In der Wasserakademie

Sie steht direkt am Strand. Hier wird die Wassermagie gelehrt, aber das ist offensichtlich. Das Wasser fließt nämlich aus Fenstern und über Zinnen, wie kleine Wasserfälle, bildet einen Graben um sie und strömt schließlich ins Meer hinein.
Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 559
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 30. Juli 2023, 10:43

Madiha war sich gar nicht so sicher, ob Corax aus freien Stücken handelte. Ihr fiel es schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass er sie in Gestalt der Wüstenheilerin betrachten würde. Es löste Unbehagen in ihr aus, aber im Gegensatz zu Corax, so glaubte sie, tat sie das für Caleb. Und in dem Bewusstsein, eine echte Wahl zu haben. Dass ihr das unangenehm war, würde sie ertragen. Weil es demjenigen so wichtig war, dass er vor Freude sogar andere küsste. Dieser Kuss… Caleb beteuerte immer wieder, wie sehr er sie lieben würde. War es dann in Ordnung, wenn er andere küsste? Madiha wusste es nicht. Es war ein schwindelerregendes Spiel, sich emotional einzulassen und doch nicht die Spielregeln zu kennen. Madiha lernte beim Erleben. Voraus planen konnte sie nicht und musste sich stets der Ungewissheit stellen, wenn sie zuschlug. Jetzt aber schien Corax mehr zu wissen, sodass die Männer Details ausließen und sie die beiden nur fragend ansah. Dann trat Corax vor und bestätigte noch mal, dass Caleb seine Unterstützung hatte. Erneut waren sie sich so nahe, dass Madiha die Augen niederschlug. Musste sie das mögen? War es ihre Pflicht, das zu akzeptieren? Sie würde wohl noch lange keine Antwort darauf finden können, sodass sie den Blick wieder hob und es einfach… hinnahm. Corax verletzte Caleb leicht an der Wange und auch das verstand sie nicht. War das Absicht? Doch Caleb wiegelte die Schramme ab und war einfach nur glücklich. Ihn so zu sehen, fegte ihr innerstes Dilemma beiseite. Darum ging es doch! Dass er… sie beide… glücklich sind. Madiha lächelte leicht, während sich Corax zu ihr drehte: "Und ich helfe auch dir, kleine Herrin. Du wirst wundervoll aussehen in dem Kleid ... alles wird wundervoll." Unsicher lächelnd sah sie von einem zum anderen „danke..“, murmelte sie verlegen. Caleb verabschiedete sich und sie sah seinem beschwingten Gang nach. Was auch immer er ausheckte, er schien sich ungemein darauf zu freuen. "Alles wird gut. Hab Vertrauen". Corax holte sie aus ihren Gedanken. Madiha blinzelte und wandte ihm ihr Gesicht zu. „Ich versuchs…“, gestand sie ihm und räusperte sich.

Sie betraten das Zimmer und kurz musste sich Madiha orientieren. Bewusst viel Zeit hatte sie hier bisher nicht hier verbracht. Aber mit dem Entzünden der Laternen, fühlte sie sich gleich etwas wohler. Was für ein schönes Zimmer. Sie entdeckte die feinen Holzmaserungen, die verzierten Laternen und die Truhen für persönliche Habe vor den Betten. Madiha ließ einen Moment den Raum auf sich wirken. Sie fühlte sich, trotz der unterschiedlichen Themen, an die Feuerakademie erinnert. Dort hatte sie zwar kein Zimmer besessen, aber es kam dem Gefühl nahe. Heimat. Es war ein Ort, an den man zurückkehren und Kraft tanken konnte. Das Mädchen seufzte herzhaft und strich sich über die Augen. Es war so viel passiert und das Leben hatte sie in seinen Fängen, wirbelte sie durcheinander und ließ sie häufig ratlos zurück. Erneut war es Corax, der sie ablenkte. "Soll ich dich ausziehen, kleine Herrin oder möchtest du das allein tun?" Madiha starrte ihn an. „Ehm“, brachte sie nur hervor und sah auf das Kleid in seinen Händen. Es war so wundervoll… erneut schossen ihr die Tränen in die Augen und sie schluckte. „Ehm..“, sagte sie noch mal und plötzlich begann ihr Herz zu schlagen. Madiha trat einen Schritt zurück und sah unsicher auf den zauberhaften Stoff. „Corax?“, fragte sie leise und trat wieder einen Schritt auf ihn zu. Sie legte ihm eine Hand auf die eigene und drückte sie leicht hinunter. „Ich weiß nicht, ob ich Caleb’s Bitte erfüllen kann.“, murmelte sie niedergeschlagen. „Ich… habe… Angst, dass ich das nicht ertragen kann.“, versuchte sie sich zu erklären. „Dass du… du mich… siehst… ich“, sie floh aus der Situation und begann im Zimmer auf und ab zu wandern.
„Aber ich will ihm auch nicht die Hoffnung nehmen. Ich will nicht, dass er unglücklich wird.“, sie blieb stehen und drehte sich zum Raben um. Warum sie ihm das alles sagte? Warum sie sich bei Corax öffnen konnte? Er war sie. Er verstand sie, konnte es nachvollziehen- so glaubte sie jedenfalls. Madiha hatte sich noch nie eine Stufe über Corax gesehen. Schon immer war sie ihm gedanklich ebenbürtig. „Aber es muss sein, nicht wahr?“, fragte sie und verlor sich in den Gedanken. „Für ihn…“, flüsterte sie. Dann schloss sie die Augen und holte tief Luft. Ihr Blick wurde entschlossener. Vielleicht verbissen.

„Probieren wir es.“, sie war sehr bemüht, entschlossen und sicher zu klingen. Ihre Mimik sprach etwas anderes. Mit zitternden Fingern begann sie, ihre Kleidung zu lösen. Madiha starrte nur noch durch Corax hindurch und sie spürte, wie ihr Herz massiv zu schlagen begann. Unruhig wurde sie, ihr Atem ging schneller, mit jedem Kleidungsstück, das ihren Körper freigab indem es auf den Boden fiel. Madiha presste die Lippen aufeinander und entblößte sich vor Corax. Bis sie halb nackt vor ihm stand. Ihre Mitte blieb verdeckt, das musste sie jetzt nicht und würde sie auch derzeit nicht schaffen. Madiha aber fühlte sich überhaupt nicht gut. Sie atmete zu schnell, sie spürte die Hitze in ihren Wangen und sie fühlte, wie ihre Augen überschwappten. Es war skurril. Denn im Badehaus fiel es ihr nicht schwer, sich im Haus der Damen zu zeigen. Wieso jetzt? Die Nähe… es war die Nähe zu Corax, den sie als Freund betrachtete. Es war die fehlende Nähe von Caleb, dem sie bedingungslos vertraute und der ihr Sicherheit gab. Es war eine so intime Situation für Madiha, dass sie sich an ihre Zeit bei Khasib erinnert fühlte. Als er die Türen schloss, die unheilvoll klickten. Als er auf sie zutrat und sie aufforderte, die Kleider auszuziehen. Und selbst Hand anlegte, wenns ihm zu lange dauerte. Madiha versuchte zu verdecken, was nur ihr gehören sollte und niemals ihr Eigentum gewesen war. „Schnell… bitte…das Kleid…“, keuchte sie und sah flehend zu Corax. Sobald sie es an hätte, würde sie sich bedeutend wohler fühlen. Sie bräuchte einen Moment, aber dann versiegten die Tränen und auch ihr Atem wurde ruhiger. „Tut mir leid.“, murmelte sie. „Ich weiß, er braucht das so dringend…“, murmelte sie weiter. „Ich wünschte, das Vertrauen würde hier ausreichen… aber er hat so viel Missgunst erfahren, dass seine Gedanken vollkommen vergiftet sind davon, dass er mir schaden könnte…“, plapperte sie und seufzte. Dann erst wurde ihr bewusst, was für ein Kleid sie trug und mit einem Mal sah sie den Stoff mit offenem Mund an. „Er ist so bemüht, dass es uns allen gut geht…“, seufzte sie und lächelte Corax ergriffen an. „Er hat es ebenso verdient, dass man sich um ihn bemüht…“, nickte sie. Es würde nicht leicht werden, aber stumm willigte sie ein, dass Corax als Dunia würde nachsehen dürfen, ob sie in der Lage war, Caleb das zu geben, was er sich wünschte. Sie würde sich dabei nicht wohler fühlen oder es sogar wollen. Aber sie wollte etwas anderes umso mehr: Caleb Absolution erteilen, dass er Frieden finden konnte. So oder so…
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 30. Juli 2023, 14:34

Corax ließ Madiha den Vortritt. Er musterte sie, als sie das Zimmer betrat, das ihr und Azura für die Zeit in der Wassermagie-Akademie zugewiesen worden war. Sie wollte es versuchen, Vertrauen zu haben. Der Rabe drehte den Kopf, dass die Federn seines Rabenhelms raschelten. Er schaute den Gang hinunter und verzog die Lippen zu einem schmalen Strich. "Deine Geheimnistuerei ist dämlich ... rede mit ihr..." Er seufzte, schüttelte den Kopf und folgte dann in den Raum hinein. "Feigling..."
Nichts hatte sich verändert und wäre Madiha nicht im Badehaus gewesen, hätte sie der Raum wohl nochmal beeindruckt. So aber wirkte er fast schon langweilig, obwohl all die schönen Bilder gerade unter der Decke verzaubern konnten. Wenn sie hier einschlief, würde sie auf wirbelnde Wellen, Delfine, kleine Tinten- und andere Fische schauen, die ihr letztes Bild vor dem Einschlafen sein sollten. Sie würde die schönen Töne von grauem Stein und Stahlblau zu schätzen wissen, denn sie unterstrichen ihre eigene Augenfarbe. Aber auch wenn dieses Zimmer im Vergleich zu den vielen Farben des Badehauses eher einen schlichten Eindruck hinterließ, so fühlte es sich wie Heimat an. Es glich Sarma in keinster Weise, aber es war in Rückzugsort, in dem Madiha sich geschützt und sicher fühlen konnte. Woher kam dann aber dieses Unbehagen? War es der Hunger, der sich langsam in ihrem Bauch ausbreitete? Nein. Sie wusste sehr genau, wo der Ursprung lag. Jedes Mal, wenn Corax an ihr vorbei huschte, erinnerte er sie daran, dass sie Caleb zuliebe eingewilligt hatte, sich von ihm als Dunia begutachten zu lassen. Er würde sie nicht nur nackt sehen. Er würde sie mit Dunias Augen sehen und darüber hinaus tiefe Einblicke in ihr Intimstes erhalten. Nie zuvor hatte sie sich so unwohl gefühlt bei dem Gedanken, denn nie zuvor hatte es Bedeutung. So viele hatten sie schon gesehen, berührt, benutzt. Aber es waren Fremde gewesen oder Khasib selbst, der ohnehin immer bekam, was er wollte und dadurch auch all ihren Hass geerntet hatte. Corax aber war ein Freund. Mehr noch, Madiha glaubte, sie könnten einander verstehen wie sonst niemand ihres kleinen Kreises. Sie waren sich ähnlich. Das ließ ein Band entstehen, welches in der Lage war, sie für den Raben zu öffnen. Er hatte sie schon mehrfach gebeten, Vertrauen zu haben. Sie nahm dies auf. Sie vertraute. Mit Tränen in den Augen vertraute sie sich ihm an.
"Corax? Ich weiß nicht, ob ich Calebs Bitte erfüllen kann." Corax wandte sich um. Er nahm vor Madiha Platz, dass er auf seinen Knien und Oberschenkel saß. Er musterte sie. Wenigstens konnte sie seine Augen wieder sehen, auch wenn sie von schwarzen Federspitzen umrahmt wurden. Sorge glomm darin, aber auch eine Spur von Verärgerung. Sie schien nicht ihr zu gelten, breitete sich dennoch aus, als Madiha weitersprach. "Ich ... habe ... Angst, dass ich das nicht ertragen kann. Dass du ... du mich ... siehst ..."
Corax drückte Madiha das Kleid in die Hände, um seine eigene frei zu haben. Er griff hinaus, schob einen Teil ihrer gemachten Haare zurück und hinter ihr Ohr, dass ihre Narben zum Vorschein kamen. Er neigte sich vor. Der Rabenschnabel seines Helms kam ihr bedrohlich nahe, aber er war gar nicht scharf. Wie hatte er damit Caleb nur schneiden können? Er war federweich, als würde Madiha von einem Dutzend kleiner Weidenkätzchen gekitzelt. Sanft rieb er damit knapp unter ihrem Auge entlang, fing die Tränen auf und zog sich wieder zurück. Er sah sie bereits. Er sah, welche Hoffnung sie nicht nur ihm brachte, sondern so vielen. "Du bist schön, kleine Herrin", meinte er nur. Madiha floh. Sie wanderte rastlos durch den Raum, während Corax an Ort und Stelle sitzenblieb. Er beobachtete. Sein Mund wurde mit jedem Schritt schmaler, den Madiha nahm. Und er ballte seine verbliebene Hand zur Faust, zuckte leicht, als sie erneut stehenblieb.
"Aber es muss sein, nicht wahr? Für ihn..."
Corax' Finger verkrampften. Dann fand er etwas, das sonst nur Kjetell'o perfektioniert hatte. Er suchte nach innerer Ruhe und fand sie. Er wusste mehr als Madiha. Das hieß nicht, dass er es befürwortete, aber er hatte Caleb sein Wort gegeben, ihn zu unterstützen. Freunde taten das, auch wenn es manchmal dumm war. Dass Freunde auch in die Schranken wiesen, musste der Rabe noch lernen. So seufzte er nur: "Ja ... es muss wohl sein." Dann hob er den Kopf an. Er erhob sich. "Aber es wird alles gut. Vertrau mir." Er wurde nicht müde, sie dazum zu bitten. Er gab nicht auf und auch bei Madiha passte es nicht in ihr übliches Bild. Sie hatte sich durch so viel Leid, Schmerz und Elened gekämpft. Warum bei jemandem aufgeben, den sie liebte? Corax hatte Recht. Es musste sein. "Probieren wir es."
"Ja", erwiderte er, gab ihr etwas Freiraum, damit sie sich ausziehen konnte. Er drehte sogar den Kopf fort, wandte sich halb ab. Er lauschte und wartete darauf, dass sie ihn zu Hilfe rufen würde. Seine Spitzohren hörten nichts, aber seine Grauschelmsinne, die Sinne des Leidträgers, nahmen sehr wohl wahr, wie sie sich fühlte.
"Ich kann dein Leid riechen", sagte er wie so oft. Das löste aus, dass er nun doch hinschaute. Er wollte sie nicht sehen, er musste. Er musste sehen, worunter sie litt. Und er erkannte es schnell. Madiha stand unnatürlich verbogen vor ihm, versuchte krampfhaft, alles vor ihm zu verdecken, was sie sonst nur noch Caleb zeigen wollte. Sie atmete wie unter Stress, ihre Wangen glühten, die Augen glänzten von weiteren Tränen fast fiebrig. Sie sah unglücklich aus.
"Schnell ... bitte ... das Kleid..."
"Nein", schnaubte er. "Das ... will ich nicht... Caleb, du bist ein Idiot!" Corax griff nicht zu dem Kleid, das Madiha hatte liegenlassen, als es sie wie einen rastlosen Tiger drängte immer wieder von der einen Seite seines Käfigs zur anderen zu wandern. Er griff sich in den Nacken. Was bei Caleb eine Geste der Nervosität und Versuch war, diese zu kaschieren, entpuppte sich bei Corax als ein Akt des Schmerzes. Leid brachte immer auch Schmerz mit sich und manchmal sogar, wenn man versuchte, sich davon zu lösen.
"Hrrrrnnnnggggaaarrrhhhh!"
Als Madiha von Caleb an Abbas verkauft worden war und ihr Sklavenleben zunächst einmal nur daraus bestand, Hausarbeiten zu erledigen, musste sie einmal mit einem Staubwedel den Schmutz aus einem der engen Kaminrohre beseitigen. Abbas heizte nicht oft, was in Sarma ohnehin nur nachts vorkam und auch nur dann, wenn man nicht in seinen warmen Decken lag. Abbas aber ließ den Kamin nur entzünden, wenn er einen bestimmten Gast bei sich hatte. Da dieser sich erneut angekündigt hatte, musste alles gereinigt werden, inklusive des alten Eisenrohres für den Brennofen. Niemand machte das gern, denn es rußte und man bekam den Schmutz oft Tage lang nicht von der Haut herunter. Deshalb hatte man Madiha angewiesen. Sie war mit dem Staubwedel bewaffnet und voller Eifer an ihre Arbeit herangefangen, aber sie war noch jung gewesen. Jung und kraftlos, was angesichts ihres dürren Leibes ohnehin niemand anders erwarten durfte. So war es dazu gekommen, dass sich der Staubwedel im Rohr selbst zwischen all dem verkrusteten Ruß und Dreck verhakt hatte. Das Mädchen zog daran, bis schwarzer Staub sie einhüllte und ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie erinnerte sich, schwer gehustet zu haben. Aber sie erinnerte sich auch, als der Erfolg auf ihrer Seite war. Sie hatte so fest an dem Stiel des Wedels gezogen, bis dieser sich löste. Es ratschte, mit jedem weiteren Zentimeter, den sie ihr Werkzeug aus dem Rohr zog. Die Federn des Wedels lösten sich unter leisem Knacken, während ihre Spitzen über das Innenleben des Eisenrohres kratzten und einen ganz eigenen, unliebsamen Ton erzeugten. Einen, bei dem man glaubte, Fingernägel schabten über eine Kreidetafel, ehe sie Risse bekamen und brachen. Damals wie heute verpasste ihr dieses Geräusch eine Gänsehaut. Denn was Corax tat, hörte sich genauso an und es flogen auch schwarze Federn umher, wie bei Abbas, als sie den Staubwedel endlich hatte befreien können, aber nur noch den Stiel in Händen hielt, während all die kleinen Wischfedern wie tote Vogelreste aus dem Rohr tropften oder durch den Raum wirbelten. Sie hatte ein halbes Dutzend Stockschläge dafür erhalten und bitterlich geschrien.
Corax schrie, als schwarze Federn durch ihr Sichtfeld flogen und das kratzende Geräusch an ihrer Erinenrung schabte. Mit einem Arm riss er an seinem Umhang. Er riss daran, bis die obersten Federn sich trotz ihrer kleinen Widerhaken endlich aus seinem Fleisch lösten. Sie gaben blutige Löcher im Nacken frei. Von den Federkielen tropfte es rot. Ein Teil des Gefieders hatte sich gänzlich von dem Umhang gelöst, tanzte durch den Raum. Aber Corax brachte den Rest seines rabenhaften Kleidungsstückes zu Madiha herüber und noch ehe sie etwas erwidern konnte, hüllte er ihre von Unbehagen gelähmte Gestalt darunter ein.
Es war nicht Wärme, die sie erfasste. Leid wärmte nicht. Es war kalt und schwer. Gewicht drohte, sie in die Knie zwingen zu wollen. Es war so schwer wie nichts Anderes, das sie kannte. Wie konnten Federn sich nach Bergen von Gestein anfühlen? Wie konnte Corax es tragen und warum legte er ihr all das Leid nun um? Warum verletzte er sich selbst? Weshalb-?

