichen und vermutlich einen letzten.

Die Erkenntnis ließ Madiha die Zähne aufeinanderpressen und den flammenden Bällen entgegenstarren, die sich nun auf den Weg machten, um sie und alle um sie herum zu vernichten. Sie war es, die sie alle ins Verderben führte… Und Serpentis stand dort und beobachtete zufrieden, wie Madiha… das Mädchen mit Wert… den Untergang beschwor. In verzweifelter Erwartung, gleich die Macht der Feuerhexe zu spüren und daran zu verglühen, während sie jeden um sich herum in den Tod mitriss, spürte sie mit einem Mal den Griff an ihrer Schulter. Er konnte das, was sie angerichtet hatte, nicht rückgängig machen, denn Madiha hatte längst die winzige Kontrolle eingebüßt, doch er schaffte es zumindest, dass Azura handlungsfähig blieb. Was auch immer da vor sich ging, Madiha starrte einfach der Feuerwalze entgegen. In ihren Augen wollten sich Tränen bilden, doch die hatte Azura längst geraubt. Sie fühlte, wie ihr innerstes rebellierte und schrie. Sie wollte vor der Macht weglaufen, die da auf sie zukam. Sie würde sich in sie hineinfressen, alles verzehren und schlussendlich in einer Explosion enden. Madiha konnte es fühlen. Sie würde das nicht überleben können, dafür war sie zu… unwichtig. Zu klein. Was hatte sie gedacht? Ausgerechnet sie könnte etwas besser machen? Verzweiflung mischte sich ihrer Angst bei. Sie hatte das nicht gewollt.
Dann spürte sie mit einem Mal eine Hand auf ihrer Schulter und zuckte. Sie fühlte sich seltsam unstet und so, als würde sie jeden Augenblick fallen. Es war ein seltsames Gefühl und sie wankte tatsächlich einmal. Sie konnte vor ihrem geistigen Auge sehen, wie sie inmitten einer Feuerwalze stand und verzweifelt versuchte, die Wärme auszusperren. Und wie sie selbst immer kleiner wurde, wie das Feuer um sie herum ihr die Luft zum Atmen nahm und sie erstickte. Sie wollte in die Knie gehen, wollte sich klein machen und auf den Tod warten. Sie spürte, dass die Last der Magie zu groß für sie war. Dann aber mischte sich etwas anderes bei… Mit einem Mal spürte sie, wie sie wieder mehr atmen konnte. Wie die Luft ein wenig mehr Gehalt hatte und sie nicht elendig ausgepustet wurde. Eine Barriere baute sich um sie auf, ließ ihr etwas Platz zum Denken und Handeln. Madiha wandte den Kopf ein wenig, sah Azura an, die vor Schmerz das Gesicht verzogen hatte. Dann hörte sie Kjetell’o’s Stimme an ihrem Ohr. "Lenk sie zurück. Kühl dich ab und schick sie heim. Deine Welt ist noch zu klein für diesen Gast." Madiha blinzelte, doch die Hitze wurde immer stärker. „Ich schaff‘ das nicht…“, keuchte sie und glaubte nicht an sich.

Sie hatte gesehen, was sie getan hatte. Weil sie geglaubt hatte, mit etwas umgehen zu können, das nur dafür da war zu zerstören. Sie wollte ein Schild sein. Sie wollte beschützen können, was sie in ihrem Leben als kostbar empfand. Doch sie brachte nur den Tod. Madiha hätte geweint, wenn Azura ihr das Wasser nicht abgezapft hätte. Dann blickte sie auf und sah die Andunierin, wie sie kämpfte, um ihren Geist zu kühlen. Sie sah zu Kjetell’o, der mit seiner Macht dafür sorgte, dass sie Zeit gewann. Und sie sah die anderen, unschuldigen Seelen in diesem Innenhof. Madiha hob den Kopf und blickte zu Serpentis. Sie spürte den Sturm, den Azura dazu nutzte, um ihre Wogen zu kühlen. Die Feuermagie der Hexe wollte zerstören, Madiha spürte es. Wo sie ein Schutz sein wollte, wollte diese Feuersbrunst verschlingen. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Es roch seltsam verbrannt, doch woher das genau kam, war nicht wichtig. Dann atmete sie noch mal. Sie versuchte die Kühle zu nutzen, hüllte sich in diesen magischen Mantel aus Wasser und Kälte ein, um sich vor der Hitze abzuschirmen. Madiha bemühte sich, Azura’s Gabe anzunehmen und ihren Geist zu klären. Sie würden vergehen, wenn sie es nicht tat. Sie würde sie alle in den Tod reißen, wenn sie das nicht schaffte. Die Angst davor war übermächtig. Madiha presste die Augen zusammen, um den Schmerz bei dem Gedanken nicht zu zulassen. Atmen. Ein und aus. Atmen. Doch dann öffnete das Mädchen die Augen und gleichzeitig ihre zu Fäusten geballten Hände. Sie streckte diese vor und … ließ los. In einem langgezogenen Aufschrei ließ sie die gerufene Magie wieder los und wollte sie den Weg zurückpressen, ebenso wie sie die Luft aus ihren Lungen presste. Während sie in dem Inferno stand, glaubte sie, dass alles an ihr brannte. Sie glaubte, den Geruch von Verbrannten riechen zu können, glaubte Schmerzen zu fühlen und wusste nicht, ob das nur eine Einbildung war. Es war so unsäglich heiß, dass sie glaubte zu vergehen. Doch die Angst durfte sie nun nicht übermannen. Sie musste stark bleiben, für die anderen. Madiha sah vor ihrem geistigen Auge, wie ihr kleines, unruhig umherzuckendes Licht, ruhiger wurde. Wie die Feuersbrunst, die ihr Haus zerfraß, ihr nichts mehr anhaben konnte. Ob das in der Wirklichkeit auch so war, würde sie vermutlich als erste herausfinden, doch ihr Gemüt zumindest beruhigte sich, dank der Hilfe von Azura und Kjetell’o. Jetzt blieb abzuwarten, ob sie in der Lage dazu gewesen war, sich und vor allem die anderen davor zu bewahren, dank ihrer Übermütigkeit zu sterben…
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Kazel Tenebrée » Freitag 10. März 2023, 13:07

Es kam furchtbar selten vor, dass Kazel sich heimisch fühlte. Sein ganzes Leben lang hatte er Celcias Geschehen eher als Randfigur erlebt. Er war zwar sogar bei diesem unglaublichen Moment anwesend gewesen, als dunkle Wolken die gesamte Welt in Finsternis gehüllt hatten und sie schließlich mit dem Wiedererwachen der Drachen davon befreit wurde, aber wirklich beteiligt war er zu dem Zeitpunkt nicht gewesen. Andere, die sechs Träger der magischen Kristalle nämlich, hatten sich zueinander aufgestellt und magische Kräfte in die schwarzen Wolken schießen lassen, um diese zu vertreiben. Er selbst hatte nur vollkommen erstarrt abseits gestanden und zugesehen, ein kleines Nichts unter vielen. So war es dann auch beim Angriff der dunklen Völker auf Pelgar gewesen. Obgleich Xenia und Ezekiel ihn in die Bruderschaft des Lichts hatten aufnehmen wollen, weil sie irgendetwas in diesem Mischling sahen, der sich damals noch in einer Einrichtung für geistig Erkrankte befunden hatte, so war er am Ende doch im Grunde nur aus Pelgar geflohen und wie so oft verloren gegangen. Nichts hatte er dazu beigetragen, die Menschenstadt zu retten und jetzt gehörte sie den Morgerianern.
Und nicht zuletzt bei den Leoniden, wo ihm und Janay offenbart wurde, dass Leben in seiner Liebsten keimte und er für ihren und den Schutz des wachsenden Kindes sich der Armee aus Großkatzen anschließend sollte, weil diese irrsinnigerweise bis nach Morgeria stiefeln wollten, um eine magisch begabte Feuerhexe zu befreien, hatte er auch keine tragende Rolle gespielt. Erneut war er stattdessen verloren gegangen, nachdem er zeitweise wirklich verloren gewesen war - seelenlos, weil der dunkelelfische Nekromant Raxtian Tausendtod ihm selbige geraubt und ihn zu einem willenlosen Werkzeug geformt hatte. Auch physisch. Noch immer erinnerten die Katzenkrallen an seinen Füßen, die Adlerkrallen in seinen Fignerknöcheln, die adlerscharfen Augen und die Kazel nach wie vor unbekannten Giftreserven in den tierischen und somit spitzen Eckzähnchen daran. Wahrscheinlich würde er diese Veränderungen nicht mehr loswerden, aber selbst das hatte damals nichts bewirkt. Er war nie irgendwo zugehörig gewesen, sondern stets zwischen den Fronten. Im Grunde hatte sich zu jetzt auch nichts daran verändert. Er steckte zwischen der Zeit fest, als Lehrling eines Wesens, das zwischen den Welten wandelte, um Seelen aus der einen in die andere zu geleiten.
Der Unterschied zu seinem aktuellen Schicksal bestand allerdings darin, dass Kazel sich wirklich heimisch fühlte. Es kam ihm so natürlich vor, zwischen all den Lebenden hindurch zu huschen, dass sie auseinanderstoben, um dem kalten Schauer des Todes zu entkommen. Er und sein Meister tanzten zwischen ihnen die schönsten, die natürlichsten Reigen. Sie wurden gemieden und doch fügten sie sich so präzise in das Geschehen ein wie Zahnrädchen in ein Gefüge, das nur mit ihnen laufen konnte. Sie gehörten dazu. Der Tod gehörte zum Leben und umgekehrt.
Und der Tod entschied nicht, wen es wann traf. Hier war Kazel noch sichtlich der Lehrling oder einfach noch zu sehr am Leben und somit mit Tugenden wie einem Gerechtigkeitssinn oder Moral behaftet. Beides führte dazu, dass er liebend gern nun eine Entscheidung getroffen hätte und sein Ziel sollte die feuermagisch begabte Dunkelelfe sein, die sich wie eine Königin im Palast des Gegenelements aufführte und es mit Gewalt niederzwang.
Tod erinnerte ihn an seine wahren Pflichten. "Frage dich, warum du sie lieber holen würdest, als zum Beispiel jenen dort..." Der meeresblaue Blick des Mischlings folgte dem knöchernen Fingerzeig. Er sah eine Gestalt unter den Balkonen entlang huschen. Sie floh nicht, sondern bewegte sich nur heimlich im Schutz der Säulen und einmal im Bogen um den halben Hof. Ihr Fokus lag ebenfalls auf der Dunkelelfe und auch sein Ziel unterschied sich nicht groß von dem Kazels. Der Gevatter brauchte ihn nicht daran zu erinnern, dass er die Gestalt kannte. Es handelte sich um jenen Mann, dessen Leben bereits einmal am seidenen Faden hing. Dass er schon im Reich der Toten, allerdings in der Nachwelt einer anderen Seele festgesessen und um sein eigenes Wiederkehren gespielt hatte, blieb dem Schüler verborgen. Doch er kannte ihn und er spürte instinktiv, dass es für ihn keine weitere Chance gäbe, würde er hier und heute abgeholt werden.
Ich bin soweit, antwortete er seinem Lehrmeister nach einer Weile, in der er sowohl den Mann als auch die Dunkelelfe beobachtet hatte. Beide waren sich nun so unsagbar nah und niemand achtete auf den Dieb der Wüste. Die Aufmerksamkeit aller lag auf etwas Anderem. Fast aller. Da war noch jemand, den Kazel dieses Mal jedoch überhaupt nicht kannte. Er war bei den beiden Frauen, hielt sie dicht bei sich und versuchte zu verhindern, dass das Chaos an Magie um sie herum alles vernichtete. Gleichzeitig behielt er die Feuerhexe im Auge, aber sie war nicht sein Fixpunkt. Er schaute zu dem Thron hinter ihr. Er wirkte wie ein bizarrer Ruhepol inmitten aller Lebensgefahr, obwohl auch er wissen musste, dass er nicht davor gefeit wäre. Auch ihn könnte es gleich treffen. Und er blieb so unsagbar ruhig dabei!
Kazel schaute nicht zum Gevatter auf. Jener wüsste es bestimmt schon, wer von der Bühne dieses Ortes abginge und durch wessen Seelenstück gleich die Sense oder der Sensendolch schneiden müsste. Der Tod wusste es, Kazel nicht. Also schaute der Schüler weiterhin der Szenerie zu, bis die Erkenntnis auch ihn ereilte und er mit seinen vom Meister gelobten Reflexen schnell handeln könnte. Er würde tanzen. Er würde wie ein Geist ungehindert bis zu seinem Ziel schweben, auf flinken Füßen und mit noch flinkerer Klinge. Und er würde holen, wer immer auf ihn wartete. Ja, er war soweit.
Ich wünsche mir, dass es diese Feuermagierin trifft. Die Dunkelelfe, gestand Kazel. Denn sie bringt hier alles aus dem Gleichgewicht. Auch sie setzt sich über das Leben hinweg und ... tötet. Sie nimmt sich ein Recht heraus, das niemand hat. Ich wünsche mir, dass es sie trifft, damit andere weiterleben können. Und dann schaute er auf, zum Schädel des Gevatters. Aber ... um Ausgleich zu schaffen, wird für jeden, der hier stirbt, irgendwo ein neues Licht die Welt erblicken, nicht wahr? So hast du es mir vermittelt. Und das wäre gerecht. Leben wusste, wie sie gegen jene vorging, die ihr Gut missachteten. Sie strafte sie mit noch mehr Seelen, die ihrerseits die Welt aus dem Gleichgewicht bringen könnten mit einem Übermaß an Leben und dann würden andere folgen, um irgendwo Leben zu nehmen. Es war gerecht, denn alle waren gleich. Niemand war mehr wert als ein anderer. Kinder konnten ebenso sterben wie Alte. Es kam wohl darauf an, wie man seine Zeit füllte, um sie wertvoller zu machen und doch zählte am Ende auch das nicht. Am Ende stand der Tod.
Am Ende stehe ich und werde jeden auf die gleiche Weise empfangen, um ihn oder sie mitzunehmen. Ich wünsche mir, dass es die Dunkelelfe trifft, aber ich werde sie genauso in die Arme schließen wie ihn da hinter dem Thron oder ihn dort drüben bei den beiden Frauen. Vollkommen neutral kann ich wohl nicht sein, denn ich habe Wünsche und ich entscheide mich für eine Seite hier ... aber ich halte nicht auf, was geschehen muss. Ich werde akzeptieren, was passiert. Und dann bin ich da, wie auch immer sie mich sehen wollen. Kazel zog die Kapuze wieder etwas zurecht. Er umfasste seinen Sensendolch, damit er einen guten Griff für seinen nächsten Schwung besaß. Und dann setzte er sich in Bewegung. Es war ein langsamer Tanz, dessen Richtung er noch nicht gänzlich kannte. Er führte ihn zu der Feuerhexe hin, zu dem Zentrum, an dem sich heute das Schicksal mehrerer kreuzte. Das hieß aber nicht, dass es sie treffen würde. In diesem Zentrum befanden sich so viele: Caleb, der Wüstendieb, Serpentis Mortis die Feuerhexe, Azura van Ikari, die Andunierin, Corax Rabenschrey der leidende Grauschelm, Madiha Al'Sarma, das Kind der Wüste, Kjetell'o Aschwurz, der Geheimnisvolle ... und am Rande, noch immer als unscheinbare und fast vergessene Figur Jakub Tauwetter, der Erste Maat der Blauen Möwe.
Welche Gestalt Kazel nun wohl annehmen würde ... und ... für wen schritt er heran?
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Erzähler » Freitag 10. März 2023, 17:24

