Das Leben der Anderen

Diese Akademie wurde von der mächtigen Feuerhexe Cassandra gegründet. Hier werden hauptsächlich Feuermagier ausgebildet und geschult, Cassandra jedoch ist hier selten aufzufinden.
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Madiha Al'Sarma
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Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 24. Februar 2021, 08:19

[Einstiegspost]


Der Dieb betrachtete das Gesicht der jungen Frau vor sich. Seine Augen ruhten lange auf den Lidern die immer wieder leicht flackerten. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass sie die Tortur überstehen würde. Er hatte sie dort im Sand gesehen und war sich sicher, dass sie binnen weniger Stunden ihren Verletzungen, ihrem Hunger erliegen würde. Und doch… er sah sie an und sie lebte. „Achtung! Heißes Wasser“ ertönte eine weibliche Stimme und ein Rock raschelte an dem Dieb vorbei. Sie bedachte ihn mit einem kurzen Seitenblick, ehe sie sich neben das Bett des Mädchens stellte. „Das arme Ding.“ Murmelte sie auf celcianisch und Caleb musterte sie von der Seite. Sie war eindeutig keine Sarmaerin und hatte eher blasse Haut, helles Haar und feine Gesichtszüge. Sie stellte die Schüssel mit dem Wasser auf ein Nachtschränkchen, darauf bedacht nicht zu kleckern. Das Phänomen konnte man oft hier in der Wüstenstadt beobachten. Wasserreserven waren knapp und so ging man behutsam damit um. Erstrecht seit der Eroberung durch die Dunkelelfen vor einiger Zeit. Der Stadt fehlte es, nach der Rückeroberung, an allem und so auch an trinkbaren Wasserreserven. Die kleine, etwas rundliche, Frau schob das rechte Bein von Madiha, das unter einer weißen Decke versteckt war, etwas zur Seite und setzte sich dann mit einer Pohälfte auf die Bettkante. Sie lehnte sich etwas vor, wrang ein sauberes Tuch mit Wasser aus und befühlte dann die Temperatur, ehe sie die Stirn des Neuzuganges abtupfte. „Sie glüht.“ Bemerkte sie besorgt und Caleb’s Augen richteten sich wieder auf Madiha. Fieber war nur eines der vielen Dinge die ihr derzeit das Leben schwer machte. Seit 4 Tagen lag sie nun in der Feuerakademie zu Sarma und wurde, aufgrund seiner Beziehungen zu einigen Lehrmeistern hier, versorgt. Er hatte versichert, dass sie Potenzial in sich trug und dass er es gerne prüfen lassen würde. Doch dafür musste sie zu Kräften kommen. Fieber war neu hinzugekommen und so wie die rundliche Frau schaute, hieß das nichts Gutes. „So schlimm?“ Fragte er, ebenfalls in celcianisch. An die Akademie kamen viele verschiedene Kulturen aus ganz Celcia. Es war üblich, dass man hier die Sprache verwendete, die jeder verstand.

„Nun,“ begann sie „Im Grunde bedeutete es, dass ihr Immunsystem aktiv arbeitet. Doch ich fürchte, dass Madiha nicht genug Reserven aufbringen kann für so eine Leistung. Ihre Wunden sind nicht verheilt, sie verkrusten gerade erst. Der Sand in dem sie so lange steckte, hat ihre Wunde am Rücken teilweise verunreinigt und immer wieder aufgescheuert. Sie ist so gut wie verhungert und hat massiven Flüssigkeitsmangel.“ Sie seufzte, was Caleb nicht schmeckte. „Ich weiß nicht, ob sie die Nacht übersteht, Herr.“ Schloss sie und tupfte erneut die Stirn des Mädchens ab. Calebs Augen betrachteten die blasse Hautfarbe des Sklavenmädchens. Ihre Augen wirkten eingefallen und irgendwie dunkel umrandet. Das Haar stumpf und strohig. Man hatte sie gewaschen, was wirklich nötig war, doch nicht zu ihrer grundsätzlichen Genesung beitragen würde. Die Wunden hatte man mithilfe von Cremes etwas eingerieben, um die Haut geschmeidig zu halten. Trinken war ein Problem und auch Essen ging nicht, denn Madiha beharrte darauf, im Koma zu bleiben. Er spürte Unmut in sich aufkommen. Er stützte sich auf das Fußende des Bettes und seine Knöchel traten weiß hervor. Dann senkte er den Kopf zwischen die Arme. „Was können wir tun?“ Fragte er dann, als die Adeptin der Akademie aufstand. Sie nahm die Schüssel in meine Hände und schaute zwischen Madiha und Caleb hin und her. „Beten.“ Sagte sie und nickte dem Dieb zu. Dann kehrte sie zu anderen Aufgaben zurück.

Caleb wartete einen Moment, ehe er den Kopf wieder hob. Erneut blieb sein Blick an den Gesichtszügen Madihas hängen. Ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit, das er nicht deuten konnte. Wieso er sich so verantwortlich fühlte wusste er selber nicht und auch wenn sich ihre Wege vor vielen Jahren verknüpft hatten, so war er nicht der Richtige der für sie Sorge tragen musste. Das wusste er, doch er konnte nicht anders. Als sie da in der Zelle vor ihm stand, schien es fast so, als hätte Lysanthor persönlich Bande zwischen ihnen geknüpft, die er nicht würde lösen können. Er würde Madiha fortan nicht vergessen. Doch jetzt hatte er alles getan, was er konnte. Es lag jetzt an der Sklavin vor ihm, sich das Leben zu retten. Er hatte Aufträge für den Bund der Diebe zu erledigen, die nicht warten konnten und seine Anwesenheit anderswo erforderlich machten. Caleb blickte noch mal über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass er alleine mit ihr im Zimmer war. Dann ging er um das Bett herum, setzte sich auf den Platz, den zuvor die Adeptin inne hatte und nahm Madihas Hand. “Du wirst leben, hörst du? Du wirst dich erholen und du wirst dir ein Leben aufbauen, das deiner würdig ist. Ich werde immer wieder mal nach dir sehen, Madiha Al’Sarma. Verlass dich darauf.“ Dann legte er ihre Hand behutsam zurück auf ihren Bauch und erhob sich. Er sah nicht noch einmal zurück, um das Bild, welches sich ihm bot, nicht mit auf die Reise zu nehmen. Er würde eine Weile weg sein, doch vielleicht kreuzten sich ihre Wege irgendwann wieder. Er würde sich nach ihr umhören, wenn er das Gefühl danach hatte, doch jetzt brauchte er seine vollste Konzentration und musste das Wüstenmädchen aus Sarma eine Weile aus seinen Gedanken streichen. Ohne also zurück zu blicken, verließ Caleb das Zimmer und die Akademie, um sich seinen Geschäften zu widmen.

„Madiha?“ hörte das Mädchen und doch reagierte sie nicht sofort. „Madiha! Konzentrier dich bitte.“ Die Dunkelhaarige schloss einen Moment die Augen, sodass sie die Konzentration aufbringen konnte, die verlangt wurde. Dann drehte sie sich zu der Lehrmeisterin um. „Wir müssen sehen, welche Größe du hast, damit wir dich einkleiden können. Du hast ja nichts dabei gehabt, als du vor 8 Tagen zu uns kamst.“ Madiha verharrte einen Moment ruhig, damit die Schneiderin ihre Maße nehmen konnte. Dann hörte sie etwas Gemurmeltes, das sie nicht verstand und die Schneiderin dampfte mit Brille auf der Nase, Stecknadeln im Mund und Stift hinterm Ohr ab. „Hast du heute schon deine Übungen gemacht?“ Wollte die Lehrmeisterin wissen und Madiha nickte leicht. Man hatte ihr, als sie aus dem Koma erwachte, aufgetragen immer wieder gewisse körperliche Übungen zu absolvieren, damit sich ihre Muskeln wieder erholten. Sie war abgemagert und schwach auf den Beinen, weshalb die letzten 4 Tage davon bestimmt wurden, dass sie kleine Portionen, aber öfter am Tag, aß, dass sie genug trank und dass sie eben jene Übungen machte. Madiha hatte überhaupt keine Orientierung gehabt, als sie aufwachte. Sie wusste nicht wo, wer oder was sie war. Sie halluzinierte anfangs, doch dann beruhigte sich ihr Geist Stück für Stück und sie wurde darüber aufgeklärt, was geschehen war und wo sie sich befand. Madiha konnte es nicht fassen und allem voran, dass der Dieb sie tatsächlich aus dem Sand gefischt hatte. Das er es gewesen war, der sie hierher brachte. Sie verstand nicht, wieso er das tat, doch undankbar war sie nicht. Nun aber prasselten Tag für Tag Eindrücke auf sie ein, man sagte ihr dieses und jenes und sie wusste am Abend gar nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Für Madiha war es, als wäre sie in einem völlig falschen Leben aufgewacht, als wäre das nicht ihres und sie hatte erhebliche Mühe, sich überhaupt mit allem und mit allen zurechtzufinden.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 25. Februar 2021, 12:56

Das sollte es nun also sein: ihr neues Leben. Nun, Madiha konnte nicht abstreiten, dass es besser war, als den Kopf abgeschlagen zu bekommen oder unter Lysanthors Sonnenstrahlen im Wüstensand vergraben langsam und elendig zu verdursten. Sie wollte schon immer leben, ganz egal wie. Nun tat sie es, wenngleich es Zeit brauchen würde, sich daran zu gewöhnen. Zu viele Einflüsse prasselten täglich auf sie herab. Nicht alle konnte sie stämmen, erst Recht nicht ganz frisch nach ihrem Erwachen. Da hatte sie genug damit zu tun, wieder zu Kräften zu kommen. Anfangs Fremde rieten ihr, gewisse Übungen mehrmals am Tag zu versuchen, damit sie nicht kraftlos blieb und ein Leben im Bett würde verbringen müssen. Das wäre zu langweilig! Also übte Madiha und nach einiger Zeit spürte sie, dass sie sich wieder stärker fühlte. Vor allem die täglichem Mahlzeiten halfen. Täglich! Sogar mehrmals und eine davon immer so reichhaltig, dass sie nie ihre ganze Portion schaffte. Sie lernte Kochkünste kennen, an die sie in ihrem bisherigen Leben nicht einmal im Traum gedacht hatte. Natürlich wusste sie, dass Khasib stets Besseres zu Essen bekam als seine Lustsklaven. Die wurden mit Wasser, Brot und gelegentlich Datteln am Leben gehalten. Nun aber durfte sie Kaktusfeigen kosten, die in leckeren Honig eingelegt waren. Sie bekam einmal in der Woche sogar gebratenes Ziegenfleisch oder Fisch und lernte, dass es mehr als eine Sorte Brot gab. Diese Annehmlichkeiten waren neu, aber durchaus akzeptabel. Hingegen schwappte die Welle an neuen Gesichtern täglich über sie hinweg. Es gab so viele Menschen auf so engem Raum, dass es ihr selbst nach Wochen noch schwer fiel, sich Namen zu merken.
Mittlerweile wusste sie, dass es sie an die Feuerakademie der Hexe Cassandra verschlagen hatte. Obgleich Madiha ihr nie begegnet war und sie die Frau deshalb überhaupt nicht kannte, formte sich vor ihr ein Bild durch die Gespräche der anderen, die sie gelegentlich aufschnappte. So musste Cassandra eine Furie sein, deren Temperament so hitzig und rot wie ihr Haarschopf war. Gleichsam strotzte sie vor Selbstbewusstsein und ließ sich gar als Frau von niemandem etwas sagen. Sie hatte es als eine der wenigen geschafft, sich unter dem weiblichen Geschlecht sogar in Sarma einen Namen zu machen. Sicherlich war ihr Talent der Feuermagie nicht ganz unschuldig an ihrem gewonnenen Ruf. Doch es reichte, dass sie die Akademie hatte gründen können, in der Madiha nun ebenfalls geschult werden sollte. Ob sie wirklich Talent besaß, wusste bislang keiner.
Aber der Tag, an dem sie darauf geprüft werden sollte, rückte näher mit jedem Quäntchen Kraft, den ihr Körper zurück gewann.

"Madiha, richtig? Ich wurde aufgetragen, dir einige Schriftrollen zu bringen, mit denen du üben sollst. Lehrmeister Beshir sagt, du wirst mit dem Lehrstoff nicht voran kommen, wenn du nicht lesen und schreiben kannst." Der Junge, der ihr einen Stapel zusammengerollter und mit Schnur versiegelter Pergamente auf den kleinen Tisch neben ihrem Bett setzte, gehörte zu ihrer Klasse. Ja, Madiha erhielt nun Unterricht. Sie nahm zwar noch immer nicht länger als ein oder zwei Lektionen pro Tag daran Teil, weil es für sie noch zu anstrengend war, dennoch erwarteten die Lehrer von ihr ebenso Fleiß wie Eifer für deren Unterricht. Jeden Tag gefühlt neue Informationen, dabei bekam sie doch gerade so die Namen der Unterrichtenden in ihren Kopf. Die der Mitschüler blieben ihr meistens noch nicht geläufig. So wusste sie auch nicht wie der dunkelhaarige Bursche mit der gebräunten Haut, den schwarzen Augen und der etwas zu langen Statur hieß, der vor ihr stand. Sie hatte sich ihn nur ob seiner Größe merken können, denn er ragte über die meisten Köpfe seiner gleichaltrigen Mitschüler hinaus, war dürr wie eine Dattelpalme und wiegte sich im Wüstenwind beinahe ebenso hin und her. Da fiel Madiha der Namen plötzlich ein, als sie die Assoziation traf. Der Junge hieß ...
"Schon vergessen? Ich bin Palm - wie der Baum. Und du scheinst irgendwie ... dumm zu sein. Nicht böse gemeint, aber schnells denkst du nicht, oder?" Er stellt noch eine Tasche aus Kamelleder neben die Pergamente. Dann zeigte er darauf und sprach besonders langsam. "Da - sind - Feder - Kiel - und - Tinte - drin. Zum - Schreiben! Auf - Papier. Du - sollst - üben!" Palm seufzte aus. Anschließend spähte er über die Schulter und an seinem dunklen Haarschopf vorbei zur Tür. Er wartete wohl nur darauf, rasch wieder verschwinden zu können. Nicht nur, weil er mit Madiha offensichtlich wenig anfangen konnte - wie die meisten ihrer Mitschüler -, sondern weil ich auch die Krankenstation der Akademie nicht ganz geheuer erschien. Er wirkte ein wenig nervös und dann erfuhr Madiha auch den Grund dafür.
Schwester Dunia betrat soeben den Saal mit all den Krankenbetten, die nur durch Leinenvorhänge voneinander abgeschirmt wurden. Sie trug ein Holztablett mit sich, auf dem gereinigtes Medizinerbesteck lag. Als sie Palm entdeckte, erhob sie die Stimme: "Wann kommst du endlich vorbei, damit wir deinen Finger richten können? Es muss doch schmerzen und das wird nicht besser, wenn der Knochen falsch zusammenwächst. Glaub mir, ihn erneut zu brechen und anständig zu richten, wird für dich am Ende die bessere Lösung sein."
Palm schluckte, nickte der Heilkundigen zwar zu, sah aber dann zurück zu Madiha. Wollte sie noch etwas von ihm oder könnte er sein Heil in der Flucht suchen? Wenn Madiha genau hin schaute, entdeckte sie sofort, um welchen Finger es sich handelte. Wie ein verkümmerter Zweig und mit einer knorpeligen Stelle am Fingergelenk stand der kleine Finger der linken Hand etwas ab.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 26. Februar 2021, 21:07

Das anfängliche Gefühlschaos, bestehend aus Verwirrung, Angst und Skepsis, löste sich mit jedem Tag länger in der neuen Umgebung mehr und mehr auf. Es wurde abgelöst von einem Gefühl der Überforderung. Wetteifer und Scham mischten sich zeitweise sogar bei. Madiha folgte brav den Anweisungen derer die ihr, seit ihrem Erwachen aus dem Koma, zur Seite standen. Sie alle waren bemüht, ihr so zügig wie möglich auf die Beine zu helfen, ohne dass sie etwas dafür erhielten. Ihr ganzes Leben bestand aus Leistung und Gegenleistung und dass es hier anders sein sollte, behagt ihr nicht. Sie kannte sich in dieser Umgebung nicht aus, wusste sich teilweise nicht zu verhalten und hatte das Gefühl, man hätte ihr die Fäden abgeschnitten an denen sie bis vor kurzem noch hing. Diese Fäden, die gleichzusetzen waren mit denen die die Puppenspieler am Markt nutzten, um ihren Puppen Leben einzuhauchen, dirigierten sie seit sie 7 Jahre alt war durch ihr Leben und nun waren sie… fort. Wenn Madiha sich am Anfang noch hilflos gefühlt hatte, so machte sich jetzt immer auch mal die Verzweiflung breit.

Es war nicht so, dass die Siebzehnjährige undankbar war. Weiß Gott nicht. Sie wollte das, sie wollte das andere Leben so sehr, je mehr sie davon zu sehen bekam. Doch Madiha hatte auch ziemlich schnell gemerkt, wie wenig sie wusste, wie wenig sie kannte und wie wenig sie ihr Gehirn in den letzten Jahren gefordert hatte. Sie war regelrecht zornig darüber, wenn sie die Lektionen nicht beherrschte, wenn sie die Namen ihrer direkten Tischnachbarn vergaß, wenn sie an einer Gruppe Dozenten vorbeiging und nur schüchtern nickte, weil sie vergessen hatte, zu welchem Unterricht sie gehörten. Wenn sie am Abend in ihrem Bett lag, die weichen Kissen und Decken spürte und genoss, dann ärgerte sie sich nicht selten über sich selber. Sie war einfältig und in der sozialen Interaktion eine regelrechte Niete. Niemand in ihrer Klasse sprach mit ihr, wenn er es nicht musste und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Wenn sie die Gespräche der Mitschüler aufschnappte, dann wusste sie überhaupt nicht, was sie sagten. Sie verstand nicht worum es ging und konnte somit auch nicht mitreden. Also verschwand sie oft nach dem Unterricht zurück in ihre Nische im Krankenflügel. Inzwischen hatte man sie dorthin verlegt, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis sie genesen würde. Was dann war, wusste sie noch nicht und dachte bisher auch nicht darüber nach. Jeden Abend wenn sie zurückkehrte und sich in dieses unfassbar weiche Bett legte, dauerte es Stunden, bis sie einschlafen konnte. Ihr Körper war erschöpft, noch immer geschwächt von den Strapazen der letzten Zeit, doch ihr Geist war so in Fahrt, dass sie nur schwer abschalten konnte. All diese Eindrücke, beim Essen von Kaktusfeigen in Honig angefangen –an denen sie sich übrigens überfressen könnte, wenn man ihr die Portionen nicht einteilen würde- bis über die schieren Unmengen an Namen und Dingen. Es gab so viel was sie nicht kannte. Ihr rauchte der Kopf und nicht selten schlief Madiha mit Kopfschmerzen ein.

