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von Madiha Al'Sarma » Sonntag 30. April 2023, 12:53
Es würde dem Wüstenmädchen sicher nie ganz leichtfallen, sich in der Welt zurechtzufinden. Sie würde immer wieder auf Menschen treffen, die ihre Naivität auszunutzen wussten. Die sie als minderwertig und unbrauchbar betrachteten. Als Schandfleck, der es nicht wert wäre, dass man ihn hegte und pflegte. Doch Madiha wünschte sich gar nicht, dass ein jeder sie mochte oder sie willkommen hieß. Sie wollte sich nur sicher fühlen können. Sie wollte, wenn sie erstmal ihr Vertrauen schenkte, auch sicher sein dürfen, dass es gut aufgehoben war. Madiha fiel es schwer nicht sofort alles in eine Waagschale zu werfen, sondern zu dosieren. So würde Caleb immer bedingungslos alles von ihr erhalten können. Er würde sie um alles bitten können, würde sie mit Leichtigkeit lenken und formen können. Gerade bei ihm hielt kein gesundes Misstrauen oder Vorsicht das Mädchen zurück. Keiner genoss so viel Handhabe, wie er. Bei Corax wollte Madiha eine Verbindung sehen, doch noch immer war sie sich nicht sicher, ob der Rabe sie nicht sofort vernichten würde, wenn es nur die richtige Person befahl. Aber auch er war nahe dran, dass sich das Mädchen haltlos abhängig machte. Dass er ihr Vertrauen uneingeschränkt besitzen würde und die Macht bekäme, sie mit Leichtigkeit zu zerstören. Azura jedoch war schwierig. Sie akzeptierte, dass die Andunierin hier war und sie war ehrlich in ihren Gefühlen bei der rituellen Waschung. Es hatte sie ehrlich entsetzt, dass die andere sich ein Ende bereiten wollte, und es berührte sie, wie sie und Corax nach langem Warten wieder zueinandergefunden hatten. Darüber hinaus wusste Madiha aber nicht, ob sie sich auf die Adelige verlassen könnte. Und, ob ihr Vertrauen in sie oder im weiteren Verlauf ihre Zuneigung vielleicht viel zu schnell aufgebraucht würden. Und Kjetell’o. Er war gerade erst aufgetaucht und das Mädchen wusste ihn nicht einzuschätzen. Caleb’s Erzählungen veränderten die Waage ihres Vertrauens deutlich zu seinen Gunsten. Doch so, wie der Elf reagierte und wie er sprach, hatte Madiha das Gefühl, nicht besonders sicher in seiner Nähe zu sein. Seine Absichten mochten derzeit ehrlich sein. Doch wofür? Wofür half er gerade ihr? Weil sie Fähigkeiten besaß. "Du bist so unglaublich neugierig. Ich wünschte wirklich, ich könnte deinen Hunger stillen, aber vielleicht gelingt es mir ja in Bezug auf deine eigenen Fähigkeiten." Er half ihr, um ihrer Magie willen und Madiha akzeptierte das. Auch wenn sie nicht genau wusste, ob er sie nicht, doch noch würde ausmerzen wollen, sobald er sich sicher wäre, dass sie eine Gefahr blieb. Denn wenn sie nicht lernen würde, ihre Magie zu kontrollieren… Könnte er das ruhigen Gewissens so belassen, damit sie ein Leben leben durfte? Die Unsicherheit gegenüber Kjetell’o blieb. Ihm schenkte Madiha nicht mit vollen Händen ihre Seele. So folgte sie dem Elfen im feuermagischen Körper eher schweigsam. Caleb’s Ausbruch hatten sie nachdenklicher werden lassen. Sie hatte den bösen Scherz abgetan, doch der Dieb war es, der sie daran erinnerte, dass sie inzwischen nicht mehr Leibeigene war und solche Dinge akzeptieren musste. Man machte keine Scherze mit dem Leben anderer. Caleb würde das nie tun. Doch Madiha musterte für einen Moment die Rückansicht der falschen Feuerhexe und runzelte nachdenklich die Stirn. Auch Corax hatte angedeutet, sich in Dunia zu verlieren, wenn er sie zu lange trug. War das bei Kjetell’o auch so? Er lenkte sie allerdings mit anderen Dingen ab. Und sie glaubte an einen Scherz, den er verneinte. Madiha aber erzählte von ihren desaströsen Versuchen. Einzig ihren erstmaligen Ausbruch verschwieg sie.