Die Geschichte wurde von den Siegern geschrieben. Wer aber als Sieger aus einem historischen Ereignis herausging, ließ sich immer erst nach jenem Geschehen beurteilen. Umso wichtiger war es also, viele Geschichten im Auge zu behalten und auch mal die Perspektive zu wechseln, damit man ein Stück weit vielleicht in die richtige eintauchen konnte. Jene, die übrig blieb. Jene, die sich fortsetzen würde.
Natürlich lag der Fokus der Geschichte die ganze Zeit auf den beiden jungen Frauen. Er wirbelte um sie herum wie es derzeit die entzogene Feuermagie der Hexe Serpentis war, welche drohte, sich als brennend heiße Magie durch das Leben mehrerer zu fressen. Ob zwei Mädchen, die ihre eigenen Kräfte überhaupt nicht kontrollieren konnten, dann eine Chance hatten zu überleben, war gewiss spannend. Diese Geschichte war es wert, erzählt zu werden! Aber ebenso hüpfte man auch zu dem eigentlich bislang Unbeteligten, dem Elfen Kjetell'o. Geheimnisvoll und schön war er wie aus dem Nichts aufgetaucht, eine Gestalt wie aus einer Sage, die im entscheidenden Moment die Welt rettete und am Ende eine Prinzessin in seinen Palast entführte als Lohn für seine Taten. Welche Rolle spielte er in diesem Geschehen? Auch seine Geschichte wollte ergründet werden, aber war sie wichtig? War sie es, die nach all dem vom Sieg berichten sollte?
Alle mussten angehört, alle erzählt werden. Selbst die kleinsten Handlungen besaßen Tiefe, wenn man es zuließ und konnten von Protagonisten ablenken, weil sie einfach reizvoller waren oder man mehr mitfieberte als beim eigentlichen roten Faden. Konsumenten von Geschichten kannten die großen Erzählungen doch schon. Sie folgten einem Muster. Der Held oder die Heldin stellte sich im großen Finale dem Widersacher. Es wurde spannend und lebensgefährlich. Natürlich wollte man herausfinden, wie es ausging. Man wünschte sich ein gutes Ende für jene, die so hart bis zu diesem Abschnitt ihrer Kapitel gekommen waren. Man würde aber auch ein schlechtes Ende akzeptieren, denn es brachte eine besondere Form von Emotion mit sich ... und es schloss etwas ab, damit keine schlechte Fortsetzung das bisherige Meisterwerk mit halbherzigem Inhalt in den Schmutz ziehen könnte. Ganz gleich, wie es ausging, man wollte es bis zum Ende schaffen. Aber dann gab es da noch die Gefährten, Begleiter von Helden und Funken neben ihrem strahlenden Licht. Doch waren Funken nicht manchmal interessanter? In tiefster Dunkelheit tanzten sie heller als andere. Sie waren stets da, um Hoffnung zu spenden. Sie waren der Schimmer, den ein Held brauchte, um seine Geschichte zu Ende zu bringen. Und manchmal ... erloschen sie, bevor es soweit war. Manchmal war es nötig, damit der fast niedergerungene Protagonist seine letzten Kräfte mobilisierte. Geschichte setzte es voraus und Geschichte suchte sich seine Spielfiguren gnadenlos aus.
Die Geschichte würde ihr Hauptaugenmerk auch wieder auf das ungleiche Frauenpaar richten, doch nicht jetzt. Noch war es nicht soweit. Sie würden ihre Glanzstunde zurückerhalten, denn vielleicht war es ihre Geschichte. Jetzt aber wurde es zunächst einmal Zeit, die Perspektive zu wechseln und auch ... ein wenig in der Zeit zurückzuspringen.

Caleb setzte einen Fuß nach vorn. Eine Hand hielt ihn auf, ehe er ebenfalls zum Zentrum des Hofes laufen und an Madihas Seite gelangen konnte. Was geschah dort nur? Corax lag sterbend in Azuras Armen und seine Madiha stellte sich dieser Feuerhexe in den Weg! Sie würde hingerichtet werden! Er musste etwas unternehmen. Er konnte nicht auf ihren Wunsch Rücksicht nehmen, wenn sie sich selbst in Lebensgefahr brachte. Er musste sie zurückholen. Er musste zwischen sie und sie beschützen. Was hatte es sonst für einen Sinn, dass er es zurück geschafft hatte?
"Ich weiß, mein Freund, es gerät aus den Fugen, aber du kannst nichts tun." Kjetell'os Stimme erreichte Caleb wie sein Aroma aus Vanille und Zitrone. Er berührte den Dieb am Ärmel und zog ihn sanft in die Schatten der Balustrade, unter der sie standen. Seine Bewegung besaß beinahe etwas Romantisches. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit, wäre Caleb ihm nun vollkommen verfallen gewesen, denn auch ohne das Gesicht des anderen zu kennen, leuchteten seine tiefgrünen Wälder mit den goldenen Sprenkeln verführerisch zu ihm auf. Am liebsten hätte Caleb sich ihm an die Brust geworfen, an seinen Hals, an seine Lippen - in einer anderen Zeit, einer anderen Welt. In einer Geschichte, die eine andere Perspektive erzählte.
"Du kannst nichts tun", wiederholte Kjetell'o. "Nicht dort. Aber an anderer Stelle. Hiermit. Bitte, nimm das." Er blickte sich verstohlen um, aber zwei Schatten unter einem Balkon waren nichts, das angesichts der Ereignisse Aufmerksamkeit auf sich zog. Vor allem nicht jetzt, da im Hof eine Illusion schwand und ein Einarmiger seine Identität preisgab. Ihm wurde kaltes Metall vom Kopf gezogen. Caleb wurde es in die Hände gelegt.
"Ein Dolch?", fragte der Dieb ein wenig verwirrt. Wie sollte das nun helfen? Kjetell'o schob ihm den hölzernen Griff in die Hand. Er war kostbare Schnitzerkunst, denn er besaß die Form eines zum Sturm ansetztenden Pferdes, das die Vorderhufe im Sprung angezogen hatte und kraftvoll den Schwung der sich abstoßenden Hinterläufe nutzte, um die Klinge einzusetzen. Sie war silbern und stach als gerades, aber scharfes Horn aus dem Kopf des Tieres heraus. Sie erinnerte an den Stachel eines Insektes. Man könnte damit tief in das Herz eines Lebenden stechen, aber ebenso könnte man ihm mit der scharfen Klingenseite schmerzhafte Wunden schneiden.
Kjetell'o legte Calebs Finger um den Griff des Dolches und drückte sie dicht daran. "Magie wird nicht mit Magie bekämpft. Das vergessen jene, die fähig sind. Du darfst es nicht vergessen, wenn es soweit ist." Der Kapuzierte schaute den Dieb an und erneut funkelten die goldenen Sterne in seinen Augen. "Ich weiß, ich verlange dir nun sehr viel a-"
"Ich tu's", erwiderte Caleb und der andere nickte dankbar. Trotzdem fragte er: "Unter allen Umständen?"
"Verlasst Euch drauf, Kjetell'o. Ich weiß, dass es vielleicht sein muss. Aber dann ... sagt ihr..."
"Ich werde ihr gar nichts sagen." Kjetell'o klopfte dem Dieb zwei Mal auf die Schulter. Dann verließ er ihn. Beide Männer wandten sich unterschiedlichen Richtungen zu. Nun wurde es natürlich spannend. Man konnte ahnen, was der Dieb im Begriff war zu tun, ohne es wirklich zu wissen. Man wollte es erfahren, wollte herausfinden, wie weit er käme und ob er sein selbst auferlegtes Schicksal erfüllen könnte. Aber wie so oft fand zu jenem Zeitpunkt ein Perspektivenwechsel statt, denn wer wusste schon, ob es seine Geschichte war, die sich fortsetzen sollte.

"Haha, wie stümperhaft! Hast du kleine Drecksschlampe wirklich geglaubt, es mit mir aufnehmen zu können?" Serpentis' Gelächter erfüllte die Umgebung beinahe so sehr wie die unsichtbare Wolke aus magischer Hitze. Menschen wie Elfen flohen davor, denn inzwischen erkannte ein jeder, dass hier alles aus den Fugen geriet. Einige waren nicht schnell genug. Magie war gefährlich und nicht unter Kontrolle gehalten konnte sie mehr Schaden anrichten als alles andere.
Sowohl Azura als auch Madiha wurden Zeuge ihrer eigenen Unerfahrenheit. Sie spielten mit dem Feuer und somit auch mit dem Leben anderer, dabei wollten beide es doch gut machen. Sie wollten retten und nicht vernichten. Doch dann sahen sie wie Adern durch die Haut hindurch aufplatzten und sich das Blut wilden Wasserquellen gleich ergoss oder mit tosendem Brodeln aus den offenen Wunden spritzte. Sie hatten das angerichtet, sie beide.
"Hahaha! Oh, ihr zerstört! Ihr vernichtet und ihr tötet fast noch besser als der nutzlose Haufen aus Federn und Scheiße an deinen toten Titten, Mädchen!" Die Feuerhexe hielt sich nicht mehr zurück. Sie zeigte ihr wahres, grausames Wesen. Es lag ihr offen auf der Zunge und sie war dabei Gift und Galle nach den beiden Frauen zu spucken, die gerade mit sich selbst zu kämpfen hatten.
Zum Glück war Kjetell'o im richtigen Moment bei ihnen. Er hielt sowohl Azura als auch Madiha an sich gedrückt, kümmerte sich nicht darum, dass seine Verhüllung wich und er sich nun als Elf präsentierte. Es ging gerade um Wichtigeres als Geheimnistuerei. Die Welt ... geriet aus den Fugen. So hatte er auch keinen Gedanken dafür übrig, dass er so manchem Herz den Kopf verdrehen könnte. Azuras Herz schlug bei seinem Anblick nämlich für einige Momente schneller. Sie brauchte dem Elfen nur in die Augen zu sehen, um darin etwas zu finden. Etwas, von dem sie nicht wusste, dass sie es gesucht hatte. Sie würde nicht beschreiben können, was es war, geschweige denn nun die Zeit finden, es zu ergründen. Doch es fühlte sich vertraut an und wohlig warm. Anders warm. Nicht so brennend wie alles, was sie umgab.
"Saphira! Konzentriere dich! Du musst sie kühl halten. Beruhige ihr Blut. Ich glaube an dich!" Wann hatte jemals jemand so viel Vertrauen in sie gesetzt, wenn sie ihre Magie nutzte? Nach dem unglücklichen und auch brenzligen Missgeschick in ihrer Kindheit, hatte sich alles in Bezug auf ihre arkanen Fähigkeiten eher ins Gegenteil gewandelt. Zu ihrem eigenen Schutz wollten sowohl ihr Mutter als auch ihr Stiefvater nicht, dass man sie in der Akademie zu einer Wassermagierin ausbildete. Selbst wenn sie sich im Eigenstudium einige kleine Tricks hatte aneignen können, so staunte doch niemals jemand darüber, geschweige denn lobte sie für ihre Kunst. Da war sie viel eher hofiert worden, wenn Galane ihre Schönheit umschrieben oder darum buhlten, wer den Tanzabend mit ihr eröffnen durfte. Und nun war da dieser Elf, geheimnisvoll und durchaus schön anzuschauen, der so fest an sie glaubte, dass selbst Corax für den Moment in den Hintergrund rückte. Allerdings währte das nicht lange. Sein Schnabel piekte in ihre Haut im Versuch, ihr beizustehen oder aber er hatte Schmerzen von seinen eigenen Verletzungen. Es ließ sich nicht genau sagen, aber er machte auf sich aufmerksam. Ein Blick in seine Rubine genügte Azura bereits, um tiefe Emotionen in sich zu wecken. Sie beherrschte keine Luftmagie, aber Ventha war auch die Göttin der Stürme. Winde konnten ebenfalls abkühlen, das wusste Azura wie keine zweite. Sie hatte die heißen, sommerlichen Tage in der Zeit der Abendsonne immer genossen, wenn vom Meer her die salzige Brise für Erfrischung sorgte. So nahm sie all ihre Erinnerungen an jene Tage zusammen mit ihrem Glauben an die Göttin und ihre Emotionen, die in einem Wirbel um Corax kreisten. Sie nahm ihren Mut zusammen, um Madiha die Hand aufzulegen. Schon zuckte sie zurück. Ihre Magiereserven reichten nicht. Die Sarmerin glühte nicht, sie verbrannte. Sie konnte längst nicht mehr kontrollieren, was sie zu sich eingeladen hatte. Serpentis' Magie war um so vieles mächtiger als sie, um so vieles heißer. Madiha würde innerlich verbrennen und niemand konnte sie aufhalten.
Doch. Jemand musste es tun. Azura musste es tun. Sie musste doch Corax retten! Außerdem glaubte Kjetell'o an ihre Kräfte. Aber ihre Handinnenfläche schmerzte. Sie Haut war gerötet und man konnte das leicht verbrannte Fleisch sogar riechen. Es war beißend und unangenehm, bis ... ein Hauch von Vanille und Zitrone suchte sich einen Weg in Azuras feines Näschen. Dann legte sich eine Hand unter die ihre, dass ihre Handinnenfläche nach oben wies. Kjetell'o schaute daraf herab. "Bitte ... wir alle brauchen dich jetzt und eine Hand ... heilt wieder." Seine tiefen, saftigen, von Moosen und jungem Efeu überwucherten Fenster zur Seele schickten magisch goldene Zauberlichter zu ihr aus, die sich wie warmes Glitzern an Azuras Blick hefteten. Dann setzte er mehrere Küsse auf ihre Fingerspitzen und schob ihre Hand zurück zu Madihas Schulter. Sie spürte erneut die Hitze, würde den letzten Schritt aber selbst gehen müssen. Kjetell'o erbat ihre Hilfe mit aller Dringlichkeit. Er würde sie jedoch nicht zwingen, ihre eigene Unversehrtheit zu opfern. Sein Einfluss allerdings bewegte Azura dazu, ihren Teil beizutragen. Sie mochte ein adliges Püppchen sein, ein verwöhntes Prinzesschen und manchmal zu ignorant für die Belange anderer, aber sie besaß trotz allem ein gutes Herz und war für jene da, sie sich hatten hineinschleichen können. Selbst wenn Madiha dort maximal am Rande schippern mochte und auch nur, weil sie gemeinsame Zuneigung zu ihrem Raben teilten, gehörte sie schon dazu. Eines Tages würde Azura es sehen. Doch bereits jetzt sah sie weit genug, um der Sarmaerin beizustehen ... und ihre Hand dafür zu opfern. Corax hatte einen Arm gegeben und noch immer beflügelte er ihr Herz. Er hatte sie wunderschön genannt trotz ihrer derzeitigen Gestalt. Was war schon eine Hand? Verbrennungen konnten heilen...
Azura legte ihre Hand auf, überwand die Angst vor dem Schmerz und jenen selbst. Und dann prickelte es kühl hinter ihrer Stirn.