Wellen rauschten, Wind blies. Ein Nachthimmel ließ nur Konturen zu, aber Corax konnte genug erkennen, um die Gestalt zwischen den Kisten im Laderaum zu erkennen. Er trat in die schmale Nische, wo der Schatten an der Wand lehnte, mit verschränkten Armen.
"Was wünscht Ihr, Herr?", fragte er und wurde sofort von der Gestalt dichter herangezogen. Er konnte ihn riechen, den seichten Film von Schweiß, vor allem aber das Unbehagen. Es war ihm niemals zuvor aufgefallen, dass er es wahrnahm, doch jetzt roch er es. Oder sahr er es in dem blaugrünen Gemisch des Augenpaares, das selbst im Dunkeln wie von Seegras umgebene Fjorde leuchten konnte?
Caleb ließ Corax los, um sich die Hose aufzuschnüren. Der Dunkelelf versteifte sich. "...Herr?" Er dachte an Jakub, war unschlüssig, ob er die Gestalt des kleinen Dunkelelfenjungen annehmen sollte. Ob Caleb das bevorzugte. Er würde es tun. Er war Madihas Gefährte und sie die kleine Herrin. Sie hatte sich ihm angenommen, also ... musste es sein, nicht wahr?
"Bitte, schau hin." Calebs Stimme war nicht fordernd. Corax konnte die Angst riechen, sehen, hören. War es Calebs Leid oder sein eigenes? Er wagte es nicht, einen Blick drauf zu werfen. Caleb seufzte. "Oder ist es dir lieber, mal anzufassen? Wenn's unbedingt sein muss, dann..."
"Ich schau hin, Herr." Er öffnete die Augen. Er versteifte sich noch mehr. Jakub hatte ihm Schmerzen bereitet. Caleb würde ... ihn zerreißen.
"Ich weiß", seufzte der Kapitän. "Gewaltig wie ein Unterarm. Es ... ich würde sie vernichten, oder?"
"J-ja..."
Caleb brach in Tränen aus.

Wieder rauschten Wellen. Der Wind blies etwas milder. Sie würden nur langsam vorankommen, aber wenigstens schipperte die 'Blaue Möwe' in die richtige Richtung. Andunie lag nicht mehr weit. Corax stand neben Caleb an der Reling. Die Hemden beider Männer flatterten leicht im Wind. Der Rabe sah müde aus, kränklich, aber er wusste, dass es gut war, hier zu sein. Caleb hatte ihn überredet und wenigstens eine Stunde würde Azura ohne ihn zurechtkommen. Sie lief schon nicht weg. Sie würde nie wieder laufen, nie wieder etwas tun.
"Ich weiß, es ist der falsche Zeitpunkt, es anzusprechen."
Corax schwieg.
"Es beschäftigt mich, dass ich nachts wach liege."
Corax schwieg noch immer.
"Ich will sie glücklich machen. So wie du Az... sie gern glücklich gemacht hättest."
Corax zuckte zusammen. Caleb legte ihm einen Arm um. Der Elf lehnte sich gegen die Seite des Kapitäns. Er weinte still. Jetzt schwieg Caleb, streichelte seinen Freund stattdessen über den Oberarm und beide schauten eine Weile hinaus auf's Meer. Dann löste er sich von dem Raben. "Tut mir leid. Es ist wirklich der falsche Zeitpunkt. Geh zurück zu ihr und-"
"Was willst du, Herr? Was ist es, das du willst, damit die kleine Herrin ihr Glück findet?"
Caleb sog hörbar die Luft ein, beugte sich auf das Holz der Reling und faltete die Hände. Er presste sie zusammen wie in einem Gebet zu Göttern, die er hinter sich gelassen hatte. Er senkte den Kopf, kniff die Augen zusammen. "Dunia würde wissen, ob ... so ein Unterarm ..."
Corax schwieg.

"Herr ... bitte verlang das nicht von mir."
"Du bist der Einzige, der mir helfen kann, Corax." Caleb griff nach seinem Arm. "Mir und Madiha. Ich ... weiß ja nicht einmal, ob sie das je wollen könnte, aber ... falls ... ich kann doch dann nicht... Lass mich nur wissen, ob es geht. Ob es unmöglich wäre." Sein Griff festigte sich. Es schmerzte. Corax hielt es aus, aber er blickte Caleb entgegen und erstmals funkelten seine Augen mit rebellischem Ärger. "Du verlangst etwas, das mehr als eine Seele zerstören könnte, falls es nicht funktioniert."
"Ich ... weiß ..." Er löste sich von ihm. Er ließ den Kopf hängen. Corax musterte diesen Mann. Er konnte das Säuerliche riechen, das von ihm ausging. So roch Leid. Seit wann nahm er es bewusst wahr?
"Du hättest sie in Sarma fragen sollen. Vielleicht dort um Hilfe bitten, soe notfalls bezahlen. Dann hätte sie es getan, oder nicht? Sie ist doch eine H-"
"Wage es nicht, sie so zu nennen!", keifte Caleb und hatte die Hand wie zum Schlag erhoben. "Bezeichne sie niemals in meiner Gegenwart als etwas, das sie nicht ist. Nie war. Sie ist beeindruckend und klug, stark und unabhängig!"
"Und trotzdem willst du, dass ich ihre Gestalt annehme und es zulasse, dass du sie ... und mich ... brechen könntest." Caleb ließ die Hand sinken, ohne dass er sein impulsives Vorhaben hätte beenden können. Die komplette Umgebung roch säuerlich. Sie schmeckte auch unangenehm. Bei jedem Atemzug kam es dem Raben vor, als würde er gezwungen, gasförmiges Erbrochenes in sich aufzunehmen.
"Ich liebe sie, Corax. Ich liebe sie über alle Maßen. Ich möchte sie glücklich machen und ihre ... schlechten Erinnerungen in Gute wandeln. Ich möchte einfach... ich möchte das für sie. Ich muss einfach wissen, ob ich es ermöglichen kann."
Corax trat dicht an den Kapitän heran. Er legte seine Arme um ihn. Er hielt ihn, während Caleb den säuerlichen Geruch von Leid nass auf Corax' Schultern weinte. "Ich wäre bereit, jeden von euch zu opfern... für sie..."
"Sag das nicht, Herr." Der Rabe streichelte über den breiten Rücken. Caleb klammerte sich an ihm fest. "Ich könnte mich auch in sie verwandeln und..."
"Nein. Dann würde ich es mit dir erleben, was ich nur mit ihr möchte. Das ... geht nicht."
"Aber mit Dunia geht es...?"
Caleb schwieg.
Corax seufzte: "Bitte, verlange es nicht von mir. Es fällt mir schwer, mich gegen deine Bitte aufzulehnen und Nein zu sagen, Herr."
"Dunia ist erfahren, in Heilkunde bewandert. Sie wüsste doch vorab oder zumindest beim ersten Schmerz, ob es ginge oder nicht."
"Caleb... bitte ..."
Der Himmel nahm die Farbe von Galle an. Die 'Blaue Möwe' fuhr auf einem Meer aus giftiger Säure. Das Holz wies schon Spuren des Zersetzens auf. Und alles roch so widerlich. Alles drückte so schwer auf Corax' Seele herab, als trüge er einen Mantel aus Gestein und Eisen.

Caleb schaute Kjetell'o nach, der mit Madiha zusammen den Gang hinunter schritt. Er rief noch zurück, dass Azura jederzeit zum Unterricht nachkommen könnte. Der Dieb wandte sich dem Raben zu. "Leidträger, ja?"
Corax nickte.
"Dann lastet auf dir sicher auch das Wissen über das Leid, das ich mit mir herumschleppe."
Wieder nickte Corax. Er hielt Caleb seine offene Hand hin. "Du kannst es mir geben." Der Dieb schüttelte den Kopf und verfiel in Schweigen, als Azura das Zimmer verließ, sich von ihm mit einer unwirschen Bemerkung verabschiedete, Corax alt nannte und sich dann ebenfalls auf den Weg machte, um ihre erste Unterrichtseinheit bei Kjetell'o zu besuchen. Beide Männer schauten ihr hinterher. Erst als Caleb glaubte, niemand würde ihn mehr hören, wandte er sich Corax zu. Er kam ihm nahe, um leise sprechen zu können. Dabei hätte der Elf es ohnehin wahrgenommen. Er besaß feine Sinne. Er roch das Säuerliche in der Luft und seufzte. "Schon wieder?"
"Bitte. Ich habe eine Woche gelitten. Sie lag in diesem Bett und ... ich liebe sie so sehr. Das weiß ich jetzt. Sie weiß es jetzt. Irgendwann wird sie mehr wollen und ich..."
"Du könntest es einfach versuchen." Corax sah, wie Caleb sich verkrampfte. Er drückte eine Faust gegen die Wand neben dem Kopf des Raben. Corax hob seine verbliebene Hand, um Calebs Kopf auf seine Schulter zu ziehen. Er kraulte ihm den Hinterkopf, so wie Kjetell'o es beim Raben zu tun pflegte. "Ich kann dein Leid riechen", sagte er.
"Entschuldige", erwiderte Caleb. "Ich ... werde es nicht los. Es macht mir Angst. Ich will die Zeit mit Madiha nicht in ständiger Angst verbringen müssen. Ich will sie lieben. Du musst das doch verstehen können, so wie du Azura liebst. Auch sie lag eine Woche reglos im Bett. Sie war ... tot. Corax ... du verstehst mich doch!"
Der Rabe seufzte. "Was du verlangst, könnte ihr nicht gefallen." Ihm gefiel es auch nicht. Er wollte seinem Freund helfen, aber so? Wenn es sein eigener Körper wäre, aber Caleb brachte Dunia ins Spiel und Corax hatte ihre Gestalt nun schon oft genug eingenommen, um einen Teil ihrer Person zu verinnerlichen. "Falls es unmöglich ist, wird die kleine Herrin es verstehen. Sie wird dich nicht weniger mögen."
"Ich muss wissen, ob es möglich ist. Bitte, Corax. Ich verlange es nicht von dir, ich bitte dich als Freund. Ich .. flehe dich an. Hilf mir!" Caleb löste sich von ihm, schaute ihn an. Seine Augen schwammen schon wieder und der ganze Gang füllte sich mit dieser säuerlichen Luft. Nicht einmal Venthas Regen könnte das hinfort spülen. Corax beherrschte sich, nicht zu würgen. Irgendwie roch es saurer als jemals zuvor. Er konnte es nicht nur riechen, schmecken. Er konnte sehen, wie es Caleb zu zersetzen begann. Es fraß sich auf seine Seele zu.
"Ich will nur, dass sie glücklich ist. Ich bin bereit, alles und jeden zu geben. Der Preis ist mir bewusst. Ich ... hab sehr lang darüber nachgedacht. Es ... es zerstört mich, Corax. Ich muss es wissen. Ich will ihr niemals wehtun. Ich bin schon für genug ihres Leids verantwortlich. Ich will es wiedergutmachen, aber wenn ich sie zerstöre, dann ... ich ..." Er zitterte. Dieser große Mann bebte wie Espenlaub. Er rang mit sich, versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sein schiefes Lächeln war verschwunden. Sein Leid sperrte den Freigeist, der er war, nicht ein. Es legte ihm auch keine Ketten an. Es brach ihn ... so wie der Glaube, endgültig alleingelassen worden zu sein, beinahe Corax gebrochen hätte. Aber seine Freunde waren gekommen. Sie hatten ihn gesucht, gefunden und von Serpentis befreit. Sie waren bereit gewesen alles zu opfern, damit er glücklich werden konnte und jetzt? Jetzt war er auf dem besten Weg dorthin. Azura lebte. Er konnte ihr jeden Tag sagen, wie sehr er sie liebte udn ungeachtet ihres Äußeren würde er sie lieben. Immer und immer wieder, wann immer sie sich nach ihm verzehrte. Er war ebenfalls bereit, für ihr Glück alles zu geben. Auch sich selbst.
"Bitte, Corax..."
Vom Gang her näherte sich Madiha, freudig über ihre Erfolge der ersten Unterrichtsstunde und ungesehen von den beiden Männern, die in Calebs Leid gefangen waren. Doch Corax war der Leidträger und mit seinem, unter einem Seufzen abgegebenen Nicken nahm er das Leid des Diebes in Empfang. "Nagut ... ich tue es... für euch..."
Calebs Feder aus Leid, die Corax aus dem Nacken wuchs, vermischte sich mit regenbogenfarbenem Schillern im unteren Gefieder, als der Dieb kaum glauben konnte, was er hörte und aus dem Affekt heraus eine Welle reinsten Glücks über Corax hinweg schwappen ließ. Er küsste ihm, küsste ihn voller Dankbarkeit und Liebe in einer Freundschaft, die niemals enden sollte.
Wenn man sein Leid teilte, konnte daraus Nährboden für Glück werden und es war das einzige, was sich vergrößerte, wenn es geteilt wurde. Es war warm, weich ... und leichter als Tausend Federn im Wind...