Auch an diesem Abend lag Madiha wach und starrte an die Decke. Irgendwo schnarchte ein weiterer Patient der sich offenbar eine Lebensmittelvergiftung aufgesackt hatte. Doch die nette, wenn auch etwas herrische Schwester Dunia, hatte versichert, dass es nur ein paar Tage dauern würde, bis er gesund war. Das Schnarchen hielt Madiha zusätzlich wach, doch sie störte sich nicht daran. Sie hatte seit 10 Jahren mit anderen in einem Raum geschlafen und gelernt, die Geräusche die das mit sich brachte, auszublenden. Ganz im Gegenteil, es schaffte etwas vertraute Umgebung. Sie genoss es, dass es nicht völlig still war. So hing sie ihren Gedanken nach und grübelte über das, was sie heute am Tag erfahren hatte: Offenbar war die hitzige Gründerin dieser Schule völlig autark bei dem was sie tat. Sie war eine stolze, emanzipierte Frau und strafte dem hiesigen Frauenbild Lügen. Madiha hatte ja keine Ahnung, dass es einer Frau gestattet sein konnte, sich über Männer zu stellen. Sie konnte nicht glauben, dass es möglich sein sollte, hier anerkannt und akzeptiert zu werden- obwohl Cassandra offenbar eher gefürchtet wurde. Doch ganz egal- Sie war eine Frau die einen Beruf hatte. Eine Frau, die man um Rat fragte und der man nicht im Weg stehen wollte. Jedenfalls machte Madiha das aus den Informationen die sie hier und dort im Vorbeilaufen erhaschte. Sowieso war das ihre Lieblingsbeschäftigung geworden: Lauschen. Nachdem die anfängliche Unsicherheit etwas verflogen war und sie sich besser zurechtfand, nutzte sie Pausen, um sich auf eine der Bänke draußen im Garten zu setzen und dort – immer ihre Portion Kaktusfeigen dabei – den Gesprächen der anderen Schüler zu lauschen. Sie saugte all das unbekannte Wissen in sich auf, versuchte alles zu behalten und merkte nach einigen wenigen Wochen erste Erfolge, was ihre Merkfähigkeit anging. Offenbar gewöhnte sich ihr Gehirn langsam an das ganze Wissen und sie behielt täglich mehr. So grüßte sie immer öfter Dozenten mit Namen und auch wenn das nicht so üblich war, erfreute sich Madiha trotzdem daran.

Als sie von einer solchen Pause am Abend in den Krankenflügel zurückkehrte, dauerte es nicht lange bis ein dürrer, langer Mitschüler hinter ihr stand, der sie beim Waschzeug-Zusammensuchen unterbrach. Sie wandte sich um und musterte den langen Lulatsch, doch sie wusste seinen Namen nicht, weshalb sie einfach nur lächelte. Er sprach Sendli, was sie sehr freute denn viele hier sprachen nur celcianisch. Sie beherrschte es, doch mit Sendli fühlte sich die Dunkelhaarige einfach wohler. Während der Lulatsch sprach, richtete sie ihre grau-blauen Augen auf die Pergamentrollen. Stirnrunzelnd konnte sie nicht verbergen, dass sie damit etwas überfordert war. Lesen und Schreiben war ein wirklich großes Problem und Madiha musste grundsätzlich aussetzen, wenn die Schüler lesen mussten, oder etwas aufschreiben sollten. Sie war darauf angewiesen, dass man ihr vorlas, was sie nicht gerade beliebter bei den anderen machte. Vorsichtig und auch etwas nervös, strich Madiha über die Schnürung und schaute dann dem Jungen ins Gesicht. Dann traf es sie wie einen Blitz der Junge hieß… Doch bevor sie es selber aussprechen konnte, nahm er ihr schon die Möglichkeit, indem er sich selber noch mal vorstellte. Seinem Gesichtsausdruck und Tonfall nach zu urteilen, hielt er sie für begriffsstutzig. Sie konnte es ihm kaum verdenken, in gewisser Weise hatte er ja Recht und doch ärgerte sie seine Art maßlos. Die nächsten Worte kamen langsam aus seinem Mund und mit jeder Sekunde die es dauerte, dass er seinen Satz beendete, wollte Madiha ihm eine langen. Sie hielt sich damit jedoch zurück und wurde gleich dafür belohnt, als sie merkte, wie sehr Palm offenbar nicht hier sein wollte. Madiha lächelte milde und schaute ebenfalls zu Schwester Dunia, als diese das Wort an ihren Mitschüler richtete. Während ihrer Worte an Palm, wanderten Madiha’s Augen zu seinen Händen um diese nach dem Corpus Delicti abzusuchen. Es dauerte kaum eine Sekunde, als sie erkannte, um welchen Finger es sich handelte. Als Palm sie anblickte und offenbar inständig hoffte, er könne den Flügel verlassen, nutzte die ehemalige Sklavin die Gelegenheit ihm für seine Frechheiten eines auszuwischen: Sie verwickelte ihn in ein Gespräch. “Ehrlich gesagt, Palm, ich frage mich, wie ich die Übungen machen soll, wenn ich doch nicht lesen kann? Vielleicht könntest du mir zeigen, wo ich am besten anfange und mir die einzelnen Aufgaben erklären?“ Madiha war weltfremd, war hilflos in einer Bibliothek aber sie war ganz sicher nicht dumm, wie er es bezeichnete. Sie hatte Defizite, aber sie konnte auch ein Aaß sein, wenn sie wollte. “Vielleicht kannst du dir deinen Finger richten lassen und mir dann alles zeigen? Dann wäre das - sie deutete auf seinen Finger -geschafft und ich komme sicherlich besser mit den Übungen zurecht.“ Zuckersüß lächelte Madiha, auch wenn sie dieses Lächeln einiges an Kraft kostete, denn es schmerzte, als sich die Narben zusammenzogen. Sie hatte Mühe, sich von der Erinnerung nicht einholen zu lassen, doch Palm etwas schwitzen zu sehen, rechtfertigten die Schmerzen für einen Moment. Schwester Dunia stand abwartend da und musterte Palm, ebenso wie Madiha. Und um das Ganze noch etwas würziger zu machen, fügte sie hinzu:"Und was ist ein Feder-Kiel und Tinte? Was mache ich damit?" Sie betonte die Worte ebenso wie er es getan hatte und versuchte so naiv wie möglich drein zu schauen.

Es war nicht so, dass Madiha log. Sie konnte ganz sicher wirklich eine kleine Starthilfe gebrauchen, damit sie wusste, woran sie sich orientierten konnte bei den Aufgaben. Dass sie welche gestellt bekam störte sie in keiner Weise. Es machte sie etwas nervös, weil sie schon den Ehrgeiz besaß zu glänzen. Sie wollte es den Schülern, die hochnäsig auf sie herabblickten oder sie ignorierten, zeigen. Sie wollte den Dozenten beweisen, dass sie hart arbeiten konnte und dass sie gewillt war, die Chance die sich ihr bot beim Schopf zu packen. Ganz gleich wie Palm sich entschied und ob er tatsächlich darauf einging, was Madiha da vorhatte, sie biss sich in den kommenden Abenden an ihren Pergamenten fest. Sie nutzte die Stunden die sie wach lag inzwischen nicht mehr zum Grübeln, sondern zum Lernen. Sie erschloss sich Wort für Wort, malte anfangs die Buchstaben, bis sie sie flüssiger und leichter schreiben konnte. Sie hatte Mühe das alles zu lernen und nebenbei noch dem Unterricht zu folgen, doch auch wenn ihre ‚Handschrift‘ aussah wie ein Gemälde wenn sie erst fertig war und sie ebenso lange wie für ein Gemälde gebraucht hatte, so war sie doch stolz, dass sie das bewerkstelligte. Lesen war noch etwas schwieriger für sie. Sie hatte keine Ahnung von Buchstaben, Satzbau und Wörtern, doch auch hier nutzte sie die Angebote der Akademie im Rahmen ihrer Möglichkeiten aus. Sie fand sich immer öfter in der Bibliothek, grüßte Palm wenn sie sich begegneten freundlich, und versuchte es einfach: Sie versuchte die Buchstaben die sie am Abend zuvor – immer noch eher malte, als schrieb- wiederzufinden in Büchern oder Pergamenten und sich diese dann selber zu erschließen. Ab und an blieb dann doch mal ein Schüler stehen und beantwortete ihr eine Frage. Sie scherte sich nach den vielen Wochen nicht mehr darum, dass man ihr mit Vorbehalten begegnete. Sie wollte lernen, sie wollte wissen. Und nachdem ihre körperlichen Gebrechen soweit verheilt waren, dass sie den Krankenflügel nur noch kurz aufsuchen musste, damit ihre Narben begutachtet werden konnten, bereitete man sie gedanklich darauf vor, dass man sie auf ihr magisches Potenzial hin prüfen wollte. Sie war nervös was das anging und ahnte, dass wenn sie kein Potenzial besaß, oder nicht genug dessen, dass sie die Akademie verlassen musste. Der Gedanke, dass sie all das verlieren konnte, trieb sie noch härter an, zu lernen. Sie wollte dieses Leben nicht wieder eintauschen, was erwartete sie schon da draußen? Sie kannte niemanden, sie hatte nichts, besaß nichts. Sie wollte ganz sicher nicht zurück auf die Straße. Sie würde fleißiger als alle anderen sein. Sie musste.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Montag 1. März 2021, 10:38

Madihas Einstieg in ein Leben als Schülerin an der Feuer-Akademie Sarmas war hart. Das hatte nicht nur den Grund, das sie von ihren Mitschülern eher gemieden wurde, wenn es sich einrichten ließ, sondern auch, weil die Lehrmeister ihre Aufnahme mit Skepsis sahen. Zwar galt sie noch nicht als offizielle Elevin, so wie sie es verstanden hatte, aber am Unterricht sollte sie dennoch schon einmal teilnehmen. Um erste Unterrichtsluft zu schnuppern, hatte sie ein Gespräch aufgeschnappt. Doch alles, was Madiha bisher unter die Nase gekommen war, waren unzählige Rollen Pergament, befüllt mit seltsamen Zeichnungen. Einige wiederholten sich, doch keines dieser Symbole machte für sie viel Sinn. Immerhin erkannte sie, dass manche davon auch auf Schildern neben oder über den Türen der herrschaftlichen Anwesen gezeichnet worden waren. Außerdem würde sie sich erinnern können, einige davon in ähnlich verwirrender Kombination auf Marktaufstellern gesehen zu haben. Die Sarmaer hielten dort immer, starrten die Symbole eine Weile an und sprachen dann mit einem der Markthändler über Verhandlungsbsen oder echauffierten sich über zu hohe Preise. Das waren alles Welten, in denen Madiha nicht lebte - bisher. Für sie war nur wichtig, ob eine essbare Ware lange genug unbeobachtet blieb, dass sie sie hatte stibitzen können.
Nun aber musste sie sich selbst mit den seltsamen Zeichen auseinandersetzen. Die Lehrmeister behaupteten, es handle sich um Schrift und dass man darüber ungemein viele Informationen vermitteln könne. Nachhaltige Informationen, wie sie keine Verbreitung von Mund zu Ohr jemals so wiedergeben könnte. Dazu musste man Wort und Schrift - wie sie es nannten - aber erst einmal beherrschen und das zu Erlernen fiel Madiha bisher sichtlich schwer. Die alten Feuermagier und Zauberinnen sahen dies früh und kaum einer von ihnen hielt mit seiner Skepsis über ihren Erfolg hinter dem Berg. Niemand schien zu glauben, dass sie wirklich eine Schülerin wie die anderen werden könnte. Das spornte sie auch keineswegs an. Es war das Leben selbst, welches dem Mädchen Motivation schenkte. Jeden neuen Tag forderte das Leben und vor allem das Überleben sie auf, den ersten Schritt in den Morgen zu machen. Und das nur um des Überlebens Willen. Was sie im Laufe eines Tages dabei an weiteren Pflichten erhielt, was sie aufschnappte, war nebensächlich. Das meiste davon verstand sie ohnehin nicht. Genauso wie jetzt die Tatsache, dass man ihr so schrecklich viele Pergamente zum Üben aufbürdete, wo doch niemand an ihren Erfolg zu glauben schien.
Auch der hochgewachsene Palm sah sie zweifelnd an. Er schien sich zu ärgern, mit der Aufgabe betraut worden zu sein, ihr die Materialien zu bringen. Sicher erachtete er es als sinnlos und hätte seine Zeit lieber anderweitig genutzt. Vor allem wäre er dem Krankenflügel der Akademie gern fern geblieben. Das erkannte Madiha, nachdem Schwester Dunia den Saal betreten hatte und die Mittellose entschied sich, Palm das Leben etwas schwerer zu machen.
Der Bursche zeigte seine Abneigung durch Verschränken der Arme. Sein gebrochener und unglücklich zusammengewachsener Finger stand dabei schon wieder ab. Einmal gesehen konnte man nicht anders als diesen Makel anzustarren. Palm schnaufte: "Ist doch nicht das erste Mal, das du Lesen sollst. Ich hab meine Aufgabe erledigt, also werde ich..."
Madiha jedoch wies sofort auf die Gelegenheit hin, seinen Finger richten zu lassen, während er ihr nebenbei den Mentoren mimte. Schwester Dunias Augen blitzten auf. Sie brauchte weder zu lächeln, noch das Lob offen auszusprechen. Ein Blick in Madihas Richtung genügte. Wenigstens die oftmals etwas strenge Krankenschwester wusste das Mädchen zu schätzen. So ließ sie sich sofort für die Lektion an Palm einspannen.
"Eine hervorragende Idee", sagte sie. "Deinen Finger brauchst du nicht für einige Lehrstunden. Du kannst deinen Arm ausstrecken und die Nase in eine der Schriftrollen stecken. Überlasse mir den Rest." Bevor Palm sich in irgendeiner Weise noch widersetzen konnte, drückte die Pflegerin ihn mit Bestimmtheit auf Madihas Bett, so dass er sich auf der Kante niederlassen musste. Dann huschte sie zur anderen Seite des Zimmers, um einige Vorbereitungen zu treffen. Palm sah ihr mit blässlicher Miene hinterher. Er verbarg den missratenen Finger nun in seiner anderen Hand, umschloss ihn mit den gerade gewachsenen Brüdern. Seine Laune hätte nicht tiefer sinken können.
"Das verdanke ich dir, Bettlergans", schnarrte er in Madihas Richtung, achtete aber darauf, nicht zu laut zu sprechen. "Als würdest du jemals Fähigkeiten wie Lesen oder Schreiben brauchen. Ich verstehe sowieso nicht, warum man dich in unsere Klasse gesteckt hat - hässlich wie vollgepisster Wüstensand und du stinkst sogar noch schlimmer. Du bist niemand, den die Feuerhexe Cassandra jemals an ihrer Akademie dulden würde. Woher kommst du überhaupt? Aus der Gosse? Bist eine von diesen Diebinnen, die organisiert Menschen wie meinen Vater ausraubt, was?" Wirkliches Interesse schien Palm nicht an ihrer Lebensgeschichte zu haben. Aber ein Gespräch, bei dem er sie verhöhnen konnte, war allemal besser, als ihr irgendwelche Lektionen in Wort und Schrift nahe zu bringen.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 1. März 2021, 16:49

Energischer als es hätte sein müssen, warf Madiha ihre Pergamentrollen und die Ledertasche die ihr von Palm überreicht wurden in die Ecke. Zum Glück hatte sie das Tintenfässchen nicht mehr darin, sonst wäre es mit Sicherheit kaputt gegangen. Die ehemalige Sklavin warf sich auf ihr Bett und das schwarze Haar verteilte sich wirr über dem Kopfkissen. Ihr Gesicht vergrub sich in dem weichen Stoff und eben jener hielt auch ihren verzweifelten Aufschrei unter Kontrolle, sodass niemand hören konnte, wie sie sich fühlte. Nach einer kleinen Weile, drehte Madiha ihren Kopf zur Seite, um besser atmen zu können. Wirsch pustete sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und schnaubte noch mal kräftig die Luft aus ihren Lungen. Wie konnte sie nur so dumm sein? Wie konnte sie daran geglaubt haben, dass man ihr etwas schenken würde? Wie konnte sie so naiv daherreden und denken, man hätte auf sie gewartet? Nun, so dachte sie im Grunde gar nicht, aber sie hatte sich das ganze Thema Schule und Lernen, etwas anders vorgestellt. Jetzt jedoch, nach einigen Wochen des intensiven Lernens und Übens, wusste Madiha dass sie kaum eine Chance hatte. Dozenten wie Schüler machten keinen Hehl daraus, dass sie die Sarmaerin für Fehl am Platz hielten und keiner von ihnen hatte darauf gewartet, ihr zu helfen. Frustriert musste Madiha erkennen, dass sie viel zu weit vorgeprescht war. Dass ihr Enthusiasmus im Nichts verrauchte und dass sie über das Nachmalen von Buchstaben nicht hinaus kam. Man hatte ihr noch mal verdeutlicht, dass sie längst keine Schülerin im eigentlichen Sinne war. Man hatte ihr klar gemacht, dass sie nur hier war, weil jemand für sie bürgte und nicht, weil man jede Dahergelaufene aufnahm, um ihren Wissensdurst zu stillen. Madiha fühlte sich schäbig. Bei den Gedanken daran, vergrub das Mädchen ihr Gesicht wieder im Kissen. Erneut stöhnte sie auf, weil sie sich so dumm vorkam. Weil sie sich schämte, ob ihrer Annahme, sie würde hier durch Fleiß jemandem Beeindrucken. Nichts dergleichen. Die Schilder über Türen oder Tafeln an den Wänden- all das war für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Ja sie erkannte durchaus Parallelen, aber sie konnte dennoch nichts lesen. Sie hatte sich eingebildet, dass sie es könnte, doch ertappte sich selber dabei, dass sie die Dinge lediglich auswendig lernte. Ihr etwas Neues zu erschließen, half das Gebüffelte nicht.