Damals, als sie Khasib beinahe in Brand gesteckt hatte und dafür in den Zellen landete. Und die Narben erhielt. "Der Leidträger sieht das anders. Du hast ihm das Leben gerettet und dich später seiner Seele angenommen. Er wäre nicht zu dem geworden, was er jetzt ist, ohne dich. Das würde ich durchaus einen Erfolg nennen." Sie blieb kurz stehen und schaute ihn zweifelnd an. „So sieht er das?“, flüsterte sie fast tonlos und sichtlich erstaunt darüber. Erneut runzelte sie die Stirn und dachte darüber nach, während sich Caleb und Kjet unterhielten. Corax betrachtete sie wirklich so? Madiha war überrascht, denn im Grunde war sie in ihren eigenen Augen einfach nur eine Übergangslösung, bis sich Azura wieder besann und ihren Raben zurückverlangte. Nie hatte das Mädchen geglaubt, dass Corax ihr tatsächlich mehr beimaß als das. Sie lächelte leicht bei dieser Erkenntnis. Es war ein schönes Gefühl, dass sie hatte helfen können. Dass sie eben nicht unnütz war, wie sie selbst glaubte. Es gab ihr Auftrieb und sie hob ein wenig den Kopf. Dann fiel ihr erneut ein, dass sie ihre Fähigkeiten kontrollieren musste und abermals rutschte sie etwas in die Unsicherheit.
Noch bevor sie das Zimmer von Azura und Corax erreichten, musste sie sich abermals vergewissern, was geschehen würde, wenn sie es nicht schaffte. Mit der Reaktion hatte sie allerdings überhaupt nicht gerechnet, weshalb sie verdattert stehenblieb und auf die sich hinkniende Hexe starrte. Röte schoss ihr in die Wangen und sie blinzelte fragend. Als er ihre Hand ergriff zuckte sie unter der Berührung zusammen. "Es stimmt, dass ihr Menschen wesentlich weniger Zeit habt, eure arkanen Fähigkeiten zu perfektionieren als wir Elfen. Zudem kommt noch dazu, dass abgesehen von den Zyranern nur wenige Menschenvölker so viel natürliches Potenzial aufweisen, diese Stufe überhaupt vor ihrem Ableben zu erreichen. Aber... Ich irre mich nicht.“ Seine Zuversicht ließ Madiha aufsehen und sie erwiderte den direkten Blick. Ihr Graublau erfasste die grünen Augen mit den goldenen Sprenkeln und sie wurde etwas ruhiger. Sein eigenes Aussehen war dazu geboren, Gemüter zu beruhigen. Zumindest was die Sarmaerin anging. "Ich habe es gesehen. Serpentis' Feuer, das dein Haus bedrohte. Kannst du die Erinnerungen in deinem Geist abrufen, Madiha? Siehst du das Haus? Siehst du es, wie ich es gesehen habe?" Der Druck seiner Hand und die Festigkeit seiner Stimme, halfen Madiha sich zu fokussieren. Sie starrte in die Augen der Feuerhexe und erinnerte sich zu sehr gut daran. Sie brauchte nicht viel Konzentration, sondern sah ihr Seelenhaus, wie es von dem Feuersturm bedroht worden war, wie es sich versuchte dagegen zu behaupten und wie ihre innere, kleine Flamme gefährlich zitterte. Sie sah, wie die kleinen Ecken ihres Lebens sich langsam kräuselten und vergehen wollten. „Ich kann es sehen..