Erneut wurde es Zeit für einen Perspektivenwechsel, denn Geschichte strebt nicht nur danach, groß zu sein, sondern auch Spannungsbögen aufzubauen, sie zum Zerreißen zu bringen und dann ein anderes Kapitel aufschlagen. Sie war ein sprunghafter Zustand, dem man auf Dauer aber nicht böse sein konnte, denn auch wenn es gerade jetzt um Azura reichlich interessant wurde, wollte man auch wissen, wie es anderen in der Situation erging.
Madihas Welt war auf die Überreste ihres Seins zusammengeschrumpft. Sie hatte sich mit dem Betreten der Freiheit ein Heim für ihre Seele aufgebaut. Keine stolze Villa, anfangs nicht einmal ein richtiges Haus, aber mit jedem Holzbalken und jeder Portion Lehm hatte sie es geschaffen, gehegt und gepflegt. Sie hatte die Tür nicht länger verriegelt, sondern Leben eingelassen. Sie hatte andere Seelen an ihrem Leben teilhaben lassen, Bande geknüpft und Geschenke für ihr kleines Heim erhalten. Da gab es diese winzige Ecke zum Schreiben und den Stapel Bücher. Madiha wusste, sie beherrschte das Lesen immer noch nicht, aber die Wälzer erinnerten sie daran, dass sie es zur Perfektion bringen könnte, würde sie nur üben. Außerdem lud der ewig dampfende Tee ein, es sich in Dunias Nische bequem zu machen. Auf dem Fenstersims daneben stand eine Vase mit wilden Feldblumen. Obgleich Madiha in Sarma niemals eine üppige Blumenwiese gesehen hatte und gar nicht wusste, wie ein Strauß wilder Blumen aussehen mochte, konnte sie die Vase erkennen und auch die Pflanzen darin. Sie sahen so aus, wie sie sich eben Feldblumen bisweilen vorstellte und sie erinnerten an das liebliche Gemüt ihrer Freundin Irmy. Selbst die Vase mit ihrer rundlichen Form vermittelte das pausbäckige Bild der Elevin.
Darunter waren ein Vogelkäfig und ein Nest auf einem drapierten Ast aufgestellt. Eine Schale mit Körnern stand dazwischen. Die Käfigtür war geöffnet. Sie bot Corax die Sicherheit eines Sklavenlebens, weil er es kannte, ließ ihm aber die Möglichkeit, jederzeit selbst ein Stück Freiheit zu suchen. Das Nest war da, wann immer er soweit wäre.
Und dann ... war da dieser unsagbare große Teil in ihrem Haus. Er nahm fast den ganzen Raum ein, auch wenn Madiha sich dessen nie so richtig bewusst geworden war. Da hing eine Strähne von dem Wuschelhaar, welches sich nicht bändigen lassen wollte. Direkt daneben baumelte ein Fetzen der Kleidung, als sein Träger sie das erste Mal gerettet hatte. Der Stoff war vom Sand verschmutzt, roch aber noch immer nach dieser eigenen Note, die Madiha niemals im Leben vergessen würde. Und darunter befand sich ein kleines Glas aus Zorn und Enttäuschung. Einige Münzen schimmerten darin, jede war einen Moment wert, in dem Caleb gehandelt hatte, ohne daran zu denken, was es für Madiha bedeutete. Doch es waren nur noch wenige Münzen. Der dreiste Dieb stahl immer wieder einige heraus, um damit Dinge für sie zu kaufen. Wie den andunischen Apfelwein, der auf dem Tisch hier stand ... oder das Fernglas im Ausguck auf dem Dach ihrer Hütte. Warum auch immer ein Hausdach einen Ausguck benötigte. Und das Kapitänsbett in der Ecke ihrer Kammer. Es roch nach Schweiß und Krankheit, aber vielmehr strömte es all die Erleichterung aus, als der Körper neben ihr damals aus seinem ewigen Schlaf erwacht war.
Und alles stand in Flammen...
Madiha fühlte, wie ihr der Boden unter den Füßen fortgerissen wurde. Die Hitze war überall und sie wusste, dass es nicht einmal ihre eigene war. Die hatte sie doch geschafft, ein wenig zu kontrollieren. Das Lagerfeuer ... wo war es? Niedergebrannt. Sie roch Fleisch. Sie roch den Schmerz. Nichts würde bleiben. Sie hatte sich überschätzt und den Feind in ihr Haus geladen. Nun übertrat er die Schwelle und würde alles zerstören, was ihr wichtig war, bis nur noch Asche blieb. Sie war Schuld, sie hatte es zugelassen. Nun würden alle sterben...
Madiha befand sich in der Akademie der Wassermagie, aber es war einfach nicht genug. So wie ihre Kräfte nicht genug waren, um Serpentis' Feuersbrunst aufzuhalten. Es reichte nicht. Sie würden verglühen, sie alle.

Der Schmerz in Azuras Hand war beinahe unerträglich, aber selbst wenn sie es nun gewollt hätte, konnte sie jene nicht mehr zurückziehen. Ihre Finger ... klebten an Madiha. War ihre Haut bereits mit dem Wüstenmädchen verschmolzen? Sie schaffte es nicht. Sie konnte dieses Feuer in ihr nicht abkühlen, das nicht das ihre war. Es war düster und verheerend. Es war schwarzes Feuer, durchzogen vom Gift einer schwarzen Seele und es breitete sich kontinuierlich aus. Azuras verlbiebene Reserven konnte dagegen nicht bestehen. Wie sollte sie es nur lang genug aufhalten, wie ruhig halten, damit Madiha handeln konnte? Die Situation schien aussichtlos.
Und dann prickelte es hinter ihrer Stirn. Nein, es brannte mit Eiseskälte. Winzige Blitze stachen hinter der Stirn der Andunierin, als Venthas Segen ausbrechen wollte. Die Göttin war da, noch immer. Sie hatte Azura nicht verlassen, sondern nur auf den rechten Moment gewartet. Und nun war es Zeit. Mit unbeschreiblicher Pein bahnte sich Venthas Segen einen Weg aus der Sterlichen heraus. Es fühlte sich an, als würde göttliche Macht ihre Schädeldecke durchschlagen, Gefäße zum Platzen bringen und die dünne Hautschicht ihrer Stirn ins Unermessliche dehnen, ehe das Gewebe endlich nachgab, um einen Sturm zu entfesseln. Grelle Blitze zuckten aus Azuras Stirn heraus, reckten sich gen Himmel und formten dort tiefschwarze Wolkenberge über der gesamten Akademie der Wassermagie. Sie kamen aus dem nichts, versetzten das Meer in Unruhe und zogen dessen Feuchtigkeit in ihre dunkle Materie empor. Der Wind nahm zu, wirbelte um die unsichtbare Hitze, die Madiha, Kjetell'o und Azura einschloss. Mit mantronischer Kälte fegte er über sie hinweg, sammelte die wenigen Fetzen an Feuer auf und verschlang sie. Flammen gefroren bereits, ehe das Unwetter losging.
"W-was ist das?" Serpentis' Worte gingen im Tosen der Winde, dem Grollen des Donners und dem grellen Licht der Blitze unter. Unterhalb der Akademie schlugen Wellenbrecher gegen die Felsen. Sie wuchsen höher und höher, bis sie die Zinnen der Akademiehallen erreichten und sich weiße Gischt über die Dächer ergoss. Dann setzte der Platzregen ein, damit nicht eine einzige Flamme mehr bestehen konnte. Letzte, verbliebene Dunkelelfen - Serpentis' loyalste Diener - preschten nach vorn. Sie waren die Verbliebenen derer, die hatten fliehen wollen, aber selbst sie mussten sich geschlagen geben, als aus harten tropfen noch härtere Eiskörner wurden. Hagel schlug auf ihre Rüstungen wir Trommelstöcke auf Pauken oder orkische Liebeskeulen auf die Köpfe jener, die sich mit ihren Angebeteten in eine Höhle verziehen durften, um sich zu paaren. Doch wo bei den orkischen Ritualen neues Leben entstehen konnte, schien Ventha bereit, selbiges hier und jetzt zu nehmen.
"Nein!", versuchte Kjetell'o gegen den Sturm anzuschreien, den die Göttin heraufbeschworen hatte. "Das ist zu viel. Du tötest uns. Heilige Ventha, halt ein! Beruhige dich, ich bitte dich! Töte nicht deine Gläubigen!" Die Göttin schien ihn nicht zu erhören oder es nicht mehr zu wollen. Sie war impulsiv und launisch, aber am schlimmsten war sie im Zorn. Deshalb sollten Götter sich nicht in die Belange Sterblicher einmischen. Sie kannten keine Grenzen, denn ihre Macht war grenzenlos.
Zum Glück war Ventha nicht das einizige göttliche Wesen Celcias und auch andere beanspruchten ihr Recht. Etwas brach durch die Wolkendecke. Es fegte die Blitze beiseite mit gleißendem Licht. Wo Ventha die Kinder der Küste beschützte, da hielt Lysanthor ein wachsames Auge über Sarmas Schöpfung und beide waren hier vertreten.

Eben noch glaubte Madiha, alles zu verlieren und zwar in einem fremden Feuer, das sie in Arglosigkeit zu sich hereingelassen hatte. Es leckte bereits an der Fassade ihres Hauses. Es steckte den Ausguck in Flammen, schmolz das winzige Fernglas und ließ alles nach Zerstörung riechen. Qualvolle Hitze befiel die Seele des Wüstenmädchens. Nicht einmal die Sar brannte dermaßen heiß. Alles würde vergehen. Sie hatte alles ruiniert, im Versuch Gutes zu tun. Sie hatte zerstört, was sie schützen wollte.
Und dann ließ die Hitze nach. Erst war es nur ein Knistern, das Madiha in den hörte und ihr fälschlicherweise suggerierte, so leitete sich der Tod ein. Dann aber streichelten kalte Winde sowohl ihre Haut als auch ihre Seele. Kjetell'o hatte ihr aufgetragen, die feindlichen Mächte zurückzuschicken, mit aller Hitze und Zerstörung, aber ... da war nichts mehr. Der Wind riss es mit sich, ließ die schwelende Hausfassade ihrer Seele zurück. Irmys Vase war versengt. Es roch nach vebrannten Vogelfedern und Dunias Tee hatte sich abgekühlt, aber im Grunde war alles noch da. Und dann setzte der Platzregen ein.
Auch Azura spürte ihn. Endlich ließ der Schmerz hinter ihrer Stirn nach. Das Prickeln klang aus und sie wusste instinktiv, dass der göttliche Segen sie nun verlassen hatte. Vielleicht war es zu ihrem Besten, denn noch einmal hätte sie einen solchen Durchbruch nicht ertragen. Auf ihrer Stirn klaffte ein sternförmiges Loch, als hätte ihre jemand eine Schneeflocke in die Haut gebrannt. Es blutete nicht, es war nur ein Rückstand. Ein Stigma ihrer Göttin, die nun über ihren Köpfen tobte und wütete. Der nun einsetzende Platzregen löschte zwar die unerträgliche Hitze, aber er hämmerte auch schmerzhaft auf die Haut, drosch auf all jene ein, die sich nicht schützen konnten, bis erste Tropfen sich in Hagelkörner verwandelten. Kjetell'o flehte die Göttin an, sie zu verschonen, aber es war nicht Ventha, die ihn erhörte.
Licht drang durch die Wolkendecke. Ein Sonnenstrahl schob sie beiseite und stürzte zur Erde. Ein zweiter folgte und noch weitere. Zunächst landeten sie wie die goldenen Sprenkel in Kjetell'os Augen scheinbar wahllos irgendwo und trockneten die Fluten, die Ventha in ihrer Wut auf die Wasserakademie hatte herabfallen lassen. Sie wärmten den Boden, erzeugten ein Naturereignis, das man sonst eher bei Morgengrauen sah. Nebel kam auf und schließlich bündelten die Lichtstrahlen sich zu einem einzigen, der sich langsam durch den Hof bewegte. Der Lichtkegel fand Serpentis Mortis, umhüllte und präsentierte sie, während alles andere langsam im Nebel versank. Die Feuerhexe blickte gen Himmel. Es war mit einem Mal so ruhig, geradezu friedlich und nichts störte den Moment. Nichts außer dem Elfen an Madihas und Azuras Seite, der erneut seine Chance nutzte, um ein vereinbartes Zeichen zu setzen.
"Magie wird nicht mit Magie bekämpft!", rief er über den Hof. Dann sprang ein Schatten hinter dem Thron der Dunkelelfe vor und ihr in den Rücken.