Während Madiha im Kissen versank und gerne daran ihre Scham ersticken wollte, erinnerte sie sich an das Zusammentreffen mit Palm. Als er ihr die Sachen gegeben hatte, sie ihm für seine Frechheiten eins auswischen wollte und letztendlich eine hässliche Situation beschwor. Da hätte sie es doch merken können. Da hätte sie wissen müssen, dass ihr niemand wirklich entgegen kommen wollte. Sie erinnerte sich genau daran, als Palm sich zähneknirschend setzen musste und Schwester Dunia sie mit einem Blick bedachte, der Madiha auch jetzt noch etwas Wärme schenkte. Dieses Gefühl verflog, als Palm das Wort erhob. Die erste Gemeinheit überhörte Madiha noch geflissentlich, das was nachfolgte trieb ihr jedoch den Zorn durch die Adern. Ihre Miene verfinsterte sich merklich als er geendet hatte. Es dauerte einen Moment, bis sie verdaut hatte, was er eben zu ihr sagte. Es war ja nicht so, dass Madiha diese Art von Ansage nicht gewohnt war. Beziehungsweise war sie es nicht in dem Sinne gewohnt, als dass es jemand außerhalb eines Diener-Meister-Verhältnisses zu ihr sagte. Sie kannte zwar Blicke, angeekelt, hasserfüllt, aber sie hörte die Worte dahinter nicht. Palm war da anders: Er vermittelte ihr ganz direkt und ohne Gnade, was er von ihr dachte. Nachdem sie den Kloß geschluckt hatte, lehnte sie sich etwas vor, damit Palm ihre Worte hören konnte: “Du weißt überhaupt nichts von meinem Leben, du Geschwür eines Kamelhinterns“ Gab sie scharf zurück und flüsterte ebenso wie er, damit Schwester Dunia nichts davon mitbekam. “Woher ich komme geht dich gar nichts an. Du hast Schiss wie ein Wurm, dass Schwester Dunia deinen Finger richtet, heulst dich vermutlich in den Schlaf deswegen und meinst es an mir auslassen zu müssen. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, Palm sie spuckte seinen Namen beinahe aus “sonst schicke ich meine Diebesfreunde, um deinem Vater noch den letzten Rest Würde zu stehlen. Mit so einem Sohn dürfte es nicht mehr viel sein!“ Zischte sie und richtete sich wieder auf. Sie ließ ihn in dem Glauben, dass er Recht mit seiner Annahme, sie würde von den Dieben kommen, hatte. Die Worte waren hart, doch das war ihr egal- sie wollte ihn verletzen, sie wollte ihn treffen und sie wollte, dass er merkte, dass sie ebenso wie er austeilen konnte. Sie hatte nichts zu verlieren und auch wenn Madiha das Leben wollte, welches ihr vor Augen geführt wurde, so änderte es nichts daran, dass sie war wer sie war und erlebt hatte, was sie erlebte. Sie würde vermutlich niemals ein tadelloses Benehmen erlernen oder in den schlechtesten Momenten die Beherrschung behalten. Sie war temperamentvoll und hatte nicht gelernt, das Ventil in den richtigen Momenten zu entlüften. Also hatte Palm nun das Vergnügen.

Bevor Madiha ganz in ihrem Zorn aufgehen konnte, hörte sie, dass Schwester Dunia zurückkehrte. Sie wandte sich um, setzte ein halbherziges Lächeln auf und ließ sich neben Palm auf der Bettkante nieder. Dass sie jetzt neben ihm saß, ignorierte sie, auch wenn sie sich merklich anspannte. Seine Worte hatten die Wirkung nicht verfehlt. Madiha war ganz sicher nicht davor gefeit, dass jemand sie verbal verletzen konnte. Das Leben hatte sie sicherlich abgehärtet aber sie war innerlich nicht tot. Sie fühlte dennoch und die Beleidigungen durch Palm wirkten nach. So unauffällig wie möglich, senkte sie den Kopf ganz leicht zu ihrem Arm, um zu überprüfen, ob sie wirklich stank. Sie wurde gewaschen, nachdem sie ankam, das hatte man ihr erzählt, und auch sie wusch sich sogar ziemlich ausgiebig, seit sie es jeden morgen durfte, bevor sie zum Unterricht ging. Doch durch ihre Situation, dem Druck der Missbilligungen der anderen Menschen hier, und ihrer Unsicherheit im Umgang mit ihnen, zeigten seine Worte Wirkung. Ebenso fasste sich Madiha beinahe unwillkürlich ins Gesicht und berührte ihre Narben darin. Sie zuckte etwas, alles nur leicht und vielleicht kaum wahrnehmbar, und ließ die Hand wieder sinken. Sie hasste das Gefühl in sich, dass er sie getroffen hatte. Sie würde ihm die Genugtuung nicht gönnen, soviel war sicher. Sie würde weiter Gift und Galle spucken, wie ein Tier, das in die Ecke gedrängt wurde. Wie sonst, sollte sie zeigen, dass sie Stärke besaß? Gab es einen anderen Weg? Ihr war keiner bekannt. Das Gesetz des Stärkeren. Und Palm würde sie sicher nicht kleinkriegen.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 3. März 2021, 12:08

Madihas Temperament brach durch und so ließ sie es nicht nur an der mitgebrachten Pergamenttasche aus - glücklicherweise war Schwester Dunia aktuell nicht so aufmerksam, sonst hätte es einen strengen Hinweis geregnet -, sondern auch an Palm selbst. Dieser konnte sich glücklich schätzen, dass das Mädchen sich für einen verbalen Konter entschied und nicht etwa die Fäuste zum Einsatz brachte. Der Bursche neben ihr auf dem Bett mochte vielleicht um einige Köpfe größer sein als sie, aber dafür war er mehr als schlaksig. Selbst ein dürres Mädel wie Madiha würde es mit ihm aufnehmen können. Zumindest erweckte Palm den Anschein, denn abgesehen von seiner größe, die sich auch bei seinem Mundwerk bemerkbar machte, besaß er keinerlei ausgeprägte Eigenschaften. Tatsächlich ließen seine schlaffen Muskeln darauf schließen, dass er den Tag lieber mit der Nase in der Pergamentrolle verbrachte, als auch nur einen Schritt zu viel zu tun.
Aber ein scharfer Verstand konnte manchmal größeren Schaden hinterlassen als eine gut positionierte Faust. So traf selbst Palm mit seinen Worten einen Nerv bei Madiha. Diese versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber seine Worte setzten ihr dennoch etwas zu. Wenigstens konnte sie gleiches von ihrer eigenen Entgegnung sagen. So pikiert wie Palm plötzlich drein blickte, hatte ihn die Bestätigung seiner Vermutung mehr entsetzt als er erwartet haben mochte.
"Es ist also wahr", murmelte er und seine Laune schien sich noch einen Deut mehr zu trüben. "Du gehörst wirklich zu dieser Verbrecherbande, die Sarmas Straßen unsicher macht. In diesem Fall hast du noch weniger auf der angesehenen Akademie der Feuermagier zu suchen als ich zu Beginn dachte. Elende, diebische Kröte!"
Die beiden warfen sich noch allerlei altersgerechte Beschimpfungen an den Kopf - natürlich leise, damit Schwester Dunia auch ja nichts mitbekam - doch am Ende drohte Madiha, dass sie nur ihren Diebesfreunden davon erzählen müsse und sie würden mit Palm ebenso umgehen wie sie es anscheinend mit seinem Vater getan hätten. Das genügte. Der Bursche wurde zuerst blass um die Nase, ehe sich sein finsterer Blick auch auf die übrigen Gesichtszüge ausweitete. Er ballte beide Fäuste auf dem Schoß, dass die Fingerknöchel heller von seiner sonst so gebräunten Haut hervor traten. Seine Haltung nahm an Spannung zu und Madiha rechnete schon damit, dass ihre kleine Streiterei endlich den verbalen Austausch überschreiten würde. Sicherlich flog gleich eine der schlaffen Fäuste in ihre Richtung! Sie wappnete sich innerlich.
"Was soll denn das werden?" Schwester Dunia trat auf den Plan. Genauer gesagt, trat sie dichter an das Krankenbett heran, ein Tablett mit allerlei erschreckend wirkenden Instrumenten darauf in den Händen. Madiha konnte Spritzen mit sehr großen Nadeln erkennen, aber auch ein ziemlich scharf wirkendes Messerchen, einige Bündel Gazeverband, sowie weitere Materialien, die bei jedem Patienten Unbehagen hervorrufen konnten. Das Tablett stellte die Pflegerin allerdings nun auf das gegenüberliegende Bett ab und stämmte anschließend ihre eigenen Fäuste in die Hüften. Ihr strenger Blick wanderte von Madiha zu Palm. Sie musterte beide, um herauszufinden, wer hier der eigentliche Störenfried war. Da half es nicht einmal, dass Madiha mit ihrem seichten Lächeln eine Unschuldsmiene aufsetzte. Die Schwester der Krankenstation schien mit einer Gabe ausgestattet zu sein, welche ihr Ärger in der Luft als farbige Wölkchen anzeigen musste. So heftete sich ihr Blick schließlich auch an Palm fest, dass dieser darunter zusammenzuckte.
"Ärgere das Mädchen nicht", stellte Schwester Dunia sich tatsächlich auf Madihas Seite. Diese kannte die Pflegerin nicht minder lang als alle anderen der Akademie. Eigentlich noch weniger, da die Bediensteten der Station in Schichten arbeiteten und deshalb auch gelegentlich wechselten. Schwester Dunia war erst seit wenigen Tagen hier und doch schien zumindest sie Madiha irgendwie ins Herz geschlossen zu haben. Man erwartete es überhaupt nicht bei ihr aufgrund ihrer nach außen hin strengen Art, aber darunter verbarg sich offensichtlich auch ein Gerechtigkeitssinn, der Palm nun als Übeltäter entlarvt hatte.
Der Bursche rutschte von der Bettkante, verbarg dabei hastig den Arm mit dem gebrochenen Finger hinter seinem Rücken. Trotziger als es gut für ihn wäre erwiderte er den Blick der Pflegerin. "Ich habe meine Aufgabe pflichtbewusst erfüllt. Lesen und Schreiben muss sie selbst lernen. Auch ich habe noch Studienaufgaben vor mir, die nicht warten können."
Schwester Dunias Augenlid zuckte. Sie faltete die Hände vor ihrer Schürze, welche sauberer war als Palms Ausrede. Trotzdem blieb die Frau ruhig. "Du bleibst also nicht hier, um deinen Finger richten zu lassen?" Dunia sprach weiterhin Celcianisch mit dem Jungen. Madiha wusste bereits, dass die Pflegerin Sendli ebenso verstand wie die meisten Sarmaer. Sie schien sich nur generell angeeignet zu haben, Celcianisch zu sprechen, weil es gelegentlich auch ausländische Besucher der Akademie gab. Trotzdem schien sie damit Palms inneren Zorn nur noch mehr zu schüren. Der Bursche reckte das Kinn etwas empor und entgegnete: "Wenn Ihr mich an meiner Ausbildung für Lapalien wie einen Finger hindern wollt, Schwester Dunia, so wendet Euch direkt an meinen Vater. Ich bin sicher, Ihr kennt ihn. Er war so gnädig, Euch diese Stelle zu verschaffen, anstatt Euch an das Bordell der Schwarzen Spinne zu verkaufen!"
Dunias Gesichtsausdruck änderte sich nicht. So setzte Palm nicht nach, nicht bei ihr. Stattdessen zischte er Madiha ein letztes Mal zu: "Du wirst deine Entscheidung, hier zu studieren, noch bereuen. Dafür sorge ich." Dann wandte er sich ab und verließ zügig die Station. Kaum, dass er die doppelflügelige Tür hinter sich geschlossen hatte, stieß die Schwester ein tiefes Seufzen aus. Sie ließ sich auf das Bett gegenüber von Madihas sinken, direkt neben ihr Tablett mit Medizinerinstrumenten. Ohne das Mädchen anzuschauen, richtete sie ihre Schürze und sagte: "Ich kann diesen Bengel nicht leiden." Dann schenkte sie Madiha ein so heiteres Kichern, dass einem darunter noch mehr bange werden konnte als unter ihrem sonst so gestrengen Blick. Sie winkte auffordernd. "Pack die Pergamente aus, ich kann dir sicherlich noch etwas beibringen."
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 4. März 2021, 16:51

Während der Jahre als Sklavin hatte man Madiha nicht gestattet sich irgendwelches Wissen anzueignen. Sie las nie ein Buch oder eine Schriftrolle; doch dass auf Sarmas Straßen die Diebe zuhause waren, das wusste selbst sie. Palms Angst vor ihnen, erheiterte Madiha sogar etwas, auch wenn sie dies nicht nach außen trug. Sie verstand die für sie irrationale Panik nicht die ihr Mitschüler ausstrahlte, blieben die Diebe meist unter sich, stahlen hier und dort, doch selten hatte man erlebt, dass vollständige Besitztümer den Eigentümer wechselten. Wozu also die Aufregung? Kurz zuckte eine Erinnerung durch Madiha’s Geist, als sie über die Diebe nachdachte. Im Grunde hatte sie keine schlechte Erfahrung mit ihnen gemacht, ganz im Gegenteil. Die erste Begegnung mit dem Bund der Diebe verlief etwas, nunja, schief und sie schlug ein Leben ein, das auch ganz anders hätte aussehen können, doch die zweite Begegnung war völlig anders. Ehrlich trat man ihr in Form von Caleb gegenüber, er hatte sich sogar um sie gekümmert, als sie nach den Hinrichtungen dem Tode näher war als dem Leben jemals zuvor. Doch Palm schien da ganz andere Erfahrungen gemacht zu haben und auch wenn Madiha wütend auf ihn war, konnte sie das leise Nagen der Neugierde nicht verhindern. Seine nächsten Worte holten sie allerdings wieder zurück und sie knurrte: “Ich schwöre dir, Palm, ich schicke sie in der Nacht zu dir und werde dafür sorgen lassen, dass sie dir nichts lassen!“ Diese Worte zeigten endlich die gewünschte Wirkung und er hielt endlich die Klappe. Madiha triumphierte und konnte nicht verhindern, dass man ihr einen Hauch davon ansah. Mit einem Seitenblick auf Palm, spannte sich ihre Muskulatur etwas an, da sie merkte wie er die Hände zu Fäusten ballte. Sie erwartete jeden Moment einen Schlag und wollte vorbereitet sein, weshalb sie sich etwas drehte, um eventuell ausweichen zu können. Doch noch ehe es zum vollständigen Eklat kommen konnte, gesellte sich Schwester Dunia zu ihnen. Madiha versuchte den Triumph zu verbergen, lächelte halbherzig und wandte sich von Palm ab, um die Schwester anzusehen. Unter dem prüfenden Blick, mit dem sie beide bedachte, ließ Madiha die Augen zur Seite sinken und fummelte etwas an ihren Fingern. Sie war weiß Gott nicht unschuldig an dem Streit, doch das war ihr gleich. Sie hatte die letzten Wochen genug Schikane erfahren und Palm war einfach der willkommene Prellbock gewesen. Sein Pech, wenn er sich so verhielt.

Madiha erwartete schon die Standpauke und schlimmeres über sich hineinbrechen, als die Stimme von Schwester Dunia ertönte: „Ärgere das Mädchen nicht!“ Madiha hob den Blick und öffnete bereits den Mund, um sich zu verteidigen, als die Worte auch ihren Verstand erreichten. Verblüfft klappte sie den Mund wieder zu und schaute zwischen Palm und der Schwester hin und her. Sie war auf jeden Fall davon ausgegangen, dass sie die Schelte bekam, und hatte einige Sekunden nötig, um zu verdauen, dass dem dieses Mal nicht so war. Ihr Blick glitt von Palm, der aussah, als ob er jeden Moment explodierte, zu Dunia und sie musterte die Frau neugierig. Das herrische Gesicht wirkte streng und verlebt. Sie konnte nicht sagen wie alt die Schwester war und trotzdem sah man in ihr einiges an Lebensreife. Madiha gewann den Eindruck, dass die Pflegerin so einige Geschichten zu erzählen hätte. Dann unterbrachen Palms Worte ihre Gedanken und sie lenkte die Aufmerksamkeit zurück zu ihm. Pflichtbewusst… pah. Deine arrogante Art könnte ich im Pissbecken ersäufen du elendiger… Ihre Gedanken wurden von der Stimme Dunias unterbrochen. Sie ließ sich so gar nicht von ihm provozieren, was Madiha ehrfürchtig wahrnahm. Also verbot sie sich weitere Gedanken die man besser auch nur als solche ungesagt ließ und wartete, was das geben würde. Dann sagte der schlaksige Schmierlappen etwas, was Madiha aufhorchen ließ: Schwarze Spinne?! Bordell?! Stelle verschaffen?! Madihas Gedanken überschlugen sich. Wer war Dunia? Woher kam sie, was hatte sie erlebt? Neugierde brandete in ihre auf und sie hätte sie zu gerne ausgefragt. War das vielleicht der Grund, weshalb sich Madiha in ihrer Gegenwart wohler als in anderer Gesellschaft fühlte? Hatte Schwester Dunia etwas an sich, das Madiha verstehen konnte? Sie wusste nichts von einem Leben, das Palm zum Beispiel führen musste. Offenbar waren seine Eltern gut betucht und konnten ihm diese Ausbildung ermöglichen. So wie er sich benahm, unterschied er sich kaum von Alout, dem Sohn von Abbas ibn Melih. Auch er stolzierte zwischen den Sklaven umher und prahlte mit den Dingen die sein Vater erreicht hatte. Madiha hatte sich damals schon gefragt, was Alout denn erreichen wollte. Die Antwort blieb er ihr schuldig. Überhaupt waren die Erinnerungen – so frisch wie auch alles noch war- in den letzten Wochen eher ein Tabuthema für Madiha gewesen.