“, bestätigte sie erstickt und in ihren Augen sammelte sich etwas Flüssigkeit. Die Angst war groß gewesen alles falsch gemacht zu haben. Es war noch sehr real, da ihr einfach eine Woche Abstand fehlte. Doch die zärtliche Geste auf ihrer Haut, halfen ihr dabei nicht wieder zurückzugleiten in den Abwärtsstrudel ihrer Gedanken. "Einige der Balken standen in Flammen, Teile waren angesengt und verkohlt worden, aber es steht doch noch, nicht wahr? Im richtigen Leben besäße es nun einige kleine Schäden, die man mit ein wenig Mühe wieder aufbauen kann. Vielleicht setzt man hier und da sogar noch einen Stützbalken mehr ein, verwendete brennsicheres Material und trifft einige Vorsichtsmaßnahmen. Was ich im Grunde sagen will: Feuermagie mit der Macht, wie sie Serpentis auf dich losgehetzt hat, reißt nicht nur ein Haus nieder. Es hätte deine gesamte Existenz gerodet und das binnen Sekunden! Nichts als Asche wäre übrig geblieben.“ Madiha sah, wie ihr Seelenhaus zwar gelitten hatte, aber noch stand. Ja sogar noch intakt genug wäre, um weiterhin darin zu wohnen. Sein fester Griff holte sie aus ihrem inneren Blick zurück und sie sah wieder in seine gesprenkelten Augen. Sie war ganz ruhig und ihre Züge zeugten von Entspannung. Ihr Atem glitt ruhig über ihre Lippen und als ahnte sie, was er sagen wollte, hielt sie ihn gespannt an. "Madiha, verstehst du es? Du konntest ihre Magie vielleicht nicht in dir aufnehmen, geschweige denn, sie allein auf Serpentis zurückschleudern, aber sie konnte dich auch nicht auslöschen. Du hast das Feuer angenommen - ihr Feuer! Du hast es aufgenommen und bewahrt, ohne großen Schaden zu nehmen ... und das als ungeübte Magierin. Stell dir vor, was du erreichen könntest, wenn du die volle Kontrolle besitzt! Ich soll mich irren? Glaubst du das immer noch?"
Ihr Blick flackerte. Konnte es wahr sein? Aber… er hatte Recht, nicht wahr? Sie war noch hier. Und.. niemand hatte wahrlich Schaden genommen. Sie waren alle noch hier! Erneut schwammen ihre Augen als er sich aufrichtete und ihr Gesicht berührte. "Auch das hier hat dir etwas oder jemand angetan, aber zerstört bist du nicht. Du bist immer noch hier und wie ich hörte, sogar inzwischen vollkommen frei ... du bist selbst zu einer Herrin geworden. Ich werde dich diese Freiheit auf der magischen Ebene lehren. Ich will erfahren, wieviel ein Mensch mit diesem Potenzial erreichen kann in der Zeit, die er hat." Es bedeutete ihr viel. Kjetell’o zeigte ihr eine Sichtweise, die sie selbst niemals hätte erkennen können. Dass er sie an ihren Narben berührte, war ungewohnt, doch sie ließ es zu. Gebannt von seinen Worten und der leisen Erkenntnis, die sich in ihr manifestierte. Madiha schluckte ihre Ergriffenheit hinunter, als Kjetell’o den Moment unterbrach und Caleb bat, Azura zu informieren.