Caleb hatte sich in einem weiten Bogen und lange vor Venthas göttlichem Wutausbruch durch die Schatten unterhalb der Balkone bewegt. Er war von Säule zu Säule geschlichen. Er hatte sich zwingen müssen, nicht nach Madiha Ausschau zu halten und konnte nur hoffen, dass es ihr gut ging. Er wusste nicht, wie es ihr ging. Er wusste überhaupt nichts, weil er nur Serpentis Mortis im Auge behielt. Der Griff des Einhorndolches in seiner Hand fühlte sich warm an. Das Holz schmiegte sich perfekt in seine Handfläche, als sei es nur dafür gemacht worden. Doch noch war es nicht soweit. Noch nicht. Er musste näher heran.
Das gestaltete sich überraschend einfach. Die meisten Anwesenden auf dem Hof waren längst geflohen. Die wenigen, aber loyalen Wachen beobachteten entweder ihre Herrin oder versuchten, zu ihr durchzukommen. Jakub Tauwetter erwies sich als verbissener Kämpfer. Er allein hielt ein halbes Dutzend davon ab, Caleb zu entdecken, der sich nun mit zwei, drei langen Sprüngen bis hinter den Thron vorwagte. Geschafft! Er verharrte dort und lauschte dem Treiben. Er hörte, dass Corax offenbar doch noch lebte. Er hörte ihn sich vorstellen und sein Herz verkrampfte sich. Dann hörte er Serpentis und wie sie Madiha - seine Madiha - als auch Azura verhöhnte. Caleb musste an sich halten, sein Versteck nicht unbedarft zu verlassen. Er wollte und zugleich haderte er. Er hatte Madiha doch versprochen, im Verborgenen zu bleiben. In Sicherheit. Er hatte ihr beteuert, nicht mehr den Helden zu spielen, damit sie ihn nicht verlor. Und nun saß er hier, der Held, wartete auf seinen Moment. Oder eine erneute Chance für den Gevatter, ihn endgültig zu holen. Das schiefe Grinsen auf seinen Lippen war voller Reue. Er musste aufhören, Dinge zu versprechen. Er konnte sie nie halten. Es gab so viele, denen er etwas schuldete. So viel Ärger hing ihm an den Hacken, nicht nur in Sarma. Und doch dachte er gerade nur daran, dass er eine einzige Seele würde bitterlich enttäuschen müssen. Dabei hatte er doch einen andunischen Apfelkuchen backen wollen...
Als Venthas Sturm einsetzte, drückte Caleb sich eng an die Rückenlehne des Thrones. Er war nur mäßig geschützt und schnell durchnässte ihn der Platzregen bis auf die Knochen. So wild hatte kein Unwetter seiner Kindheit in Andunie gewütet, aber vielleicht erinnerte er sich auch nur nicht mehr daran. Er umfasste den Dolch fester und fragte sich kurz, ob er nun losschlagen sollte, bevor der einsetzende Hagelschlag ihn außer Gefecht setzte. Dann aber sandte ein merkwürdiges Phänomen warme Sonnenstrahlen auf Celcia. Das Licht vertrieb den Regen und Caleb musste schmunzeln. "Lysanthor, alter Haudegen. Ja ... beruhig deine Geliebte und besteig sie, bis ihr die Sonne aus dem Arsch scheint." Er schloss für diesen Moment des Durchatmens die Augen und bemerkte den Nebel nicht, der aufkam. Erst, als jemand ihm eine Hand unter das Kinn schob, wollte er hinschauen. Doch eine Stimme wisperte ihm zu: "Nicht. Halte deine Augen geschlossen, Sterblicher. Auch wenn ich mich gern bewundern lasse, ist jetzt nicht der rechte Zeitpunkt. Du musst lauschen und geduldig sein. Dein Moment kommt und ich werde dir helfen. Ich möchte nämlich auch mal mitmischen. Nie habe ich Spaß!" Das Wispern kicherte sanft. Dann spürte Caleb ein warmes Streichen seiner Lippen und musste an Madiha denken; an seinen ersten Kuss mit ihr. "Was bietest du mir für meine Hilfe an, Sterblicher?"
Caleb, der gehorsam die Augen geschlossen hielt, überlegte. Er brauchte nicht sehen, wer da mit ihm sprach und längst wunderte er sich nicht mehr. Er hatte in letzter Zeit einfach zu viel Wahnwitziges erlebt, dass es nun auf eine weitere Göttin auch nicht mehr ankam. Fast wäre es ihm lieber, er wäre von ihnen allen verschont geblieben. Das einfache Leben in Sarma ... mit Madiha ... das wünschte er sich zurück. Er wusste, dass es dieses Zurück nicht mehr geben würde. Nichts mehr war einfach, vor allem nicht, wenn Götter sich einmischten.
Dann hörte Kjetell'o durch den Nebel rufen: "Magie wird nicht mit Magie bekämpft!" Caleb lächelte. "Und Götter kämpfen nicht die Schlachten der Menschen", raunte er. "Ich lehne den Handel ab, Verträumte. Ich schaffe das allein." Ihre Nähe schwand. Er spürte es und nun war es Zeit. Sein Moment war gekommen. Caleb erhob sich, erklommt flink den Thron und stieß sich mit einem kräftigen Sprung über die Rückenlehne hinweg ab. Kein Nebel verbarg ihn. Nichts schützte ihn vor Blicken. Er würde es allein schaffen ... und jemand beobachtete ihn mit respektvollem Schmunzeln.

Die Geschichte schreitet voran und zeigte nun viele Einblicke, aber eine Perspektive stellte sie bislang noch nicht dar. Alle Seiten sollten beleuchtet werden. Aktuell wurde nur eine ins Licht gestellt. Serpentis Mortis reckte den Kopf, dass ihre dunklen Augen der Helligkeit des Himmels entgegen funkelten. Sie verstand nicht, was hier vor sich ging, aber sie war auch weder im Glauben an Ventha noch an Lysanthor aufgewachsen. Warum Faldor ihr nun nicht beistand, blieb ein Geheimnis. Vielleicht hatten die dunklen Völker, die allgemein doch als die größte Gruppierung seiner Gläubigen zählte, doch nicht so großen Einfluss in Andunie wie sie glaubten. Vielleicht hatte Serpentis auch die Gunst des Blutrünstigen verloren, als sie sich des gefallenen Raben angenommen und von ihm nur einen Arm als Zeichen seiner Loyalität verlangt hatte. Das war ihr fast schon zu viel gewesen. Ja, sie hatte ihn an diese Hure - diese wassermagisch begabte Zicke - gekettet und ihn auf einen Leichenberg geworfen wie Abfall, nachdem sie ihm mit einer Klinge den halben Rumpf aufgeschlitzt hatte. Aber dass er immer noch lebte und auch zu ihr zurückgekommen war ... gesund, nur gebrochen. Er hatte Eindruck hinterlassen und sie musste einsehen, dass er loyaler war als so viele andere. Er krabbelte noch immer heran, scheinbar aus dem Totenreich selbst um nach ihrer Gunst zu betteln. Nun bereute sie es. Sie hatte ihn in ihrer Herzensgüte verschont, sogar aufgenommen und nur eine milde Fleischschuld als Strafe verlangt. Und er dankte ihr es erneut mit Verrat. Auch das wassermagisch begabte Flittchen hatte überlebt! Oh, sie hätte Corax nicht wieder aufnehmen sollen. Ohnehin hatte sich irgendetwas an ihm verändert. Er tötete auf ihren Befehl hin, aber er tat es mit einem Zögern. Und er vergoss Tränen für irgendwelche wertlosen Menschen, denen er das Fleisch von den Knochen peitschte. Sie verstand es zunächst nicht, aber jetzt machte es Sinn. Ihr Rabe war verdorben von schauderhaften Gefühlen für ein Weib, das mehr tot als lebendig aussah. Warum er dann zu ihr - Serpentis - hatte zurückkehren wollen, blieb ihr ein Rätsel. Nun aber würde er mit ihnen allen untergehen!
Das war es zumindest, was die Feuerhexe bis zu jenem Moment glaubte, da sich dieses andere Gör ihrer Feuermagie hatte bemächtigen wollen. Wie lächerlich. Schon bei ihrem ersten Aufmerken hatte Serpentis die mickrige Kraft gespürt, die mangelnde Kontrolle geradezu gerochen. Es war ihr ein Fest gewesen, all ihre arkanen Reserven auf einen Schlag gegen das vernarbte Ding zu schicken. Sollte sie zusehen, wie sie mit so viel Macht zurechtkäme. Oh, Serpentis sah das dürre Balg schon als verkohlten Stock. Aber dann setzten die Winde ein, Blitze zuckten und Donner rollte ihren Plan aus ihrem Kopf wie der Regen, der sich auf selbigen niederstürzte. Sie hätte sich schützen können, mit magischer Macht, wäre jene noch vorhanden. Aber sie hatte wirklich alles auf diese exoistische Fremdländerin losgehetzt, was sie zu bieten hatte. Und nun schlotterte sie, fürchtete gar, ihre innere Flamme würde unter der Gewalt der wassermagischen Akademie erlöschen. Hatte sie einen Fehler begangen. Aber das Licht war mit ihr ... und das war seltsam. Seit wann reckte Faldors Feindbild von einem Gott die leuchtenden Hände nach einer Dunkelelfe aus. Serpentis starrte in den Himmel, ehe ihre Ohren zuckten.
"Magie wird nicht mit Magie bekämpft!"
Sie suchte nach der Quelle dieser dämlichen Weisheit. Wie unsinnig! Wie sollte man sonst Magie besiegen? Caleb gab die Antwort.

Der Bund der Wüstendiebe hatte diesen Burschen schnell aufgegriffen, als er versucht hatte, in Sarma Fuß zu fassen. Die Organisation schätzte Einzelgänger nicht und vernichtete sie entweder oder nahm sie bei sich auf - sofern sie etwas taugten. Caleb hatte Potenzial besessen und war schnell einer der ihren geworden. Er besaß Reflexe, einen drahtigen, agilen Körper und dennoch genug Kraft, um es mit einigen Schlägern aufzunehmen. Notfalls konnte er auch laufen, bis sich eine Fassade zum Hochklettern fand. Was er nie besessen hatte, war die Skrupellosigkeit, Probleme auch mit scharfer Klinge zu beseitigen. Außerdem hatte er niemals von einer geretteten Frau eine körperliche Gegenleistung verlangt. Dieser Kerl sprach zwar immer davon, nach einem gelungenen Diebeszug umherzuziehen, zu fressen, zu trinken und zu ficken, aber keiner konnte behaupten, ihn je im Bett mit einer Dirne erwischt zu haben. Caleb, die Jungfrau, war eher dafür bekannt, sich Gefallen einzuholen und seine Schulden nicht zu begleichen. Und er verdrückte sich gern mal, bis Gras über die Sache wuchs. Ja, er war vieles: ein Halunke, ein Taugenichts, ein Straßenköter und Strauchdieb. Aber er hatte sich niemals den Titel eines Mörders gegeben.
Nichts würde mehr so sein wie früher.
Wer magisch begabt war, verließ sich auf seine Magie. Er nutzte sie im Alltag wie auch in brenzligen Situation. Er ging aus einem Kampf meist als Sieger heraus, denn niemand konnte sich mit Magiern messen, abgesehen von anderen Magiern. Dann entschied die eigene Macht über das Kräftemessen. Was Magier jedoch gern vergaßen, war, dass man weder die Elemente, noch Schelmereien oder geisterhafte Fähigkeiten beherrschen musste, um auch gegen Magie zu bestehen. Alles, was es brauchte, war ein einziger, passender Moment.