Sie hatte sich in der Zeit an der Akademie verschlossen was ihre Vergangenheit anging. Sie wusste nicht mal wer genau davon wusste woher sie stammte. Sie wollte jedenfalls nicht darüber reden. Sie vermied das Thema wo es nur ging und sie hatte seit ihrem Erwachen aus dem Koma jeden Spiegel gemieden. Sie wusste nicht, wie sie derzeit aussah, wie die Narben ihr Gesicht entstellten und wollte sich auch gar nicht damit befassen. Sie lebte, sie war wohlauf- alles Weitere war nicht wichtig. Zumindest redete Madiha sich das ein, denn die Reaktionen waren teilweise bittere Kost für ihre junge Seele gewesen. Wieder war es Palm, der sie aus ihren Gedanken riss “ "Du wirst deine Entscheidung, hier zu studieren, noch bereuen. Dafür sorge ich." Madiha schaute dem Jungen nach und wenn Blicke töten könnten, hätte Palm nun ein Problem. Dennoch biss sie sich auf die Zunge und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Schwester, als Palm aus ihrem Sichtfeld verschwand. Sie hörte seine Schritte noch vor der Tür und konnte nicht anders: “Ich warte drauf!“ rief sie ihm hinterher. Das auf die Zunge beißen musste sie vielleicht noch üben, doch sie konnte auch nicht den Mund halten. Palm drohte ihr, und sie wollte ihn wissen lassen, dass er in ihr einen widerspenstigen Gegner hatte. Er konnte das mit den anderen machen, aber nicht mit ihr. Sie ließ sich gewiss nichts gefallen.
Dann jedoch, wandte sie ihre Aufmerksamkeit tatsächlich Schwester Dunia zu und konnte Palm für den Moment nach hinten schieben. Sie schämte sich etwas unter dem Blick der Frau, doch die nächsten Worte ließen Madiha ausatmen. Das Kichern überraschte sie etwas, entlockte aber dem sonst so ernsten Gesicht ebenfalls ein leichtes Grinsen. “Was ist sein verdammtes Problem?!“ Fragte sie erheitert und warf noch mal einen Blick zur Tür, bis Schwester Dunia ihr das Angebot machte, mit ihr zu lernen. Madiha hob überrascht beide Augenbrauen und blickte etwas verdutzt in das Gesicht der Frau: “Wirklich?“ Fragte sie lieber noch mal nach und rutschte dann vom Bett. Sie holte rasch die Tasche aus der Ecke und strich einige Male darüber, um eventuelle Blessuren zu kaschieren. Es war ihr etwas unangenehm, dass sie diesen Ausbruch hatte, jetzt da Schwester Dunia so nett war und helfen wollte. Sie setzte sich nicht gleich auf das Bett zurück, sondern schüttete ihren Tascheninhalt darüber aus. Dann beugte sich Madiha darüber und wühlte mit ihren Händen durch die Blätter. Heilige Ordnung… Doch woher sollte das Mädchen wissen, wie man die Pergamente am besten ordnete. Alles war bei ihr ordentlich sein musste, waren ihr Bett und ihr Körper. Das hatte sie jedenfalls im Griff.

Madiha fischte eine Rolle Pergament aus den anderen heraus und schob mit einer Armbewegung den Rest etwas zur Seite, damit sie sich setzen konnte. Als sich das Bett unter ihrem Gewicht neigte, rollten einige der Pergamente auf sie zu und umrandeten sie. Madiha störte sich doch nicht daran, entfaltete das Schriftstück und reichte es Schwester Dunia. „Was steht denn da? Ich habe versucht den Inhalt zu erschließen, aber… ich gestehe ich habe einfach keine Ahnung, was ich tun muss? Ob ich versuche die Buchstaben auf allen Pergamenten abzuschreiben?"sie kramte in den Rollen und zog dann ein leeres Pergament hervor. “Wie fange ich an? Wie bleibe ich gleichmäßig?“ Fragte Madiha und plapperte wie ein Wasserfall. Dann nahm sie richtig Fahrt auf und kramte eine weitere Rolle hervor die sie Schwester Dunia entfaltete und reichte: “Und hier, hier sind immer Zahlen vorweg – was bedeutet denn das? Zahlen kenne ich ja, aber…. Die Buchstaben danach ergeben für mich absolut keinen Sinn und ich wette, wenn ich nachfrage, bekomme ich keine Antwort, weil das die richtigen Eleven stört.“ Auch wenn Madiha einfältig wirken mochte, zeigte es dennoch auch, dass sie wirklich wissen wollte, was es mit den Schriftrollen auf sich hatte. Sie hatte offenkundig einen Wissensdurst der angefüttert, aber nicht gestillt wurde. Für jemanden der gar nicht lesen konnte, war es einfach unmöglich sich Bedeutungen zu erschließen. Für sie waren es komische Symbole die sie abschreiben könnte, aber war das auch gewollt? Das einstige Sklavenmädchen endete aufgeregt und schaute mit ihren grau-blauen Augen die Schwester an. Hoffnung strahlte der Hilfsbereiten entgegen, wie ein kleiner Welpe der hoffte, eine Familie gefunden zu haben.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Samstag 6. März 2021, 13:09

So wie Palm aus der Krankenstation verschwunden war, so ignorierte Schwester Dunia nun auch seine Existenz. Aus den Augen, aus dem Sinn. Obgleich sie bei Madiha eine Spur aus Neugier hinterlassen hatte, ging die Pflegerin nicht im geringsten darauf ein. Ohne sie zu fragen, würde das Mädchen offensichtlich nichts über die Vergangenheit der Älteren herausfinden. Aber Schwester Dunia schien schon einiges erlebt zu haben. Sie machte nicht den Eindruck einer Lustsklavin, wie Madiha sie kennen gelernt hatte. Viele Frauen, die sie auf Schwester Dunias Alter schätzte, sahen deutlich verbrauchter aus. Ab einem gewissen Alter pflegten die noblen Herrschaften Sarmas bei gewissen Bettgefährtinnen ihres Harems genug Geld für Rauschmittel aufzuwenden, damit sie weiter ... genutzt werden konnten. Irgendwann half das aber nicht. Madiha konnte sich bestimmt noch an Fatma erinnern, eine ältere Sklavin, die wegen ihrer ausladenden Oberweite gekauft worden war. Sie war schwer von Rauschkräutern abhängig gewesen und in einer Nacht hatte sie sogar eine Leibwache mit einem Küchenmesser angegriffen, um eine weitere Dosis ihrer Mittelchen erpressen zu können. Nächte zuvor hatte Fatma wach gelegen, viel und sehr offen geweint, die anderen Sklavinnen angeschrien und sogar nach Madiha geschlagen. Khasib war ihrer daraufhin überdrüssig geworden. Schlagartig erinnerte sich Madiha an seinen kalten Blick und seine Worte: Fatma brächte es schon lange nicht mehr, weil sie ohne ihren Rausch nur Ärger machte und mit ihre Löcher nicht zu nutzen wüsste. Er hatte gedroht, ihr die Brüste abzuschneiden, wenn sie sich nicht zusammenriss. Zwei Tage später hatte man sie aus dem Schlafsaal des Harems gezerrt und Madiha hatte die Frau niemals wiedergesehen.
Schwester Dunia sah ebenfalls irgendwie verbraucht aus, aber auf eine andere Weise. Körperlich, doch weil sie harte Arbeit kannte. Nicht, weil Drogen sie abhängig gemacht und Männer sie gebrochen hatten. Ja, das war der Funke in ihrem strengen Blick. Diese Frau wusste sich in einer Männerwelt zu behaupten und sie schaffte das, ohne eine Temperament wie Cassandra die Feuerhexe an den Tag zu legen. Oder wie Madiha. Sie war so uendlich ruhig, barg ihre Gefühle hinter einer Mauer, die niemand einzureißen vermochte und sie spickte deren Zinnen mit messerscharfer Strenge. Warum also zeigte sie sich so freundlich dem Lausemädchen gegenüber, dass sie ihr gar das Lesen und Schreiben näherbringen wollte?
"Nein", donnerte ihre Stimme über Madiha hinweg, ohne dass Schwester Dunia überhaupt laut geworden war. Tatsächlich sprach sie gänzlich normal, aber ihre klare und kühle Stimmlage schaffte es, dass darunter ein ganzes Heer zum Schweigen gebracht werden konnte. Sie wischte mit einer einzigen Handbewegung über die Schriftrollen hinweg, die Madiha ihr eben noch ganz enthusiastisch entgegengehalten hatte. "So werde ich dir überhaupt nichts beibringen."
Dann erhob sie sich, machte zwei kurze Schritte auf das Krankenbett zu und griff nach der Tasche. Sie begann, einige der Schriftrollen einzuräumen. Aus war der Traum - so schien es. Schwester Dunia ließ die Tasche auf Madihas Schoß gleiten. "Du musst Ordnung und Disziplin lernen, um größere Probleme zu erschließen. Fang bei den Dingen an, die deinen Fortschritt unterstützen sollen." Sie deutete noch einmal vielsagend auf die Tasche. Die wieder eingeräumten Pergamente waren eng zusammengerollt und aufrecht auf einer Seite der Tasche platziert. So boten sie weiteren ihrer Art genug Platz, dass Madiha nicht nur Federkiel und Tinte darin unterbrächte, sondern auch eine Kleinigkeit zu Essen, einen Flaschenürbis oder was immer sie noch mitführen wollte. Dunia reckte die Nase ein wenig empor. "Siehst du das Ergebnis? Übersichtlich und ordentlich. Alles, was du brauchst, ist schnell auffindbar und leicht zu erfassen. Wenn du Ordnung mit deinen Materialien lernst, wirst du auch Ordnung in das Buchstaben-Chaos auf dem Papier bringen können." Sie machte eine Halbdrehung, um in die Krankenstation blicken zu können. Hier war das meiste ordentlich. Ausnahmen bildeten jene Krankenbetten, die noch genutzt wurden oder deren Patienten die Station vor kurzem erst verlassen hatten.
Schwester Dunia wiegte den Kopf. "Ich gebe dir eine Übungslektion in Sachen Ordnung, bevor wir zum Lernstoff für dein Studium übergehen. Meine Station ist dabei leider nicht sehr hilfreich." Sie stämmte die Hände in die Hüften. "Nachdem du mit deiner Tasche fertig bist, suchst du die Übungsgelände der Eleven im ummauerten Garten auf. Gleich neben dem Eingang findet sich ein Geräteschuppen, aus dem du dir Eimer, Schaufel und Harke besorgst. Du verbringst den Tag damit, den Platz sauberzuhalten. Die Eleven sind stets sehr unachtsam bei ihren Übungen. Du wirst schnell sehen, was ich meine." Sie richtete den dunklen Blick wieder auf Madiha. "Überanstrenge dich nicht", riet sie ihr. "Wenn es dir zu viel wird, hörst du auf und kehrst hierher zurück. Versuche einfach, so viel Ordnung in das Chaos zu bringen, wie du kannst. Und merke dir, was du getan hast. Ich erwarte einen sachlichen Bericht darüber. Deinen Muskeln wird die Arbeit ebenfalls gut tun. Husch, husch! Ich habe selbst noch zu tun. Später widmen wir uns dann deinen Buchstaben."
Madiha konnte nicht ergründen, was die Schwester wirklich plante. Schließlich brauchte auch sie nun etwas Zeit, eine ordentliche Lehrstunde vorzubereiten. Sie würde in die Bibliothek der Akademie gehen, um leichtere Schriften zu finden als jene, auf die sie eben noch einen knappen Blick hatte werfen können. Wie sollte ein gänzlich ungebildetes Kind Lesen und Schreiben anhand von zu komplexen Texten verstehen? Nein, die Schwester würde es mit einfachen Geschichten angehen. Außerdem würde sie Holzstifte mit Kohlespitze besorgen, damit Madiha nicht so sehr mit der Tinte schmierte und ihr Ergebnis besser lesen könnte. Und Kerzen! Schwester Dunia rechnete mit einer langen Nacht, gefolgt von zu wenig Schlaf und einem entsprechend noch längeren Tag. Doch alles der Reihe nach. Ordnung musste sein.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 6. März 2021, 22:45

Während Madiha wartete, dass Schwester Dunia etwas zu ihren Fragen beisteuerte, hatte die Siebzehnjährige einige Sekunden Zeit, um die Frau vor sich erneut zu mustern. Palm’s Andeutungen schwirrten ihr immer noch im Kopf herum und sie versuchte zu ergründen, was Dunia erlebt haben mochte. Natürlich besaß Madiha nicht im Geringsten die nötige Lebensweisheit, um sich ein Bild über das Leben eines Anderen zu machen, doch etwas an der Schwester erinnerte sie. Noch bevor Madiha den Gedanken weiterführen konnte, fegte ein einzelnes Wort mit so viel Bedeutung über ihren dunklen Schopf hinweg, dass sie regelrecht zusammenzuckte: „Nein.“ Kam es aus dem Bett gegenüber und Madiha sackte das Herz in die Hose. Sie spürte, wie ihr Wärme in den Hals stieg und hatte das ungute Gefühl, dass man ihr die Reaktion auch äußerlich ansehen konnte. Was zum… rumorte es in ihrem Kopf, ehe Dunia aufstand und ihr sowohl die Pergamentrolle aus der Hand, als auch einige von Bett nahm, um sie in ihre Tasche zu stecken. „So werde ich dir überhaupt nichts beibringen…“ Madiha folgte der Älteren irritiert mit ihrem Blick und konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen. Was hatte sie falsch gemacht? Durchzuckte es ihren Geist und sie schluckte die aufkommende Kröte wieder hinunter. Dann sprach Dunia endlich weiter und löste, beziehungsweise erlöste, das Mädchen von ihrer Enttäuschung: "Du musst Ordnung und Disziplin lernen, um größere Probleme zu erschließen. Fang bei den Dingen an, die deinen Fortschritt unterstützen sollen." Während Dunia auf die Tasche deutete, die nun auf Madiha’s Beinen ruhte, atmete diese hörbar die Anspannung aus, ehe sie mit dem Blick dem Fingerzeig folgte. Die Rollen Pergament fand sie geordnet und alle auf dasselbe Maß zusammengerollt auf der rechten Seite der Tasche. Während der nächsten Worte der Schwester, nickte Madiha verständig und konnte die Augen nicht davon lösen. So würden alle Rollen ohne zu knicken hineinpassen. Und sie würde sogar etwas Platz behalten für etwaige andere Dinge die sie brauchte oder mitführen wollte – Kaktusfeigen zum Beispiel.

Dann änderte sich etwas in der Mechanik des Gesprächs: Madiha hob den Blick von den Rollen und drängte ihre Gedanken darüber, wie sie sie alle ordnete beiseite. Sie schaute der Krankenschwester hinterher, als jene sich ihrem Reich zuwandte. Kurz runzelte die junge Frau die Stirn, während Dunia ihre Idee in die Welt trug und versuchte zu verstehen, was die Andere vorhatte mit ihr. Aufmerksam versuchte Madiha alles Gesagte zu behalten stieß aber einmal mehr an ihre Grenzen. “Ähm…, Moment, ich ähm, was soll ich?“ Stammelte das Sklavenmädchen und versuchte mitzuhalten. “In die Gärten, aber wieso..?“ Sie blickte durch den Raum und wieder zu Dunia. Sie öffnete den Mund, um der Schwester noch etwas zu entgegnen, als sie verstand, dass sie hinter ihren Mitschülern aufräumen sollte. Madiha scheute gewiss keine Arbeit, kannte sie in ihrem jungen Leben nichts anderes, doch dass sie nun ausgerechnet ihren Mitschülern mit einem Eimer hinterher laufen sollte, um deren Dreck wegzumachen, erschien ihr doch etwas merkwürdig. War sie nicht schon genug gestraft, dass man sie behandelte wie Dreck? Madiha hätte zu gerne etwas entgegnet, doch der dunkle Blick der Pflegerin ließ sie verstummen. Dunia hatte etwas Strenges, dem man nicht widersprechen sollte und dennoch zeigte sich bei ihrer nächsten Mahnung auch etwas Mütterliches. Vielleicht wollte Madiha aber auch nur unbedingt etwas in der Pflegerin sehen und sie projizierte geheime Wünsche in die einzige Person, die ihr offenbar etwas unter die Arme greifen wollte.

Das junge Mädchen holte tief Luft und nickte verstehend. Sie ließ die Aufgabe noch mal Revue passieren ehe sie der Schwester nachblickte, die sich nun erstmal um andere Aufgaben kümmern musste. Während Madiha ihr nachschaute und ihren Gang betrachtete sickerten leichte Erinnerungen zurück in ihren Fokus, die sie bisher nicht weiter verfolgen konnte. Die leicht beschwerliche Gangweise erinnerte Madiha an eine Sklavin aus dem Harem von Khasib. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kamen die Bilder zurück. Madiha konnte es nicht mehr aufhalten, als sie sich unweigerlich an Fatma erinnerte. Das was sie im Gesicht von Dunia und nun auch im Gang erkannte, war zwar nicht das Schicksal, welches Fatma ereilt hatte, doch ganz ohne Zweifel, wusste die Krankenschwester von der harten Welt in Sarma. Madiha war nach wie vor neugierig und nahm sich vor, dass sie ihre Lehrerin fragen würde, wenn die Zeit dafür reif war. Jetzt jedoch, wandte sich Madiha zu ihrem Bett zurück und betrachtete das kleine Chaos an Pergamentrollen. Ihr Seitenblick auf die Kamelledertasche rief ihr ins Bewusstsein, wie sie diese zu ordnen hatte also suchten ihre Hände nach der nächsten Rolle und wickelte diese sorgfältig auf. Immer wieder erinnerte sie sich an das grausame Schicksal der Sklavin Fatma die sich innerhalb kürzester Zeit stark verändert hatte. Bilder zuckten vor ihrem geistigen Auge auf, während sie Rolle um Rolle in der Tasche verstaute. So sehr Madiha versuchte nicht an ihre Vergangenheit zu denken, so reichhaltiger und detailreicher wurden die Bilder. Fatma’s Stimme drang in ihren Geist, als sie sie anschrie und fuderte, sie wollte Madiha dafür schlagen, dass sie ihre Kräuter nahm. Madiha war damals gerade 14 und hatte eine unbeschreibliche Angst vor der Anderen. Auch jetzt griff diese Angst in ihr Herz und hinterließ einen kalten Handabdruck. Die Dunkelhaarige vertrieb die Gedanken indem sie ihre Augen zusammenkniff und hart schluckte. Dann konzentrierte sie sich auf ihre gestellte Aufgabe. Sie ignorierte das Kratzen der Vergangenheit an ihren Sinnen und blendete einfach aus, was passierte. Irgendwann würde sie sich damit auseinandersetzen müssen – ernsthaft- doch heute nicht, wie sie sich immer wieder einredete, seit sie sich bewusst geworden ist, dass sie jetzt ein anderes Leben führen konnte. Sie hatte sich entschieden zu verdrängen.