Das Gewicht löste sich von Madihas Schultern. Die Kälte und mit ihr die Beklemmung nahmen ab. Was sie gesehen, gehört ... was sie geträumt hatte? Es schwand, hinterließ aber Wissen in ihrer Erinnerung. Ein schwarzer Schatten flog über sie hinweg wie ein Raubvogel, als Corax den Federumhang von ihren Schultern zog und sich wieder umglegte. Er presste sich Federkiel um Federkiel zurück in die blutigen Löcher seines Nackens. Das Fleisch schnappte gierig nach dem Leid, umhüllte es und nahm es in sich auf. Zurück blieb nichts, als hätte er seinen Umhang nie abgelegt. Nur der Helm aus Federn mit dem dunklen Schnabel war verschwunden. Wohin auch immer, er hatte sich aufgelöst. Corax schaute Madiha entgegen. Auch der Ärger in seinem Blick schien verblasst. Der Ärger über Caleb und dass er nicht offen mit der Frau sprach, die er liebte. Denn Corax konnte auch Verständnis dafür aufbringen. Caleb hatte Angst. Caleb wünschte sich, dass Madiha glücklich würde mit jeder Faser ihres Körpers. Er wollte ihr all das zurückgeben, was sie ihm schenkte. Corax sah es ähnlich und deshalb hatte er eingewilligt. Er wollte etwas zurückgeben für all die Hoffnung, die er Dank Madiha hatte sehen und erleben dürfen. Hoffnung auf eine Zukunft mit Azura. Hoffnung auf Freiheit. Sowohl Madiha als auch Caleb sollten ebenfalls frei sein. Frei von Ängsten. Deshalb hatte er zugestimmt.
"Du bist schön." Hatte er ihr diese Kompliment nicht eben schon gemacht? Nun kam es ein zweites Mal und dieses Mal meinte er tatsächlich ihre körperliche Schönheit. Das Kleid, das ihr am Leib hing, unterstrich all ihre natürliche Schönheit und selbst die kleinen Sterne auf dem Nachthimmel aus Stoff verblassten, wenn Madihas Augen strahlten.
"Er ist so bemüht, dass es uns allen gut geht..."
"Ja", stimmte Corax zu und streckte Madiha seine Hand entgegen. "Vor allem um dich ist er bemüht. Deshalb hab keine Angst. Vertrau mir. Es wird gut gehen. Und nun komm. Er wartet sicher schon darauf, dich glücklich zu machen." Corax hatte einen Mantel bereitgelegt, weit und dunkelblau mit grauem Pelzbesatz und einer dazu passenden Kapuze. Auch ein Paar Stiefel standen bereit, mit denen Madiha problemlos würde durch den Regen stapfen können, ohne sich oder ihr Kleid zu besudeln. Das Paar Tanzschuhe lag zusammen mit Madihas erkauftem Schmuck in einer Tüte, die sie mitführen würde. Corax würde zusätzlich zu allem trotzdem noch einen Schirm über sie halten und so könnten sie die Akademie nun verlassen. Sofern Madiha unterwegs nichts mit dem Raben zu besprechen hätte, schwieg er. Seine Gestalt reichte glücklicherweise aus, dass niemand sie auf ihrem Weg aus der Akademie und zurück in Andunies Straßen hinein belästigte. Keiner wollte sich einem Dunkelelfen in den Weg stellen, der ein Gewand aus Federn der Finsternis trug. Erst Recht nicht, als der Helm zurückkehrte. Er wuchs über Corax' Kopf hinweg, je länger er schwieg, bis der Schnabel wieder da war und nur noch seine roten Augen unter dem Gefieder hervor lugte. Er trug Leid, das sich nicht so leicht abschütteln ließ. Er trug Madihas Sorgen, Calebs Ängste und nicht zuletzt auch sein eigenes Leid. Das wog wohl am schwersten, vor allem die Ungewissheit. Jene, die sich um Azura und einen nackten Kjetell'o rankten. Dieses Leid würde auch nicht schwinden, bis er wusste, was vor sich ging. Deshalb half er Caleb. Er hatte erkannt, dass Ungewissheit die Seele zerfraß.
So führte er Madiha durch die Straßen Andunies, durch die mittlerweile in schwachen Licht der Straßenbeleuchtung erhellten Gassen. Er führte sie durch den Regen und an schaurigen Gestalten vorbei. Mit der Nacht war das Unheimliche wieder über Andunie hereingebrochen. Kaum vorstellbar, dass Caleb hier irgendwo essen wollte, aber nach einer Weile erkannte selbst Madiha den Weg wieder. Es ging zu einem Bereich der Stadt, den sie glaubte, erst einmal nicht so schnell wieder aufzusuchen. Corax führte sie in Richtung Hafen.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 559
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 1. August 2023, 19:48

Nie hätte Madiha geglaubt, dass jemand für sie bis an die Grenzen des Erträglichen gehen würde. Madiha glaubte auch jetzt nicht daran und ging noch viel weniger von Vornherein davon aus. Sie hätte niemals für möglich gehalten, dass jemand so viel für sie empfinden könnte, dass er bereit wäre alles andere zu vergessen… und sich selbst zu verraten. Die Situation, die die Verbindung zu Caleb mit sich brachte, spitzte sich zu. Bis dahin glaubte Madiha aber auch noch, er wollte sie vorführen und ihr abverlangen, dass man sie – mit welchen Augen auch immer – begutachtete. Nichts weiter war es für Madiha. Sie verstand ja den Grund. Ja mehr noch, sie konnte erkennen, dass Caleb unter sich selbst litt. Das verstand sie alles und doch fiel es ihr so immens schwer, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Sie wollte. Aber sie spürte auch, dass es ihr mitunter nicht gelingen könnte. Manchmal waren die Wunden zu tief und der Wille nicht stark genug. Sie wollte sich selbst einer Prüfung unterziehen und entblößte sich vor Corax, der ihr mit dem Kleid helfen sollte. Aber es brauchte nicht mal zwei Wimpernschläge, da begann ihr Körper darauf zu reagieren. Sie sah sich in ihre Vergangenheit versetzt und sie lastete schwer auf ihr. Es erfasste sie regelrecht, katapultierte ihren Geist so sehr zurück, dass sie meinte den Schweiß und die Hitze Sarma’s riechen zu können. Madiha zitterte wie Espenlaub und verkrampfte sich. Automatisch und ohne darüber nachzudenken, nahm sie die Haltung ein, die ihr über die Jahre perfekt gelingen wollte. Demütig, unterwürfig und unwohl. "Ich kann dein Leid riechen" Madiha sah auf und zog die Augenbrauen zusammen. „Oh… tut… tut mir leid.“, flüsterte sie und streckte ihren Arm nach dem Kleid aus. Sie brauchte es. Sie musste es anziehen, als Schutz, für ihre gebrochene Seele. "Nein, Das ... will ich nicht...“, den Rest verstand sie nicht, aber Madiha war ohnehin nicht aufnahmefähig. Für den Bruchteil einer Sekunde starrte sie Corax fassungslos an. Was wollte er nicht? Ihr helfen? Madiha zweifelte. Wie sie immer sofort zu zweifeln begann, weil in ihrer mickrigen Welt nichts Bestand hatte. Dann aber sah sie mit wachsendem Entsetzen zu, wie Corax sich selbst scheinbar verstümmelte. Das Geräusch projizierte eine Erinnerung, die die Bilder vor ihrem inneren Auge tanzen ließen. Sie war wieder klein und noch dürrer als sowieso schon. Und sie sah sich, rußbedeckt, nach diesem vermaledeiten Wischmopp angeln. Das Geräusch war so ähnlich und sofort erfasste sie eine Gänsehaut. Sie kniff die Augen zusammen und öffnete sie just in dem Moment, da Corax auf sie zuging und den schwarzen Federumhang wirbeln ließ, um ihn auf ihre Schultern zu legen.

Madiha hörte auf zu atmen. Sie starrte Corax mit tränennassen Augen an und spürte die furchtbare Kälte, die selbst ihre Gänsehaut erstarren ließ. Die Schwere nahm sie erst danach war und keuchte den gestauten Atem heraus. „Was… wieso…“, wimmerte sie und sank unter dem Gewicht in die Knie. Madiha kniete im Umhang aus Leid vor Corax und stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab. Sie bebte leidend. So viel Schmerz, so viel Leid… Sie glaubte nicht, dass sie das ertragen würde. „Warum… Corax…“, schluchzte sie noch, dann aber hatte sie mit einem Mal das Gefühl, als höre sie… Meeresrauschen. Ja, da war Wind, aber es schaukelte lediglich der Untergrund. Madiha sah den dunklen Vorratsraum auf der ‚Blauen Möwe‘, der das Versteck von Caleb gewesen war zu Anfang. Dann sah sie die blaugrünen Augen aufblitzen. Sie spürte, das Corax nicht sicher war, was er hier sollte. Madiha’s Herz raste, während sie mit weit aufgerissenen Augen der Szenerie folgte. Sie sah, wie Caleb sich den Stoff seiner Hose aufschnürte. Madiha japste in schlimmster Erwartung und dem Grauen, dass sie ihm das nicht zutraute. Auch Corax zuckte zurück. Sie hatte das Gefühl, als wollte sie sich in einen kleinen Jungen verwandeln… Jakub… da waren Gedanken zu Jakub. Madiha schüttelte den Kopf. Die Erinnerungen waren furchtbar und sie wollte sie nicht länger sehen.
"Gewaltig wie ein Unterarm. Es ... ich würde sie vernichten, oder?"
"J-ja..."

Dann sah sie Caleb weinen. Madiha runzelte die Stirn und kam allmählich in einen Sitz. Noch immer trug sie den Umhang, doch jetzt folgte sie seinem Pfad des Leides und schaute der nächsten Szene zu. Sie konnte die furchtbare Stimmung förmlich riechen. Corax litt. Er hatte Azura verloren und Caleb war dafür auferstanden. Madiha ließ ihre Tränen kullern. Die Erinnerungen daran waren nicht weg. Aber durch die Geschehnisse, die folgten, wurden sie in den Hintergrund verdrängt. Auch Madiha hatte gelitten in dieser Ungewissheit. Jetzt fühlte sie sich daran erinnert und konnte nur stumm dabei zusehen, wie alles wieder hervorgeholt wurde. Die Szene war eigentlich eine recht schöne. Denn sie zeigte ihr, wie vertraut Corax und Caleb geworden waren und wie sie miteinander umgingen. Das war ihr Caleb… er, der seinen Arm um den Raben legte, um ihm Halt zu geben… Madiha schniefte und sah weiter zu. Hätte sie doch bloß aufgehört zuzuschauen…
"Dunia würde wissen, ob ... so ein Unterarm ..."
"Herr ... bitte verlang das nicht von mir."
"Du bist der Einzige, der mir helfen kann, Corax. Mir und Madiha. Ich ... weiß ja nicht einmal, ob sie das je wollen könnte, aber ... falls ... ich kann doch dann nicht... Lass mich nur wissen, ob es geht. Ob es unmöglich wäre."
Sie glaubte, dass sie den festen Griff selbst an ihrem Arm spüren konnte. Madiha hielt erneut den Atem an. Vollkommen gebannt von dem, was sie da sah.
"Du verlangst etwas, das mehr als eine Seele zerstören könnte, falls es nicht funktioniert."
"Ich ... weiß ..."


Madiha schluckte. Irgendetwas entging ihr hier, so glaubte sie. Etwas, was sie noch nicht erkennen konnte…
riechen, das von ihm ausging. So roch Leid. Seit wann nahm er es bewusst wahr?
"Du hättest sie in Sarma fragen sollen. Vielleicht dort um Hilfe bitten, soe notfalls bezahlen. Dann hätte sie es getan, oder nicht? Sie ist doch eine H-"
"Wage es nicht, sie so zu nennen!“
Madiha zuckte zusammen unter der Heftigkeit, mit der Caleb reagierte. "Bezeichne sie niemals in meiner Gegenwart als etwas, das sie nicht ist. Nie war. Sie ist beeindruckend und klug, stark und unabhängig!"
"Und trotzdem willst du, dass ich ihre Gestalt annehme und es zulasse, dass du sie ... und mich ... brechen könntest."
Madiha wurde blass. Ihr wurde übel von dem Geruch, der sich da ausbreitete. Sie spürte, wie ihr Magen rumorte, doch sie hatte länger nichts gegessen. Ihr Herz raste. Bedeutete das etwa… das….? Ihr wurde schwindelig, doch der Umhang zwang sie, weiter zuzusehen. "Ich liebe sie, Corax. Ich liebe sie über alle Maßen. Ich möchte sie glücklich machen und ihre ... schlechten Erinnerungen in Gute wandeln. Ich möchte einfach... ich möchte das für sie. Ich muss einfach wissen, ob ich es ermöglichen kann. Ich wäre bereit, jeden von euch zu opfern... für sie..."
"Sag das nicht, Herr."
Sie hätte sich freuen sollen, so etwas zu hören. Aber Madiha spürte, wie ihr immer schlechter wurde. "Ich könnte mich auch in sie verwandeln und..."
"Nein. Dann würde ich es mit dir erleben, was ich nur mit ihr möchte. Das ... geht nicht."
"Aber mit Dunia geht es...?"
"Bitte, verlange es nicht von mir. Es fällt mir schwer, mich gegen deine Bitte aufzulehnen und Nein zu sagen, Herr."
"Dunia ist erfahren, in Heilkunde bewandert. Sie wüsste doch vorab oder zumindest beim ersten Schmerz, ob es ginge oder nicht."
"Caleb... bitte ..."


„Hör auf… hör bitte auf…“, flehte Madiha und konnte nicht anders als die Augen zu schließen. Die Bilder vertrieb das aber nicht. Sie fror bitterlich und schüttelte immer wieder unwillig den Kopf. Noch immer drückte diese Last sie gen Boden und hielt sie dort fest. In einem Sumpf aus Galle und Bitterkeit. Das fehlende Puzzleteil verankerte sich so sehr in ihrem Kopf, dass sie glaubte, nie wieder aus diesem Pfuhl aus Leid auftauchen zu können. Caleb wollte, dass Corax sich in Dunia verwandelte, um mit ihm… ihr… eine Probe zu wagen. Er wollte nicht riskieren, Madiha zu verletzen, aber er würde sowohl Corax als auch im weitesten Sinne Dunia verletzen. Madiha würgte vor Übelkeit. Und das alles für sie? Erneut flammte eine Szene auf, die gewiss nur Leid bringen würde. Sie starrte auf das, was sie in Teilen schon gesehen hatte. Jetzt aber hörte sie auch die Sprache dazu. "Ich will nur, dass sie glücklich ist. Ich bin bereit, alles und jeden zu geben. Der Preis ist mir bewusst. Ich ... hab sehr lang darüber nachgedacht. Es ... es zerstört mich, Corax. Ich muss es wissen. Ich will ihr niemals wehtun. Ich bin schon für genug ihres Leids verantwortlich. Ich will es wiedergutmachen, aber wenn ich sie zerstöre, dann ... ich ..." Madiha schloss die Augen. Es war so schwer zu sehen und gar zu verstehen, was Caleb antrieb. Aber ebenso schwer war es zu erkennen, welch falschen Weg er einschlug. Und was er bereit war zu tun… für sie. Madiha. "Nagut ... ich tue es... für euch..." schlagartig öffnete Madiha ihre Augen wieder „Nein!“, keuchte sie und sah auf. Die Bilder endeten hier und sie spürte, wie ihr die immense Last des Umhangs genommen wurde. „Nein!“, wiederholte sie energisch und nun funkelten Sprenkel des Zorns in ihren Augen, die auch die Rabenfedern nicht hinfort fegen konnten. Noch immer stand sie unter dem Bann des Erlebten und rührte sich nicht. Ihre Augen schwammen in einer Mischung aus Übelkeit, Zorn und Zuneigung für Caleb… für Corax. "Du bist schön." Sie blinzelte und verzog das Gesicht. Madiha griff sich das wundervolle Kleid und bedeckte sich. Erst jetzt hatte sie das Gefühl, sich wieder etwas stärker zu fühlen. "Er ist so bemüht, dass es uns allen gut geht..." "Er ist so bemüht, dass es uns allen gut geht...", sagte sie und ihr Blick lag auf dem Kleid an ihrem Körper. In ihr herrschte ein einziges Gefühlschaos.
Das Verständnis für Caleb’s Ängste, für seinen flammenden Wunsch ihr gegenüber. Die Freude darüber und das geschmeichelte Gefühl. Die Geborgenheit, die sie ob dieses Einsatzes empfand. Aber demgegenüber standen all die schlechten Gefühle. Sein Leid, Corax‘ Leid, ihr Leid. Calebs Weg brachte kein Glück – Calebs Weg würde ihn, Corax und sie selbst zerstören. Madiha fröstelte abermals. "Vor allem um dich ist er bemüht. Deshalb hab keine Angst. Vertrau mir. Es wird gut gehen. Und nun komm. Er wartet sicher schon darauf, dich glücklich zu machen." Sie sah ihn schweigend an. Noch immer war sie blass ob des Gesehenen, doch in ihrem graublauen Blick schimmerte eine kleine Flamme. Entschlossenheit nistete sich dort ein und auch wenn sie nichts zu Corax sagte, hatte Madiha eine Entscheidung getroffen. Sie folgte dem Raben durch die Akademie und konnte unbehelligt zur Straße gelangen. Niemand wagte es, sich ihr in den Weg zu stellen. Ohnehin sah sie nun nicht länger wie ein Sklavenmädchen aus. Madiha trug das nachtblaue Kleid und darunter die ungewohnten Schuhe, die der Händler ihr dazugelegt hatte. Nie hatte Madiha etwas ähnliches angehabt und so brauchte sie eine Weile, bis sie sich an die leichten Hacken gewöhnt hatte. Ihre Füße versprachen ihr jetzt schon, dass sie später am Abend gewiss schmerzen würden. Aber das hielt sie nicht auf. Der Umhang wärmte die nackten Arme unter dem dünnen Stoff, der im Wind verspielt auf ihrer Haut kitzelte. Madiha hatte sich für schlichten Schmuck entschieden: Sie trug die Muschel, die sie am Strand mit Caleb gefunden hatte und hatte ansonsten die Haare so gelassen, wie der Barber es hergerichtet hatte. Das Mädchen fühlte sich tatsächlich wie eine Prinzessin und konnte ein aufgeregtes Glühen auf den Wangen nicht verbergen. Allerdings machte sie ihrer Freude keine Luft. Madiha war schweigsam, ergriffen von dem Erfahrenen und kaute innerlich auf ihrem Entschluss herum. Was immer Caleb auch jetzt vor hatte, sie würde warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. Dann erst würde sie ihn in ihre Pläne einweihen. Madiha aber folgte Corax und als sie aus ihren Gedanken auftauchte, erkannte sie, dass sie dem Weg zum Hafen folgten. Überrascht sah sie aus, denn sie hatte nicht geglaubt, dass sie noch einmal herkommen würde. Bevor sie also den Hafen aber betreten konnten, hielt Madiha Corax noch mal auf. „Warte kurz..“, bat sie ihn und hob den Blick in sein Gesicht. Madiha wusste nichts davon, dass er Hoffnung in ihr sah. Erst Kjetell’o hatte ihr verraten, dass Corax offenbar ganz… zufrieden war mit ihr. Was immer das auch heißen sollte. „Es wird alles gut, ich verspreche es dir.“, kam es nun ganz bewusst von ihr in seinen Worten. „Es wird sich zum Guten wenden – aber nicht auf diese Art.“, versprach sie Corax. Sie hatte sein Hadern durchaus gesehen und teilweise gefühlt. Er wollte einem Freund helfen… das verstand sie. Aber nicht so. Das ging viel zu weit. „Ich lasse nicht zu, dass…“, sie schluckte und konnte noch immer spüren, wie sehr es sie mitnahm, dass die Dinge so aus dem Ruder liefen. „…du wirst das nicht tun.“, sagte sie dann mit fester Stimme und wieder dieser Entschlossenheit in ihrem Blick. „Nicht für Caleb, der das als dein Freund nicht verlangen sollte. Nicht für irgendwen und für mich schon lange nicht.“, bestimmte sie. Dann glitt ihr Blick aus Corax‘ Augen und sie schluckte. „Ich werde mit ihm reden…“, versprach sie leise und sich wohl bewusst, dass das in völlig falsche Richtungen laufen könnte…
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 2. August 2023, 14:38