Serpentis fiel fast nach vorn, als Caleb mit ganzem Gewicht in ihrem Rücken landete. Sie taumelte aus dem Lichtkegel heraus und in den Nebel hinein, während nach wie vor Blitze und Donner den Himmel in Atem hielten. Wenigstens hatten Hagel- und Regenschauer geendet. Was jetzt noch enden musste, war ein Leben.
Caleb achtete nicht auf das Zetern der Elfe unter sich. Er klammerte beide Beine um ihre schlanke Hüfte und packte nach vorn. Die Situation war zu hektisch, als dass ihm bewusst werden konnte, dass er sich mit festem Griff an Serpentis' Busen festhielt. Sie schrie und versuchte, nach Caleb zu kratzen, aber vergeblich. Er wand sich an ihren Krallen vorbei, hatte er doch nur ein Ziel vor Augen. Dinge änderten sich. Manchmal musste man Böses tun, um Gutes zu erreichen. Manchmal musste ein Mörder geboren werden, damit Gewalt und Folter endeten. Die silberne Kllinge des Einhorndolches blitzte im Sonnenstrahl Lysanthors einmal auf. Ein Silberstreif am Horizont und er brachte die ersehnte Hoffnung. Der schwarze Horizont in Form von Serpentis' schlankem Hals färbte sich rot. Wasserfälle aus Blut ergossen sich bis in die Shclucht zwischen ihren wohlgeformten Brüsten. Sie gurgelte und röchelte den unglückseligen Lobgesang Faldors. Selbst jener Gott schien zufrieden. Serpentis brachte endlich ein kostbares Blutopfer. Und es war keine Magie nötig. Manchmal genügte ein simpler Schnitt zur rechten Zeit. Manchmal war das einzige Opfer, das man bringen musste, die eigene Seele mit dem Siegel des Mörders zu versehen. Caleb setzte sich die blutige Krone auf und herrschte über seinen neuen Titel. Er ließ von Serpentis ab. Ein Schnitt genügte. Er mochte nun ein Mörder sein - ein richtiger! Keiner, der kleine Stockmännchen brach - aber er war kein blutrünstiger, gieriger Psychopath. Er hatte aus eigenen, guten Motiven gehandelt und nicht aus der Lust heraus, ein Leben zu beenden. Jetzt, da die Feuerhexe vor ihm lag, wirkte es so einfach. Sie war auch nur ein Lebewesen gewesen. Sie war keine Übermacht gewesen. Es hatte nur einen einzigen Moment gebraucht.
"Er hat die Herrin angegriffen! Tötet ihn!" Die letzten Loyalen, die letzten Dunkelelfenwächter stürmten mit gezogenen Waffen zur Mitte des Hofes und auf Caleb zu.

Wenige Momente zuvor umarment Nebel die beiden jungen Frauen Madiha und Azura, sowie Kjetello' der wiederum sie umarment. Die Feuersbrunst war abgewehrt, die Gefahr durch den Zorn einer Göttin ebenfalls. Zwar grollte Ventha noch immer über ihren Köpfen, aber Lysanthor würde seine Geliebte schon zu bändigen wissen. Und seine Schwester hüllte alles in eine sachte, graue Tröpfchensuppe aus friedlicher Stille.
Endlich sah Azura sich in der Lage, ihre Hand von Madihas Schulter zu lösen. Ihre ohnehin schon gräuliche Haut hatte noch etwas mehr gelitten und war in der Handinnenfläche mitsamt dem Fleisch weggebrannt. Sie konnte auf ihre blanken Knochen schauen. Schmerz litt sie allerdings keinen. Sie fühlte sich nur unsäglich erschöpft, dass sie am liebsten sofort in Ohnmacht gefallen wäre. Auch Madiha mochte es nicht anders gehen. Erstmals hatte sie trotz all des Wassers um sie herum, denn selbst Nebel bestand aus Tröpfchen, nicht das Gefühl, erlöschen zu müssen. Es war willkommener Balsam, denn ihr Körper fühlte sich ob der eingesetzten Feuermagie wie ausgedörrt. Außerdem wusste sie, dass tief in ihrem Inneren das Häuschen noch stand und neben dem Eingang das beruhigende Lagerfeuer knisterte.
Hieß das, es war geschafft? Hatten sie es hinter sich?
"Ich bin stolz auf euch." Kjetell'o drückte beide kurz an sich, ehe er sie gänzlich losließ. Sie brauchten Platz, denn mit einem Mal streckte sich zwischen ihnen die Gestalt eines Dunkelelfen am Boden aus. Corax verwandelte sich zurück, den verbliebenen rechten Arm um Azuras Hüfte geschlungen, während sein Kopf auf ihren Beinen ruhte. Er richtete langsam den Blick auf sie, als Kjetell'o sich erhob und die Kapuze wieder überstreifte. Er zog sich etwas aus der Szene zurück, schaute seinerseits zu Caleb hinüber, der gerade Seprentis' Leichnam zu Boden sinken ließ. Der Elf seufzte. "Da kommt Arbeit auf mich zu", wisperte er in der Sprache waldelfischer Völker, die melodiös durch den Nebel wanderte wie sein feiner Duft von Vanille und Zitrone.
Es war aber ein anderer Elf, der mehr Aufmerksamkeit auf sich lenkte. "Azura ... du lebst." Corax kniff die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Schuldbewusst blickte er zu ihr auf. "So schön... ich hab ... so viel falsch gemacht..." Sein Kopf kippte daraufhin kraftlos zur Seite, dass es den Anschein hatte, es wären seine letzten Worte an sie. Aber er atmete noch. Die Augen wanderten zu Serpentis herüber und zu Caleb. "Meine Perlen...", murmelte er und stöhnte unter Schmerzen. Man sah es wegen seiner Hautfarbe schlecht, aber mit einem zweiten Blick erkannte man die Verbrennungen am Hals. Schwarze, blitzförmige Wunden zogen sich über die Haut, erschwertem ihm das Atmen und Sprechen. Lautes Rufen war ihm unmöglich, ansonsten hätte er nun Caleb warnen können, dass dunkelelfische Krieger auf ihn zukamen.

Die Geschichte richtete den Fokus auf Helden und auf Sieger. Denn Sieger erzählten die Geschichte und Helden setzten die ihre fort. Randfiguren verhalfen solchen Helden zu ihren Siegen, traten ansonsten aber nicht in Erscheinung. Sie verschwanden und wurden vergessen. Nur manchmal, da gab es für sie kleine Lichtmomente, in denen sie strahlen durften.
Jakub Tauwetter lief mit erhobener Klinge auf die Dunkelelfen zu. Er selbst blutete aus einigen Schnitten, nichts davon aber wirkte veheerend. Er konnte noch immer kämpfen, so stellte er sich ihnen todesmutig in den Weg. Corax verfolgte seinen Lauf. "Sogar ... er ... ist... hier...", krächzte er und blinzelte nun doch die Tränen von seinen Wimpern. Sie ließen seine Sicht verschwimmen. Anders konnte er sich das farblose Wischen neben ihm durch den Nebel nicht erklären. Jakub provozierte derweil die Dunkelelfen: "Na los! Kommt her, wenn ihr euch traut! Ich werde-" Er stockte, starrte von den Elfen hinüber zu Caleb und dem Körper der Feuerhexe. Der Dieb erwiderte Jakubs Blick fragend und mit Sorge. Dann geschah es und der Erste Maat der Blauen Möwe ging unter einem alles zerreißenden Schrei in Flammen auf. Es passierte so schnell, dass niemand zu einer Reaktion fähig war, ehe die Flammen Jakubs zu Boden gestürzten Leib schon wieder verließen und sich im Nebel auflösten. Dan erklang eine ihnen allen inzwischen bekannte Stimme. Sie krächzte zwar, aber war dennoch gut zu hören.
"Geht! Mit denen werde ich allein ... fertig. Verschwindet aus dem Hof ... das ist ... ein Befehl! Na los!" Die loyalen Soldaten folgten natürlich dem Geheiß ihrer Herrin Serpentis, wenngleich auch verwirrt. Keiner von ihnen griff Caleb oder einen anderen der Verbliebenen an. Sie wandten sich um und verschwanden durch eine der Hoftüren in die Hallen der Akademie. Caleb starrte ungläubig auf Serpentis nieder. "Das kann doch nicht sein!" Er packte sie und zerrte an ihr. Er schlug ihr ins Gesicht, aber die Feuerhexe rührte sich nicht. Sie war tot.
Dafür stand ein anderer wieder auf. Unversehrt erhob Jakub sich aus dem Nebel und blickte sich voller Verwirrung um. "Was ... ist gerade geschehen?", fragte er in die Runde. Keiner war mehr im Hof zugegen, außer Caleb, Kjetell'o, Azura, Madiha und ...
Corax stöhnte auf und krampfte leicht. Er schwitzte. Diese Illusion hatte ihn die letzten Kraftreserven gekostet. Er sank in eine tiefe Ohnmacht.


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Re: Rettungsmission

Beitrag von Gevatter Tod » Montag 13. März 2023, 09:39

((nur Kazel:))
Einst hieß er Sturmadler und war mehr als nur einmal in seinem Leben verloren gegangen, aber dann... hatte ihn der Tod gefunden. Der Schnitter allen Lebens hatte sich seiner angenommen und sein kalter Umhang umwehte nun Kazels noch lebenden Körper. Gemeinsam mit seinem Meister tanzte er heute durch die Reihen der Lebenden und holte jene 'Figuren' in der Geschichte, deren Zeit nun enden musste. Manchmal war das bis zur letzten Sekunde nicht klar, denn der Wille und das Handeln der Sterblichen war wankelmütig und oft nicht vorher zu sehen. Wo eine alte Bäuerin geduldig auf den Tod wartete und auf ein langes Leben voller Leid und Freuden zurück schauen konnte, da gewann man bei manch anderen den Eindruck, dass in jeder Sekunde ihres Lebens etwas unerwartetes geschehen könnte. Diese Seelen nannte man häufig 'Helden', denn sie standen für den Wandel, den unerwarteten in einer Geschichte und schlugen ein neues Kapitel auf. Aber auch die 'Randfiguren' hatten ihre Geschichten zu erzählen, die unweigerlich irgendwann endeten.
Der Tod gehörte zum Leben und umgekehrt.
Und der Tod entschied nicht, wen es wann traf.
Hier war Kazel noch sichtlich der Lehrling oder einfach noch zu sehr am Leben und somit mit Tugenden wie einem Gerechtigkeitssinn oder Moral behaftet. Beides führte dazu, dass er liebend gern nun eine Entscheidung getroffen hätte und sein Ziel sollte die feuermagisch begabte Dunkelelfe sein, die sich wie eine Königin im Palast des Gegenelements aufführte und es mit Gewalt niederzwang. Aber Tod erinnerte ihn an seine wahren Pflichten.
"Frage dich, warum du sie lieber holen würdest, als zum Beispiel jenen dort..."
Der meeresblaue Blick des Mischlings folgte dem knöchernen Fingerzeig.
Ich bin soweit.
, antwortete er seinem Lehrmeister nach einer Weile, in der er sowohl den Mann als auch die Dunkelelfe beobachtet hatte. Kazel schaute nicht zum Gevatter auf. Jener fühlte einfach, wer von der Bühne dieses Ortes abginge und durch wessen Seelenstück gleich Sense oder Sichel schneiden müsste. Diese Fähigkeit, dieses Wissen würde wohl Kazel erst mit seiner Meisterschaft und seinem eigenen Ableben erlernen, denn noch hing an ihm selbst ein Lebensfaden, den er leben musste. Manche Dinge blieben ihm so noch verwehrt. Tod wusste es, Kazel nicht. Also schaute der Schüler weiterhin der Szenerie zu, bis die Erkenntnis auch ihn ereilte und er mit seinen vom Meister gelobten Reflexen schnell handeln konnte. Er tanzte. Ja, er war soweit.
Ich wünsche mir, dass es diese Feuermagierin trifft. Die Dunkelelfe. Denn sie bringt hier alles aus dem Gleichgewicht. Auch sie setzt sich über das Leben hinweg und ... tötet. Sie nimmt sich ein Recht heraus, das niemand hat. Ich wünsche mir, dass es sie trifft, damit andere weiterleben können. Aber …
Tod neigte den Kopf nachdenklich und betrachtete seinen noch sehr lebendigen, empathischen und leidenschaftlichen Schüler. Dazu würde es wohl noch Redebedarf geben.
... um Ausgleich zu schaffen, wird für jeden, der hier stirbt, irgendwo ein neues Licht die Welt erblicken, nicht wahr? So hast du es mir vermittelt.
Dazu nickte er und meinte nur leise:
„Keine Lebenszeit ist je gänzlich verloren, so ist es. Egal von wem sie genommen wird. Sie geht wieder in den Kreislauf ein, wenn sie endet. Wo neues Leben geboren wird, da endet ein anderes. Du erlebst und siehst es sogar als Zeitensand, aber ...der Wurm hat ihn als reine Energie gesehen. Wo Leben durch Haraxwesen sterben, da stehlen sie der Wage den Sand.“
Vielleicht musste Kazel noch einmal an den 'Baby-Keller' von Sademos denken. Dort waren sehr viele Stundengläser gefüllt worden und diese Zeit war Celcia geraubt worden. Ein Dämon hatte sie in den Harax umgeleitet, aber da die Gesetze gewahrt bleiben mussten, starben die Lebenden auf Celcia trotzdem weiter wie die Fliegen. Und so einen Brutkasten sollte es auch hier 'ähnlich oder anders' in Andunie geben? Mussten vielleicht deswegen heute hier so viele Seelen sterben? Das Gleichgewicht war vielleicht gerade mehr auf der Seite der Lebenden als 'zu viel' ausgeschlagen und nun mussten manch anderer früher als geplant gehen. Das machte das Leben für 'Helden' gefährlich und 'Randfiguren' fielen wie die Fliegen.
„Auch ein Mörder ist ein Werkzeug des Lebens.“
Das war eine eher unangenehme Tatsache, die Kazel in seiner 'Moralvorstellung' noch nicht so recht akzeptieren konnte. Als Schnitter musste er jede Seele gleich behandeln. Ob nun das Kind, das in die dunkle Gasse ging und nie mehr gesehen wurde, oder den Täter der sein krankes Herz mit seinem Tod besudelte. Der Tod behandelte sie alle gleich. Das Leben war nicht gerecht und niemand war mehr wert als ein anderer. Kinder konnten ebenso sterben wie Alte. Es kam wohl darauf an, wie man seine Zeit füllte, um sie wertvoller zu machen und doch zählte am Ende auch das nicht. Am Ende stand immer der Tod und das hatte der Geselle verstanden und verinnerlicht.
Am Ende stehe ich und werde jeden auf die gleiche Weise empfangen, um ihn oder sie mitzunehmen. Ich wünsche mir, dass es die Dunkelelfe trifft, aber ich werde sie genauso in die Arme schließen wie ihn da hinter dem Thron oder ihn dort drüben bei den beiden Frauen. Vollkommen neutral kann ich wohl nicht sein, denn ich habe Wünsche und ich entscheide mich für eine Seite hier ... aber ich halte nicht auf, was geschehen muss. Ich werde akzeptieren, was passiert. Und dann bin ich da, wie auch immer sie mich sehen wollen.
Tod lächelte lipplos seinem Gesellen zu der sich die Kapuze wieder etwas zurecht zog. Kazel umfasste fest seinen Sensendolch, damit er einen guten Griff für seinen nächsten Schwung besaß. Dann setzte er sich in Bewegung und der Tanz führte ihn weiter...
...bis zur Erfüllung seines Wunsches.
Rings um ihn herum tobten Flammen, Nebel und Gewitter und sogar die Götter spielten an diesem Tag ihre Rollen. Doch Er und der Gevatter hatten ihre ganz eigenen Aufgaben. Vollkommen unberührt von jeglichen äußeren Einflüssen die der Zeit unterlagen, schritten sie zwischen den Sterblichen umher und Kazel kam in den Genuss auch hier und da mal einen kurzen Blick auf die Göttlichkeit Celcias zu werfen. Ventha tobte in all ihrer Wut und ihr leuchtender Liebhaber stach in ihre Wolkendecke. Eine andere Göttin bot einen Handel an, aber war stolz, als dieser abgelehnt wurde. Dabei viel Kazel auf, dass Tod sich immer zwischen Manthala und ihm befand. Gewiss wollte er ihr nicht 'aufs Brot schmieren', dass er ihren Pakt 'heimlich' zwischen den Sekunden unterwanderte und hier seinen Dienst tat.
So kam es, dass Tod bei der Hexe stand und Kazel in seinem Rücken, als der Wüstendieb nach vorne sprang und das Schicksal seinen Lauf nahm. Tod nickte Kazel zu und gab somit seine Aufgabe an der Hexe seinem Gesellen ab...
Etwas merkwürdig war es für den Schüler vielleicht, als Kazel sich in eine etwas rundliche menschliche Amme mit braunen Locken verwandelte, kurz bevor seine Sichel den Lebensfaden durchtrennte. Vollbusig mit drallen Hüften und einem liebenden Lächeln auf den Lippen, blickte er auf sie hinunter und jene Frau, die hier so viel Unheil gebracht hatte, löste sich leicht von ihrem Körper. Sie ergriff seine Hand. Auch diese 'böse' Seele hatte also ihre lang zurück liegenden guten Erinnerungen, die sich jetzt in ihm manifestierten und der Hexe einen friedlichen 'Abgang' ermöglichten... Sie wehrte sich nicht.
*SCHNIPP*
...denn alles andere wäre eine Katastrophe! Diese Seele musste unbedingt schnell in den Kreislauf übergehen, denn wäre sie zu einem Geist geworden, ruhelos und rachsüchtig... Nein! Auch sie musste Frieden finden. Der Hass musste enden!
„Gut gemacht.“
Tod nickte Kazel zu und grinste.
„Ich würde sagen, ab nach Hause. Schlaf noch ein bisschen und dann stell dich einen eigenen Problemen. Da wartet... einiges auf dich.“
Er winkte und rund um Kazel begann der Sog an ihm zu zerren.
„Ich mach hier noch den Rest...“
, war Tods Stimme noch zu hören, dann war er auch schon wieder weg und Kazel fühlte sich schwer... müde und sank zurück in die stille Umarmung Manthalas, die er nie wirklich verlassen hatte.