Madiha stellte ihre Tasche, ordentlich gepackt, neben ihr Bett und strich dann die Bettwäsche glatt. Sie verließ den Krankenflügel, durchquerte das Aquädukt und trat in die Sonne hinaus. Kurz schirmte die Sarmaerin ihre Augen mit der rechten Hand ab, ehe sie sich an das helle Licht gewöhnt hatte. Hier im Garten tummelten sich um diese Zeit so einige ihrer Mitschüler. Madiha spürte Unbehagen in sich wachsen, doch sie unterbrach das Gefühl, um nach dem Schuppen Ausschau zu halten, den Dunia erwähnt hatte. “Nungut… wenn ich ein Schuppen wäre wo würde ich…“ Sie erblickte das Objekt ihrer Suche und steuerte darauf zu. Die Türklinke aus Messing fühlte sich kalt unter ihrem Griff an und sie bemerkte, dass ihr warm war. Ob das nun am Wetter lag, welches sie eigentlich gewohnt sein sollte, oder daran, dass sie das Gefühl hatte auf dem Präsentierteller für ihre Mitschüler zu sein, stellte sie mal dahin. Madiha fand in dem Schuppen all das, was Dunia genannt hatte, klaubte es zusammen, um sich dann gegen die Tür des Schuppens zu lehnen, damit sie ins Schloss zurück fiel. Sie musterte die Lage im Garten und konnte hier und dort Eleven bei ihren Studien sehen doch so recht erschloss sich ihr noch nicht, was sie nun genau tun sollte. Nur zögerlich trat sie von dem Schuppen weg und etwas mehr in die Mitte des Gartens. Sie holte tief Luft um sich für das zu wappnen, was dort kommen sollte. Wachsam ließ sie ihren Blick schweifen, um zu erkennen, was Dunia für sie geplant hatte. Inständig hoffte sie, dass die Eleven keine Notiz von ihr nehmen würden. Sie konnte den Spott schon hören.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Montag 8. März 2021, 15:23

Schwester Dunias Anweisungen erinnerten Madiha an die Unterrichtsstunden hier in der Akademie und doch unterschieden sie sich spürbar davon. Tatsächlich legte die Pflegerin einen nicht minder strengen Ton an den Tag, der nur so vor Selbstdisziplin troff. Außerdem wohnte ihm eine Erwartungshaltung für jeglichen Schüler inne, dass er ein gleiches Maß an Disziplin bei seinen Studien an den Tag legen sollte. Darin unterschied sich nichts zu den Lehrstunden in den Klassenräumen. Was Schwester Dunia aber anders machte, war der Motivationsgrad. Sie stellte Madiha nicht sofort vor für sie unlösbare Aufgaben, machte es ihr aber auch nicht zu leicht. Sie forderte sie auf, selbst zu denken, um ihre Ziele zu erreichen. Sie regte an, ordentlich und fleißig zu sein, zeigte dadurch aber auch, wie sehr man sich mit beiden Tugenden den trockenen Lernalltag erleichtern könnte. Sie gab Madiha imaginäre Werkzeuge an die Hand, erklärte deren Nutzen und beobachtete dann, wie ihr Schützling beides anwandte, um das eigentlich gestellte Problem zu lösen. In den Unterrichtsräumen wurde ein Sammelsurium an Informationen vor den Schülern ausgeworfen wie eine ganze Karrenladung Wüstensand. Das eine schwarze Sandkorn, welches ihnen weiterhelfen würde, fände sich auch darunter, doch niemand gab ihnen einen Hinweis, wie man es finden konnte. Ganz so als würde man einem Blinden mitteilen, in dem Sandhaufen nach dem schwarzen Korn zu suchen. Die Lehrstunden halfen niemandem weiter. Schwester Dunia hingegen ... sie brachte Madiha bereits jetzt mehr bei als sie in den ersten Tagen auf der Akademie von ihren Lehrmeistern erfahren hatte. Und das, ohne ihr bisher auch nur einen einzigen Buchstaben auf dem schnöden Papier zu erklären! Wie viel mochte sie ihr erst vermitteln können, wenn Madiha ihren Anweisungen folgte und es wirklich an den Lehrstoff ginge?
Von diesem Gedanken beflügelt wollte sie eigentlich sofort loslegen und musste feststellen, dass Schwester Dunia ihr eine Aufgabe fernab der Krankenstation zuwies. Noch dazu eine, bei der sie zur Saubermachefrau degradiert wurde, welche hinter ihren Mitschülern herräumen sollte. Wollte Dunia sie etwa noch mehr demütigen? Aber ihr etwas entgegensetzen konnte Madiha dann auch nicht. Der strenge Blick der Frau mit dem geheimnisvollen Hintergrund sorgte dafür, dass sie spurte. Vielleicht war es aber auch ihre sklavenhafte Prägung. Sie war es gewohnt, aufzuräumen und noch weitaus schlimmere Aufgaben zu übernehmen. Und sie hatte in ihrer Zeit als Sklavin gelernt, dass es besser war, einfach den Auftrag auszuführen. Am Ende eines solchen Tages schmerzten die Knochen nämlich nur von der Arbeit und nicht etwa noch von einem Dutzend Schlägen mit dem Stock.
Ob Schwester Dunia sie mit einem Stock schlagen würde?
Madiha hatte nicht vor, es herauszufinden. Also beseitigte sie zunächst das Pergamentchaos von ihrem Bett und verließ kurze Zeit später die Station. Auch wenn die Akademie noch immer fremd für sie und von ihrer verwinkelten Struktur her riesig war, kannte Madiha sich inzwischen zumindest in den Gängen und Räumlichkeiten recht gut aus, die sie regelmäßig aufsuchte. Sie wusste, wo die große Küche mit dem offenen Speisesaal lag, in dem Schüler wie Lehrer täglich aßen. Sie kannte die Wege zu den kleinen Aborthäusern, welche den Unrat über eine Luke direkt in das Meer rutschen ließen. Und sie wusste auch, wohin es in die Gärten ging. Schwester Dunia hatte sie in ihrer Anfangszeit gelegentlich dorthin tragen lassen, damit Madiha das Tageslicht und einen gelegentlichen Luftzug von der Küste her genießen konnte, als sie noch zu schwach war, selbst zu Fuß zu gehen. Die Gärten besaßen einen eigenen Charme. Von den hohen Mauern der Akademie zu drei Seiten umzäunt wuchsen dort in rechteckig angelegten Beeten Dutzende Kakteen, Palmen und krautige Wüstenpflanzen, denen der trockene Boden zum Überleben ausreichte. Es gab sogar einen Brunnen aus hellem Stein. Er war mit einem schweren Eisengitter abgedeckt, das eine Klappe besaß. Diese war gerade groß genug für den Wassereimer, denn der Brunnen führte sehr tief in den Boden herein und man musste lange an der Seilwinde drehen, bis der Eimer vom Grundwasserspiegel wieder zurück nach oben ans Tageslicht fand. Kein Schüler sollte aus Unachtsamkeit beim Wasserholen sein Leben verlieren.
In den Gärten gab es aber auch hohe Palmengewächse, unter denen kreisförmig Holzbänke aufgestellt worden waren. Diese Sitzplätze erfreuten sich an heißen Tagen großer Beliebtheit, weil es im Schatten angenehmer war, den schweren Lehrstoff in den Kopf zu bekommen. Die offene Seite der Gärten führte bis an eine Klippe heran, die eine herrliche Aussicht auf das Meer bot. Schüler wie Lehrmeister nahmen sich immer mal wieder einen Moment, um sich an das Holzgeländer zu lehnen und einfach den Ausblick zu genießen. Danach gingen die meisten von ihnen die in die Klippe gehauenen Stufen zum Übungsplatz der Gärten herab. Jener war wie eine der großen Kampfarenen mit einer Steinmauer umzäunt, die stufig angelegt war, so dass die unteren Ebenen Zuschauern eine Sitzfläche boten.
Dorthin sollte Madiha gehen, sobald sie alle Materialien aus dem benannten Schuppen geholt hätte, die für das Wegschaffen des Unrats notwendig wären. Doch das Erste, worauf Madiha traf, war das grelle Sonnenlicht. Lysanthors güldene Scheibe brannte auch heute wieder unbarmherzig auf Sarmas Bewohner herab. Das Zweite, was sie entdeckte, waren die Schüler der Akademie. Nicht alle hatten gleichzeitig Unterricht. Es gab sogar Eleven, die kaum mehr als einmal pro Woche in die Lehrräume gehen mussten und die meiste Zeit im Selbststudium verbrachten. Vor allem von außerhalb angereiste Besucher lernten eigenständig und suchten erst nach Unterrichtsschluss Rat bei den magisch begabten Lehrmeistern.
Aktuell fanden sich Akademie-Schüler unterschiedlicher Altersklassen in den Gärten wieder. Einige spähten zu Madiha herüber. Manche Gesichter riefen Erinnerungen an Mitschüler hervor, deren Namen sie jedoch nach wie vor nicht alle abrufen konnte. Aber sie erkannte einige Jungen und Mädchen, die ihr skeptische Blicke zuwarfen. Manche begannen sogar, hinter vorgehaltener Hand zu sprechen. Das alles schürte nur Madihas Unbehagen und plötzlich wirkten die Akademie-Gärten gar nicht mehr so idyllisch und einladend.
Schnell lenkte sie sich ab, indem sie sich ihrer Pflicht zuwandte. Der Schuppen war schnell gefunden. Komplett aus von Sand und Küstenwetter verwittertem Holz lehnte er etwas schief neben einer Steinmauer der Akademie. Im Inneren war es überraschend, aber angenehem kühl. Und dunkel! Die Bretter der einzigen beiden Regale in der engen Kammer lagen im Zwielicht und waren vollgepackt mit allerlei Gerümpel. Die Schuppenwand links der Tür besaß ein Brett mit reichlich Nägeln und Halterungen für die Werkzeuge, die daran hingen. Davor stapelten sich mehrere Holz- und Metalleimer. Obgleich er einen ruhigen Rückzugsort darstellte, beeilte Madiha sich, alles mitzunehmen, was Schwester Dunia ihr geraten hatte und stellte sich dann wieder den diversen Blicken aus viel zu vielen Gesichtern des Gartens.
Wohin sollte sie nun gehen? Kam ihr die steinerne Klippentreppe von allein in den Sinn? Sie selbst hatte den Übungskreis am Fuß der Klippen noch nie betreten, aber auch sie hatte schon den Ausblick von oben darauf genossen. Es war möglich, dass ihre Gedanken sie in die richtige Richtung leiteten. Wenn nicht, würde sie zwangläufig einen der Anwesenden ansprechen müssen. Es waren ja genug da. Nur von einer Gruppe hielt sie sich lieber fern. Palm befand sich unter ihnen. Madiha erkannte es sofort, denn er ragte über die Köpfe aller anderen hinaus ... und er schaute sie direkt an. Hass und Verachtung sprachen aus seinem Blick, der verstärkt wurde, als sich weitere Köpfe der Umstehenden ebenfalls ihr zudrehten. Jungen wie Mädchen musterten sie, als sei sie eine fette Made inmitten einer ansonsten makellosen Dattel. Noch kam keiner der Eleven auf sie zu, aber Palm sprach zu seinen Mitschülern. Sein Mund bewegte sich. Dann kicherten einige, während andere nickten. Und wieder drifteten die Blicke zu Madiha ab.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 10. März 2021, 11:37

Auch wenn das Unbehagen in Madiha wuchs, konnte die Sarmaerin dieses für einen Augenblick völlig vergessen: Die warme Luft, die Sonne und das Rauschen des Meeres unter ihr, führten dazu, dass sich noch etwas anderes in Madiha regte: Frieden. Seit sie damals vom Markt mitgeschleift wurde, um an Abbas verkauft zu werden, hatte das Mädchen die wahre Freiheit nicht mehr gespürt. Jetzt jedoch vergaß sie die Aufgabe die sie zu tun hatte und ließ das was sie sah und spürte auf sich wirken. Da waren keine Schüler, da waren keine gehässigen Blicke oder Getuschel, da waren nur sie und dieses unbeschreibliche Gefühl von Zufriedenheit. Madiha ließ den grau-blauen Blick erneut schweifen, vergaß, dass sie Schaufel, Eimer und Harke in den Händen hielt und sog das Bild in sich auf. Der wohltuende Wind wirbelte etwas durch die Kakteen, durch die Palmen und ließ letztere sanft wiegen. Tief atmete das Mädchen die salzhaltige Luft ein und wandte ihren Blick zur Balustrade, die nur vage vom Abgrund trennte. Sie lenkte ihre Schritte dorthin und beachtete weiterhin nicht das Gerede und Gelächter hinter vorgehaltener Hand. Auch hier stand Madiha einen Moment und blickte auf das offene Meer hinaus. Es funkelte im Sonnenlicht und wirkte ganz ruhig. Während die junge Frau auf das Meer starrte, spürte sie wie in ihr die Sehnsucht wieder größer wurde. Sie hatte erstmals seit längerem das Gefühl, dass sie ein Leben haben konnte, welches nicht durch Zwangsarbeit und körperlicher wie seelischer Grausamkeit geprägt wurde. Sie bildete sich ein, dass ihr die Wege fortan offen stehen würden und niemand sie würde daran hindern können das zu tun, was sie wollte. Was für ein Leben könnte das sein? Würde sie eine Ausbildung machen? Würde sie etwas lernen, etwas mit ihren Händen herstellen? Oder würde man tatsächlich Feuermagie in ihr finden und sie die Anwendung lehren? Würde sie das die nächsten Jahre hier verbringen? Sie zweifelte etwas daran, suchte mit ihren Gedanken nach anderen Möglichkeiten. Vielleicht würde sie auch in eine große Stadt kommen, würde sich vielleicht einen Namen machen, ihren Namen alle Ehre machen? Oh alles war doch möglich oder? Madiha spürte wie das Gedankenspiel ihr Freude schenkte. Sie kam regelrecht ins Träumen bis der Wind abermals auffrischte und einen Moment der Abkühlung unter der gleißenden Sonne spendete. Die ehemalige Sklavin bemerkte, wie ihr der Wind eine Gänsehaut bescherte und ihr Blick wanderte vom offenen Meer zu ihrem nackten Arm. Sie hielt noch immer den Eimer in ihrer Linken doch das Gewicht war völlig nebensächlich. Weiter glitten die Augen hinauf bis zu jener Spitze der Narben, die sie wie einen Schlag ins Gesicht wieder auf die Erde zurückholte. Vorbei waren die seligen Gedanken, der innere Friede und die Glückseligkeit. Madiha kehrte zurück zu sich selbst, und nahm das Drumherum wieder wahr. Ihr Blick glitt von ihren Narben zu einer Gruppe Eleven die in ihr die Erinnerung an gemeinsamen Unterricht weckten. Sie kannte sie. Doch Madiha hatte einfach Schwierigkeiten sich an die Namen zu erinnern. Vermutlich war es auch einfach nicht wichtig genug, als das Madihas Gehirn sich damit belasten wollte. Keiner von ihnen trat ihr freundlich gegenüber und egal wie sehr sie sich bemühte, sie stieß doch nur auf Ablehnung.

Madiha ließ den Blick von der Schülergruppe ab und suchte erneut die Gärten nach einem Hinweis bezüglich ihrer Aufgabe ab. Hier gab es einige Eleven in allen Altersstufen und viele von ihnen hatten sich um die runden Tische geschart die im begehrten Schatten waren. Doch bisher erkannte sie nicht, was Schwester Dunia von ihr wollte. Sie stand einfach nur da und bekam das Gefühl immer mehr zu Zielscheibe zu werden. Nervosität machte sich ganz fein in ihrem dürren Körper breit. Sie ahnte, dass wenn sie nicht bald ihre Aufgabe finden und lösen würde, dass einer der Umstehenden doch noch auf die Idee käme, sich ihr zu nähern. Und erfahrungsgemäß hieße das nichts Gutes. Also strengte sich das Mädchen noch mehr an und kniff sogar etwas die Augen zusammen, als sie einen Blick traf, dem sie lieber nicht begegnet wäre: Palm. Er stand umringt von weiteren Eleven die allesamt kleiner als er waren. Madiha kam unweigerlich der Gedanke an eine Gänsemutter die ihre Küken hütete. Dieses Bild ließ sie grinsen, ehe sie erkannte, dass die Gruppe offenbar über sie sprach. Immer wieder fing sie weitere Blicke auf die sich nach ihr umdrehten und sie verlor das Grinsen. Palm tuschelte, das konnte sie erkennen und auch wenn Madiha gewiss nicht auf den Zuspruch anderer angewiesen war – sie hatte ihn nie gehabt, wieso damit anfangen?-, löste es dennoch das zufriedene Gefühl vollständig in ihr auf. Im Grunde wollte die ehemalige Sklavin nichts weiter als leben. Und das in Frieden und Ruhe, doch offenbar war die Welt nur wenige Schritte von ihrem früheren Leben entfernt, genauso schwer verdaulich. Es war eben nicht so, dass sie einfach loslegen konnte mit ihrem Leben. Es würde nicht so einfach sein, das spürte Madiha deutlich, doch das junge Mädchen würde dafür kämpfen, soviel stand fest. Wenn sie hier nicht willkommen war, dann würde sie eben alleine lernen, alleine essen und alleine üben. Sie brauchte die anderen nicht, sie wollte die anderen nicht. Man konnte Madiha ihre bitteren Gedanken vielleicht im Narbengesicht ablesen, wenn man gewollt hätte. Insgeheim wusste sie –und nur sie- aber, dass sie sich hier selber etwas vorlog. Ja, sie würde all das auf sich nehmen, wenn es sie nur weiter brächte, aber die eine Sache war es zu tun, die andere es auch so zu wollen. Madiha wollte im Grunde ebenso dazugehören. Sie wollte sich zu der Gruppe gesellen, ein freundlichen ‚Hallo‘ hören und mit den anderen aus ihrer Klasse besprechen, wie schwer doch die Studien für sie alle sind.