Wie schwer der Mantel aus schwarzen Federn doch war unc Corax trug ihn, ohne auch nur das kleinste Anzeichen von nötigem Kraftaufwand zu zeigen. Madiha hätte das Gewicht beinahe zu Boden gepresst. Wenn man bedachte, dass sie lediglich Calebs abgegebenes Leid hatte sehen dürfen. Sie wusste, wie der Umhang zustande gekommen war. Sie wusste, dass ein nicht unerheblicher Teil aus ihrer Bitte entstanden war, er mochte sich in ein Elternteil verwandeln. Hinzu kam der seltsame Schnabelhelm, den er trug, seit er von Azura und dem nackten Kjetell'o berichtet hatte. Oh, wie schwer musste dieses Federkleid doch sein!
Madiha aber konnte sich nun nicht mit dem Gewicht von Leid beschäftigen. Sie litt selbst. Sie litt, weil sie das Leid anderer miterlebt hatte. Sie hatte gesehen, gefühlt und auch gerochen, wie sehr Calebs Ängste ihn auffraßen. Es war schmeichelhaft, dass er sich so sehr sorgte, ihr nicht wehtun zu wollen, aber seine Idee, es anzugehen war einfach falsch. Das wusste er selbst, trotzdem wollte er diesen Schritt gehen. Er war nicht nur bereit, Dunia indirekt Schaden zuzufügen, falls es misslang. Er würde auch Corax' Seele einen erneuten Stich versetzen. Das alles nur, um Madiha zu schonen und vor seinen eigenen Makeln zu bewahren. Das Leid, sie damals an Abbas verkauft und sie so in ein Schicksal gelenkt zu haben, das sie letztendlich zu Khasib geführt hatte, saß so tief bei ihm. Er selbst hatte noch nie bei einer Frau gelegen und doch ahnte er offenbar, wie ungemein schön dieser Moment sein könnte. Er wusste zumindest, dass er Madiha diese Erfahrung nicht nur genommen hatte. Sie war verdorben worden, vielleicht unrettbar zerstört. So viele Männer hatten sie besudelt, dass ihre Seele auf dieser Ebene möglicherweise nicht mehr geheilt werden könnte. Madiha musste sich das sogar selbst eingestehen. Die Bilder waren zurückgekehrt, nur weil sie sich vor Corax hatte umziehen wollen. Es war ein Test gewesen und schon da hatte ihr Leib gedroht, ihr zu versagen. Der Rabe hatte es unterbunden, indem er ihr die Federn umgelegt hatte. Er hatte ihr so einen Einblick in all das gewährt, was Caleb wohl schon seit Jahren bewegte. Sein unsichtbarer Umhang aus Leid, den er mit sich herumtrug. Es hatte sie von ihren eigenen Dämonen abgelenkt, nun aber spürte sie wieder das Zittern.
Rasch streifte sie ihre Sternenhimmelgewandung über, schlüpfte in die Tanzschuhe und ließ sich dann einen Mantel überwerfen, der vor dem Regen schützen sollte. Darunter fröstelte das Wüstenkind. Selbst unter Sarmas Hitze wäre ihr nun kalt gewesen. Der Zorn, der in ihren Augen glomm war die letzte Wärmequelle ihres Körpers, aber sie entfachte diese immer mehr.
Corax sprach ihr gut zu, doch Madiha schwieg. Sie ließ sich durch die Korridore der Akademie geleiten, wobei einige Passanten ihr Blicke nachwarfen. Ihr und dem einarmigen Rabenritter an ihrer Seite. Es war wie aus einem Märchen, das Prinzessin Madiha aus Sarma nicht genießen konnte. Ihre Gedanken kreisten um einen Entschluss, von dem sie nicht mehr abrücken würde. Was Caleb plante, durfte so nicht passieren. Sie würde es zu verhindern wissen.
Ihr gemeinsamer Weg führte sie aus der Akademie der Wassermagie heraus. Ventha zeigte keine Gnade. Der Regen hörte nicht auf. Corax hielt erneut einen Schirm, während Madiha durch die nassen Straßen wanderte. Ihre Füße schmerzten bereits leicht, denn sie war es nicht gewohnt, hochhackige Schuhe zu tragen. Als sie bereits das zweite Mal mit den Absätzen zwischen den Pflastersteinen hängen blieb und drohte, umzuknicken, lenkte Corax sie zu einem trockenen Unterstand. Dort tauschte er ihre Tanzschuhe gehen die Regenstiefel aus.
"Am Ziel gibt es bestimmt die Möglichkeit, die Schuhe zu wechseln. Aber dazu musst du das Ziel erst erreichen", raunte er und wollte sie schon wieder zurück in den Regen führen.
"Warte kurz..." Madiha hielt ihn auf. Er erwiderte ihren Blick geduldig. Sie sah keine Spur von Leid darin. Er musste doch wissen, was auf ihn zukam. Auf ihn als Dunia. Er wusste, was Caleb vorhatte. Er trug es mit jeder Feder auf seinem Leib. Das Leid umgab ihn, hüllte ihn ein. Wahrscheinlich blitzten diese Bilder und Ängste wie Erinnerungen ständig vor seinen geistigen Augen. Er sagte, er konnte Leid riechen. Madiha hatte feststellen dürfen, dass er es selbst erst entdeckte und bei Caleb in einer Intensität, dass sie es kaum ertrug. Corax musste den ganzen Weg bis hierher doch die Galle in der Luft schmecken! Warum erweckte er dann einen so ruhigen Eindruck? Er sah Madiha aus warm glimmenden Rubinen entgegen. Er lächelte sogar leicht, als wollte er sie beruhigen. Schon öffnete sich sein Mund und Madiha konnte die Lippen passend zu ihren Worten bewegen sehen. Aber sie sprach aus, was Corax ihr hatte sagen wollen.
"Es wird alles gut, ich verspreche es dir." Corax stutzte. "Es wird sich zum Guten wenden - aber nicht auf diese Art."
Er nickte. "Nicht auf diese Art", wiederholte er. Selbst der Rabe machte sich Gedanken zur Durchführung von Calebs Planung. Er schien eigene Lösungen zu entwickeln. Wollte er deshalb, dass Madiha ihm vertraute? Sie aber hatte längst einen Entschluss gefasst. Dieses Mal würde sie es sein, die eingriff. Sie konnte Corax nicht immer alles regeln lassen. Er trug bereits Calebs Leid. Er würde neue Federn entwickeln, wenn sie zuließ, was ihr Dieb vorhatte. Sein Umhang würde um so vieles schwerer werden durch sein Leid. Und Dunias? Würde er in ihrer Gestalt auch ein separates Leid entwickeln? Das Leid einer Frau, die gar nicht anwesend war und die man doch für Zwecke missbrauchen würde? Caleb meinte es gut, aber er würde über Leichen gehen, wenn er seinen Plan verfolgte. Es durfte nicht passieren.
"Mach dir keine Sorgen. Es wird halb so schlimm ..." Corax lächelte auf und sagte dann etwas, das Madiha wohl durch Mark und Bein gehen musste. "Er kann mir nicht wehtun. Immerhin ist er mein Freund."
Er konnte ihr nicht wehtun. Niemals. Das hatte Madiha Caleb im Badehaus beteuert und war schon dort bereit gewesen, genau diese Situation herbeizuführen, für die Corax sich nun hingeben wollte. Bei ihnen beiden war Liebe der Antrieb, auch wenn sie beim Raben eine platonische Ader besaß. Er würde es Caleb zuliebe tun, für dessen Seelenfrieden. Aber wer beschützte seinen vor Unglück?
Madiha starrte ihm entschlossen entgegen. Als sie sprach, richtete sie ihre Worte wohl ebenfalls an ihr vergangenes Ich. Möglicherweise unbewusst, aber sie selbst musste hören, dass auch sie zu wertvoll war, um so viel Zerstörung zuzulassen. Gerade Caleb setzte sie über alles. Er hob sie auf eine Stufe, die Madiha sich nicht einmal vorstellen konnte. Warum sollte ihr Seelenheil dann weniger wiegen als das von Corax? Warum sollte irgendjemand sich für diese Sache hingeben müssen? Es durfte nicht passieren!
Sie schaute Corax noch immer an. "... Du wirst das nicht tun." Jede Silbe war in Entschlossenheit ihres Herzens getränkt. "Nicht für Caleb, der das als dein Freund nicht verlangen sollte. Nicht für irgendwen und für mich schon lange nicht." Dass sie mit dem Dieb reden wollte, bekam Corax schon nicht mehr mit. Sein Blick flackerte, ehe die Rubine Risse bekamen. Nein, sie verschwammen, zogen einen roten Schweif hinter sich her, als er den Blick abwandte und versuchte, ein Aufschluchzen zu unterdrücken. Der Schirm fiel zu Boden. Zum Glück standen sie noch immer geschützt. Corax hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht zu laut zu wimmern. Seine Schultern bebten, dass die Federn raschelten. Stück für Stück, Feder um Feder fielen sie von ihm ab und im Schwarz schimmerten alle Farben, die Madiha sich nur vorstellen konnte. Der Wind wehte sie sogleich in den verregneten Abend hinaus. Sie alle flogen davon, ein Reigen aus schwarzem Gefieder, der mit jedem Schwung immer farbenfroher schillerte, bis es aussah, als hätte sich ein Regenbogenschleier in die Straßen verirrt. Ventha zog ihn zu ihren Wolken empor, wirbelte ihn umher, tanzte mit ihm. Dann regnete es erneut. Es regnete Farben. Überall, wo die Federn auf die Dächer fielen, verliefen sie zu einem kunterbunten Öl, das sich wie ein Schutzfilm über die Häuser legte, ehe es in deren Tiefen hineinsickerte und verschwand.
Madiha spürte ... Glück. Eine zuvor nicht da gewesene Zuversicht ergriff den Stadtteil, in dem sie sich befand. Die Luft war mit einem Mal von Hoffnung erfüllt, als hätte der Regen jegliche dunklen Gedanken hinfort gespült. Auf dem Wasser noch trieben vereinzelt weiße Federn, die im Licht bunt schimmerten. Ventha trug sie durch die Stadt zu Zielen, die ein wenig Hoffnung benötigten oder Freude oder ... Glück. Zurück blieb das Wüstenmädchen in ihrer Prinzessinnengarderobe zusammen mit einem Rabenritter, der diesen Namen nicht mehr trug.
Ohne Umhang und Helm stand Corax im Regen und spähte Madiha über den Rand seines Handrücken hinweg an. Seine Augen waren Juwelensplitter aus allen Farben der Welt. Sie funkelten wie die Moasike im Badehaus und darüber hing ihm ein Schopf silberweißer Haare in die Stirn. Seine Hautfarbe hatte sich dieses Mal nicht geändert, aber alles andere besaß dieses silberweiße Reine, welchem durch das bunte Schimmern erst Leben eingehaucht wurde.
"Ich liebe dich, Madi..." Sie wusste, wie er es meinte. Es war nicht die aufrichtige Liebe eines Mannes zu einer Frau. Diesen Platz nahm Azura in seinem Herzen ein. Dennoch war es eine ähnliche, eine bedingungslose Liebe. Die Liebe zu einer Freundin, für die er alles tun würde. "Danke..." Es kam nicht darauf an, dass Madiha mit Caleb reden wollte. Es kam nicht auf das Ergebnis an und ob sie ihren eigenen Plan würde umsetzen können. Es kam auch nicht darauf an, ob Corax sich nicht doch noch hergab für eine Sache, die seine Seele genauso schädigen könnte wie es Caleb bei Madiha fürchtete. Was für den Raben im Regenbogenkleid zählte, war, dass es überhaupt jemanden gab, der an ihn dachte. Madiha hatte ihn berücksichtigt und zwar bevor es längst zu spät war. Sie wolle nicht, dass er benutzt würde. Sie wollte nicht, dass er es hinnahm oder sich gar opferte. Weil er eben nicht nichts war. Er besaß wert und sie hatte daran gedacht. Weil auch sie Wert besaß. Die Dankbarkeit tropfte aus seinem Herzen und verteilte sich als Frohsinn über den ganzen Stadtbezirk. Auch Madiha spürte es. Da war eine Zuversicht, die ihre Entschlossenheit an der Hand nahm. Es würde gut gehen. Sie musste Vertrauen haben. Es würde alles gut werden. Das versprachen beide einstigen Sklaven sich gegenseitig. Das und den Entschluss, dass niemand geopfert würde. Für niemanden.

