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von Azura » Donnerstag 22. September 2016, 10:53
Sie fühlte sich wieder besser und ganz so, als hätte sie das Oberwasser zurück bekommen. Ganz so, wie sie glaubte, dass es ihr zustünde. Als ob sie sich von einem einfachen Soldaten, egal, wie finster er wirken und wie viel stärker als sie er sein mochte, etwas sagen lassen würde. So weit käme es noch!
Die Zwerge indes, die wussten sich zu benehmen, und obwohl sie schmutzig, klein und eher hässlich waren, bemühte sich die junge Frau um ihre charmante Seite, wie sie es in den unzähligen Konversationen im Adelskreis gelernt hatte. Was ihr zugute kam, war, dass sie jemanden hatte, den sie mit Spott überziehen und somit als Bauernopfer verwenden konnte. Selbst, wenn er es nicht hundertfach schlimmer verdient hätte, als mit simplen Bemerkungen und Spitzen ein wenig bloßgestellt zu werden!
So richtete sie selbstverständlich auch ab und zu das Wort an ihn, selbstredend herablassend, wie es ihm gebührte. Er schüttelte auf ihre Frage den Kopf und sie ignorierte, wie fast immer, dass sein Blick ihr eigentlich eine andere Botschaft mitteilen wollte. Doch jetzt, mit sieben kleinen Kerlen an ihrer Seite fühlte sie sich bedeutend überlegener und sah noch weniger als zuvor die Notwendigkeit, auf solche Zeichen zu achten. Azura glaubte sich unangreifbar, auch wenn sie mit dem Kerl noch durch die Kette verbunden war.
Also lenkte sie das Thema lieber wieder auf sich, als sie befürchten musste, den Platz als Mittelpunkt der Aufmerksamkeit räumen zu müssen, und lächelte fast schon engelsgleich, als sie gemustert wurde. Eine kurze Beratung, dann kam schon die Antwort.
„Aber Smaragde sind so intensiv in ihrer Farbe. Das könnte aufdringlich wirken.“, gab sie lieblich zu bedenken. Ganz so, als käme es ihr niemals in den Sinn, auffällig zu sein oder gar Aufmerksamkeit auf sich bewusst ziehen zu wollen. Um das Ganze noch zu unterstreichen, klimperte sie mit ihren Wimpern, zumindest, soweit diese noch vorhanden und nicht verbrannt waren.
Sie waren einst schön, dicht und lang gewesen, doch wie sie jetzt aussahen, wusste sie nicht und wollte es auch gar nicht. Lieber verdrängte sie den Umstand, dass sie halb verbrannt worden war und sogar ihre Haarpracht darunter gelitten hatte. Von ihrer Kleidung ganz zu schweigen, aber diese hatte sie ja mehr oder weniger ersetzen können.
Darüber konnte sie sich später ebenso Gedanken machen, denn nun musste sie sich darauf konzentrieren, einen Rhythmus zu finden, der sie nicht zu schnell ermüdete und sie gleichzeitig das Tempo mithalten ließ. Das erforderte ihre gesamte Aufmerksamkeit, schließlich war sie nicht täglich mit Zwergen oder Soldaten marschiert, sondern wenn, dann für sich allein, wenn nur sie die Geschwindigkeit und Länge vorgab. Jedoch würde sie sich lieber die Zunge abbeißen, als um eine Verlangsamung zu bitten. Also hielt sie sich aufrecht und bemühte sich um eine Miene, die nichts von ihrer Anstrengung verriet.
Um mögliche Entgleisungen ihrer Mimik zu verbergen, versuchte sie, das Gespräch ein wenig in Gang zu halten, indem sie mit den Zwergen plauderte. Dabei war sie erstaunlich ehrlich, als wisse sie instinktiv, dass ihr Überleben nicht gerade leichter werden würde, sollte sie sich Fähigkeiten brüsten, die sie gar nicht besaß und in Erklärungsnot geraten würde, sobald es einmal darauf ankäme. Also blieb sie sogar bei der Wahrheit, wenngleich diese nicht gerade besonders ruhmvoll wäre. Das Wurfholz… Effektiv, nicht nur bei der Jagd, wenn es sein musste, aber alles andere als eine adelige Waffe. Doch sie wäre einfach herzustellen und könnte bei der Nahrungsbeschaffung in der Wildnis helfen, sollten sie nicht wieder so rasch in die Zivilisation gelangen können.