(Kazel weiter bei: Das neue Heim)
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Azura » Montag 13. März 2023, 14:32

Hätte es die Hochzeit ihrer Mutter mit ihrem Stiefvater nicht gegeben, hätte auch die junge Frau ein vollkommen anderes Leben geführt, das sie vielleicht niemals bis an diesen Ort und zu dieser Situation gebracht hätte. Sie hätte zwar nicht zu dem ganz niederen Volk gehört, denn ihre Mutter hatte durch Handel zumindest ein bisschen Geld verdient und sie waren beide zumindest frei gewesen. Allerdings hätte dieses fragile Über-Wasser-Halten auch rasch enden und zu einem Abrutschen hin zu den niedersten Schichten führen können.
Azura wäre höchstwahrscheinlich längst nicht mehr unberührt gewesen, sondern mit ihren Jahren vorzeitig gealtert und hätte ihre beste Zeit schon hinter sich, anstatt gerade erst zu erblühen. Oder es zumindest zu tun, ehe sie von Bord gesprungen war... Sie hätte viele andere Erfahrungen gemacht, sich gewiss in eine andere Richtung entwickelt und würde sich womöglich erst recht nicht darum scheren, ob und wie sie anderen helfen könnte. Oder noch an die Illusion von Romantik und zärtlichen Gefühlen glauben...
Was jedoch vermutlich gleich geblieben wäre, wäre der Umstand, dass sie in ihrer Magie absolut ungeschult war und diese in einem größeren Ausmaß als kleine, harmlose Spielereien nicht kontrollieren konnte. Nicht, dass sie das vor sich selbst zugegeben hätte, geschweige denn vor anderen! Aber es zeigte sich eben jetzt einmal mehr, wie wenig sie in Wahrheit beherrschte.
So sehr, dass sie eine gefährliche Verbindung mit einer kaum besser ausgebildeten Feuermagierin einging und es letzten Endes zu einer Katastrophe führte. Dazu, dass das Blut in einem Körper zu brodeln und schließlich zu kochen begann, um dann aufgrund des Drucks zu einer kleinen Explosion zu führen. Doch im Gegensatz zu der Sarmaerin nahm die junge Frau diesen Umstand im Moment nur am Rande wahr, flüchtete sich instinktiv in ihre adelige Hülle, um sich nicht damit befassen zu müssen, dass sie mit Verantwortung daran trug, dass ein Leben vorzeitig geendet hatte. Das würde später erst kommen, wenn sie nicht mehr alles dafür geben musste... geben wollte, um den einen Mann zu retten, der ihr so wichtig geworden war, dass sie sogar seine Herkunft nicht kümmerte. Zumindest nicht, solange sie nicht konkret darüber nachdachte, was ihre Eltern zu ihrer Wahl sagen würden... oder sie sich wieder in ihrem bisherigen Umfeld, sofern es dieses noch gab, bewegen musste.
Dadurch aber war sie auch weiterhin in der Lage, mehr schlecht als recht und vor allem hauptsächlich kopflos, zu handeln, während ihre Begleiterin vor Schreck wie gelähmt war. Dennoch wären sie beide dem Untergang geweiht gewesen, wenn es nicht einen Mann gegeben hätte, der mit all dieser Magie viel besser umzugehen verstand. Der ihr Herz schneller schlagen ließ mit seinem Anblick und dem Klang seiner Stimme, obwohl sie bis vor kurzem davon ausgegangen war, dass es ausschließlich jenem Raben gehörte, den sie inzwischen beschützend an sich drückte.
Doch dieser andere, dieser Kjetell'o, der hatte mehr Erfahung und er strahlte Ruhe in einem Meer von wogenden Wellen jeglicher Coleur aus. Er wusste, was zu tun war, und obwohl es mit Schmerzen für sie verbunden war, fügte sie sich seiner Führung, nachdem er ihr mit seinen Lippen auf den Fingerspitzen wohlige Schauer über den ganzen Körper gejagt hatte. Sie folgte solange, bis ihre Hand wie festgewachsen auf der Schulter der anderen lag, um sie zu kühlen. Während sie selbst das Gefühl hatte, zu schmelzen vor Hitze.
Aber sie gab nicht auf, dieses Mal zeigte sich ein kleiner Lichtblick ihres verwöhnten Wesens, ein Zug, der durchaus lohnte, ausgebaut zu werden. Und trotzdem war es ungeheur schwer für sie, sich auf ihre eigene Magie zu konzentrieren, sie so zu lenken, wie sie es haben wollte, obwohl diese kaum dazu geeignet war, und zugleich behutsam genug vorzugehen, um ihr eigenes Flämmchen in ihrem Inneren nicht zu stark in Bedrängnis zu bringen. Wenn sie jetzt in Ohnmacht fiele vor Schwäche, das war sogar ihr klar, dann wäre es vorbei, dann wäre alles umsonst gewesen.
Also bemühte sie sich, durchzuhalten, für ihren Raben, für den anderen Elfen, für die Sarmaerin und ihre beiden Kerle, wo auch immer diese beiden stecken mochten, aber auch... für sich. Um dieses eine Mal das Richtige zu tun und vor allem Ventha zu beweisen, dass diese die richtige Wahl getroffen hatte, indem sie sich für sie eingesetzt hatte... Diese Göttin, zu der sie Zeit ihres Lebens gebetet hatte, wenngleich niemals ohne Eigennutz, und der sie in gewisser Hinsicht mitunter ähnlich war. Die sie gesegnet hatte mit einem leichten Kuss und mit der sie vor allem an diesem Morgen gehadert hatte wie noch nie zuvor.
Diese Eine war es, die sich plötzlich und mit ganzer, stürmischer Wucht bei ihr zurück meldete. Hinter ihrer Stirn begann es zu prickeln. Anfangs noch leicht und kaum wahrnehmbar bei all dem Schmerz, der von ihrer Hand ausging, doch rasch immer intensiver und schließlich... ebenfalls peinigend.
Azura schrie unwillkürlich auf und kniff die Augen fest zusammen, in dem unsinnigen Versuch, sich dadurch Linderung zu verschaffen. Am liebsten hätte sie ihre andere Hand gegen ihre Stirn gepresst, als könne sie so den Schmerz mit Gegendruck verbannen, aber darin lag noch immer der Schwarzgefiederte, den sie nicht loslassen konnte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als herzerweichend zu wimmern, während sie das Gefühl hatte, als würde ihr eigener Kopf gleich zerplatzen ähnlich jenem, den sie vor gefühlten Ewigkeiten dazu gebracht hatte mit ihrer Magie.
Aber kurz darauf kam eine erneute Woge der Qual, ließ sie ein weiteres Mal aufschreien, während ihr Kopf in den Nacken gerissen wurde und Blitze hervor schossen. Die junge Frau sah es nicht, denn sie konnte ihre Lider nicht mehr anheben, das hätte sie zu viel Kraft gekostet. Überhaupt wäre sie längst zu Boden gegangen, hätte es da nicht drei Personen gegeben, wegen denen sie sich noch auf den Beinen hielt. Oder... war es Venthas Kraft, die dafür sorgte?
Sie wusste es nicht und ihr war, als würde ihr Gedächtnis einen Streich spielen, denn die nächsten Momente zogen an ihr vorüber, ohne haften zu bleiben. Nichts nahm sie wahr von den Wolkenbergen, die sich beinahe so schwarz wie die Nacht über ihnen auftürmten und noch zusätzlich Wasser vom Meer aus an sich zogen, um weiter anzuschwellen. Kein Grollen drang an ihre Ohren und warum sie innerhalb weniger Sekunden bis auf die Haut durchnässt war, würde sie ebenfalls nicht sagen können. Lediglich, dass in all diesem Tosen und Brausen eine warme, beruhigende Stimme an ihr Ohr drang, deren Klang sie wie ein Mantel geborgen einhüllte, das würde haften bleiben.
Und dann, plötzlich wie es aufgetaucht war, war alles wieder... vorbei. Der Druck verblasste und mit einem Keuchen riss sie die Augen auf,... um sie hastig wieder zu schließen, weil ihr der Regen dermaßen ins Gesicht trommelte. Instinktiv senkte sie ihren Kopf, auf dass ihre durchweichte Kapuze sie vor dem entstehenden Hagel schützte. Dabei presste sie den Raben fest an sich und verstand selbst nicht, wie sie bei den heftig zitternden Knien überhaupt noch stehen konnte. Während ihre Hand sich weiterhin wie verschmolzen mit der fremden, nun nicht mehr derart heißen Schulter anfühlte.
So war sie mit sich selbst beschäftigt und nahm gar nicht wahr, dass dieser Wolkenbruch durch neuerliche, göttliche Einmischung auch schon wieder beendet wurde. Erst die rufende Stimme mit einem für sie nicht im Kontext verständlichen Satz ließ sie aufsehen. Blinzelnd versuchte sie, auch ohne Hilfe ihrer Hände, das Wasser wegzubekommen und ihre Sicht zu schärfen. Ein Ding der Unmöglichkeit bei den Fluten, die auf sie herabgestürzt waren und noch immer aus jeder Faser ihrer Kleidung zu strömen schienen. Wenngleich sie inzwischen nicht mehr kühlten, sondern dafür sorgten, dass sie sich nur noch klamm und kalt anfühlte und nach ihren Knien ihr gesamter Körper allmählich aufgrund dessen, gepaart mit der immens werdenden Schwäche, zu zittern begann.
Der nun aufsteigende Nebel hing mit all seinen feinen Tröpfchen in der Luft und sorgte dafür, dass das Gefühl der Kälte noch stärker wurde. Obwohl sie eigentlich inzwischen wieder im Sonnenlicht stand und dieses durchaus schon kräftig wärmend war, spürte sie davon nichts. Sie zitterte nur noch wie Espenlaub und klapperte sogar leise mit den Zähnen dabei. Ihr war, als befände sie sich beinahe wieder in den eisig kalten Fluten des Meeres, doch dieses Mal wäre Ventha nicht mehr bereit, sie zu retten und ihr Zeit zur Reue zu verschaffen.
Sie spürte, dass der Segen verschwunden war, ohne es wirklich benennen zu können. Was aber würde das für ihre Zukunft bedeuten? Was für ihre Aufgabe, die sie sich selbst auferlegt hatte? Würde sie dieser noch nachgehen müssen, sollten sie das hier überleben? Oder... könnte sie es vergessen und Neuem entgegen treten? Sofern sie überhaupt je wieder einen Fuß vor den anderen setzen könnte, anstatt hier elendig mitten im Sonnenlicht zu erfrieren...
In der Zwischenzeit lief das Leben allerdings unbarmherzig weiter und während sie damit zu kämpfen hatte, nicht sofort in Ohnmacht zu fallen, wurde vor ihren Augen dafür gesorgt, dass jemand anderes die ewige Dunkelheit kennen lernte. Wie und warum es dazu hatte kommen können, wusste und begriff die Andunierin nicht. Ja, sie hatte nicht einmal mehr genug Reserven, um überhaupt darüber nachdenken zu wollen. Sie sah lediglich, wie vor ihr die verhasste, verachtete Hexe nach vorne geschleudert wurde und ausgerechnet der Kapitän mal wieder eine Heldentat vollführte, welche genau das auch sein mochte, denn der Nebel nahm den Akt des Zustoßens an sich in sich auf.
Was er aber nicht verbergen konnte, war der rote Lebenssaft, der plötzlich aus der unerwarteten Wunde strömte. Dieser Moment, dieser Anblick war es, der dafür sorgte, dass Azura instinktiv ihren Arm zurück zog... und damit auch ihre Hand von jener Schulter nahm, die ihr bislang eine der wenigen, letzten Stützen gewesen war, um stehen bleiben zu können.
Es gab ein seltsames und alles andere als schmackhaftes Geräusch von sich, sodass sie davon abgelenkt wurde. Verständnislos betrachtete sie ihre geschundene Hand und begriff nicht, wieso ihr Fleisch diesen neuen Gestank verbreitete und sie nun hier ebenfalls bis auf den Knochen sehen konnte. Ihr Körper war da um einiges schneller in seinen Reflexen, denn es schnürte ihr die Kehle zu und in ihrem Magen begann eine beunruhigende Revolte.
Somit würgte es sie, als die warme, beruhigende Stimme dicht neben ihrem Ohr erklang und sie bewegt wurde. Sie begriff auch das nicht, viel zu träge drang alles in ihren Geist. Doch als der leichte Druck und vor allem der damit verbundene Halt weg war, knickten ihr endgültig die Knie ein. Und während sich der Vogel in ihrem Arm zurück verwandelte und sie hielt, sackte sie zu ihm nach unten, dass sie schmerzhaft auf den Steinfliesen aufkam.
Knieend blieb sie hocken und wankte wie ein dünner Halm in der sanften Brise, bei dem man sich wundern mochte, warum er die nächste Beugung noch überstand, anstatt umzuknicken. Ihr Blick indes senkte sich und mit einem letzten Kraftaufwand schaffte sie es, ihre unversehrte und nun wieder freie Hand anzuheben, um mit zitternden Fingern über die dunkle Stirn unter sich zu streichen. Ein feines, ehrliches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen bei seinen Worten. "Ja...", hauchte sie kaum hörbar und strich sanft über seine Haut.
"Sch...", machte sie und deutete ein schwaches Kopfschütteln an. "Ich doch auch...", wisperte sie in seltener Ehrlichkeit und wollte nach vorne sacken. Entweder, weil sie ihn küssen wollte... oder weil sie auch der letzte Funken an Kraft zu verlassen drohte.
Dass es nicht soweit kam, lag an seiner Kopfbewegung und zwei gemurmelten Worten. Sie erinnerten Azura an etwas, etwas Wichtiges und dennoch brauchte es ein paar Momente, bis die Erkenntnis es bis in ihr Bewusstsein schaffte. Auch ihr Kopf drehte sich langsam und sie wusste, ohne Hilfe würde sie an diesen Schatz, den sie ihrem Raben geopfert hatte, nicht heran kommen.
Gerade wollte sie ihre letzten Reste zusammen sammeln, um sich an den Vermummenten zu wenden, als die Ereignisse vor ihren Augen ihr dieses Vorhaben vorerst zunichte machten. Da waren Van Tjenn und der Glatzkopf, während eine kleine Gruppe Dunkler mit gezogenen Waffen auf sie zuliefen. Ihr blieb das Herz stehen, als sie erahnen konnte, dass diese Übermacht zu viel sein würde... als auch schon der eine Mensch in Flammen aufging. "Nein...", entkam es ihr erstickt, doch ansonsten war sie vollkommen hilflos.
Doch das Schlimmste stand ihr noch bevor, als eine nur zu vertraute Stimme erklang. Auch wenn sie mehr krächzte als sonst, beinahe an einen Vogel erinnerte, und ihre Worte keinen wirklichen Sinn ergaben... es schnürte der jungen Frau die Kehle noch enger zusammen. Sie sah vor ihrem inneren Auge erneut eine Feuerwand auf sich zukommen, während die letzten Soldaten getreulich den Hof verließen.
Und dann... stand der Glatzkopf plötzlich auf und war... vollkommen unversehrt?! Es war nicht nur verwirrend, es schrie regelrecht danach, dass hier irgendetwas nicht stimmen konnte! Irgendetwas lief nicht richtig... Aber es wollte sich ihr nicht erschließen, bis ein Stöhnen an ihre Ohren drang.
Sofort sank ihr Blick herab und sie konnte spüren, wie die letzte Kraft aus ihrem Raben wich. "Nicht... noch mal...", hauchte sie erstickt und legte mit zitternden Fingern ihre Hand auf seine Brust. Diese hob sich gerade unter einem Atemzug und sie konnte tatsächlich etwas hinter den Rippen pumpern fühlen.
Erleichterung flutete durch ihre Adern... und gab auch ihr den Rest. Aufschluchzend sank sie nach vorn und konnte gerade noch ihren Kopf soweit drehen, dass sie trotz ihrer liegenden Position Luft bekommen würde. Es war definitiv nicht bequem, wie sie so auf Corax zum Ruhen kam, jedoch fehlte es ihr an eigenen Möglichkeiten, um auch nur noch einen Finger zu rühren.
Dafür fiel ihr Blick auf die schlanken Beine eines Kapuzierten, während ein Gedanke von vorhin in ihrem Geist aufblitzte. Derart drängend, dass er es tatsächlich schaffte, sie noch zu einer letzten Aktion zu bewegen. "Meine... unsere... Perlen... um ihren... Hals...", flüsterte sie schwach, ehe auch bei Azura vorerst die Lichter ausgingen und ihr Körper zu einer langen Pause aufforderte.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 14. März 2023, 09:22