Weiter bei Der Haden Andunies -> Perfektion mit Fettnäpfchen
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Freitag 16. Februar 2024, 17:29

Madiha kommt von Wohnviertel Andunies -> Das Anwesen der Faelyns

Der Weg zurück zur Akademie der Wassermagie zu Andunie war von Regen und trüben Wolken geprägt. Gemeint waren jedoch nicht dunkle Gewitterdecke, die sich keinen Zentimenter weit von Andunie fortbewegt hatte. In Madihas Herzen breitete sich Trübsal aus. Caleb hatte geschwiegen. Er war nicht mit ihr gekommen, hatte überhaupt nichts mehr gesagt, nachdem Jivvin erschienen und sie beide mit ihrem Stelldichein in der Gasse konfrontiert hatte. Schlimmer noch, sie hatte daraufhin ihr Interesse an Caleb geäußert, weil auch sie einmal die Vorzüge eines ... ausgeprägt gewachsenen Mannes genießen wollte. Je länger Madiha darüber nachdachte, desto finsterer entwickelten sich ihre Grübeleien und angesichts des weiten Weges zurück zur Akademie hatte sie eine Menge Zeit zum Nachdenken.
Sie ging nicht einmal auf die Wachen ein, welche ihr den Weg versperren wollten. Dieses Mal aber nicht, um sie als Nicht-Dunkelelfe oder Nicht-Magierin aufzuhalten, sondern einfach nur nach ihrem Begehr zu fragen. Sie schlich einfach von selbst zwischen ihnen hindurch, dass die Elfen reichlich verwirrt dreinschauten.
"Lass die Kleine", meinte der eine zu seinem Kollegen. Er deutete auf Madihas Kleidung, die nach wie vor aus einem Satz bestand, die die Eleven der Akademie trugen. Damit war die Sache für beide Elfen klar und sie konnte ungehindert passieren. Ihre Füße trugen sie wie von selbst in den gealtigen Lehrkomplex hinein. Inzwischen hatte sich einiges getan. Plötzlich wirkten die Hallen wieder belebter. Lehrstunden standen erneut auf dem Plan. Ein Alltag wie viele andunische Studierende ihn kannten, schien an die Akademie zurückzukehren. Auch wenn Abschnitte der Akademie nach wie vor von Dunkelelfen bewacht wurden und überall das morgerianische Banner von den Wänden prangte, so wirkte das gesamte Klima innerhalb der Mauern ... gelöster. Es fühlte sich an, als würde Venthas anhaltender Regen nach und nach das Düstere aus ihren Lehrhallen spülen. Es reinigte Körper und Geist. Leider konnte eine vom Regen klatschnass gewordene Madiha sich dennoch nicht von ihren Gedanken lösen, jedenfalls nicht allein.
Sie war so in ihnen versunken, dass sie gar nicht bemerkte, dass ihre Schritte sie durch die Korridore auf vertrate Pfade und bis vor die Tür geführt hatten, hinter der sie nach ihrem Erwachen Corax und einen als Serpentis getarnten Kjetell'o angetroffen hatte. Erst seine Stimme war es, die sie aus ihren Gedanken wieder herauszuholen vermochte. Sie drang dumpf durch das Holz der Tür. Er unterhielt sich mit jemandem und plötzlich...
"HAAAAA-TSCHIIIIIIIAAAAHHHRRR .... oh, verzeih, jetzt hast du meinen Schnodder auf dem Hemd!" Sein Niesen ließ die Tür erzittern. Daraufhin schabte Holz über Stein, als wohl ein Stuhl gerückt wurde. Rascheln folgte. Kjetell'o suchte offenbar nach etwas, vielleicht einem Tuch, um sein Missgeschick fortzuwischen.
Die getroffene Person hingegen brummte nur. Es war kaum mehr als dieser Laut und das dicke Holz der Tür schwächte ihn sogar ab. Dennoch lag etwas Vertrautes darin. Als schließlich auch die Stimme bis zu Madiha durchdrang, wusste sie, wer sich noch mit dem Shyáner im Raum befand. Es war nicht Corax.
"Wie gesagt, ich habe ihn nicht persönlich gesehen, aber sein Name ist bekannt. Er wird als ... nobler Gefangener behandelt, bei dem sie eher Informationen und Kontakte nutzen wollen als seine Körperkraft. Trotzdem sitzt er irgendwo hinter Gittern anstatt zu Hause in seinem noblen van Ikari-Anwesen. Adlige ... hrm ... kann mit denen nichts anfangen."
"Ich danke dir, Jakub, dass du dich trotzdem so höflich mit deiner Meinung zurückhältst. Und nun lass mich dein Hemd abwischen."
"Lass das mal, Elf!", entgegnete Jakub mit seiner lange nicht gehörten festen Stimme. "Eine warme Mahlzeit und ein guter Schluck wären mir jetzt lieber. Ich bin schließlich direkt hierher gekommen, aye."
So sah er auch aus, falls Madiha es wagte, den Raum zu betreten. Denn Jakub hockte beinahe so nass wie sie selbst war auf einem Stuhl, am Schädel eine genähte Platzwunde, ein Veilchen unter dem rechten Auge, aber ansonsten lebendig. Grimmig und ernst blickte er drein, während Kjetell'o eher wie ein Häuflein Elend wirkte. Er schwitzte, aus seiner Nase lief mehr neuer Rotz als Jakub auf seinem Hemd hatte und er war von einer dicken Bettdecke umschlungen, trug weiche Pantoffeln, aber ... seine Wange war geschwollen und rot. Hatten beide Männer sich geprügelt?
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 559
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 17. Februar 2024, 12:38

Madiha ging. Vielleicht hatte sie gehofft, dass Caleb sie aufhalten würde. Vielleicht, dass er überhaupt bemerkte, dass sie auch noch da war. Dass es ihm leid täte, so offenkundig nach Jivvin’s Avancen derart verzückt zu sein, dass er alles – und jeden – um sich herum vergaß. Er hatte die Elfe angestarrt und … hatte er es sich schon vorgestellt? Wie er anstatt mit ihr, Madiha, lieber mit Jivvin in der Gasse… Madiha presste die Lippen aufeinander. Das war nicht fair… er hatte ihr gesagt, er würde das nicht mehr wollen. Er hatte ihr doch extra diesen Abend beschert, sich mit Corax Hilfe richtig ins Zeug gelegt. Hatte ihn dafür sogar überschwänglich geküsst. Madiha’s Gedanken wurden schwer. Wieso war das alles so schwierig? Sie wusste, dass ihre Gefühle für Caleb vollkommen ihm gehörten. Wieso wusste sie das andersherum nicht auch einfach? Warum tat es so weh? Das Mädchen verstand es nicht, denn bisher hatte sie so noch nicht empfunden. Dass dieses Thema ganz normal war, dass man sich wohl immer etwas sorgte, ob der andere einen noch mochte, ahnte Madiha nicht. Für sie war vollkommen selbstverständlich, dass Caleb völlig entzückt von den Jivvin’s und Azura’s dieser Welt war. Wie könnte er wohl auch nicht? Sie waren wirklich schön, besaßen viel mehr zu geben, wussten sich auszudrücken oder zu erwehren. Sie waren einfach… mehr. Madiha’s Gedanken wurden immer trüber und irgendwann befand sie sich in einem Kreislauf, der nur nach unten gehen konnte. Das fremde Feuer belebte nicht ihre Leidenschaft, es fraß sich durch ihr Herz. Es loderte nicht, um sie zu wärmen. Es loderte, um sie zu verbrennen. Madiha keuchte vor Anstrengung und erinnerte sich an das leidenschaftliche Techtelmechtel mit Caleb. Es war spontan entstanden und wahnsinnig anregend gewesen. Wieso reichte das nicht aus? Und wieso reichte sie nicht einfach aus? Warum brachte Jivvin’s Bemerkung ihn derart aus dem Konzept, dass er seine Zunge verschluckte und Madiha vergaß? Die Sarmaerin kümmerte sich nicht, um den Regen. Er durchnässte sie, ließ nicht nur ihre dunklen Haare schwerwerden. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ihr Herz verkrampfte sich. Sie ging durch die andunischen Gassen, als wäre sie hier schon monatelang zu Hause. Die Wasserakademie war nicht schwer zu finden, thronte sie doch über allem hinweg. Sie musste ein paar Mal abbiegen, weil sie dann doch in Sackgassen geriet, aber alles in allem kam sie zügig voran und das war ihr auch lieb so. Sie wollte Abstand zwischen sich und die anderen beiden bringen. Sie war sauer auf Jivvin. Die Dunkelelfe scherte sich nicht wirklich um Madiha. Sie hatte es noch heimlich angenommen, dass sie einen guten Kern besaß. Aber Jivvin würde sich Caleb nehmen und er würde einfach mitmachen. Er würde sich nicht wehren – wollte er ja augenscheinlich auch nicht. Madiha schnaubte verbittert, ob ihrer Gedanken. Wehren… als ob er sich bei jemandem, wie der Dunkelelfe mit den goldenen Augen wehren wollte. Das Feuer in ihr züngelte hoch und fast hätte sie es verloren. Das Mädchen beeilte sich, getrieben von dem Gedanken, möglichst viel Platz zwischen sich und Caleb zu bringen, um nicht noch Zeugin ihres Tuns zu werden. So in Gedanken versunken, bemerkte sie nicht mal, dass sie zwischen den Wachen an der Akademie vorbeihuschte und jene ihr einfach nur fragend nachsahen. Sie hatte wohl Glück im Unglück, dass man sie nicht auch noch aufhielt und anderweitig behelligte. Oder die anderen hatten Glück, denn so, wie das Feuer in ihr schrie… Madiha fand ihren Weg ganz autonom. Sie dachte nicht groß darüber nach, denn mit jedem düsteren Gedanken, brannte das Feuer in ihr höher. Es ernährte sich regelrecht von ihrer Schwermut und baute sich zu einem Finale auf, das sie, mal wieder nicht kontrollieren konnte.

Aber Madiha sah diese Gefahr nicht, als sie durch die Gänge und Aquädukte der Akademie ging. Sie nahm nur am Rande wahr, dass hier langsam wieder mehr Studierende unterwegs waren und sich allgemein ein leichteres Gefühl einstellte. Im Moment hatte sie nicht wirklich ein Auge dafür, auch wenn sie dieser Bau immer noch beeindruckte. Doch auch das war nichts, was sie wahrlich begeistern könnte, denn im Grunde hatte sie auch hier als Feuermagierin nichts zu suchen. In ihrem Innern bildete sich auf einmal ein Name: Kjetell’o. Er war der einzige Feuermagier, von dem sie hier wusste und irgendwie zog es sie dorthin. Vielleicht war ja Corax auch dort oder aber der Elf könnte ihr helfen herauszufinden, wo er war. Madiha lenkte ihre Schritte zu eben jenem Zimmer, in dem sie gemeinsam mit Azura erwachte. Bevor sie die Tür einfach öffnen konnte, hörte sie von drinnen einige Stimmen. Madiha zögerte und lauschte als ein Nieser sie zusammenzucken ließ. Die nächsten Worte waren gedämpfter, aber sie verstand dennoch alles. Jakub war bei Kjetell’o, wie es aussah. Madiha holte tief Luft. Corax hörte sie leider nicht, aber vielleicht wussten die Männer ja, wo er war. Jakub sprach über van-Ikari und Madiha zögerte kurz. Ob Azura da war? Sie runzelte die Stirn. Sie hatte die Adelige ewig nicht gesehen und wusste gar nicht, wie es bei ihr derzeit aussah.
Doch Azura hätte Madiha zu ihrem Glück jetzt nicht gebrauchen können. Die Adelige erinnerte sie ja doch nur stets daran, was sie alles nicht sein konnte. Selbst im untoten Zustand. Erneut wallte eine Düsternis in ihr auf und sie klopfte zögerlich an die Tür. Vielleicht war es zu leise, also versuchte sie es etwas beherzter. Dann trat sie ein und erfasste die beiden Männer. Kjetell’o’s Anblick schaffte es für einen Moment, die Sarmaerin abzulenken. Überrascht betrachtete sie den in eine Bettdecke eingerollten Elfen und versuchte zu verstehen, was los war. Dann fiel ihr Blick auf Jakub, der ein Veilchen unter dem Auge trug. „Was ist mit euch passiert?“, fragte sie einfach und schloss die Tür hinter sich. Sie kam ohne Umschweife näher in den Raum und warf jedem immer wieder einen Blick zu. Madiha aber lächelte nicht oder zeigte sich anders freudig über das Wiedersehen. Was nicht an Jakub oder Kjet lag, aber sie konnte nicht. Der Weg hierher hatte ihre Befürchtungen nur befeuert, anstatt sie zu klären. Vielleicht hätte sie nicht gehen sollen.

Nun war es zu spät und sie blieb vor dem Schreibtisch stehen. Noch einmal prüfte sie die Gesichter der Männer, doch dann wandte sie sich ab und verfiel in Aktionismus. Sie schürte das Kaminfeuer an, damit Kjet nicht mehr fror, bis sie dann an Jakub herantrat und auf seinen Mantel deutete. „Den musst du ausziehen, sonst ergeht es dir, wie ihm“, deutete sie monoton auf den Elfen. „Ich habe ein gutes Rezept gegen Erkältung aus Sarma… vielleicht kann ich es zubereiten lassen? Ich frage mal“, sie zuckte die Schultern. Madiha verfiel gleich wieder in eine helfende Rolle, die sich um das Wohl der anderen bemühte. Selbst Kathar kam in jenen ‚Genuss‘, da würde sie wohl bei engeren Bekannten keine Ausnahme machen. „Du gehörst ins Bett, Kjetell’o“, sagte sie ungewohnt fest und redete ihn tatsächlich persönlich an. „Ich werde gehen und euch etwas zum Essen holen,“ sie stutzte kurz und sah Jakub an, „und wohl neue Kleidung.“ Dass Madiha selbst nass war, bekam sie nicht mit. Es bedurfte wohl noch jede Menge Zeit, bis sie endlich aufhörte, alle anderen über sich zu stellen. Bis sie die Bedürfnisse anderer mehr und schneller erkannte als ihre. Bis sie sich in einem anderen Licht sah. Vor Stunden noch war sie so beflügelt gewesen von ihrem Schauspiel einer Meisterdiebin. Sie hatte es beinahe geglaubt, aber dann… dann hatte Kathar ihr klargemacht, dass sie es niemals verbergen konnte. Und Jivvin ihr gezeigt, dass sie nichts festhalten konnte, wenn ein anderer es nicht wollte. Also tat sie eben, was sie immer tat, und kümmerte sich um andere Nöte und Sorgen. Darin war sie wenigstens halbwegs brauchbar.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Montag 19. Februar 2024, 22:18