Doch jetzt war nicht der Augenblick, sentimental zu werden. Madiha zwang sich, ihren Blick von Palm und seinen Küken zu lösen und sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie wusste, dass die Gedanken die sie hatte, sie nicht weiterbrachten zurzeit, also versuchte sie sich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren. Immer noch hielt sie Eimer, Schaufel und Harke in der Hand und noch immer wusste sie nicht, was sie tun sollte. Fast schon beiläufig aus dem Augenwinkel, sah Madiha wie etwas auf dem Boden fiel. Sie wandte ihren Kopf dahin und musterte eine andere Gruppe Eleven die offenbar gerade zusammen etwas Pause machten. Hier und dort fielen weitere Dinge zu Boden und Madiha’s Herz begann etwas zu klopfen. Sollte sie etwa…? Die Jungen und Mädchen aus der Gruppe rechts von ihr, ließen immer wieder kleine Zettel und Obstreste fallen, die nicht essbar waren. Madiha schluckte. Sollte sie das sauber machen? War es das, was Dunia meinte? Aber wie würde sie das weiterbringen? Dennoch, seit Kindestagen war sie es gewohnt aufzuräumen, sauber zu machen und Dinge zu tun, die ihr nicht behagten. Sie war zum Sklaventum geboren, wenn man so wollte. Eine andere Perspektive gab es für sie nicht mit ihrem Stand und ihrer Herkunft. Also straffte Madiha ihre wenigen Muskeln und näherte sich der Gruppe. Sie versuchte unauffällig zu bleiben, während die Mädchen über einen Witz eines anderen Schülers lachten und sammelte dann die Obstreste in ihrem Eimer auf. Madiha schluckte, als sich einer der Umstehenden umdrehte: „Seht mal! Ein wandelnder Mülleimer. Ich habs ja gesagt!“ Alles lachte. Madiha schluckte hart, richtete sich auf und verstand schlagartig, dass sie in eine Falle getappt war. Offenbar hatten die anderen mit Absicht ihre Sachen ‚verloren‘, damit sie darauf aufmerksam würde. Wut stieg in Madiha hoch. Je mehr sie lachten, desto wütender wurde sie. Sie war vielleicht nicht viel wert und hatte gewiss kein schickes Leben, doch sie kannte zumindest die Bedeutung des Wortes ‚Anstand‘. Sie besaßen keinen. Der Redenführer verstummte abrupt, als er völlig unerwartet eine Ladung des abgekauten Obstes im Gesicht hatte. Madiha stand da, hatte den Eimer in beiden Händen, Schaufel und Harke neben sich fallen gelassen und funkelte die Gruppe wortlos an. Dann, während der Junge noch blöd aus der Wäsche guckte, sammelte sie ihr Zeug zusammen und drehte auf dem Absatz um. Sie fing einen Blick von Palm auf, der wütend zu ihr herüber blickte. Offenbar hatte er alles mit angesehen, doch auch das war ihr einerlei. Madiha hatte bei der Aktion die Treppenstufen bemerkt die hinunter in das Theater führten. Hier war der Übungsplatz der Eleven und sie entschied sich, hier nach ihrer Aufgabe zu suchen. Offenbar war sie in den Gärten selber falsch. Hier ließ niemand – es sei denn er plante einen Scherz gegen sie- etwas unbedacht fallen. Madiha steuerte auf die erste Stufe zu, immer darauf achtend, ob es eine Retourkutsche gäbe, oder sich sonst jemand ins Geschehen einmischte. Sie würde sich nicht so vorführen lassen. Sie war kein Spielball menschlicher Abgründe und das würde sie klar machen. Egal von welchem Stand jemand war. Sie hatte doch ohnehin nichts zu verlieren. Und mit Strafen und Bußen kannte sie sich bestens aus. Die anderen auch? Sie glaubte nicht.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 11. März 2021, 11:15

Madiha hatte niemals Freiheit besessen, deshalb nahm sie sich nun ein Stück davon. Schwester Dunia würde es ihr verzeihen. Der Anblick dieses wunderschönen Gartens vor dem Küsten-Panorama verzauberte sie. Er verführte dazu, für einen Moment die Seele baumeln zu lassen. Das Wetter war perfekt. Einige Möwen zogen ihre Kreise am Himmel und selbst ihr Gekrächze mischte sich perfekt in die Klangkulisse aus dem Rauschen von Wellen und Wind hinein. Letzterer war angenehm kühl, denn heute kam er von der See, brachte den salzigen Geruch mit sich und erfrischte unter der Sonnenhitze. Er verwandelte sie zu einem warmen Streicheln auf der Haut, so dass man ihre Wirkung schnell vergaß. Ausländische Gäste der Wüstenstadt bereuten ihre Nachlässigkeit schon wenige Stunden später, wenn sie sich ob ihres Sonnenbrandes kaum rühren konnten. Madiha blieb das erspart. Ihr machte die Hitze nichts aus und vor allem nicht, wenn sie jene wie auch die kritischen Blicke oder das Getuschel einfach ausblenden konnte. Vor ihr lag so viel mehr. Ein Hochgefühl beschlich sie. Selbst wenn es auf der Akademie hart würde und man sie nicht als einer Schülerin unter vielen ansah, so würde dieses neue Leben doch besser sein. Bisher hatte sie nicht einen Stockhieb erhalten. Niemand riss ihr die Kleidung vom Leib und beugte sie vor, um sich an ihrem geschundenen Körper zu vergehen. Für niemanden musste sie vortäuschen, das auch noch zu genießen. Stattdessen würde sie eifrig lernen, was auch immer man von ihr verlangte. Sie würde neues Wissen vermittelt bekommen und mithilfe der Krankenpflegerin möglicherweise sogar Lesen und Schreiben lernen! Ihr Leben hatte sich nicht vollends zum Guten gewandt, aber es hatte sich gewandelt und sie war bereit, es anzunehmen. In diesem kleinen Moment, der nur ihr allein gehörte, fühlte sich alles gut und richtig an.
Und dann zog sich ein Riss durch ihre Traumwelt, der das Bild zerstörte. Nur im Augenwinkel hatte sie die Spitze ihrer Narbe gesehen. Es reichte aus, sie zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen. Der Lärm des Gartens breschte mit einem Mal über sie hinweg wie eine eisige Welle und hinterließ gar ein Frösteln, obgleich sie unter der Mittagssonne stand. Schwer wog der Eimer in ihrer Hand, noch schwerer traf sie das Tuscheln und Gekicher, welches sich wie schlangengleich in ihren Gehörgängen wand, während Blutegel ähnliche Blicke an ihr hafteten und drohten, ihr das gute Gefühl der Glückseligkeit direkt aus den Knochen zu saugen.
Madihas Blick wanderte über die Parasiten des Gartens. sie hörte das unangenehme Krabbeln und Schaben ihrer Münder, wenn sie tuschelten und spürte das Brennen ihrer Giftsekrete auf sich, als sie ihren Blick erwiderten. Nein! Das waren keine Insekten, keine Würmer und Maden, sondern Mitschüler und andere Eleven der Akademie. Dennoch hinterließen sie so viel Schwere auf Madihas Seele, dass ihr das Unbehagen bis zum Hals stieg. Schwester Dunia hatte sie doch unmöglich bewusst diesen gefräßigen Bestien vorgesetzt! Das konnte und wollte Madiha nicht glauben und doch beschlich sie ein Gefühl, hier als Beute auf dem Präsentierteller zu sitzen.
So gut es ihr möglich war, versuchte sie, sich auf ihre gegebene Pflicht zu konzentrieren. Problematisch daran war nur, dass sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte. Sie trug den Eimer und die übrigen Reinigungsutensilien in den Armen, aber wo war der genannte Schmutz, den sie beseitigen sollte? Schwester Dunia konnte ebenso unmöglich die Mitschüler meinen, wenngleich einige von ihnen Madiha mit Blicken straften, dass sie wohl am liebsten den Besen über ihren Köpfen geschwungen hätte. Nein, das brächte sie nur in mehr Schwierigkeiten. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Mit zusammengekniffenen Augen, dass es fast brannte, suchte sie die Umgebung ab.
Da kamen ihr einige Schülerinnen und junge Magier zu "Hilfe". Viele davon waren Teil der Gruppe, die um Palm herum gestanden hatte. Nun schlenderten sie scheinbar arglos umher, zogen Bögen um Madiha und ließen Dinge fallen: Papiere, angebissenes Obst und sogar speziell für sie geschriebe Nachrichten. Madiha konnte nun von Glück reden, dass sie noch immer nicht das Lesen beherrschte. So entgingen ihr die wirklich teils ruchlosen Beschimpfungen auf den Notizen. Aber die allgemeine Botschaft war eindeutig. Man hatte erkannt, dass sie zum Reinigen hier war und nun schien die Motivation groß, sie ordentlich arbeiten zu lassen.
Zwei Lehrer unter einem aufgestellten Sonnenschirm beobachteten das Ganze, griffen aber nicht ein. Im Gegenteil! Sie wandten sich rasch ab, um das Innere der Akademie aufzusuchen. Madiha konnte nicht auf Unterstützung hoffen. Sie selbst zögerte noch. Sollte sie den mutwillig verursachten Abfall ihrer Mitschüler aufsammeln? Sollte sie es ignorieren? Nein, das konnte sie nicht tun. Gewohnheiten legte man nicht von heute auf morgen ab und selbst wenn sie einem Sklavenleben entsprungen waren, gehörten sie für Madiha zum Alltag. Sie befand sich erst am Anfang ihres neuen Weges. Sie musste erst lernen, dass manche Dinge der Vergangenheit angehörten. Also klaubte sie hier eine matschige Dattel auf, warf dort eine angebissene Feige in den Eimer oder kratzte Papier aus dem Sand. Je näher sie dabei den Schülerinnen und Schülern kam, desto schwieriger wurde es, ihre gehässigen Kommentare zu ignorieren. Anderen mit weniger Temperament wäre es vielleicht noch möglich gewesen, den Spott einfach über sich ergehen zu lassen. Madiha zählte nicht zu dieser Sorte Mensch. Bei ihr war das Maß voll. Der letzte Hohn brachte nicht nur das Fass zum Überlaufen, sondern auch noch ihren Eimer, als sie dessen inhalt einfach über dem frechen Schüler ergoss. Schon hatte er die Schale eines Obstes im Mund, das er zuvor selbst noch vertilgt hatte. Überrumpelt starrte er Madiha an. Auch die anderen Jugendlichen wirkten zunächst zu perplex, um anders zu reagieren.
So gelang es dem Mädchen, ihre Sachen zusammen zu kratzen und schleunigst zu verschwinden, ehe auch nur ein Schüler auf dieses Müll-Attentat hätte reagieren können. Madihas Flucht führte sie die Steinstufen in der Klippe herunter. Am Strand angekommen, empfing sie nicht nur die theaterartige Übungsarena, sondern auch eine salzige Brise, die an ihrer Kleidung und ihren Haaren zog. Das fühlte sich besser an. Außerdem schien sie hier richtig zu sein.
"Oh, wunderbar! Das kommt mir gerade Recht", rief jemand ihr zu und vom Rand des Sandkreises aus näherte sich ihr eine Gestalt. Sie war nicht viel größer als Madiha selbst, etwas pummelig und bewegte sich dementsprechend eher klobig über den aufgewirbelten Sand. Die Kapuze eines Wüstenumhangs in den feurigen Farben der Akademie hing der Person ins Gesicht, wohl um sich vor dem sandigen Verwehungen am Strand zu schützen. Darunter trug die Gestalt wie viele der Eleven eine bis zu den Knöcheln reichende Robe. Es musste sehr heiß darunter sein, aber auch so hätte Madiha wohl erwartet, dass die Gestalt mit einem Keuchen bei ihr ankam. Sie schwitzte und ächzte.
Dann endlich zog sie die Kapuze in den Nacken und Madiha wurde ein pausbäckiges, gerötetes Gesicht zuteil, aus dem ihr ein strahlendes Paar grüner Augen entgegenblickte. Die Farbe erinnerte an Wälder, die Madiha nie zuvor gesehen hatte. Aber es reichte aus, sich in deren Sättigkeit verlieren zu wollen. Darüber klebten braune Strähnen auf eigentlich rosiger Haut. Das Mädchen, das Madiha entgegen schaute, konnte nicht aus Sarma stammen. Das verriet schon der Streifen Sonnenbrand, der ihr über Nase und Wangen führte. Trotz allem lächelte sie.
"Was bin ich froh!", keuchte das Mächen. Sie musste in etwa in Madihas Alter sein. "Nach all ... dem Training ... hätte ich es nie ... nie! ... die vielen Stufen ... hoch geschafft. Ohweh, mir ist ganz schwindlig!" Ohne ein weiteres Wort der Warnung ließ das Moppelchen sich auf ihren Hosenboden sinken und streckte die Beine aus. Dann fächelte sie sich mit der Hand Luft zu. "Es ist so heiß in den Roben, aber Lehrmeister Furion erwartet, dass man sie trägt. Am Hof würde ich darin auch Magie anwenden müssen! Uff! Dabei würde mir eine kleine Stelle irgendwo in der Heimat ausreichen. Wer will schon Hofmagierin werden?" Die Fremde schickte Madiha ein entwaffnendes Lächeln entgegen. Dann beugte sie sich vor und zog ihre Schuhe aus. Dampf stieg von den knubbeligen Zehen empor. "Ich bin so geschafft! Gib mir einen Moment, ja? Dann räume ich auf ... hab dort ganz schön Chaos veranstaltet." Sie gluckste, während Madiha sehen konnte, was das andere Mädchen meinte. Nicht nur der Sand des Übungsrundes war reichlich aufgewirbelt worden. Dort fanden sich auch ganze Haufen aus Asche, die bereits vom Meereswind verweht wurden und sich sogar bis auf die Sitzblöcke der Steinmauer verteilten.
Plötzlich wurde der ehemaligen Sklavin eine kleine, rosige Hand mit verschwitzten, kurzen Knubbelfingern entgegengehalten. "Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Ilmengard Wollweber. Klingt nicht so toll, oder? Es wäre schöner, wenn du mich Ilmy nennst. Das hört sich viel freundlicher an." Sie lachte auf, wenn auch etwas erschöpft. "Wie heißt du?"
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 11. März 2021, 21:57

Nachdem Madiha die ersten drei Stufen genommen hatte und aus dem Blick der Eleven im Garten verschwunden war, hielt sie inne und atmete die Anspannung die sich aufgebaut hatte, aus. Sie merkte, wie ihr Körper sich verkrampft hatte immer in Erwartung des nächsten Angriffs oder der Rache des Schülers, dem sie den Eimer entgegen geschleudert hatte. Madiha fühlte sich einmal mehr an ihre Vergangenheit erinnert und bemühte sich stark, die aufzuckenden Bilder niederzuringen. Dann lenkte sie ihre Beine die nächsten Stufen hinunter bis sie am Strand angekommen war. Einmal mehr musste das Mädchen stehen bleiben und für einen Moment den Anblick verdauen. Sie war als Kind einmal am Strand gewesen. Es war mitten in der Nacht gewesen und viel hatte sie nicht davon mitbekommen, doch jetzt, im vollsten Glanze Lysanthors, stand sie beinahe wie vom Donner gerührt da. Das Meer brandete auf, rauschte im vollsten Klang und umspülte ihre Seele. Madiha stand der Mund offen, bis der Wind ihr Haar erfasste, ihre legere Kleidung zum Flattern brachte. Der Wind fegte alles weg. Er nahm das ungute Gefühl aus dem Garten einfach mit sich fort und ließ ein junges Mädchen zurück, das sich gar nicht satt sehen konnte. Madiha lächelte etwas und schirmte die Augen mit ihrer flachen Hand ab. Das Meer war endlos. Sie versuchte etwas sehen zu können, etwas was ihr das Ende der Wassermassen zeigte, doch da war nichts. Sie erkannte jedenfalls nichts. Bei den Göttern war das schön hier. Madiha hatte Sarma immer nur als eher laute und dreckige, viel zu stickige Stadt empfunden. Doch das hier versöhnte sie mit ihrer Heimat um ein Vielfaches. Sie konnte die Schönheit würdigen und wenn sie dürfte, würde sie ab jetzt jeden Tag herkommen wollen. Der Blick der Siebzehnjährigen glitt von der glitzernden Wasseroberfläche zum Strand zurück. Plötzlich hörte sie eine Stimme die zwischen Brandung und Wind zu ihr herüberwehte. Madiha bemühte sich, das schwarze Haar zu bändigen und blinzelte der Person in der Robe entgegen. Die Sonne verhinderte, dass sie sofort erkannte, wer sich darunter verbarg, doch als die Stimme näher kam, hörte Madiha das Schnaufen des Mädchens. Erst jetzt nahm Madiha den Sandkreis wahr und erkannte hier und dort Aschehaufen. Noch bevor sie sich damit aber gedanklich befassen konnte, richtete sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen, das sich nun zu ihr gekämpft hatte. Madiha betrachtete das Gesicht, welches sich ihr zeigte. Ganz ohne Zweifel, war das Mädchen nicht aus Sarma. Sie schien sich schwer mit der Sonne zu tun und Madiha wusste, dass vielen Außenstehenden die Kraft Lysanthors nicht behagte. Abermals hob Madiha die Hand und schirmte ihre Augen ab, auch um sich dem Wind etwas zu entziehen der immer mal wieder Sandkörner aufwirbelte.

Das Mädchen schnaufte noch einen Moment, ehe sie sich etwas erklärte und offenbar froh war, Madiha, oder zumindest irgendjemanden, zu sehen. So wie die einstige Sklavin das verstand, hatte sich die Andere beim Training verausgabt und keine Kraft mehr, die Stufen hochzusteigen. Wollte sie hier etwa übernachten? Sollte Madiha sie tragen? Zweifel mischte sich in das dunkle Gesicht der Sarmaerin. Das würde sie sicher nicht bewerkstelligen können, doch bevor ihre Gedanken völlig falsch liefen, plapperte die junge Elevin weiter. Noch immer hatte sie ihre Utensilien aus dem Schuppen dabei und runzelte zweifelnd die Stirn, als sich das Mädchen im Sand niederließ. Etwas Hilfesuchend, blickte sich Madiha um, als wüsste sie die Situation nicht so recht einzuordnen. Dann atmete sie tief durch und musterte das Mädchen vor sich. Die grünen Augen waren hypnotisch, musste sie anerkennen, und auch wenn die Elevin offensichtlich ziemlich erschöpft war, konnte das nicht über ihr freundliches Wesen hinwegtäuschen. Alles an ihr schrie nach Sympathie, ob es nun das hochrote Gesicht war oder die nackten Füße im Sand. Madiha entspannte sich endlich etwas und schenkte nun ihrerseits ein Lächeln. Sie stellte den Eimer weg und legte die Harke und Schaufel hinein. Als sie sich wieder zurückdrehte, hielt ihr das Mädchen ihre Hand entgegen und stellte sich vor. Madiha ergriff die etwas feuchte Hand und nutzte die Gelegenheit gleich, sich ebenfalls in den Sand zu setzen. Erneut frischte der Wind auf und wehte ihr die wilden Haare ins Gesicht, sodass sie sie umständlich zu bändigen versuchte. Die etwas zu große Kleidung flatterte im Wind, ehe sie endlich auf ein paar Worte fand: “Hallo Ilmy, ich bin Madiha“ Sie lächelte ihr entgegen und musterte dann die Füße der anderen. Ihr kam der Gedanke, es ihr gleich zu tun. Die unbekümmerte Art ihrer neusten Bekanntschaft, steckte Madiha an und so tat sie es Ilmy gleich, zog die eigenen Schuhe aus und vergrub ihre nackten Füße im Sand. Es war ein herrliches Gefühl. Die Kühle kribbelte ihre Zehen entlang und sie lächelte gelöst.