Es brannte. Alles um sie herum stand in Flammen und nichts hätte daran etwas ändern können. Während sich Azura überwand und dazu beitragen wollte, dass Madiha das Unheil, welches sie selbst angerichtet hatte, überlebte, stand sie nur inmitten ihres brennenden Selbst. Sie sah wie die Flammen über ihre Erinnerungen leckten. Wie sie gierig nach allem verlangten, was sie sich mühsam aufgebaut hatte. Sie war wie versteinert. Sie hatte soeben gesehen, wie aufgrund ihrer kolossalen Fehleinschätzung Männer und Frauen ihre Leben ließen. Und es war ihre Magie, die sie mit Azura’s Magie bündeln wollte, die das bewirkt hatte. Madiha starrte der Feuersbrunst entgegen und schaffte nicht mehr, sich auf eine Rettung zu konzentrieren. Wie auch? Sie hatte das Inferno gerufen. Hatte geglaubt, sie könne es gut machen. Sie hatte versucht sich an die Worte von Kjetell’o zu halten und alles war schiefgegangen. Nun würden sie sterben und ihre Bemühungen waren dahin. Madiha spürte einen Kloß im Hals, während sich ihr Blick nach innen richtete. Das Haus ihrer Seele war klein und unscheinbar. Aber es war gefüllt mit Dingen, die ihr wichtig waren. Dingen, die ihr niemand wegnehmen konnte, weil sie nur ihr gehörten. Sarma hatte nie zugelassen, dass sie so etwas erschuf. Und jetzt? Jetzt wurde es beinahe beständig größer. Doch nun würde es das wohl nicht mehr können. Serpentis’ Flammen zuckten weiter voran und Madiha spürte die Hitze überall. Sie roch ihre sich kräuselnde Kleidung, die ihrer Haut nicht mehr standhalten konnte. Sie versengte sich selbst und bemerkte dabei nicht mal, dass auch Azura sich ordentlich verbrannte. Sie hatte versucht die Worte des Elfen umzusetzen. Sie wollte loslassen, die Feuersbrunst zurückweisen, aber sie war zu schwach. Ihr mickriges Flämmchen wurde verschlungen von der unbekannten Macht. Was hatte sie sich nur dabei gedacht… Wie hatte sie glauben können, eine Hilfe zu sein? Sie war keine. Aber andere eilte herbei, um sie alle zu retten:
Mit einem Mal sah das Mädchen auf Azura und zuckte erschrocken zusammen als der Kopf der Adeligen nach hinten gerissen wurde und sich helle Blitze gen Himmel aus ihrer Stirn schälten. Hätte Azura sie nicht weiter festgehalten, Madiha wäre vermutlich zurückgetaumelt. Ihr Blick folgte dem Wirken dieser eigenartigen Macht und mit einem Stirnrunzeln starrte sie auf die Wolken, die das Wasser auftürmten. Entgeistert glaubte Madiha, Azura besäße doch eine immense Macht. Oh, wie klein sie selbst doch war! Der Wind fegte eiskalt über sie alle hinweg und zerzauste das dunkle Haar. Sie fror. Sie fror tatsächlich und die schwache Stimme des Elfen drang an ihr Ohr. Madiha war wie gebannt. Ihre Augen rissen sich von dem tosenden Unwetter los und sahen zu Kjetell’o, der Ventha um Einhalt bat. Ventha?! Erneut glitten die Augen des Mädchens in den Sturm. Sie wusste nichts über die Götter der Welt aber jetzt, wo Kjetell’o es aussprach, meinte sie zu verstehen, dass dieses Unwetter nicht von Azura kam, sondern göttlich sein musste. Und es wirkte. Sie fühlte sich bedeutend kühler, hatte nicht mehr die Angst verglühen zu müssen. Dann setzte der Hagel ein. Es schmerzte und brachte das geschockte Mädchen dazu, sich wieder etwas mehr zu rühren. Sie hob ihre Arme, um darunter Schutz zu suchen, doch sie erkannte, dass sie… dampften. Alles an Madiha dampfte, sobald das göttliche Wasser ihre Haut berührte, wie das Weihwasser den Dämon… Und dann brach aus den Wolken ein Sonnenstrahl wie flüssiges Gold hervor und ergoss sich über sie alle. Madiha hätte Tränen in den Augen gehabt, wenn sie nicht so furchtbar dehydriert gewesen wäre. Das Feuer von Serpentis hatte nicht nur ihre Kleidung versengt, es hatte auch ihre restlichen Wasserreserven verdampfen lassen, ebenso wie Azura’s Magie sie ihr genommen hatten.