Doch Madiha rief sich die Worte wieder zurück und hörte sie abermals. Sie hatte standgehalten. Sie hatte ausgehalten, was sonst alles hätte vernichten können. Sie hatte sich nicht falsch entschieden. Sie hatte instinktiv etwas getan, was sie hätte vernichten sollen… doch sie war hier und das sogar halbwegs unversehrt. Was waren ein paar Kratzer, ein paar vulnerable Handflächen… wenn sie überlebt hatte? Schon wieder? Madiha’s Herz wurde bedeutend leichter. Sie spürte, wie Kjetell’o ihr eine neue Perspektive gegeben hatte. Wie er es schaffte, den großen Stein zu lösen, der ihr Gemüt beschwerte. Ihr rollte eine Träne der Erleichterung über die Wange und ihr Stand wurde etwas aufrechter. Ja! SIE konnte das. Sie würde es schaffen. Und bei seiner kleinen Demonstration hatte sie es doch gespürt… Das Feuer war Teil ihrer selbst. Wollte sie sich den Flügel stutzen, wie es Corax getan hatte, nur um dazuzugehören? Madiha sah zu Caleb, der gerade erwähnte, mit Corax sprechen zu wollen. Es tat noch immer weh. Aber… konnte sie Caleb denn an sich binden, wenn er nicht wollte? Sie wollte für sich selbst auch die Freiheit. Und sie würde ihm diese immer gewähren. Er besaß als einziger alles von ihr. Und sie würde alles tun für ihn. Doch ihre Magie aufgeben? Das konnte sie nicht. Also musste sie lernen, dass sie keine Gefahr bleiben würde. Dass niemand Angst vor ihr haben musste. Madiha fasste einen Entschluss: Sie würde das Wissen, welches Kjetell’o bereit war zu geben, wie ein Schwamm aufsaugen und fleißig sein. Sie würde es schaffen können! Sie würde es ihnen beweisen… So folgte sie dem Elfen, der nun wieder er selbst war. Sie betrachtete ihn auf dem Weg, den sie ein wenig hinter ihm bestritt. Madiha hatte endlich Zeit, den Elfen genauer zu mustern. Er sah wirklich vollkommen anders aus als jene, die Madiha nun bereits hatte kennenlernen dürfen. Die Männer in ihrer Welt waren doch recht… herb gewesen. Sie roch das ihm eigene Aroma und lächelte kurz. Dann aber schloss sie etwas zu ihm auf. „Woher kommt ihr, Kjetell’o?“, fragte sie ganz ihrer neugierigen Art entsprechend. Sie folgte den behänden Bewegungen hinauf und wartete auf eine Antwort, bis sie von den kurzen Ausschnitten der Gitterfenster abgelenkt wurde. Sie wurde ruhiger, während sie bei jedem Fenster einen Blick hinauswarf. Sie konnte das weite Meer erkennen, die verschiedenen Blautöne und die schiere Unendlichkeit, die ihr bereits auf der Blauen Möwe den Atem geraubt hatte. Die Regentropfen pritzelten etwas auf ihrem nackten Arm, doch das störte sie nicht. Sie mochte den Regen irgendwie. Dennoch kam sie nur kurz hinter Kjetell’o im obersten Raum an. Sofort huschte ihr neugieriger Blick umher und sie staunte über die vielen Fenster. "Wir müssen hier oben aufpassen, dass keine Unterlagen wegfliegen. Eigentlich öffne ich die Fenster nur bei Windstille", hörte sie seine Worte und beobachtete gespannt, was passierte, als er die Drehhebel betätigte.