“Wo ist denn Lehrmeister Furion?“ Fragte sie Ilmy und wandte den Blick zu ihr. Sie hatte den Lehrer nicht gesehen und fragte sich, warum Ilmy die Roben nicht ablegte, solange sie alleine war. “Das Wetter kann wirklich mürbe machen, was? Warum übst du nicht am Abend, wenn es etwas milder wird?“ Ließ sich Madiha anstecken. Es war wie Balsam für ihre Seele, dass ihr jemand in ihrem Alter freundlich begegnete. Oder wusste Ilmy nur nicht, wer sie war? Auf der anderen Seite war sie aufgrund der Narben bekannt wie ein bunter Hund und andere Schüler hatten sicher die Kunde über den Abschaum in ihren Reihen verbreitet. “Was hast du denn geübt?“ Wollte Madiha dann wissen. Ihr Blick glitt zu dem Sandkreis und den Aschehaufen. Der Wind wehte immer wieder kleine Schnipsel auf die Stufen und langsam dämmerte es ihr, dass sie vielleicht dafür von Schwester Dunia hierher geschickt wurde. Ilmy jedoch schien nicht so zu sein wie die anderen. Offenbar wollte die junge Magierin selber aufräumen. Stirnrunzelnd wandte sie sich wieder der anderen zu: “Weißt du zufällig, was ich hier soll? Also, Schwester Dunia sagte, ich solle diese drei Dinge-“ sie deutete auf den Eimer “-holen und hier herkommen, ist das für die Asche?“ Madiha ließ ihre anfängliche Vorsicht fahren und gab sich dem sonnigen Gemüt Ilmy’s hin. Sie brauchte das, sie spürte deutlich wie sehr sie anfällig für Freundlichkeit war. Wie ein streunender Köter, der den Knochen bekam. Madiha spürte, dass sie sich etwas doof vorkam, doch ließ sie sich davon nicht beirren. Jetzt wo sie im Sand saßen und ihr dieses freundliche Gesicht entgegen schnaufte, wollte sie den Moment auskosten, bis sie wieder hoch in die Akademie musste. “Es freut mich Ilmy. Freut mich wirklich, dich kennen zu lernen.“ Gab Madiha zu und lächelte nun ihrerseits so entwaffnend wie es eben mit Narben im Gesicht ging. Dann stutzte sie etwas, als wäre ihr eben etwas eingefallen: „Was ist denn ein Hofmagier? Und wo ist deine Heimat?“ Madiha fragte und fragte und merkte gar nicht, dass sie vielleicht auch etwas zu forsch war. Sie hatte in all der Zeit kaum soziale Kontakte gehabt. Sie wusste nichts über Privatsphäre, denn sie hat nie welche besessen, oder vielleicht auch darüber, dass man einen gewissen Sprech-Rhythmus pflegte, damit der andere sich nicht überrumpelt fühlte. Sie rannte mit wehenden Fahnen Ilmy’s Freundlichkeit über den Haufen.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Samstag 13. März 2021, 06:40

Ilmengards Lächeln wuchs. Sie beobachtete Madiha schweigend, während diese ihre Schuhe von den Füßen löste und dann die Zehen in den Sand tauchte. Das Sonnenlicht hatte nur die Oberfläche aufgeheizt. Die tiefer gelegenen Körner umgaben Madihas Füße mit einem kieseligen Knistern. Sie brachten Kühle, die besonders angenehm war, nachdem sie all die Stufen bis zum Strand hatte nehmen müssen.
"Ich mag das auch", sagte ihre Sitznachbarin plötzlich. Sie wackelte mit den Zehen, dass diese den aufgetürmten Sand beiseite schoben und wieder zum Vorschein kamen. "Sarmaer Strände sind ganz anders als die meiner Heimat. Hier ist der Sand so schön warm und hell." Sie kicherte. Natürlich musste es sich für sie anders anfühlen. Wenn sie schon in einfachen Roben unter Lysanthors Sonnenhitze schwitzte, dann kam ihr auch der Sand rund um die Wüstenstadt deutlich wärmer vor. Madiha empfand ihn hingegen als angenehm. Sie war hohe Temperaturen gewohnt. Vielleicht würde sie gar an einem Strand aus Ilmys Heimat frösteln. Woher das Mädchen wohl stammte?
Madiha erhielt einen ersten Einblick, als Ilmy ihren Namen in verschiedenen Sprachen zum Besten gab.
"Madiha... Madiha... Madiha... das klingt in jeder Sprache sehr schön." Sendli erkannte sie sofort, ebenso wie das allgegenwärtige Celcianisch. Doch auch die andere Sprache schien ihr vertraut. Auf dem Markt hatte sie diesen Dialekt schon mehrfach aufgeschnappt, meist wenn sie an einem ausländischen Händler vorbeigekommen war. Die Reaktion von so manchem sarmaer Standverkäufer fiel gelegentlich verärgert aus. Man solle doch ihre Sprache sprechen, wenn man schon in ihrem Land sei! Aber Handeln funktionierte dann doch, wenn der intolerante Verkäufer eine Ware zu einem guten Preis loswerden oder erstehen konnte. Oben in der Stadt ging es immer nur um's Geld. Hier unten, neben Ilmy und mit den Füßen im Sand herrschte fast ein Stillstand. Friedvolle Zeitlosigkeit, die dazu einlud, die Seele für den Rest des Tages baumeln zu lassen. War es das, was Schwester Dunia bezweckt hatte, als sie Madiha losschickte? Sicherlich nicht, sonst hätte sie nicht auf den Schuppen und die Werkzeuge hingewiesen. Aber Harke, Schaufel und Eimer befanden sich gerade außer Sichtweite und die salzige Brise vom Ufer war so unendlich angenehm!
Darüber hinaus hatte Madiha erstmals jemanden zum Reden. Jemand, der tatsächlich auch an einem Gespräch mit ihr interessiert schien. So kam es, dass Madiha reichlich Fragen stellte. Ilmys freundliche Art löste ihre Zunge und dass die andere sie nicht einmal unterbrach bestärkte das Mädchen darin, sie regelrecht mit Fragen zu löchern. Ilmy nahm alles mit Geduld auf, versuchte den Haufen gar gedanklich zu ordnen. Man sah es ihr an der rundlichen Nasenspitze an und an der Zunge, die sie beim Grübeln aus dem linken Mundwinkel lugen ließ.
Nachdem Madihas Frageflut versiegte, fand das andere Mädchen Gelegenheit zu antworten. "Meister Furion muss oben in der Akademie sein. Der ist so alt, er würde die Stufen zum Strand gar nicht mehr packen, selbst wenn er wollte. Aber er meint ohnehin, ich sei so untalentiert, dass sich ein Zuschauen nicht lohnen würde." Sie hob die Schultern. Es schien Ilmy kein bisschen zu kümmern. Irgendwo hat er Recht. Ich muss furchtbar viel üben und komme dennoch nicht wirklich voran. Meine Mitschülerinnen sind allesamt begabter als ich und mir weit voraus. Ich übe bereits abends, aber Meister Furion hat mein... Sondertraining nun auch auf die Pausen ausgeweitet. Ich habe somit keine Pausen mehr. Bitte, verrate nicht, dass ich jetzt gerade eine mache!" Sie kicherte und hob einen Zeigefinger an die Lippen. Dann zwinkerte sie. "Ich werde nachher bestimmt noch etwas weitermachen. Vorher muss ich aber die Aschehaufen aufkehren, damit ich Platz für neue Ziele habe." Sie zeigte ihre Handflächen, die ebenfalls so rußig waren wie der Sand im Übungsrund. "Ich habe versucht, einen Feuerball zu beschwören und zu werfen. Irgendwie sind meine aber kleiner und viel rußiger als sie sein sollten. Der blöde Palm aus meiner Klasse, dieser lange Stecken, hat mich neulich deswegen sogar beleidigt. Er meinte, dass bei so einem dicken Klops wie mir die magischen Ströme natürlich vollkommen verstopft sein müssen und das ganze Fett mein Feuer verschmutzt. Er hat mich den restlichen Tag lang die Fettmagierin gerufen. So ein fauliger Apfel ist das!"
Ilmy verschränkte die Arme und zeigte nicht nur, dass sogar sie böse schauen konnte, sondern dass Madiha nicht als einzige von Palm drangsaliert wurde. Das pummelige Mädchen hingegen ließ sich dadurch nicht lange die Laune verderben. Unter einem Ächzen erhob sie sich erneut, reichte Madiha dann die nicht rußige, dafür nach wie vor schwitzige Hand und schaute zu den Putzsachen herüber. "Wer ist denn Schwester Dunia? Eine Lehrerin? Hast du als Strafarbeit aufgetragen bekommen, mir die Sachen zu bringen? Aufräumen kann ich selbst, ich hab das Chaos ja auch verursacht. Aber ... wenn du noch Zeit hast und mir Gesellschaft leisten magst, freue ich mich darüber, noch ein bisschen zu plaudern."
Beherzt stapfte Ilmengard durch den Sand, griff nach Eimer und Schaufel und begann sofort damit, den ersten Aschehaufen zu entsorgen. Nachdem sie einige kleine Haufen aufgeräumt hatte und erneut verschnaufte, setzte sie das Gespräch von selbst fort: "Ich bin ein Hofmagier .... haha, nein, nur ein Scherz. Weil ich doch gerade den Hof hier saubermache! Ohje, der war nicht so witzig, was?" Sie gluckste dennoch. "Hofmagier arbeiten für Adlige oder in großen Institutionen, für die Reichen oder sogar in Schlössern! Jedenfalls hat mein Papa das gesagt. Er möchte unbedingt, dass ich eines Tages eine große Hofmagierin werde. Jetzt, da es wegen meinen entdeckten Fähigkeiten nicht mehr dazu kommen wird, dass ich die Finanzen regle. Dabei würde ich viel lieber etwas Anderes tun ... so wie du?" Sie musterte Madiha nun eingehend und jener dürfte der Blick auf ihr Gesicht nicht entgangen sein. Ilmy betrachtete die Narbe sehr ausgiebig. "Du bist 'ne magisch begabte Kriegerin, oder? Muss das schön sein! Du erlebst sicher viele Abenteuer, bist frei und deine eigene Herrin!" Offenbar konnten manche Hunde so bunt wie ein Regenbogen sein. Wenn man den Kopf nur auf Aschehaufen am Boden richtete, sah man sie dennoch nicht.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 13. März 2021, 12:38

Die Abkühlung an ihren Füßen kam trotz aller Gewohnheit auch Madiha gelegen. Sie wackelte etwas mit den Zehen aber nicht, um die Füße wieder zu befreien wie Ilmy, sondern um sie noch tiefer im Sand zu vergraben. Ihre Hände ruhten derweil links und rechts ebenfalls im Sand und die Dunkelhaarige sog die Ruhe in sich auf die das mit sich brachte. Als Ilmy das Wort erhob, blickte die junge Frau zu ihr und lächelte ihr entgegen. „Du sprichst ziemlich gut, Sendli. Obwohl es nicht deine Muttersprache ist.“ Lobte sie die Andere, ohne dass diese danach gefragt hatte. Trotzdem war Madiha erleichtert, dass die junge Magierin ihre Sprache sprechen konnte. Sie selber fühlte sich mit celcianisch nicht ganz so wohl, auch wenn sie es sprechen konnte wie jeder Bewohner dieser Lande. Als Ilmy ihren Namen dann mehrfach aussprach und dabei die Sprachen wechselte, horchte Madiha bei dem zweiten Mal besonders auf. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, welches der Wind ihr immer wieder hineinwehte. Ihr kam die Sprache seltsam vertraut vor, doch wie man sie nannte, wusste Madiha indes nicht. Sie erinnerte sich kurz an den Marktplatz vor rund 10 Jahren. Sie hatte sich dazu aufgemacht einem Mann sein gerade gekautes Obst zu stehlen, bevor er sie dabei erwischte. Eben jener Mann hatte kurz zuvor in derselben Sprache gesprochen, Madiha war sich sicher. Sie konnte sie nicht verstehen aber der melodische Klang blieb ihr in Erinnerung. Jetzt kehrte sie zurück zu Ilmy die immer noch rot im Gesicht und schwitzend neben ihr saß. Ihr Kompliment über Madiha’s Namen nahm letztere mit einem Lächeln zur Kenntnis und ließ kurz den Blick sinken. Es kam nicht oft vor, dass man ihr etwas Nettes entgegnete. Sie fühlte sich seltsam und ungekannt geschmeichelt.

Madiha’s Blickt ruhte eine Zeit lang auf dem Wasser und ihr kam der Gedanke einfach für immer hier zu bleiben. Sie würde hier sitzen, an gar nichts denken, und irgendwann vom Wind weggetragen werden. Innerlich grinste sie bei dem Gedanken, wollte sie doch gewiss nicht als Aschehaufen enden. Ihr kam Schwester Dunias Aufgabe in den Sinn, was ihr leichte Gewissenbisse bescherte. Sie hatte Arbeit zu erledigen und es lag ihrer Natur im Prinzip absolut fern, dieser nicht nachzukommen. Sie wurde über wichtige Entwicklungsphasen in einem aufwachsenden Leben hinweg so konditioniert, dass sie zu tun hatte, was man ihr sagte. Ja, die Vergewaltigungen waren sicherlich kein Erlebnis was je eine Frau als ‚normal‘ bezeichnen würde, egal wie lange man sie missbrauchte, doch was Aufgaben und Arbeit anging, ließ sie die Faulenzerei im Sand langsam kribbelig werden. Madiha zog langsam ihre Füße aus dem Sand zurück und klopfte sie etwas ab, als Ilmy das Wort erneut erhob. Madiha schaute sie aufmerksam an und nickte dann. „Den hab ich schon mal gesehen, denke ich.“ Doch dass das nun Lehrmeister Furion war, hörte sie zum ersten Mal. Dann erwähnte das pausbäckige Mädchen jedoch, dass sie es nicht ganz so leicht hatte in der Akademie. Madiha biss sich auf die Unterlippe. Ihr kam der Gedanke, dass nicht alle Schüler gleichermaßen über einen Kamm geschert werden sollten und sie schämte sich etwas für ihre unvermittelte Arroganz der gesamten Elevenschaft gegenüber. Was wusste sie denn wirklich über die Schüler hier? Sie sollte Palm nicht als Maßstab verwenden. Schwester Dunia hatte sie ja auch überrascht. Nichtsdestotrotz vergaß Madiha auch nicht, wie sie keine zehn Minuten zuvor behandelt worden war. „Von mir erfährt er nichts, versprochen. Aber, wenn du keine Pausen machst, wann kommst du dann mal zum Durchatmen?“ Fragte sie unvermittelt und hatte Mitleid mit Ilmy. Sie sah ohnehin schon mitgenommen aus und das Üben schien ihr auch ohne Mittagshitze einiges abzuverlangen.

Dann fiel der grau-blaue Blick auf die Handflächen von Ilmy. „Ach du Schande, muss das so aussehen?!“ Fragte Madiha erschrocken und blickte ihrer neuen Bekanntschaft kurz ins Gesicht. Sie griff nach ihren Händen und rieb mit dem Daumen über die Flecken, als wolle sie versuchen den Schmutz ab zu bekommen. „Das muss wehtun…“ überlegte die Sarmaerin laut und ließ die Hände der Magierin los. „Ich kenne mich ja nicht aus, also wirklich nicht, aber wäre es nicht angebracht ab und zu Pause zu machen? Nützt doch keinem was, wenn du nicht mal mehr die Stufen schaffst.“ Sie deutete hinter sich zu der Treppe nach oben, ohne hinzusehen. „Soll ich dir Wasser holen, Ilmy?“ „Und was zu essen?“ Schob Madiha hinterher. Das würde ihr gewiss nichts ausmachen, immerhin war sie derlei gewohnt. Doch bevor es zu einer Antwort kommen konnte, fiel das Thema auf einen bestimmten Schüler: Palm. Sofort wurde Madiha’s Gesicht freudlos und sie legte ihre Arme auf ihre Knie, wandte den Blick ab, während Ilmy sprach. Sie nickte beipflichtend. „Dieser Huf eines Maulesels scheint sehr gerne auszuteilen. Man sollte ihm zeigen, wo das Kamel die Höcker hat.“ Begehrte sie auf, wurde jedoch von Ilmy unterbrochen, die sich erhob. Madiha reckte den Kopf und tat es der Magierin dann, mit Griff zu ihrer Hand, gleich. Leicht klopfte sie sich den Sand von der Hose und den Händen. Ihr Blick fiel ebenfalls auf die Utensilien. „Nein-“ schüttelte sie lange Mähne „Sie ist Pflegerin in der Krankenstation. Sie will mir le-“ Madiha unterbrach sich, als Ilmy meinte sie könne ihr eigenes Chaos beseitigen. „Lass mich helfen, Ilmy.“ Warf Madiha ein und stapfte ihr hinterher, als sie schon den ersten Haufen Asche im Eimer hatte. Madiha trat an das Mädchen heran und nahm ihr bestimmt die Schaufel und den Eimer aus der Hand. Sie lächelte etwas: „Wie wäre es, wenn ich dir helfe? Ich räume die Asche weg und du könntest mit deiner Übung weiter machen. Es macht mir nichts aus und ich würde gerne noch etwas bleiben.“ Gestand sie. Würde Ilmy ihre Aufgabe übernehmen, hätte sie Schwester Dunia nichts zu berichten. Das wäre ihr unangenehm und gleichzeitig hätte sie einen triftigen Grund hier am Strand zu bleiben und mit Ilmy zu sprechen.