Gleich und gleich gesellt sich gern, so hieß es. Hätte Madiha diese Redewendung in Anbetracht ihrer trüben Gedanken zu Rate gezogen, so wären diese noch tiefer in der Spirale mangelnden Selbstwertgefühls herabgerutscht. Nahm sie jene aber zur Hand, weil sie erkannte, dass ihre Schritte sie wie von selbst in Richtung von Kjetell'os und Corax' Schlafkammer führten, passte es wunderbar. Er war der einzige Feuermagier an der Akademie. Er war der einzige Feuermagier in Andunie, den sie kannte. Sie spürte nach wie vor das Fremdfeuer in sich und wie es sich durch ihre Seele fraß, weil es sonst keine Nahrung vorgeworfen bekam. Madiha wusste nicht, wie sie mit diesem aufgenommenen Elementanteil umgehen sollte, aber wenn nicht bald etwas geschah, könnte sie für nichts garantieren. Dann müsste sie sich wohl vor allem und jedem zurückziehen, allein schon, um niemanden zu gefährden. Nun, Caleb hatte sich schon außer Gefahr gebracht. Er war mit Jivvin gegangen. Sicher gaben sie Messer rasch bei Harm ab, um sich anschließend eine Gasse zu suchen. Ihre Gasse! Jene, in der der Dieb vor nicht allzu langer Zeit noch Madiha so glücklich gemacht hatte. Die bloße Vorstellung daran ließ ihr Herz krampfen und fügte ihrem gesamten Körper Schmerzen zu. Also schob sie die Gedanken so weit beiseite wie es ihr möglich war und konzentrierte sich seit langem mal wieder auf sich. Nur auf sich und ihre eigenen Probleme. Diese bestanden aus Feuer und sie musste jene lösen.
Als sie vor der Tür zu Corax' Schlafgemach innerhalb der Akademie stand, hörte sie Stimmen. Eine davon gehört eindeutig Kjetell'o, auch wenn er etwas nasal klang. Die andere aber war nicht jene des Raben. Trotzdem erkannte Madiha Jakub auf Anhieb. Oh, der gute Jakub! Stets wurde er von der gesamten Truppe wieder vergessen und doch bemühte er sich, seine Fehler zu bereinigen, indem er allen wie ein Schatten zur Hand ging. Ein großer, grimmig dreinblickender Schatten mit Glatze und scharfkantigen Zügen. Dass aber auch er anders sein konnte, hatte die Sarmaerin bereits erfahren. Sie fürchtete ihn nicht, im Gegenteil. So öffnete sie die Tür schlicht und betrat den Raum.
Viel hatte sich hier nicht verändert. Madiha fiel vielleicht erstmals auf, dass Kjetell'o hier unmöglich mit Corax hatte nächtigen können, vorausgesetzt, beide teilten nicht ein Bett. Es gab nämlich nur das eine. Ansonsten erinnerte sie die Kammer an ihr eigenes Schlafgemach, das sie sich eine Zeit lang mit Azura geteilt hatte. Es existierten nebst Bett nur noch ein Schrank für Kleidung, eine große, klobige Truhe für private Habseligkeiten, ein Schreibtisch für das Selbststudium und natürlich ein Zugang zu einem schmalen Balkon, damit man jederzeit die salzige Brise, den Regen oder das Rauschen des Meeres wahrnehmen konnte. Immerhin handelte es sich um eine Akademie, an der ausschließlich Wassermagie gelehrt wurde! Entsprechend fanden sich auch in Corax' Raum maritime Motive aller Art, während das Farbspektrum durch diverse Blau- und Grautöne wanderte. Im blauen Meeresmuster mit kleinen aufgestickten Fischen war auch die Decke, welche Kjetell'o sich um die Schultern geschlungen hatte. Er stand am Schreibtisch, vor Jakub, und putzte sich zum wiederholten Male die Nase. Sie war schon ganz rot und vom Schleim daraus an den Rändern verkrustet. Auf seiner Stirn glänzte ein Schweißfilm, die Wangen waren etwas gerötet. Auffällig war jedoch die geschwollene Linke, als hätte er einen Schlag abbekommen. Jakub sah nicht besser aus. Er konnte noch nicht lange hier sein. Seine Kleidung war klatschnass, dass er den Boden und Stuhl volltropfte, auf dem er hockte. Ein Veilchen zierte sein rechtes Auge. Ein Stück weit darüber hatte ihm jemand die Platzwunde genäht, die nun wie ein unnatürliches Grinsen halb über seinen kahlen Schädel führte.
Beide Männer schauten auf, als sich die Tür öffnete.
"Was ist mit euch passiert?" Madiha musterte beide irritiert. Schnell aber fand sie hier die Ablenkung, die ihr Herz brauchte und noch ehe einer von ihnen ihr antworten konnte, machte sie sich daran, das Feuer im Kamin anzufachen und anderen Arbeiten nachzugehen, um es den Männern komfortabler zu machen. im Grunde tat sich genau das, was Kathar hatte erkennen lassen, dass sie ihr Leben lang in Sklavschaft verbracht hatte. Sie arbeitete, um die Bedürfnisse anderer zu stillen und das unaufgefordert, weil sie davon ausging, dass es ihre Aufgabe war. Das mochte der eine Grund sein, ein Reflex, in den sie sich nun flüchtete. Der andere war die gebotene Ablenkung. Sie hatte einen Vorwand, all ihre Konzentration nun in die Arbeit zu stecken und ihren eigenen Gedankenwelten fern zu bleiben.
"Er will mir auch nicht erzählen, wer ihm eine gelangt hat." Jakob grinste und zog nach Madihas Aufforderung sogar seinen Mantel aus. Fast peinlich berührt schien er nun, weil er alles nass gemacht hatte. So ließ er es auch nicht zu, dass die junge Frau sich um seine Kleidung kümmerte. Er stand selbst auf, brachte den Mantel zum Feuer und legte ihn dort über einen nahes Gestell, das eigentlich als Schutztrenner vor Funkenflug diente. Jetzt konnte die Wärme den Stoff durchdringen und ihn trocknen. Während er sich nach kurzem Zögern auch daran machte, das Hemd Knopf für knopf zu öffnen, erwiderte Kjetell'o missmutig: "Mir hat niemand eine gelangt!" Madiha hatte ihn wohl selten so ... unentspannt erlebt. Er war zwar nicht in Rage, aber auch fernab seiner sonstigen Ruhe. Und sein Mundwinkel zuckte zurück, als Jakub ihm ein weiteres Grinsen schenkte.
"Ich hab genug Prügeleien miterlebt, um zu sehen, wann jemand eine saftige Schelle kassiert hat. Streit es nicht ab, Elf!"
Kjetell'o atmete tief durch, zog dabei den Rotz hoch und wandte sich ab, um in ein Taschentuch zu schneuzen. So blieb er zunächst Antworten schuldig. Vor allem auch, weil Jakub erneut ablenkte. Er streifte sich das Hemd über den Kopf und legte seinen Rücken frei. Rötlich schimmernde Striemen, so lang wie Madihas Unterarme, bildeten eine Kreuzschraffur auf seiner Haut. Jakub wusste, dass er betrachtet wurde, ohne sich umzuschauen. Er brummte nur: "Später. Falls der Herr Elf mir erlaubt, es Azura zu erzählen."
"Ich erlaube es. Du wirst nämlich als Bote gehen müssen, Jakub. Verzeih, ich muss dich darum bitten."
"Aha, also hat sie dir eine gelangt."
Kaltes Schweigen entstand. Madiha besaß etwas mehr Empathie als der Seemann und so spürte sie instinktiv, dass er falsch war. Jemand Anderes hatte Kjetell'o geschlagen, aber gewiss nicht Azura. Da hätte er anders reagiert. Corax vielleicht? Aber warum sollte er so etwas tun? Fest stand, dass die Ohrfeige das kleinste Problem des Shyáners war. Er hatte sich eindeutig erkältet, schniefte nicht nur, sondern schien auch zu fiebern.
"Ich werde gehen und euch etwas zum Essen holen ... und wohl neue Kleidung", bot Madiha sofort an. Alles, nur um nicht an ihre eigenen Probleme denken zu müssen. Jede Aufgabe war ihr nun Recht. Es würde ihr helfen, alles zu verarbeiten, was sie plagte. Vielleicht könnte sie es dann sogar rationaler angehen. Vielleicht fand sie dann, was sie übersehen hatte. Sie kannte Caleb. Sie wusste, dass sie seine erste Frau gewesen war und er sich rasch schwer tat, wenn eine von ihnen auf Tuchfühlung ging. Außerdem hatte Jivvin ihn und sie bei etwas sehr Intimen ertappt. Vielleicht würde Madiha noch schlussfolgern, dass der Dieb unter einem absoluten Schock gestanden und deshalb nicht reagiert hatte. Aber würde es helfen? Möglicherweise machte sie sich dann nur noch mehr Vorwürfe, so frühzeitig gegangen zu sein. Möglicherweise irrte sie sich in Caleb aber auch mehr als angenommen. Wenn er sich jetzt mit der Dunklen vergnügte und erkannte, dass sie ihm allein auf physischer Ebene so viel mehr geben konnte, weil ... sie garantiert nicht so ... abgenutzt wäre ...
"Du musst nicht gehen, Madiha. Ich habe bereits nach allem schicken lassen", hielt Kejtell'o sie auf. "Nur frische Kleidung wirst du dir selbst beschaffen müssen. Ich bin sicher, in deinem Zimmer findest du etwas. Der Schrank hängt voll mit guten Dingen. Wir warten." Er setzte nach: "Ich warte. Es gibt etwas, das ich mit dir besprechen muss." Dann nieste er und gab ihr so das Signal seiner Bitte zu folgen.
Madiha konnte zurück in ihr eigenes Schlafzimmer gehen und sich umziehen. Vielleicht nahm sie auch erst noch ein Bad. Es stimmte. Kjetell'o und auch Jakub warteten, bis auf ihre Rückkehr, selbst wenn sie länger als eine Stunde fort wäre. Als sie zurückkehrte, hatte zumindest einer von beiden Männern schon seine Hauptmahlzeit gegessen. Ein zweiter Teller wartete unangerührt am Schreibtisch. Kjetell'o deutete bei Madihas erneutem Eintreten darauf. "Iss, du musst hungrig sein. Ich nicht." Er schneuzte sich erneut die Nase, griff dann aber zu einem Glas Apfelmarmelade und streute ein paar bräunliche Krümel hinein. Madiha roch sofort das vertraute Gewürz von Zimt. Kjetell'o löffelte einfach die Marmelade. Er hockte inzwischen auf einem Schemel vor dem Feuer. Es gab noch einen Sessel dort, aber in dem hatte Jakub es sich bequem gemacht. Auch er war nun umgzogen, trug dunkelgraue Hosen und ein sturmblaues Hemd, das er sich in einen schwarzen Gürtel gestopft hatte. Von den Striemen an seinem Rücken war nichts mehr zu sehen.
"Madiha...", begann Kjetell'o, "hast du dir überlegt, ob du meine Bedingung annehmen und von mir unterrichtet werden willst? Falls nicht, bräuchte ich jetzt eine Antwort von dir. Sie wird darüber entscheiden, ob ich Andunie mit dir oder ohne dich verlasse."
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 559
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 20. Februar 2024, 08:28

Wenn Madiha die Reife eines normalen Mädchens besessen hätte, das unter halbwegs anständigen Bedingungen aufgewachsen und herangereift wäre, dann hätte sie gewiss die Überlegung anstellen können, dass ihre Reaktion nicht richtig gewesen war. Dass Caleb einzig nur furchtbar peinlich berührt gewesen war, dass er keinen Ton herausbrachte. Hätte man ihr Sicherheit, Geborgenheit gegeben und nicht Demütigungen, Enteignungen des eigenen Körpers und Häme, dann hätte sie sich als starke Persönlichkeit entwickeln können. Sie hätte eine Chance gehabt, sich mit solchen Dingen nicht zu belasten. Aber Madiha war unsicher. Vollkommen hilflos auf diesem Gebiet der Zuneigung. Sie war nicht in der Lage dazu, sich zu nehmen, was sie wollte. Weil sie es niemals gedurft hatte. Ihre Auffassung von sich selbst war: Ihr gehörte rein gar nichts und allen anderen alles. Madiha brauchte Zuwendung und auch wenn es nervte, immer wieder die Beteuerung, dass sie jemand war. Dass ihr jemand Wert zusprach. Sie selbst konnte das nicht in einem Maße, dass es sie nicht immer wieder in ihre Unsicherheit und Unzulänglichkeiten stieß. Sie wusste, was sie wollte. Aber nicht, was sie konnte. Das waren zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Und so blieben die düsteren Gedanken und ließen sie nicht los. Auch nicht als sie die beiden Männer vor sich sah und sie auf ihre Blessuren ansprach. "Er will mir auch nicht erzählen, wer ihm eine gelangt hat." Sie sah zum Ersten Maat und musterte ihn. „Und wer hat DIR eine gelangt?“, wollte sie wissen, doch sahen seine Verletzungen schlimmer aus.
Madiha aber flüchtete sich in banales Tun, doch Jakub beraubte sie darum. Sie sah ihm nach, als er zum Kaminfeuer ging und seinen Mantel auf hing. Sie hatte sich angeboten. Warum ließ er sie das nicht machen? Nun aber knöpfte Jakub sein Hemd auf und das Mädchen drehte sich höflich weg. Ihr Blick fiel dabei auf Kjetell’o, der sich gegen Jakub’s Worte wehrte. "Mir hat niemand eine gelangt!" Das Mädchen runzelte die Stirn. Der Elf schien ganz schön mitgenommen zu sein. Er wirkte echauffiert und ein wenig fahrig und das kam gewiss nicht von seiner Erkältung. Jakub erinnerte Kjet daran, dass er sich mit Schlägen auskannte und auch Madiha nickte wissend. Ja, auch sie kannte sich damit aus.

Während Kjet die Nase putzen musste, blickte sie wieder zu Jakub. Dann blieb ihr das Herz stehen. „Jakub…“, keuchte sie als sie die Striemen auf seinem Rücken sah. „Was zum…“ “Später. Falls der Herr Elf mir erlaubt, es Azura zu erzählen.“ „Ich erlaube es. Du wirst nämlich als Bote gehen müssen, Jakub. Verzeih, ich muss dich darum bitten.“
„Aha, also hat sie dir eine gelangt.“
Madiha konnte nur hin und her blicken. Jakub wollte jetzt nicht darüber sprechen. Tatsächlich wollte er auch nicht mit Madiha, sondern Azura reden. Sie runzelte die Stirn. „Azura?“, fragte sie halbherzig nach und dann ging ihr ein Licht auf. Doch bevor sie auch danach fragen konnte, fiel ihr Blick erneut auf Kjetell’o und sie ahnte, dass nicht die adelige Andunierin wieder Ohrfeigen verteilt hatte. Das Schweigen und die Optik des Shyáners waren für Madiha Grund genug, ihre Fragen und das Verlangen nach Antworten hintenanzustellen und anzubieten, Essen und trockene Kleidung zu holen. "Du musst nicht gehen, Madiha. Ich habe bereits nach allem schicken lassen. Nur frische Kleidung wirst du dir selbst beschaffen müssen. Ich bin sicher, in deinem Zimmer findest du etwas. Der Schrank hängt voll mit guten Dingen. Wir warten. Ich warte. Es gibt etwas, das ich mit dir besprechen muss.“ Das Mädchen hob die Augenbrauen. Sie sollte jetzt gehen? Aber was war mit all den Aufgaben, die sie erledigen musste? Wollte… Sie wollte protestieren, sagen, dass es ihr ganz und gar nichts ausmachte. Aber Kjetell’o wurde erneut von Niesen geplagt und so warf Madiha Jakub einen Blick zu, zuckte stumm die Schultern und verließ das Zimmer wieder.

Ihr war gar nicht aufgefallen, wie durchnässt ihre Kleidung war. Erst jetzt begann sie zu frieren und so beeilte sie sich, in das Zimmer zu kommen, dass sie nutzen durfte. Hier aber beeilte sie sich tatsächlich nur, sich umzuziehen. Madiha wusch sich zwar flugs, aber baden wollte sie nicht. Viel zu sehr fürchtete sie sich vor dem Alleinsein und ihren Gedanken. Also stieg sie in einfache Hosen und ein einfaches Oberteil in den Farben der Wasserakademie und rubbelte sich die Haare trocken. Ihr Blick fiel auf einen Handspiegel, den sie zögerlich griff und hineinschaute. Ein vernarbtes Gesicht mit trüben Augen schaute ihr entgegen. Das Hemd und die Hose saßen locker um ihren schmalen Leib. Lediglich einmal flammte das unbekannte Feuer in ihren Augen auf, dass sie den Spiegel lieber wieder weglegte. Sie musste Kjetell’o fragen, wie sie es loswerden konnte. Sonst würde sie wieder alle in Gefahr bringen, dessen war sie sich sicher. Bevor Madiha noch in ihre düsteren Grübeleien zurückfiel, straffte sie schnaufend die Schultern und kehrte zum Feuermagier und Jakub zurück. Tatsächlich waren beide noch anwesend und Jakub hatte es sich vor dem Feuer gemütlich gemacht. Sie musterte Kjetell’o danach, der ihr seinen Teller anbot. Zögerlich legte sie ihren Blick darauf. „Aber du solltest etwas essen. Wenn sie hier haben, wäre etwas Kurkuma und Chili oder Cayenne gut.“ Sagte sie und blickte auf die Apfelmarmelade mit Zimt, die er löffelte. Sie ertappte sich dabei, dass sie Zimt zwar kannte, aber gar nicht wusste, wie er in Speisen schmeckte. Madiha hatte vieles nicht gegessen. Feigen mit Honig waren in Sarma ihr Lieblingsessen geworden, doch ansonsten… den Apfelkuchen von Estelle mochte sie sehr gerne. Aber Madiha kannte vieles nicht. Das Mädchen setzt griff nach dem Teller, den Kjet verschmähte und betrachtete die Speisen darauf. Kartoffeln, etwas kaltes Fleisch, eine würzige Soße… ihr Magen knurrte vernehmlich und sie zuckte zusammen. „Danke.“, gab sie kleinlaut von sich. Dann hockte sie sich an den Schreibtisch und begann etwas zu essen. Immer mal wieder schaute sie zu den Männern, doch wagte sie nicht recht etwas zu sagen, bis Kjet sie wieder ansprach. “Madiha, hast du dir überlegt, ob du meine Bedingung annehmen und von mir unterrichtet werden willst? Falls nicht, bräuchte ich jetzt eine Antwort von dir. Sie wird darüber entscheiden, ob ich Andunie mit dir oder ohne dich verlasse." Sie schaute auf und stockte. „Wir wollen Andunie verlassen?“, fragte sie überrascht nach und beantwortete damit bereits seine Frage, ohne darüber nachzudenken.
Madiha spürte ein Kribbeln in sich aufsteigen. Nervosität machte sich breit und sie verlor den Fokus ihres Blicks. „Ich wusste nicht…“, stotterte sie und ließ das Essen liegen. Panik wallte auf. „Ich muss noch, ich wollte noch“, plötzlich wirkte Madiha gehetzt. „Natürlich will ich… mit, aber ich muss doch noch Corax finden und ihm erzählen, dass…“, plapperte sie und erhob sich. „Und Ca…“, Caleb. Was war mit Caleb? Würde er mit ihr gehen? Oder blieb er dann hier und… Madiha ließ sich seufzend wieder nieder und blickte zu Kjetell’o. Sie musterte ihn traurig und knetete ihre Unterlippe. „Ich akzeptiere deine Bedingung.“, bestätigte sie und ließ keinen Zweifel darüber, dass sie das schon längst entschieden hatte. „Wann willst du aufbrechen?“ fragte sie leise. „Ich muss noch Corax finden. Das ist sehr wichtig, ich muss ihm sagen, dass er eine Familie hat… eine echte. Hier in Andunie!“, sie lächelte, weil sie das Glück des Raben nicht kalt ließ. „Wisst ihr, wo er ist?“, fragte sie gleich mal nach und schob den Teller mit dem Essen beiseite. Der Appetit verging ihr zunehmend. „Und ich muss vorher noch mit Caleb… reden…“, das wurmte sie. Es wurmte sie, dass er sie womöglich nicht begleitete. Das er sich für Andunie entschied und… aber sie würde das akzeptieren. Sie musste. Weil sie ihn liebte, von Herzen liebte und sie nicht wollen würde, dass er unglücklich war. Auch wenn sie nichts zu seinem Glück beitragen konnte.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. Februar 2024, 12:27