Dann öffnete sich aber Madiha’s Blick in purem Staunen. Ihre Augen wurden groß und ihr Mund öffnete sich. Sie trat an die geöffneten Fenster heran und starrte regelrecht auf die Welt, die ihr zu Füßen lag. Das Mädchen war vollkommen gebannt von der schieren Weite, die sie erfassen konnte. Sie legte eine Hand an das Gemäuer und ließ den Blick schweifen. Sie sah über Andunie, über die Baustelle und weiter über das Land. Die verschiedenen Grüntöne zauberten ihr ein erhelltes Lächeln ins Gesicht. „Celcia… ist so groß…“, flüsterte sie ehrfürchtig und lehnte sich neugierig vor, um noch mehr sehen zu können. Sie erfasste die Flüsse, Seen und die endlos wirkende Grasdecke. Sie sah die Wälder, die Bäume vor der Stadt. „Es ist so grün alles.“, murmelte sie und wechselte mit einem Mal das Fenster, um noch anderes zu entdecken. Wie ein aufgeregtes Kind sog sie sämtliche Perspektiven in sich auf und ließ sich kaum davon abbringen. „Was ist das dahinten?“, fragte sie und deutete auf die Berge. Nie hat sie solche Gebilde gesehen. Nie davon gehört. „Sie wirken so winzig und doch kann ich sie sehen!“, schnatterte sie und wurde immer gelöster. Kjetell’o bemerkte vermutlich, wie sehr Madiha dieses ‚Geschenk‘ genoss. Erneut wechselte sie den Ort und starrte weiterhin hinaus. „Sind das die Apfelbäume? Caleb hat mir davon erzählt…“, plapperte sie losgelöst von aller Schwere und Unsicherheit. Madiha wollte lernen, wollte entdecken und erleben. Sie hungerte nach der Schönheit eines Landes, die sie bisher nie hatte sehen dürfen. "Gefällt dir die Aussicht?", sie nickte ohne Umschweife. „Wer pflegt das alles?“, wollte sie wissen, weil sie glaubte, vor einem immens großen Garten zu stehen. Jemand musste das ja alles stutzen und hegen und pflegen. Sie konnte ihren Blick nicht von der Aussicht lösen und lehnte ihren Kopf gegen das Fenster. "Sie soll Schüler, die hier oben lernen, inspirieren. Das muss sie nun aber hinter Fensterglas tun. Du wirst sicher viele Aufzeichnungen anlegen und nichts davon soll vom Wind aufgewirbelt werden." Sie wich etwas zurück, ehe sie ihre Hand an das Fensterglas legte und noch einmal hinausstarrte. „Es ist wunderschön… Ich könnte für immer hierbleiben…“, murmelte sie und lächelte selig. "Schreibmaterial stelle ich dir im Namen der Akademie zur Verfügung. Jetzt möchte ich aber erst einmal sehen, wie gut du dich erholt hast."
Das holte sie tatsächlich wieder zurück aus ihren Träumereien. Madiha blinzelte und sah über ihre Schulter zu Kjetell’o, der sich gerade dem Kamin zuwandte. „Schreiben? Oh.. ich…“, sie räusperte sie verlegen und legte ihre Hände auf den Rücken. „Ich kann nicht gut schreiben… eigentlich gar nicht… also.. ich hab angefangen es zu lernen, aber…“, sie hustete und wich seinem Blick aus. „Aber dann war da der Angriff und… naja.“, sie führte das nicht näher aus. Kjet würde gewiss ahnen, dass sie nicht genug Zeit gehabt hatte, etwas Brauchbares zu lernen und, dass ihr Leben, das bisher nicht vorgesehen hatte. Als Sklavin, die das Bett mit vielen teilte, musste sie weder lesen noch schreiben können. "Es ist etwas zugig hier, meinst du nicht? Vielleicht solltest du uns ein bisschen ... einheizen."