Dass die kleinen Männer nichts damit anfangen konnten, konnte sie demnach nachvollziehen, wenn auch aus anderen Gründen. Eine Streitaxt wäre jedoch definitiv nichts für sie. Viel zu grob, klobig und schwer. Aber sie hütete sich, etwas davon verlautbaren zu lassen.
Dennoch musste sie kurz darauf leidend das Gesicht verziehen, denn allein die Vorstellung war… grauenhaft! „Nein, und wenn ich kann, verzichte ich lieber, danke.“, erwiderte sie erstaunlich gerade heraus, ein Umstand, der ihrer körperlichen Anstrengung geschuldet war.
Nur bedauerlicherweise ersparte ihr das nicht eine gar grausige Schilderung, bei der sie rasch beschloss, die Worte an sich vorbei plätschern zu lassen und sich keine dazugehörigen Bilder auszumalen, damit ihr nicht übel würde. Etwas flau im Magen war ihr schließlich schon. Umso dankbarer war sie dem Unterbrecher, dessen Bemerkung sie innerlich aufatmen und tatsächlich leicht schmunzeln ließ.
Um diesen obendrein noch zu unterstützen und hoffentlich keine weiteren Einzelheiten heraufzubeschwören, meinte sie mit gespielten, heftigen Erstaunen:„Ein Dutzend? Na, du musst ja robust und tollkühn sein, dass du dich dann noch immer daran wagst!“ Sie zwinkerte dem Unterbrecher, der bezeichnend auf die vorhandenen beiden Beine seines Kameraden sah, verschwörerisch zu und grinste flüchtig, ehe sie wieder große Augen machte, um ihr Spiel aufrecht erhalten zu können.
Es schien zu wirken, die Gruppe wirkte weiterhin gelöst und endlich musste sie sich nichts weiter anhören, was ihren Magen in Aufruhr versetzte, auf negative Weise. Auch gewann sie immer mehr an Rhythmus in ihren eigenen Bewegungen, wurde sicherer und konnte ihre Gedanken allmählich auf andere Dinge richten. Die Stiefel waren gut eingelaufen inzwischen, sodass sie das Scheuern an ihrer Ferse nicht wahrnahm. Noch nicht zumindest, da die Haut einstweilen dem noch standhielt und keine Wunde eröffnete. Auch das verbergende Tuch, das ihr herab gerutscht war, nahm sie als gegeben hin, während die Luft ihren Schweiß im Nacken ein wenig trocknete.
Dass ihre Ohren in den Fokus eines Augenpaares gelangt waren, nahm sie nicht wahr, da sie ihren Blick weiterhin bevorzugt nach vorne richtete. So lange, bis sie eine kurze Pause einlegten, weil die Zwerge miteinander in ihrer Sprache reden mussten. Azura war diese Unterbrechung willkommen, jetzt, wo sie allmählich müde wurde und vor allem hungrig.
Die Brise war anfangs angenehm gewesen, doch langsam wurde ihr zu kühl aufgrund des Schweißes, der ihren gesamten Körper in Besitz genommen zu haben schien. Nachdem sie ihre Arme nicht schützend um ihren Oberkörper schlingen konnte wegen dieser blöden Kette, griff sie instinktiv nach dem Tuch und zog es enger um ihre Schultern. Nicht viel, aber immerhin ein kleiner Schutz.
Dabei hörte sie etwas und drehte ihren Kopf zu ihrem unfreiwilligen Begleiter. Ihre linke Augenbraue leicht erhoben, sah sie ihn skeptisch an. „Hm?“, machte sie nur, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sie beide zu lenken. Was wollte er jetzt wieder mit einem Edelstein?
Wenigstens ging es rasch wieder weiter, sodass sie sich erneut warm laufen konnte, mehr oder weniger. Denn der Wind wurde kräftiger und ob sie es wollte oder nicht, eine Gänsehaut nach der anderen bildete sich auf den bloßen Stellen ihres Körpers, zeitweise sogar auf ihrem Gesicht. Wenn sie nicht bald in eine warme Stube käme und etwas heißes zu trinken bekäme, könnte sie sich leicht und viel zu rasch eine gefährliche Lungenentzündung holen.