Jakub ging offener mit seinen Blessuren um. Nicht nur, dass er sie nicht im Verborgenen hielt - immerhin hatte er sie sich nicht selbst zugefügt, sondern andere und deren gewaltätitges Vorgehen gegen ihn versteckte er nicht -, Jakub beantwortete im Gegensatz zu Kjetell'os auch Madihas Fragen. "Dunkelelfen", entgegnete er allerdings mit seiner gewohnten Sparsamkeit an Worten. Dass es etwas zu karg daherkam, erkannte er selbst und fügte an: "In Kosral. Warst du schon einmal dort?" Dann schüttelte er den Kopf. "Vermutlich nicht."
"Aber bald", mischte sich nun Kjetell'o ein. Anschließend beutelte ihn ein erneuter Niesanfall und er suchte eilig nach einem Taschentuch, bevor er die Decke besudelte. Mit zwei langen Rotzfäden lief er durch den Raum, bis er eines fand. Seine Nachricht blieb jedoch bestehen. Kosral. Was und wo auch immer es war, dort gab es offensichtlich Dunkelelfen, die brachialer vorgingen und nicht einmal vor Jakubs Statur und seinem grimmigen Ausdruck zurückschreckten. Dorthin sollte Madiha gehen, mit Kjetell'o?
Der Elf hüllte sich ein um's andere Mal in Geheimnisse. Er gab kaum etwas von seinen Motiven preis und verschwieg nach wie vor, woher er die geschwollene Wange hatte. Dass Azura ihn geohrfeigt haben mochte wie Jakub es annahm, daran konnte Madiha nicht wirklich glauben. Die Adlige besaß zwar einen zickigen Kern und hatte sogar Caleb schon die Handfläche kennen lernen lassen, aber es bestand doch kein Grund, gegen Kjetell'o vorzugehen, oder? Er war doch immer so ruhig, so geduldig. Was hatte er angerichtet, dass es zu dieser Form der Eskalation hätte kommen können? Oder spielte Corax hierbei doch mit? Kjetell'o sagte nichts dazu und Madiha musste es hinnehmen. Sie flüchtete sich in Arbeit, was der Elf allerdings schnell unterband. Er merkte an, dass auch sie nicht minder nass war als Jakub. So schickte er sie fort, sich umzuziehen.
Als sie etwas aufgefrischt, neu angezogen und mit dem Kopf voller Gedanken zurückkehrte, warteten die Männer am Feuer. Jakub ließ sich eine Mahlzeit schmecken. Madiha wurde Kjetell'os angeboten. Er gab sich mit einem Gläschen Marmelade zufrieden und reichlich Zimt. Madiha roch ihn. Es war vertraut, obgleich sie nie davon hatte kosten dürfen. Stattdessen ließ sie sich dazu nötigen, dem Elfen das Mittagessen zu "stehlen", denn er gab nicht klein bei, bis sie zustimmte. Das Aroma der deftigen Mahlzeit kitzelte ihr in der Nase und erinnerte sie daran, dass sie tatsächlich etwas hungrig war. Viel vom Frühstück in Estelles Heim hatte sie nicht zu sich nehmen können. Oh, es war seitdem so viel passiert. Und nun spazierte Caleb zusammen mit Jivvin umher, würde den bewusstlosen Messer bei Harm abliefern und sich dann ... eine Gasse suchen? Sie wollte nicht darüber nachdenken. Ohnehin gab es hier genug Ablenkung. Während Madiha sich die Kartoffeln, Fleisch und eine durchaus würzige Soße schmecken ließ, nahm das Gespräch eine neue Richtung an. Längst hatte sie vergessen, dass der Elf ihr Unterricht angeboten hatte. Ihre Entscheidung war jedoch bereits gefallen und sie teilte sie ihm zwischen den Zeilen mit, als sie erfuhr, dass er nicht mehr lange in Andunie bleiben würde.
"Wir wollen Andunie verlassen?"
"Du stimmst meiner Bedingung also zu." Kjetell'o lächelte. Dann schwand es und er nickte ernst, auch in Richtung Jakub. "Ich glaube, du solltest ihr mitteilten, was du weißt. Vielleicht auf dem Weg zum Leidträger?" Madiha hatte erwähnt, dass sie mitgehen würde, aber vorher noch einige Dinge zu erledigen hatte. Caleb schwirrte ihr dabei erneut im Kopf umher, aber sie mied es, seinen Namen auszusprechen. Der Schmerz war zu frisch. Kjetell'o gab sich geduldig wie eh und je. Er hob beschwichtigend eine Hand. "Schon gut, so eilig haben wir es nicht. Wir sollten allerdings auch nicht trödeln. Iss in Ruhe auf. Dann schnappt ihr euch einen Schirm - beide! - und sucht das Anwesen der van Ikari auf. Jakub, du teilst meiner Tochter und ... Ex-Affäre mit, was du weißt. Dann erfülle meine Aufgaben. Wie gesagt, wir sollten nicht trödeln."
"Ich spreche mit Azura und ihrer Mutter", brummte der Seemann. Kjetell'o schmiedete offensichtlich größere Pläne und war bereits mitten drin, sie umzusetzen, ob Madiha ihn begleitete oder nicht. Wobei sein Lächeln suggerierte, dass er ihre Anwesenheit schätzte. Mehr noch! Etwas lag in seinen Zügen, dass die Sarmaerin nur schwer benennen konnte. Erleichterung? Hoffnung?
"Wann willst du aufbrechen? Ich muss noch Corax finden. Das ist sehr wichtig, ich muss ihm sagen, dass er eine Familie hat .. eine echte. Hier in Andunie!"
Jakub schaute auf. Neugier lag in seinem Blick, aber darüber hing auch der Schatten, dass er möglicherweise auch die Familie um Verzeihung bitten müsste für das, was er Corax angetan hatte. Kjetell'o hingegen besaß einen warmen Glanz in seinem Blick. "Es wird dem Leidträger mehr als gut tun zu erfahren, dass er Verwandtschaft hat. Vielleicht stellt er ihnen Azura vor. Ich glaube, die beiden sind nun ein festes Paar." Er lächelte noch wärmer. "Meinen Segen hat er."
"Wisst ihr, wo er ist?"
Kjetell'o nickte, bereute es sogleich, als seine Nase wieder zu laufen begann. Er suchte ein weiteres Taschentuch. Etwas verstopft antwortete er: "Der Leidträger befindet sich im Anwesen van Ikari. Du kannst Jakub dorthin begleiten. Er hat Aqui ... äh ... der Hausherrin etwas mitzuteilen. Ich werde hier warten und Vorbereitungen für unsere Abreise treffen." Plötzlich musterte er Madiha vom Scheitel bis zur Sohle. Er neigte den Kopf, als wägte er irgendetwas ab. Dann nickte er. "Ich kümmere mich auch um deine Ausrüstung. Gibt es etwas Spezielles, das ich für dich beschaffen soll?" Anschließend wandte er sich noch einmal an Jakub: "Bitte erinnere den Leidträger daran, dass er dich für Serpentis einsetzt und denk daran, deine Rolle zu spielen." Jakub brummte daraufhin wenig begeistert. "Keine Sorge, mein Freund", meinte Kjetell'o. "Du musst nicht viel reden. Zeig dich kränklich, geschwächt. Wahrscheinlich wird sie gestorben sein, bis wir zurück sind. Hoffentlich mit guten Nachrichten." Der Seefahrer seufzte und nickte. Wie viele andere ließ er sich in die Planung des Elfen einspinnen, ohne Details zu kennen. Am Ende stand Kjetell'o und zog an den Strippen.
"Madiha, du kannst mit Jakub gehen und ... oh!" Er hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt und stutzte plötzlich. Jetzt musterte er sie lange, eindringlich. Seine gesamte Miene nahm eine Ernsthaftigkeit an, die sie so vorher noch nicht gesehen hatte. Aber in seinen Augen funkelten die goldenen Sprenkel und in ihnen lag ... Stolz. "Du hast natürliches Feuer in dir aufgenommen", bemerkte er. Jetzt zog er an Madiha, damit sie vom Stuhl aufstand. Er schob sie in Richtung des Kamins. "Und das schon sehr lange", fuhr er fort. "Dass du es noch immer unter Kontrolle hältst, ist angesichts deiner Ausbildung bemerkenswert. Doch jetzt wird es Zeit, es loszuwerden, bevor ein Unglück geschieht. Ich bin nicht böse auf dich, nur vorsichtig." Er deutete auf das Kaminfeuer. "Gib es ab. Am leichtesten ist es auf diese Weise. Lagerfeuer, Kamine, selbst eine Fackel ist mehr als ausreichend. Alles, das dem natürlichen Feuer vertraut ist und wo es Vertraute finden kann. Es wird dich freiwillig und am friedlichsten verlassen, wenn du es zurück unter seinesgleichen bringen kannst. Wenn nicht, wird es immer drängender, eine neue ... Kolonie der Flammen zu schaffen." So poetisch der Elf es auch ausdrückte, es war klar, welche Gefahr dahinter steckte. Früher oder später würde des Fremdfeuer sich Madiha bemächtigen und dafür sorgen, dass es fressen könnte - irgendwo. Ob es dabei einen alten Baumstumpf erfasste oder gar auf ein bewohntes Haus überging, würde sie dann nicht mehr verhindern können.
"Falls du dich jemals in der Situation siehst, keine Verbündeten für das natürliche Feuer zu finden, weil kein Kohlebecken vor sich hin glüht und kein Kamin dich wärmt, dann suche einen abgegrenzen Bereich und biete ihm dies diplomatisch an. Alles ist besser als es in dir zu halten, bis du es nicht mehr aufhalten kannst. Und nun ... bitte. Es ist höchste Zeit, meine Liebe." Kjetell'o deutete einladend auf den Kamin. Dann streckte er seine Hand aus, ließ sie durch die Flammen gleiten, ohne sich zu verbrennen. Sie züngelten an ihm hoch, konnten aber nicht einmal seine Kleidung oder Decke entzünden, denn er kontrollierte sie. "Den Schmerz wirst du ertragen müssen", erklärte er allerdings. Seine Haut blieb verschont, doch gewiss brannte die Hitze. Kjetell'o hielt es eine Weile aus. Madiha würde das auch tun müssen, denn das Feuer musste sie nun verlassen. Der Elf hatte Recht. Es war höchste Zeit. Das Fremde in ihr lechzte bereits danach, sich mit den Flammen zu vereinen und die Scheite im Kamin zu vertilgen.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 559
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 24. Februar 2024, 14:29

Mit gemischten Gefühlen betrachtete Madiha das Bild, das eine gänzlich andere Geschichte über Jakub Tauwetter erzählte. Ihre Nachfrage blieb tatsächlich nicht ungehört. “Dunkelelfen. In Kosral. Warst du schon einmal dort?" Sie wollte gerade den Kopf schütteln, da tat er es für sie. “Vermutlich nicht.“ Madiha schlug den Blick nieder. Natürlich war sie nie in Kosral gewesen, wusste nicht mal, was das war. Das war keine Überraschung. Hingegen es Kjetell’os Einwand schon war, der sie aufblicken ließ. “Aber bald.“ Sie stutzte und runzelte die Stirn. Er hüllte sich in Geheimnisse und Madiha hätte gerne mehr darüber erfahren, aber er hatte einen Niesanfall, den sie nicht durchbrechen konnte. Dennoch wirbelten ihre Gedanken durcheinander. Wie weit war dieses Kosral? Wie lange würde sie fort sein? Bevor sie sich damit weiter beschäftigen konnte, musste sie sich erstmal umziehen. Erst danach kehrte sie zurück, um schließlich die verschmähte Portion des Elfen abzugreifen. Tatsächlich schmeckte es sehr gut und Madiha spürte, dass sie doch mehr Hunger besaß, als sie anfangs glaubte. Immerhin schlug ihr das ganze Denken um Caleb und Jivvin gehörig auf den Magen. Madiha musste dennoch nachfragen als Kjetell’o offenbarte, dass sie Andunie verlassen würden. Das Lächeln des Elfen fing sie auf, konnte es aber nicht recht erwidern. "Ich glaube, du solltest ihr mitteilten, was du weißt. Vielleicht auf dem Weg zum Leidträger?" Ihr Blick glitt zu Jakub und plötzlich wurde sie unruhig. Sie konnte nicht einfach sang und klanglos aufbrechen! Sie musste mit Caleb reden, sie musste mit Corax reden.. "Schon gut, so eilig haben wir es nicht. Wir sollten allerdings auch nicht trödeln. Iss in Ruhe auf. Dann schnappt ihr euch einen Schirm - beide! - und sucht das Anwesen der van Ikari auf. Jakub, du teilst meiner Tochter und ... Ex-Affäre mit, was du weißt. Dann erfülle meine Aufgaben. Wie gesagt, wir sollten nicht trödeln."
"Ich spreche mit Azura und ihrer Mutter",


Madiha starrte die beiden Männer an. „Warte, was?! Azura ist deine… du bist Azura’s Vater??“, platzte sie heraus und starrte Kjetell’o entgeistert an. Ihr Blick glitt zu Jakub als müsste sie überprüfen, ob der Elf nicht Blödsinn erzählte, doch auch er bestätigte diese Information. "Deshalb dein Interesse...", murmelte sie leise. Das waren mal Neuigkeiten und die wurden ihr mal einfach so nebenbei präsentiert. Madiha wusste ja, dass sie so einiges nichts anging und sie viele Dinge auch nicht verstand oder zu wissen brauchte, aber manchmal wäre es vielleicht doch schön, wenn man sie mit einbezog und nicht im Unklaren mitlaufen ließ. Sie spürte in sich einen Unwillen, ob der Information. Irgendwie… wurmte es sie, dass Kjetell’o Azura‘s Vater sein sollte. Madiha wandte den Blick ab und starrte auf ihre Kartoffeln. Lustlos stocherte sie darin herum. Tatsächlich empfand sie nicht unbedingt gerechtfertigte Gefühle, ob jener Information. Sie fühlte… Neid und fühlte sich noch ein Stückchen mehr allein. Sie erinnerte sich daran, dass Jakub ihr mal sagte, dass sie nie ganz dazugehörten. Er nicht und sie nicht. Er behielt wohl Recht. Madiha aber legte das Besteck beiseite und atmete durch. Das waren keine guten Gedanken und brachten sie nicht weiter. Azura hat es ebenso verdient, wie jeder andere auch. Sie sollte sich für Azura freuen. Sie konzentrierte sich wieder auf Corax und das, was sie versprochen hatte. "Es wird dem Leidträger mehr als gut tun zu erfahren, dass er Verwandtschaft hat. Vielleicht stellt er ihnen Azura vor. Ich glaube, die beiden sind nun ein festes Paar. Meinem Segen hat er. " „Geht es ihr wieder gut? Ich meine… die Sache mit der Verwesung…?“, fragte sie murmelnd. Natürlich wird Corax Azura mitnehmen und sie Kathar vorstellen. Und Emmyth. Ihr würde der Senior gewiss nicht unterstellen, eine Sklavin zu sein… ihr nicht. Nur ihr, Madiha. Die Sarmaerin presste die Lippen zusammen und schob den Teller beiseite. Ihre Frage, ob sie wussten, wo Corax sich befand, wirkte etwas steif, aber Kjet schien es nicht zu bemerken. "Der Leidträger befindet sich im Anwesen van Ikari. Du kannst Jakub dorthin begleiten. Er hat Aqui ... äh ... der Hausherrin etwas mitzuteilen. Ich werde hier warten und Vorbereitungen für unsere Abreise treffen." Madiha nickte stumm. Dann runzelte sie fragend sie Stirn, als Kjetell’o sie musterte. “Ich kümmere mich auch um deine Ausrüstung. Gibt es etwas Spezielles, das ich für dich beschaffen soll?“
Das Mädchen blickte an sich hinunter, schüttelte aber dann den Kopf. „Ich… weiß nicht, ich war noch nie auf Reisen…“, gab sie kleinlaut zu. Noch immer spukten ihr die ganzen Informationen im Kopf herum und wollten sich zu ihren Gedanken gesellen, die Caleb mit seinem Schweigen ausgelöst hatte. Der kurze Wortwechsel rauschte an Madiha vorbei, die sich gerade wieder von ihren Sorgen und Nöten einlullen ließ. Erst als Kjetell’o seine Hand auf ihre Schulter legte stutzte sie und blickte Madiha auf. "Madiha, du kannst mit Jakub gehen und ... oh!" Unsicher war ihr Blick. Ahnte er etwas?? Als sie seinen Blick erwiderte, konnte sie etwas in seinen Augen funkeln sehen, dass sie bisher in ihrem Leben nur äußerst selten erlebt hatte.