Sie hob die Augenbrauen und sah zum Kamin. „Natürlich“, nickte sie und suchte tatsächlich als erstes und in gewohnter Manier nach Zunderzeug. Sie sah sich richtig um, betrachtete die Pulte und suchte. Madiha hat in ihrem Leben nicht oft einen Kamin entzünden müssen, doch sie gereinigt und in kalten Wüstennächten, die auch in Sarma mal für Frische sorgten, hier und dort einen entzündet. Sie fand aber nichts und wollte das gerade mitteilen, als er die Hand nach ihr ausstreckte. "Mach dir keine Sorgen. Vergiss nicht, dass ich von nun an als dein Lehrmeister agieren werde. Du kannst mich aber weiterhin Kjetell'o nennen und jederzeit Fragen stellen. Wenn etwas schiefgeht, bin ich hier, um dich aufzuhalten ... und nein, ich werde dir kein Haar krümmen. Ansonsten müsste ich mich wohl Corax' Zorn stellen. Oh und auch Calebs, wie ich sehe." Madiha zuckte unter der Berührung zurück. Sie trat von Kjetell’o weg und verdeckte ihren Nacken mit ihrer eigenen Hand. „Nicht…“, meinte sie und schlug die Augen nieder. „Tut das nicht…“, bat sie ihn und fühlte sich an unangenehme Stunden mit Khasib erinnert. „Es… ich mag das nicht.“, gestand sie ihm und war tatsächlich ungewohnt ehrlich damit. Eine Gänsehaut hatte sich auf ihre Arme gelegt. „Ich werde fleißig sein.“, versicherte sie ihm, wurde dann aber etwas rot, weil er Caleb’s Beschützerinstinkt ansprach. „Er… passt auf mich auf.“, gestand sie auch hier und schien trotz allem ein wenig mehr Vertrauen zum unbekannten Elfen zu fassen. Gleichwohl hatte sie verstanden, dass eben jener nicht meinte, sie solle den Kamin auf herkömmliche Weise entzünden. Über ihre Naivität rollte Madiha ungesehen die Augen. Sie hätte sich das durchaus denken können. Aber Kjet schien es gar nicht groß wahrzunehmen oder er war darauf bedacht, sie nicht zu verunsichern, weil sie sich in ihrer neuen Rolle noch nicht zurechtfand. Jedenfalls wechselte er das Thema "Wie ist eigentlich dein Verhältnis zu Azura, wenn mir die Frage erlaubt ist. Kennst du sie gut, die van Ikari? Welchen Platz belegt sie denn im Stammbaum der Familie?" Das überraschte Madiha dann aber doch. Sie sah ihn an und runzelte die Stirn.
Ihre Augen huschten über seine Züge und wollten ergründen, wieso er ein so großes Interesse an der Adeligen hatte. „Ich habe gar kein Verhältnis zu ihr. Sie und Corax… kamen zusammen auf das Schiff, auf dem Caleb und ich waren. Die Umstände brachten uns zusammen. Wieso wollt ihr das alles wissen? Azura ist mit Corax zusammen.“, bemerkte sie leichthin und musterte seine Reaktion darauf. „Ich weiß nichts von Stammbäumen. Oder wer ihre Familie ist, was sie für einen Einfluss hat oder hatte. Ich kenne davon nichts. Fragt sie selbst – sie wird euch wohl am besten Auskunft geben können…“, bemerkte sie schulterzuckend und drehte sich zum Kamin. Madiha betrachtete ihn und seine staubige Dunkelheit. Wie sollte sie es anstellen? Hatte sie jemals ihre Magie einfach zu abgerufen? Nein… Aber jetzt, jetzt sollte sie es tun? Sie runzelte konzentriert die Stirn. Dann blickte sie auf ihre Hände und wieder zurück. Vor ihrem Auge flackerte mit einem Mal die Erinnerung an das Lagerfeuer, das Kjetell’o ihr suggeriert hatte. Madiha trat an den Kamin heran und in ihren Gedanken an das Lagerfeuer. Dann betrachtete sie die züngelnden Flammen und hatte das Gefühl, dass ihr dieses Mal das Licht nichts anhaben würde. Sie griff in die Flammen und spürte… „Wärme..“, flüsterte sie ehrfürchtig, während sie auf ihre rechte Hand blickte. In ihren Gedanken schöpfte sie etwas von dem Lagerfeuer auf ihre Hand, als würde sie ein kleines Tier halten. Dann versuchte sie die Gedanken-Flamme zu übertragen und auf ihre echten Hände zu bringen, um somit den Kamin zu entzünden. Ob es ihr gelänge? Sie wusste schließlich nicht, wie sie die Magie anzapfen und leiten konnte. Sie vertraute ihrem Gefühl, einer Intuition und ließ sich davon leiten. Davon und dem Selbstvertrauen, das Kjetell’o ihr für den Anfang vermittelt hatte.