Mit sich selbst beschäftigt, bemerkte sie den Blick des Kerls in ihren Ausschnitt nicht. Erst sein einzelnes, gefragtes Wort ließ sie aufsehen, gerade noch rechtzeitig, um sein Nicken in ihre Richtung zu bemerken. Unwillkürlich folgte sie der Bewegung und schlang hastig das Tuch enger, um ihre Brüste besser verbergen zu können, die sie sonst durchaus zur Schau gestellt hatte, um attraktiver und anziehender zu wirken.
„Als ob deine Hände wärmer wären!“, gab sie spitz zurück, um ihm gleich der Idee zu berauben, er könne versuchen wollen, ihre Haut zu bedecken. Trotz ihres Tonfalls röteten sich ihre Wangen noch eine Spur mehr und sie sah rasch von ihm weg, um ihm ihre Verlegenheit nicht sehen zu lassen. Das konnte sie jetzt gewiss nicht gebrauchen!
Nur leider hatte er trotz allem recht, denn ihr wurde immer kälter, obwohl sie sich noch immer in einem strammen Tempo bewegten. Es würde nicht mehr viel fehlen und ihre Zähne würden zu klappern beginnen. Auch fielen ihr die Bewegungen immer schwerer, ihre Beine waren müde, der Atem wurde zu einem leisen Keuchen, ihr Magen knurrte vernehmlich und ihre Augen brannten, sodass sie sich des Öfteren darüber reiben musste, damit sie nicht tränten.
Schließlich schienen sie ihrem Ziel endlich nahe zu kommen. Die junge Frau allerdings hatte keinen Blick für die Schönheit der Bucht oder was sich dort alles abspielen mochte. Sie sehnte sich nur noch nach Wärme und einem weichen Bett, in dem sie sich unter einer kuscheligen Decke zusammen rollen und schlafen konnte. Dies indes schien noch ein weit entfernter Traum zu bleiben, denn auf der Klippe, auf der sie sich nun befanden, blies der Wind ihr noch schärfer ins Gesicht, sodass sie ihr Tuch so eng wie möglich zog und sogar unbewusst einen Schritt in Richtung Corax machen, um Wärme zu suchen. Inzwischen hatten ihre Zähne unvermeidlich zu klappern begonnen und sie konnte es nicht mehr zu hundert Prozent unterdrücken. Umso fester presste sie die Lippen aufeinander.
So ignorierte sie auch den Schlagabtausch zwischen ihrem Begleiter und dem Prahler von vorhin. Stattdessen bemühte sie sich, der Erklärung zu folgen und ein Lächeln zustande zu bringen, als sie diese direkt erhielt. „Dann sollten wir sie nicht länger warten lassen, oder?“, brachte sie, ein wenig bemüht, hervor und nickte in die Richtung des Schiffes.
Dass dies indes bedeutete, einen nicht gerade einfachen Hang hinab zu steigen, hatte sie nicht bedacht, sondern geglaubt, der Weg wäre ebener. Doch ihr blieb nichts anderes übrig. Das Problem allerdings war ihre Erschöpfung, denn immer wieder glitt sie bei dem feinen Kies aus, auch wenn sie sich noch jedes Mal wieder fangen konnte. Ihr Zustand wurde auch offensichtlich, da sie auf die Spitze gegen ihren Begleiter nicht einging, ja, sie nicht einmal mehr richtig zur Kenntnis nahm, weder im positiven, noch im negativen Sinne.
Was sie wollte, war Wärme und Ruhe, mehr nicht. Immer öfter musste sie sich an größeren Steinen auf dem Weg hinab abstützen und einmal wollte sie sogar stehen bleiben, um Atem zu schöpfen und den leichten Schwindel, der sie befiel, zu überwinden. Letzteres hingegen wollte nicht so recht gelingen, sodass sie sich damit abfinden musste, wollte sie hier nicht ewig bleiben. Die Frage war nur noch, ob das klug war und ob sie den restlichen Weg bis zum Schiff alleine auf ihren eigenen Beinen schaffen würden. Diese fühlten sich inzwischen recht weich an und sie beschlich die Sorge, ob sie auf den letzten Metern nicht mehr durchhalten würde. Wenn ihr nur nicht so kalt und wenn sie nur nicht so müde wäre!
Der Hunger half ihr auch nicht sonderlich dabei, das Ganze zu bewältigen, denn ihr Magen knurrte immer öfters, vor allem, seit der Vorstellung von heißem, gebratenem Fisch, den die Zwerge ihr in Aussicht gestellt hatten. Wenn es nur schon geschafft wäre!