"Du hast natürliches Feuer in dir aufgenommen", sie fühlte sich ertappt und folgte lammfromm seinem Zug, während sie eher die Schultern etwas hochzog. „Tut mir leid“, schob sie leise murmelnd hinterher. "Und das schon sehr lange. Dass du es noch immer unter Kontrolle hältst, ist angesichts deiner Ausbildung bemerkenswert. Doch jetzt wird es Zeit, es loszuwerden, bevor ein Unglück geschieht. Ich bin nicht böse auf dich, nur vorsichtig.“ Er musste ihr angesehen haben, dass sie sich immer kleiner machte und den Blick gesenkt hielt. Sie glaubte schon, er würde sie maßregeln, aber das blieb tatsächlich aus. Und so fasste Madiha wieder etwas Vertrauen und blickte zum Kamin. „Gib es ab. Am leichtesten ist es auf diese Weise. Lagerfeuer, Kamine, selbst eine Fackel ist mehr als ausreichend. Alles, das dem natürlichen Feuer vertraut ist und wo es Vertraute finden kann. Es wird dich freiwillig und am friedlichsten verlassen, wenn du es zurück unter seinesgleichen bringen kannst. Wenn nicht, wird es immer drängender, eine neue ... Kolonie der Flammen zu schaffen." Sie beobachtete das Kaminfeuer und spürte in sich das Drängen, des natürlichen Feuers. Sie trat näher und auf ihrem Gesicht tanzten die Schatten. "Falls du dich jemals in der Situation siehst, keine Verbündeten für das natürliche Feuer zu finden, weil kein Kohlebecken vor sich hin glüht und kein Kamin dich wärmt, dann suche einen abgegrenzten Bereich und biete ihm dies diplomatisch an. Alles ist besser als es in dir zu halten, bis du es nicht mehr aufhalten kannst. Und nun ... bitte. Es ist höchste Zeit, meine Liebe." „In Ordnung“, nickte sie und beobachtete seine Bewegungen genau. Madiha aber trat so dicht ans Feuer, dass sie sie Hitze deutlich fühlen konnte. Dann streckte sie einen Arm aus und schloss die Augen. Sie versuchte, sich nicht von dem Schmerz verängstigen zu lassen. Sie kannte Schmerz, körperlich, wie geistig und ließ sich auf diese Erfahrung ein. Es brannte. Es brannte tatsächlich stark als sie das Kaminfeuer berührte. Madiha öffnete den Mund etwas, um die Anspannung hinauszulassen. „Es… es ist so heiß“, keuchte sie und verzog das Gesicht. Aber sie weinte nicht, sie zog nicht zurück. Sie konzentrierte sich auf das ihr Fremde Feuer und entließ es endlich aus ihrer Kontrolle. Es war frei und durfte zu seinesgleichen, wo es gefüttert und genähert wurde. Sobald es geklappt hätte, würde sie sich flugs vom Kamin zurückziehen und ihren Arm betrachten, ehe sie zu Kjetell’o schaute. „Danke…“, murmelte sie und nickte leicht. Daraufhin betrachtete sie den Elfen einen Moment. „Hat Azura sich gefreut als sie erfuhr, wer du bist?“, wollte sie neugierig wissen und war gleichzeitig fasziniert davon, wie es sich wohl anfühlen mochte. Bereits bei Corax‘ Familienzusammenführung war sie ganz erpicht darauf zu erkennen, wie man sich wohl fühlte, wenn man plötzlich eine Familie hatte. „Ich wünsche euch, dass ihr die verlorene Zeit aufholen könnt“, nickte sie daraufhin ernstgemeint und offenbarte abermals, dass sie keine Ahnung vom Leben hatte. Für sie war es wohl etwas wundervolles, wenn man plötzlich Vater oder Mutter oder beide hatte. Azura musste wahrlich glücklich sein. Sie war wieder die Alte, hatte ihre Mutter und ihren wahren Vater gefunden, hatte Corax an ihrer Seite, der sie bedingungslos liebte. Madiha versuchte sich zu freuen für Kjetell’o und Corax und Azura und die eigenen Gedanken einfach wegzusperren. Caleb liebte sie auch. Sie fühlte den Ring an ihrem Finger. Er liebte sie, auf… seine Weise. Und auf eben jene Weise, die Madiha genügte. Genügen musste. Madiha schob ihre Gedanken weiter und straffte die Schultern. Sie blickte Kjetell’o an: „Ich werde zusehen, nicht zu viel Zeit zu vertrödeln.“, versprach sie, ehe sie zu Jakub schaute: „Wollen wir los? Bist du fertig? Wir sollten niemanden warten lassen.“ Meinte sie und sah sich nach einem Regenschutz um. Wenn sie etwas zu tun hatte, ging es ihr besser. Oder so.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7015
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: In der Wasserakademie

Beitrag von Erzähler » Dienstag 27. Februar 2024, 15:24

Die Striemen auf Jakubs Rücken waren neu. Schon einmal hatte Madiha den Mann oberkörperfrei gesehen - damals auf der Blauen Möwe, als sie bereit gewesen war, ihm jegliches Angebot zu machen, nur um aus ihrer Heimat zu entkommen. Damals hatte seine Haut keine derartige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Damals war sie unversehrt. Diese Symbole würden nicht mehr heilen. Dunkelelfen hatten ihn für sein Leben gezeichnet, so wie man Madiha mit Strafe auf ewig ins Gesicht geschrieben hatte, dass sie als Sklavin zu funktionieren hatte. Emotionale Ausbrüche wie damals der Unfall mit ihrem ersten feuermagischen Kontakt waren nicht erwünscht. Waren die Dunkelelfen in Kosral etwa auf einer Ebene einzustufen wie Assab und Khasib? Tatsächlich kannte Madiha Ausnahmen. Selbst wenn Kathar seine Vorurteile nicht komplett hatte ablegen können oder Madiha ihn da falsch verstand, hatte der alte Elf nicht den Eindruck gemacht, sie oder andere Sklaven mit der Peitsche oder einem Stock zu züchtigen. Und Corax? Er war ihr Freund. Er konnte bösartig sein. Er konnte morden, aber er hatte es nicht aus eigenem Antrieb und Mordlust getan. Jakubs Striemen kündeten davon, dass jemand sein Vergnügen am Körper des Seemanns gehabt hatte.
Er ging jedoch nicht weiter darauf ein und behielt so seine Geheimnisse wie Kjetell'o. Der Elf war wirklich richtig stark erkältet. Sein Niesen begleitete stets das ungenehme Geräusch von Schleim. Er gehörte ins Bett, mit einer heißen Tasse Tee. Madiha konnte von ihrer Position aus noch immer den Schweiß auf seiner Stirn sehen und die sanfte Röte seiner Wangen. Er hatte Fieber. Trotzdem wollte er Andunie bald verlassen. Von wegen, sie hätten Zeit! Er drängte auf seine Weise zum Aufbruch, gestattete Madiha lediglich, Corax die Nachricht zu überbringen und ... sich von Caleb zu verabschieden. Möglicherweise würde es ein Abschied für immer sein. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, ob sie dem Dieb jemals wieder unter die Augen treten könnte, wenn er sein Glück nun mit Jivvin fand.
Dann aber rissen Kjetell'os Worte Madiha gänzlich aus den Gedanken und vielleicht auch ein wenig aus der Bahn. Ihr Blick heftete sich direkt auf den Elfen. "Warte, was?! Azura ist deine ... du bist Azuras Vater??"
Seine Mundwinkel zuckten marginal nach oben. Er wich Madihas Blick aus. "Ich wollte sichergehen, ehe ich falsche Wahrheiten verbreite. Aber es stimmt, ja. Sie ist das Resultat einer kurzen Etappe der Leidenschaft in meinem Leben." Als Madihas Blick zu Jakub flog, hob dieser die Schultern an. "Ich hab ähnlich geschaut. Das Verhalten hat sie nicht von ihm geerbt."
"Sie ist ... in anderen Verhältnissen aufgewachsen", erwiderte Kjetell'o. Zwischen den Zeilen wurde deutlich, dass er keinen Einfluss auf Azura hatte nehmen können und irgendwie schien ihn das unglücklich zu machen. Madiha wurde inzwischen bewusst, warum der Elf derlei Interesse für die Adlige gezeigt hatte. Er war nie darauf erpicht gewesen, ihr körperlich nahe zu kommen. Er fand sie nicht attraktiv. Er hatte sich nur selbst überzeugen müssen, sein Blut in ihr zu sehen. Und offenbar hatten sie einander gefunden.
"Geht es ihr wieder gut? Ich meine ... die Sache mit der Verwesung...?"
"Sie ist geheilt. Der Leidträger und ich haben uns in Ritualmagie versucht und wir waren erfolgreich. Azuras Schönheit ist wiederhergestellt und sie sieht wirklich wundervoll aus. Ich sehe ... ihre Mutter in ihr."
Madiha ließ es mit gemischten Gefühlen zurück. Sie würde zu Corax gehen, ihm offenbaren, dass eine Familie auf ihn wartete. Dann würde sie Kjetell'o begleiten, der für Azura nun ebenfalls neue Familie wäre. Warum nahm er sie eigentlich nicht mit? Und Madiha? Sie würde ihre selbst gewählte, gerade frisch erblühte Alternative zu Familie zurücklassen, in Jivvins Händen. Sie blieb allein. Um sich nicht erneut in der Abwärtsspirale ihres eigenen Schicksal zu finden, war es besser, das wenige Positive zusammenzukratzen. Sie würde mit Kjetell'o gehen. Sie würde reisen und die Feuermagie unter seiner Weisung erlernen.
Er fragte nach Ausrüstung, die die Sarmaerin sich wünschte. Madihas Kopf war leer. Nein, das stimmte so nicht ganz. Zu viele Gedanken kreisten darin herum, aber mit keinem davon wollte sie sich bewusst befassen. Wenn Corax in der Lage war, ihr Leid zu nehmen, dann könnte sie diese Fähigkeit nun eigentlich recht gut gebrauchen. Hingegen war ihr vollkommen unklar, was man auf einer Reise mitnehmen sollte. Sie war doch niemals zuvor aus Samra fort gewesen. Allein Andunie zu entdecken war mehr als sie in ihrem bisherigen Leben hatte erfahren dürfen.
"Ich ... weiß nicht, ich war noch nie auf Reisen...", erwiderte sie kleinlaut. Kjetell'o musterte sie einen Moment. Dann berührte er ihre Schulter und anstatt auf ihre Unzulänglichkeiten einzugehen, machte er ihr schmackhaft, was ihr als Unerfahrene bevorstünde. "Es wird dir gefallen. Celcia ist so groß und schön. Halte deine Augen weit offen."
Jedoch bemerkte der Elf durch seine Berührung auch, dass sie ein natürliches, ein Fremdfeuer in sich aufgenommen hatte. Er agierte schnell. Mit wenigen Worten und gezielten Schubsern führte er sie zum Kamin. Schon begann er Unterricht, wenngleich er sich etwas anders gestaltete als üblicherweise. Doch Kjetell'o gab einen guten Lehrer ab. Er war geduldig, mied Tadel und hob stattdessen hervor, was Madiha zu erlernen hatte. Er erkannte, dass es ihr nichts nützte, sie auf Fehler hinzuweisen, die ihr bereits bewusst waren. Warum ihre Seele mit Gewissensbissen und Reue belasten. Stattdessen nutzte er den Moment, sie zu fördern, ihre Fehler zu korrigieren. Es war gar nicht so schwer, das Feuer seinen natürlichen Freunden zuzuführen. Es ging sogar bereitwillig, hungrig nach dem Holzscheit, auf den sich die anderen Flammen stürzten. Trotzdem schmerzte die Hitze auf ihrer Haut und als Madiha die Arme zurückzog, musterte sie jene Oberfläche. Weder Kleidung noch Haut waren verbrannt. Die Spitzen einiger Härchen wirkten dunkler als sie es gewohnt war. Sie hatte sich minimal angesengt, aber das würde nicht weiter auffallen. Es wäre selbst bei ihr schnell vergessen. Verletzt hatte sie sich jedenfalls nicht und Kjetell'o nickte überaus zufrieden darüber.
"Man sagt, Wirker unseres Elements spielen mit dem Feuer." Kjetell'o lachte leise auf, ehe ihn ein weiteres Niesen aus dem Konzept brachte. Er musste sich wiederholt schneuzen. "Tatsächlich", begann er, als die Nase wieder frei war, "tun wir das wirklich. Noch ist es heiß. Es shcmerzt auch, aber du wirst häufig Kontakt zu natürlichen Flammen aufnehmen müssen. Spiel mit ihnen. Lade sie ein, sich kurzzeitig deinem inneren Feuer anzuschließen und wenn beide getanzt haben, schick sie wieder zurück an ihren Ursprungsort. Es wird dir mit der Zeit leichter fallen, auch mit Feuer zu arbeiten, das nicht aus deinem Inneren stammt. Und irgendwann spürst du die Hitze kaum noch."
Bereits jetzt war er ihr Lehrer, ihr Mentor. Sie hatte nur ja sagen, seine Bedingung akzeptieren müssen und schon legte er los, ungeachtet seiner eigenen Verfassung. Er nahm sie auch nicht zur Hand, setzte sie in einen Hörsaal und bewarf sie mit Informationen und Fakten, die sie unmöglich alle niederschreiben, geschweige denn sich merken konnte. Kjetell'o lehrte sie während sie lebte. Sein Unterricht begann mit Madihas Zustimmung, seine Schülerin zu werden. Er würde mit und während der Reise fortgesetzt werden. Es fühlte sich gut an und dennoch stach etwas im Hinterkopf der Sarmaerin. Kjetell'o war Azuras Vater...
"Hat Azura sich gefreut, als sie erfuhr, wer du bist?"
Kjetell'o stutzte. Er schloss die Augen, um sich den Moment in Erinnerung zu rufen. Er lächelte, aber es sah leidlich aus. "Sie weiß es. Das genügt. Es ist wichtig zu wissen, wo die eigenen Wurzeln sind." Er hob die Lider wieder an. "Vielleicht freut sie sich eines Tages. Erst einmal ist es wohl ein Schock, den sie verarbeiten muss. Ich bin geduldig. Sie wird die nötige Zeit von mir erhalten, die sie braucht." Natürlich würde sie das. Madiha ahnte schließlich nicht, dass Azura ganz und gar nicht begeistert gewesen war, in Kjetell'o ihren leiblichen Vater gefunden zu haben. Dass sie ihn sogar hatte von sich stoßen wollen und erst vor kurzem erste Schritte auf ihn zumachte. Schritte, von denen der Elf sich bereits in stiller Akzeptanz abgedreht hatte. Denn er stand hier, wollte Andunie verlassen - ohne sein Kind. Stattdessen würde er Madiha mitnehmen.
"Ich werde zusehen, nicht zu viel Zeit zu vertrödeln." Anschließend wandte sie sich an Jakub. Jener nickte ihr zu, als sie um Aufbruch bat. Er erhob sich, streckte plötzlich aber den Arm aus. Er zeigte mit dem Finger auf den Shyáner. "Nutze die Zeit, die wir fort sind und erhole dich. Wadenwickel helfen gegen Fieber", brummte er. Dann marschierte er zur Tür, um sie Madiha zu öffnen.

Weiter bei Wohnviertel Andunies -> Das Anwesen der Familie van Ikari
Hinweis: Warte hier bitte auf meinen nächsten Erzählerpost, ehe du dort schreibst. Ich fasse Azuras und den für dich bestimmten Post dann zusammen :)
Bild

Antworten

Zurück zu „Die Wasserakademie“