Noch immer war sie gebannt von dem Schauspiel, das sich über ihren Köpfen auftat. Doch das Licht brach sich durch die Dunkelheit und spendete Hoffnung. Hoffnung, dass es gut werden könnte.. Zumindest für die anderen. Madiha’s Seelenhaus hatte Schaden genommen durch dieses Erlebnis. Ob sie es wieder aufbauen könnte, das wusste sie nicht. Und doch konnte sie spüren, dass ihr Fehler nicht für alle zum Grab würde. Die Götter erwiesen ihnen ihre Gunst und auch wenn sie selbst nicht gläubig war, Kjetell’o, Azura und Caleb waren es. Sie wussten, es gab sie, die Götter. Und sie waren hier, um zu helfen. Madiha war dankbar und spürte, wie sich langsam ein Muskel nach dem anderen wieder regen wollte. Und wie es schmerzte. Ihre Haut spannte unangenehm und machte ihr deutlich, dass sie dem Element rein gar nichts entgegenzusetzen hatte. Hätte Ventha durch Azura nicht eingegriffen, hätte Kjetell’o nicht Einhalt geboten… sie wäre tot. Plötzlich regte sich etwas in ihrem Kopf. Tot… tot und Zerstörung… Leid. Ihr Blick fiel auf das Rabenbündel in Azura’s Armen, die kaum noch stehen konnte. Da war ein merkwürdiges Zeichen auf ihrer Stirn und sie starrte gerade auf ihre Hand, die bis auf die Knochen versengt war. Madiha holte zitternd Luft. Das war auch ihr Werk. Wo war eigentlich die Hexe? Das Mädchen ignorierte all den Schmerz in ihrem Körper und wandte sich langsam zu Serpentis um. Just in dem Moment, da Caleb hervorsprang und sich der Hexe entgegenwarf. „Nein..“, wollte sie rufen, doch ihre Kehle war viel zu trocken. Madiha machte einen Schritt vor und stürzte, weil ihre Beine nicht damit gerechnet hatten, auf einmal aktiv werden zu müssen. Sie fing sich mit den Händen ab und sog scharf die Luft ein. Dann hob sie den Kopf zurück zum Dieb, der mit der Feuerhexe rang. Kurz verschwand Caleb im Nebel, dann tauchte er mit dem Blitzen der Klinge wieder auf. Gebannt starrte sie auf das, was sie erkennen konnte. Dann floss Blut. Tot… Serpentis war tot. Das Mädchen der Wüste, das die Hitze gar nicht so gut vertrug, wie sie geglaubt hatte, starrte auf den Dieb und den tropfenden Dolch in seiner Hand. War es vorbei? Und was hatte sie schon getan? Die Erkenntnis hämmerte sich in ihren Verstand und das angebrannte Seelenhaus verlor einen Balken. Er begrub unter sich diesen winzigen Platz mit einem Lagerfeuer, das ihr falsche Hoffnung gemacht hatte. Sie war zu gar nichts in der Lage. Madiha bedachte Caleb von ihrer Position aus mit einem Blick aus gemischten Emotionen. Da war Sorge, wie er seine Tat vertragen würde. Da war Liebe und Erleichterung, weil er sie alle gerettet hatte und sein Einsatz das Ende beschrieb. Da war Sehnsucht, er möge sie in seine Arme nehmen, doch auch Furcht, er könnte sich verletzten, wenn er ihr zu nahe käme. Und da war Schuld. Schuld dass sie es so viel schlimmer gemacht hatte. Madiha rappelte sich wieder auf die Beine zurück und blickte auf Corax, der sich zurückverwandelte. Sie hatten ihn gerettet… Oder anders: Kjetell’o. Caleb. Und die Götter. Azura. Madiha betrachtet unstet die Szene zwischen Azura und ihrem Raben und wusste nicht, was sie empfinden sollte. Dann aber regte sich etwas am Rande ihrer Blase in der sie sich seit dem drohenden Tod befunden hatte. Serpentis‘ Tod wollte gerächt werden und so stürmten die verbliebenen Krieger auf Caleb zu. Madiha zuckte. Sie wollte etwas unternehmen, das war ihr aller erster Impuls. Doch dann verloren ihre Schultern an Spannung. Was sollte sie schon tun? Und plötzlich, während sie es dachte, ging Jakub Tauwetter, der seinem Kapitän als treuer Freund und Erster Maat zu Hilfe eilen wollte in Flammen auf. Madiha schlug sich entsetzt die Hände vor den Mund. Sie glaubte schon, sie hätte wieder etwas falsch gemacht, hätte nun das Unmögliche zu verantworten, da kroch die schreckliche Stimme der Hexe aus den Nebeln empor. Das Grauen hörte einfach nicht auf. Erneut wollte Madiha Tränen zulassen, aber ihre Augen brannten nur. Sie hatte kein Wasser übrig, dass sie für Tränen aufbringen könnte. Stattdessen starrte sie nur auf den Fleck, an dem Jakub Tauwetter eben noch gestanden hatte und nun im Nebel versunken war. Sie hatten einen Freund verloren… das Herz des Mädchens krampfte sich zusammen und trotzdem rührte sie sich nicht. Bis sich die restlichen Wachen mit einem Mal aus dem Staub machten. Ungläubig sah sie ihnen nach und bewegte sich mehr taumelnd als grazil durch die Nebelbank.. Sie wirkte verloren. Sie hatte ihren Kampfwillen verloren, er war lodernd verbrannt. Bis sich plötzlich der erste Maat erhob und dastand, als wäre nichts gewesen. Eine List… es war eine List.

Madiha schluchzte erleichtert auf und vergrub dann ihr Gesicht in ihren Händen. Ihre Schultern bebten, doch sie weinte keine Tränen. Sie wurde nur von dem Gefühl geschüttelt und plötzlich begann sie zu zittern. Die Anspannung fiel auch von ihr ab, die Erleichterung zwang sie mit brachialer Gewalt zu Boden. Doch sie blieb stehen. Madiha stand inzwischen allein im Nebel, während Azura für Corax hoffte er würde das alles überstehen und Jakub auferstanden war. Caleb hatte einen Teil seiner Persönlichkeit aufgegeben, um sie alle zu retten. Und Kjetell’o? Blaugraue Augen suchten den Elfen, bevor ihr Blick schließlich an ihrem Dieb hängenblieb. Mit einem Mal fühlte sie sich so müde. So wund und erschöpft. Sie spürte den körperlichen Schmerz durch das Feuer ebenso wie ihren seelischen. „Caleb…“, formte sie mit ihren Lippen und setzte dann einen Fuß vor den anderen. Sie versuchte die Distanz zu überbrücken, auch wenn ihr Körper dagegen rebellierte. Kurz bevor sie ihm aber in die Arme fallen konnte, hielt sie abrupt inne. Madiha zögerte. Sie schob ihre Arme vor und besah sich diese, indem sie sie drehte. Würde sie ihn verbrennen? Würde sie ihm wehtun, wenn er sie berührte, wie bei Azura? Sie wusste es nicht. Aber sie wollte auch nichts riskieren, denn die Angst suchte sich ebenfalls einen Platz in ihrer Seele. Zu instabil war ihr Haus geworden.. zu fragil und unbeschützt. Noch immer gab es Glutnester, die Ilmy’s Vase gänzlich zerstören oder die Bücher verschlingen konnten. Die Caleb vernichten würden. Madiha schlang die Arme um sich selbst. Sie fror mit einem Mal. Das gute Gefühl war inzwischen weg, dass die kalte Nässe ausgelöst hatte. Dann aber wankte das Wüstenkind zum toten Leib der Hexe. Sie hatte Azura und Corax gehört und wollte das für sie tun. Wenigstens das. So fiel sie nicht Caleb in die Arme, gab der Angst nur Schaden zu verursachen Nährboden und sank neben Serpentis auf die Knie. Sie schaute auf sie herab und musterte die Schnittwunde an ihrer Kehle. Madiha schauderte. Danach beugte sie sich vor und griff nach dem roten Band. Ihre Hände spannten unangenehm und überhaupt fühlte sich ihre Haut so furchtbar trocken an. Madiha schloss ihre Finger um den roten Faden. Er war voller Blut und beschmierte auch ihre Finger. Erneut schauderte Madiha. Das ganze Ausmaß, die Tragweite, das Danach… nichts davon war ihr bewusst, denn sie zog sich in sich zurück und wollte die restliche Welt aussperren. Das kleine Säckchen löste sich von der falschen Besitzerin und baumelte in der Luft. Madiha glaubte das helle Lachen zu hören, als die Perlen zusammentrafen. Ihr Blick glitt zu den beiden Liebenden am Boden. Keiner von ihnen war mehr in der Lage sie wahrzunehmen. So griff Madiha mit der anderen Hand nach den Perlen und schloss sie in ihrer Hand ein. Vielleicht könnte sie mit dem Übergeben ein wenig Wiedergutmachung leisten. Wenigstens damit beginnen. Dann sackte ihr Kopf in den Nacken und sie fühlte die Sonne auf ihrem Gesicht. Madiha schloss die Augen und erneut verkrampfte sich ihr Herz. Es tut mir so leid… Danke…, dass ihr sie gerettet habt.
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Re: Rettungsmission

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 15. März 2023, 11:33

Jeder hatte sein Bestes gegeben, um nicht nur Corax' Schicksal aufzuhalten, sondern auch alle im Hof der Wasserakademie zu Andunie zu retten. Rettung vor einer Frau, deren Grausamkeit kaum noch zu übertreffen war. Alle hatten sich eingesetzt, waren nicht nur über Grenzen, sondern auch Schatten gesprungen. Sogar Azura hatte das für sie Unmögliche geschaffen und ihre Hand auf Madihas Schulter belassen, um diese auf magische Weise zu kühlen. Sie zahlte mit ihrem Fleisch und ihrer Haut, die an der beinahe gänzlich fortgebrannten Kleidung der Sarmaerin kleben geblieben war. Jakub hatte sich als letzter Kämpfer ihrer Gruppe den Dunkelelfen in den Weg gestellt und war in Flammen aufgegangen, nur um nun wie aus dem Nichts wieder aufzustehen - unversehrt. Kjetell'o, im Grunde ein Fremder und Außenstehender, war weder Madiha noch Azura von der Seite gewichen und er hatte dem Wüstendieb das Werkzeug überreicht, mit dem sich dieser Wahnsinn beenden ließ. Und Caleb! Ihr Caleb hatte sich erneut gegen ihren Wunsch entschieden, sich in Sicherheit zu bringen. Sein Einsatz war belohnt worden. Die Feuerhexe war tot.
Nur Madiha ... hatte nichts getan. Selbst Corax war es nun im letzten Moment gelungen, seine Kräfte für eine Illusion aufzubringen, um die Wachen glauben zu lassen, ihre Herrin hätte alles unter Kontrolle. Er hatte Jakub beschützt, jenen Mann, der ihm leid zugefügt hatte. Leid ... nein, das war er nicht länger. Er lag fast schon friedlich da. Ruhig, so unendlich ruhig, als wäre er gestorben.
Diesen schrecklichen Gedanken hatte Azura im ersten Moment auch und sie schob ihre zitternden Finger auf die Brust ihres Raben. Kein Gefieder, keine Kraft. Er war vollkommen erschöpft, aber er lebte. Er atmete noch und das war doch das Wichtigste. Azura hatte es geschafft. Sie alle hatten es geschafft ... und Madiha ... hatte nichts beigetragen. Alles, was sie in diesem erschütternden Finale aus Angst, Hass und Blut gewesen war, ließ sich als Gefahr zusammenfassen. Nicht einmal Venthas eisiges Hagelgewitter hätte ihnen so viel antun können wie das nutzlose Mädchen aus Sarma. Wäre Azuras göttlicher Segen nicht gewesen, wer wusste schon, wie es geendet hätte. Wahrscheinlich mit Feuer und Zerstörung. Mit Glück hätte Madiha Serpentis die Haut von den Knochen gebrannt ... nur um dann festzustellen, dass Caleb ihr im Rücken hing. Es war nicht ihr zu verdanken, was sie hier erreicht hatten. Im Gegenteil, sie hatte es für alle nur noch schwerer gemacht. Und sie hatte erkennen müssen, dass sie mit ihrer Magie nichts bewirken konnte außer Hitze, Feuer, Verbrennung ... Leid.
"Caleb...", drang der Name fast tonlos über ihre Lippen. Trotz des vorher göttlichen Regens fühlten sie sich ausgedörrt an, wie vertrocknete Feigen. Die Haut war teilweise aufgesprungen, spröde und brannte, wenn sie mit ihrer Zunge darüber fuhr. Auch ihr Hals fühlte sich trocken an. Sie hatte Durst. Kein Wunder, dass Caleb dieses halb erstickte Krächzen nicht hörte. Er stand vor dem reglosen Haufen, der Serpentis' Körper darstellte. Nebel umwaberte ihn wie alles im Hof, das sich auf maximal Kniehöhe befand. Ob sie noch lebte, konnte Madiha nicht sagen. Caleb starrte den Körper an, das Einhornmesser in der Rechten. Blut tropfte dick und schwer von der Klinge in den Nebel hinein, dass es hier und heute gar Faldor zufrieden stimmte. Celcia hatte einen Mörder geboren, besiegelt mit dem vergossenen Blut einer anderen.
Und Madiha? Sie hatte nichts getan, nichts erreicht. Wo Corax Leid war, da war sie ... nichts. Nichts wert. Was konnte sie schon tun, dieses unbedeutende, missbrauchte Sklavending aus Sarma?
"Meine ... unsere ... Perlen ... um ihren ... Hals..." Erschöpft brach Azura über Corax zusammen. Er stöhnte nicht, aber atmete tief aus, wie unter Schmerzen. Oh, wie er gelitten hatte. Was er gegeben hatte, um seinen Platz zu finden. Würde Madiha auch einen Arm geben müssen, damit man ansatzweise Wert in ihr sah? Damit man sie sah? Aber könnte sie das tun? Könnte sie sich selbst verstümmeln wie der Rabensklave es schon so oft an sich hatte vornehmen müssen? Nein, vermutlich nicht. Sie konnte nichts, überhaupt nichts. Alles, was noch blieb, waren die Perlen. Das schaffte sie. Sie konnte Azuras Bitte erfüllen, so wie es Sklaven einer Höhergestellten taten und mit Glück erhielt sie einen Blick. Kalt. Gefühllos. Die einzige Form von Anerkennung, die Menschen wie sie kannten.
Langsam schleppte sie sich bis zu Caleb hin. Der Dieb hob den Kopf an. Sein Blick flackerte. Oh, auch er litt. Er hatte mit seinen Prinzipien gebrochen. Er hatte die Entscheidung bewusst getroffen, weil jemand es tun musste. Weil niemand Anderes es tun konnte. Weil Madiha es nicht hatte tun können. Sie hatte die Feuerhexe nicht töten können. War sie denn tot? Das Mädchen sank neben ihrem Leib auf die Knie. Kein Atemzog hob oder senkte die Brust. Der Hals war weit aufgeschnitten. Die Einhornklinge hatte ganze Arbeit geleistet und Haut, sowie Gewebe glatt durchtrennt. Unter Serpentis breitete sich ihr Blut aus, so dass es schwer war, den roten Faden zu finden, den Corax zusammen mit einer Strähne von Azuras Haar zu einem Band für das Säcklein geflochten hatte. Das weiße Tuch hatte sich ebenfalls rot verfärbt vom Blut der Elfenhexe, aber darauf kam es nicht an. Der Inhalt war wichtig. Die Perlen. Das Letzte, das Einzige, was ein Mädchen wie Madiha hier tun konnte. Sie griff nach dem Beutel.
Caleb beobachtete sie, aber sein Blick war leer. Er focht noch den inneren Kampf mit seiner Seele aus, unfähig und gelähmt für die Außenwelt. Er besaß nicht einmal den Antrieb, zusammenzubrechen. Dafür schaffte Madiha diesen Schritt. Sie war schon unterwegs zu Azura. Ihre Füße schmerzten, ihr Körper brannte und sie hatte schrecklichen Durst. Aber sie wollte die Perlen überreichen. Wenigstens das. Irgendetwas, damit niemand sagen konnte: Das Mädchen aus Sarma hat nichts getan, außer sie beinahe alle zu vebrrennen. Und jetzt brach sie, wenige Schritte vor Azura und Corax zusammen.

Für Madiha und Azura geht es weiter bei Stille Wunden
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