Dann setzte Letztere das Gespräch fort und verschnaufte, während Madiha das als Zustimmung aufnahm und sich ihrerseits nun an einem Aschehaufen zu schaffen mache. Sie harkte das Verwehte zusammen, schaufelte dann und entleerte alles im Eimer. Noch bevor sie den ersten Haufen gänzlich verschwinden ließ, hielt Madiha inne und starrte Ilmy an. Na war es denn möglich, dass die Magierin wirklich nichts über den Straßenköter Madiha gehört hatte? Zweifel lag in ihrem Blick und kurz vermutete sie Häme in Ilmy’s Gesicht zu finden, doch da war nichts. Nur das freundliche, pausbäckige Gesicht unter den verschwitzten Strähnen. Madiha widmete sich wieder ihrer Arbeit, während sie gleichzeitig etwas ausweichend wirkte. Ihre Miene verdunkelte sich um eine Nuance, auch wenn sie wusste, dass Ilmy sich nicht lustig machen wollte. Es dauerte einen weiteren Aschehaufen lang, bis die Sarmaerin sich durchringen konnte, etwas zu erwidern: „Ich… ich bin nicht.. Also ich..“ Herrgott, da kam aber auch gar nichts. Madiha richtete sich auf und blickte zu Ilmy herüber. Ob die Magierin anders von ihr dachte, wenn sie erfuhr wer Madiha war? Offenbar ging sie bisher davon aus, dass die Narbige eine echte Magierin war mit vielen Geschichten die sie zu erzählen hatte. Ihr Herz sank ihr etwas in die viel zu große Hose. Ihr Mund wurde trocken. „Also weißt du..“ setzte Madiha abermals an. Etwas änderte sich dann in der einstigen Sklavin. Sie ließ die letzte Zeit Revue passieren und sah wie man sie für das was sie war und woher sie kam verhöhnte. Sie erinnerte sich daran wie sie behandelt wurde und Madiha entschied sich aus Angst vor erneuter Ablehnung, nicht die Wahrheit zu sagen. „Du hast mich durchschaut. Ich kämpfe gegen die… die größten …Schurken und äh… die Verrückten dieser Welt.“ Sie nickte als Unterstützung für ihre Worte. Dann versuchte sie ihre Lüge zu schlucken und musste sich räuspern, da ihr Hals trocken war. „Ich bin, ich war jetzt im Krankenflügel eine ganze Weile… weil, weil…“ sie deutete auf ihr Gesicht. „Siehst es ja selbst, das war…“ sie kramte in ihrem Geist nach einer Idee, doch viel kannte sie ja nicht. „Ein anderer Magier. Jawohl. Er… naja du solltest ihn sehen.“ Sie deutete ganz unbewusst auf ihren Eimer um zu suggerieren, dass von dem ominösen Magier nur Asche übrig ist. Dann wandte Madiha den Blick von Ilmy ab und wirkte verschlossener als noch zuvor. Es kam ihr falsch vor die nette Pummelige anzulügen, doch sie hatte keine Lust der Häme eines anderen ausgesetzt zu sein. Und womöglich wandte sich Ilmengard Wollweber auch von ihr ab und auch wenn sie Palm nicht mochte, so konnte sie dennoch eine stolze Magierin sein, die sich ebenso wenig dazu herabließ mit einer dreckigen Sklavin gesehen zu werden. Madiha suchte sich den nächsten Aschehaufen und widmete sich ganz bemüht aufmerksam wieder ihrer eigentlichen Aufgabe. Hoffentlich stellte Ilmy nicht noch mehr Fragen. Madiha hatte doch gar keine Ahnung was ein solcher ‚Kampfmagier‘ alles machte...
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 14. März 2021, 16:31

Ilmy wirkte nicht nur sympathisch, sondern schien ein Mensch der schüchternen Sorte zu sein. Mit Komplimenten konnte sie nur bedingt umgehen, weshalb sie auch den Blick senkte, als Madiha ihre Wortgewandtheit in Sendli lobte. Verlegen wickelte die Pummelige eine Haarsträhne um ihren Finger. "Es stimmt. Sendli ist nicht meine Muttersprache, aber mein Vater hat durch seine Tätigkeit als Kaufmann viel Kontakt zu anderen Orten Celcias. Er handelt vor allem mit Sarma, weshalb es für ihn selbstverständlich war, dass ich schon im Kleinkindalter die Sprache des Wüstenvolkes lerne." Sie lachte auf. "Vielleicht ist es doch etwas wie eine zweite Muttersprache für mich. Ansonsten kann ich nur Garmisch und natürlich Celcianisch. Wäre ich in meiner Heimat geblieben, hätte meine Mutter mir sicherlich noch einige andere Fremdsprachen zum Lernen aufgebrummt. Es hat Vorteile, magisch begabt zu sein." Sie kam aus dem Lachen nicht heraus, legte den Kopf dabei in den Nacken, dass ihre braunen Haare in dieser Haltung weiter als nur bis zu ihren Schultern fielen. Ihr Lachen endete, als Madiha sie nach den nicht vorhandenen Pausen fragte. Etwas wehleidig wie jeder Schüler in diesem Alter erwiderte Ilmy: "Zum Durchatmen bleibt Zeit, wenn ich tot bin. Keine Sorge, ich bin dieses hektische Leben voller Disziplin gewohnt. Ich passe nur nicht hinein. Es ist gut, dass du mich nicht verrätst. Es tut nämlich wirklich gut, einmal Luft zu holen." Ja, man sah es ihr an. Ilmy war froh über die kleine Pause, die sie mit dem so wichtigen Gespräch mit dieser Kriegerin begründen konnte. Sie hatte tatsächlich noch nichts von Madiha erfahren, wie es schien und hielt sie für eine Kämpfern. Ihre Annahme ließ sogar das Grün ihrer Iriden vor Bewunderung schillern, ganz so als sei es überhaupt nicht vergleichbar mit dem Talent, Feuermagie nutzen zu können. Selbst schlecht, wie Ilmy von sich behauptete, war dies doch eine Gabe, für die sie so mancher gestandener Kämpfer beneiden würde. Und doch! Sie strahlte Madiha mit derart großer Bewunderung an, dass es dem Mädchen schwer fiel, sie zu enttäuschen. Unter leichtem Gestammel bestätigte sie die Annahme der anderen. Ja, sie war eine Kriegerin und sie hatte nur auf der Krankenstation gelegen, weil sie sich mit einem Magier angelegt hatte!
Ilmengard fielen fast die Augen aus den Höhlen. Ihre Kinnlade klappte herunter und die Begeisterung breitete sich auf ihrem ganzen Gesicht aus. Sie hatte nur noch Madihas Lüge im Sinn, welche die Elevin vollkommen beflügelte. Darüber hinaus vergaß sie glatt die anderen Fragen, welche noch gar nicht beantwortet worden waren. Sie winkte lediglich mit der rußigen Hand ab. Schmerzen schien die Asche auf ihrer Haut ihr nicht zu bereiten. Sie sah auch lediglich schmutzig, aber nicht verletzt aus. Ilmy war viel zu sehr gefangen in ihrer Bewunderung der ach so mächtigen Kriegerin Madiha Al'Sarma. Deshalb wedelte sie auch sofort hektisch und erneut verlegen mit den Armen. "Du musst mir überhaupt nichts holen, Madiha! Das klingt ja, als wärst du meine Dienerin! Nein, nein, das ... ich kann von einer Kriegerin wie dir nichts verlangen. Dazu bin ich doch gar nicht befugt. Und ich bin sicher, du hast wichtigere Aufgaben als ... als ... Moment! Sagtest du, diese Schwester Dunia trug dir auf, hier sauberzumachen? Oh ... oh, lass mich raten!" Sofort sprang Ilmengard aus dem Sand auf. Für ein Mädchen mit ihrem Gewicht zeigte sie sich recht gewandt. Sie griff auch gleich nach Eimer und Kehrschaufel. "Der Platz muss sauber sein, damit du hier kämpfen kannst. Trittst du gegen weitere Magier an? Oh, ich werde das Übungsrund schnell räumen, ich will dein Training nicht unnötig aufhalten. Lass mich aufräumen, du als Kriegerin musst bestimmt deine Muskeln dehnen oder so?" Sie war drauf und dran, die gesamte Asche allein zu erntfernen und den Sand neu zu harken ... für eine Kriegerin, die gar keine war.
Madiha aber wollte das Mädchen nicht alle Arbeit allein machen lassen. So drängte sie ihre Hilfe einfach auf, entriss ihr die Schaufel und bot ihre Hilfe an. Ilmengard wirkte zunächst etwas perplex, lehnte das Angebot aber nicht ab. Beide Mädchen arbeiteten nun gemeinam und so ging es doppelt so schnell. Das hieß nicht, dass sie schnell fertig wären. Die Sonne stand tiefer, als der letzte Ascheberg beseitigt worden war. ilmys Kleidung war nun vollends durchgeschwitzt, ihre Wangen dunkelrot und die Nase etwas blass. Ihre Laune ließ sie sich dennoch nicht verderben. Sie konnte offensichtlich besser bei körperlicher Arbeit anpacken als ihre magischen Talente zu trainieren. Wenig später war der Übungskreis frei von Asche und die Mädchen harkten den Sand zurück in ebene Bahnen.
"Wir haben es gleich geschafft", rief Ilmy aus und stellte ihre Harke gegen die nächstbeste Steinsäule. "Ich glaube, mit meinen Übungen wäre ich fertig für heute. So verschwitzt wie ich bin, kriege ich nicht einmal mehr einen Funkenregen zustande." Sie atmete schwer. "Aber dir steht der Platz nun offen. Gegen wen wirst du denn antreten? Und warum trainierst du in der Akademie der Hexe Cassandra? Ich dachte immer, dass Kriegerinnen in die örtlichen Kasernen gehen. Hast du einen speziellen Auftrag, bei dem du es mit vielen magischen Gegnern zu tun bekommst?" Ilmys Blick wanderte verträumt zum Himmel, der sich bereits ganz leicht goldenrose zu färben begann. "Das muss wirklich aufregend sein. Ich bin sicher, du wirst von allen bewundert. Wie eine richtige Heldin. Und du gehst deinen eigenen Weg."
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 16. März 2021, 22:01

Madiha ächzte innerlich. Das hatte sie nicht erwartet, wie konnte sie so wenig vorausschauend handeln? Auf der anderen Seite, woher sollte sie auch wissen, dass Ilmy derart fasziniert von diesen sogenannten ‚Kampfmagiern‘ war? Madiha lächelte unsicher in ihre Richtung und ihr Verstand arbeitete fieberhaft, um eine angemessene Lösung zu finden. Ihr schlechtes Gewissen wuchs in ihr, während sie Ilmy dabei beobachtete wie sie voller Euphorie ins Träumen geriet. Es fiel Madiha zunehmend schwerer ihre neue Bekanntschaft zu enttäuschen. Während die beiden Mädchen um die Wette harkten, versuchte die Sarmaerin verbissen eine Lösung herbei zu denken. Im Grunde wäre es einfacher, die Sache aufzulösen und sich bei Ilmy zu entschuldigen, doch was wäre dann? Wollte sie das Mädchen wirklich vor den Kopf stoßen? Vielleicht wäre es ich dann sogar peinlich, dass sie sich Madiha so offen gezeigt hätte. Madiha – keine Kampfmagierin, sondern eine Sklavin die mal eben so dem Tod ordentlich von der Schippe gesprungen war. Es gab in ihrem Leben nichts Heroisches oder etwas, worauf sie stolz sein konnte. Madiha Al’Sarma hatte weder etwas geleistet, noch etwas geschaffen. Während sie sich an einem Fitzel Asche fest biss, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Gedanken sich selbstständig machten. Was hatte sie überhaupt bisher mit ihrem Leben angefangen? Gar nichts- stets war sie der Spielball einer unsichtbaren Macht gewesen die für sie entschieden und gelenkt hatte. Das Wüstenmädchen musste bisher keine eigenen Entscheidungen treffen, den Luxus gönnte man ihr zuweilen nicht. Doch jetzt? Jetzt hatte sie einmal die Chance etwas zu entscheiden und landete prompt in einer toten Gasse. Dieser Weg würde wohl kaum von Erfolg gekrönt sein. Die grau-blauen Augen suchten erneut das Magiermädchen. Sie war nach wie vor voller Elan dabei die Asche aus dem Übungskreis zu sammeln. Madiha kaute auf ihrer Unterlippe. Offenbar konnte Ilmy ohne schnell müde zu werden, arbeiten. Das hatten sie zumindest gemeinsam.

Jedes Wort aus Ilmy’s Mund machte es Madiha schier unmöglich sie zu enttäuschen. Alles triefte vor Bewunderung für die Kampfmagie und für Madiha. Nachdem sie fertig waren, den Platz zu säubern, klopfte Madiha sich in die Hände. Sie war sehr schweigsam geworden und fand keine Lösung für ihr Problem. Also versuchte sie es vorerst mit Ablenkung: „Du hast vorhin gesagt, dass du gerne das werden würdest, was du willst. Was wäre das denn? Und an was für eine Stelle hattest du gedacht, wenn du mit deiner Ausbildung fertig bist?“ Die Dunkelhaarige hoffte inständig, dass sich die Andere ablenken ließ. „Und was bewunderst du denn an der Kampfmagie? Ist nicht jedes magische Talent irgendwie wert, dass man es bewundert?“ Sie wollte noch mehr Zeit gewinnen, sodass sie vielleicht nicht mehr Rede und Antwort stehen musste. Aber war das auch der Weg den sie betreten wollte?
Weitere Fragen prasselten auf die Wüstensklavin ein. Ilmy war in ihrer Bewunderung wirklich unerbittlich, so viel stand fest. Die junge Sarmaerin rieb sich nervös den Hals und als sie die Hand wegnahm, entstanden leichte, rote Flecken. Ein typisches Zeichen bei Unbehagen. „Mit wem ich.. übe?“ Stammelte Madiha nach und schluckte. „Das, also weiß ich nicht?“ Gab sie an und hob die schmalen Schultern etwas.„Eigener Weg, ja…ja.. Also so ziemlich.“ Sie schloss für einen Moment die Augen. Sie würde diese Lüge nicht aufrechterhalten können. Das wurde ihr so langsam klar. Sie konnte Ilmy nicht ablenken, nicht davon abbringen, sie weiter auszufragen. Dann sickerten plötzlich andere Gedanken in Madiha’s Hirn:

Was wäre, wenn Ilmy mit den falschen Informationen, die sie hier hörte, hausieren ginge? Was wäre, wenn sie ihren Mitstudenten erzählte, was Madiha war? Die Missbilligung die das vermutlich ihr gegenüber ausgelöst hätte, war ihr einerlei, doch die Häme die sicherlich auch die Überbringerin dieser falschen Wahrheit treffen würde, brachte Madiha’s Herz zum endgültigen Schluss: Sie würde lieber von Ilmy verachtete werden für die Unwahrheit, als dass sie dafür verantwortlich wäre, dass das freundliche Mädchen in ihren verschwitzen Roben der Lächerlichkeit preisgegeben würde. Also wappnete sich die einstige Sklavin gegen das, was eventuell kommen würde und hob die Hände, als wolle sie die Andere vorab schon mal beschwichtigen. „Ilmy?“ Kam es kratzig aus ihrem Hals. Sie trat etwas näher an die Magierin heran. „Ilmy, ich… ich muss dir etwas sagen ich…“ Wieso zum Henker, konnte sie ihr nicht einfach reinen Wein einschenken? Hatte sie denn etwas zu verlieren? Hatte sie es so nötig gemocht zu werden? Nein.. Entschied sich Madiha plötzlich und wurde ruhiger. Nein, sie hatte es überhaupt nicht nötig; immerhin kam sie bis hierher auch alleine. Jedenfalls so ziemlich. Sie hatte sich schon immer alleine durchgebissen. Es war besser alleine zu sein, als jemanden der es so gar nicht verdient hatte, zu belügen. „Ilmy,“ setzte Madiha erneut an und dieses Mal zitterte ihre Stimme nicht: „Ich bin keine Kampfmagierin. Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe und dich jetzt enttäuschen muss. Ich… Ich bin eine Sklavin seit ich ein Kind war und kam hierher, weil ich offenbar magische Fähigkeiten besitze.“ Sie zuckte die Schultern und strich sich verlegen und unsicher gleichermaßen die Haare aus dem Gesicht. Ruß hatte sich darauf gelegt. „Ich war nicht aufgrund von Kriegsverletzungen im Krankenflügel, sondern weil ich zum Tode verurteilt im Wüstensand vergraben wurde und knapp überlebt habe.“ Schloss Madiha und musste sich dann eine Beschäftigung suchen, damit die Nervosität nicht über sie hereinbrechen würde. Sie nahm die Harke, die Ilmy gegen den Steinsockel gelehnt hatte, und sammelte dann den Rest ein. Die Reaktion von Ilmengard Wollweber würde sie tapfer tragen, doch wusste sie, dass es besser so war. Die Andere hatte die Wahrheit verdient.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Freitag 19. März 2021, 10:32

Niemand hätte erwarten können, dass Ilmy mit derartiger Begeisterung auf die falsche Kunde reagieren würde. Doch sie strahlte über das ganze Gesicht, die Wangen noch immer rot von ihrem Training und den anschließenden Aufräumarbeiten. Schweiß benetzte ihre Stirn, an der das braune Haar nun richtig fest klebte und auch ihr Hals zeigte sich glänzend unter dem dicken Kragen der Elevenrobe. Dafür glotzte sie Madiha mit tellergroßen Augen und einem vor Faszination geöffneten Mund an. Oh, so sahen sonst nur Sarmas Bettelkinder aus, wenn von einem Handelskarren ein ganzer Laib Brot gefallen war oder sogar ein Sack voll mit leckeren Feigen.
Madiha erkannte ihren Fehler. Das Schwierige war nun, wie sie sich herauslügen sollte, ohne die Gefühle ihrer neuen Bekanntschaft zu verletzen. Schließlich war Ilmy ganz anders als alle anderen ihrer Mitschüler, vor allem anders als der spindeldürre Palm! Jemanden wie sie sollte man nicht enttäuschen, denn vielleicht könnte sich ein Bündnis entwickeln. Ob Madiha sogar an Freundschaft dachte? Vermutlich nicht. Sie hatte nie eine so enge Beziehung zu jemandem gehegt, um dem Begriff eine wahre Bedeutung zukommen zu lassen. Freunde hatte sie nie besessen und würde es wohl auch nicht hier auf der Akademie ändern. Oder doch? Vielleicht, wenn sie Ilmy statt weiterer Lügen einfach ehrlich gegenübertrat. Noch grübelte sie, dass die Zahnrädchen hinter ihrer Stirn zu qualmen begannen. Leider half das nicht weiter. Noch konnte sie sich nicht entscheiden, welchen Weg sie einschlagen wollte. Allein die Tatsache, dass sie eine Wahl besaß, machte ihr fernab ihrer alten Sklavengewohnheiten schon genug zu schaffen. Und dann meldete sich auch noch das schlechte Gewissen, zwickte ihr in den Nacken wie eine fiese kleine Spinne.
Um sich abzulenken und auch mehr Zeit für ihre Überlegungen zu gewinnen, richtete Madiha das Gespräch auf Ilmys Träume und Vorstellungen. Sie schien sich ja eine andere Ausbildung zu wünschen als jene einer Magierin.
"Wenn du jetzt vielleicht geglaubt hast, ich wäre auch gern eine Kriegerin, muss ich dich enttäuschen", lachte das Mädchen auf. Damit hatte sie die andere zuerst enttäuscht! Andererseits wwar Madihas Erwartungshaltung wohl nicht so groß wie umgekehrt. "Am liebsten möchte ich das Kochen lernen - also, so richtig! Ich würde gern Köchin in einer richtig schönen Taverne werden, auf dem Festland. Irgendwo, wo es deutlich vielfältigere Zutaten gibt als hier in Sarma. Und dann würde ich eine Art Taverne aufmachen, in der man aber nicht schlafen, sondern nur essen kann. Dafür gäbe es mehr als ein Tagesgericht. Stell dir das mal vor!" Ilmy klatschte in die Hände und streckte anschließend die Arme aus. Ihre Augen schillerten noch heller als bei Madihas Lüge. "Ilmys Immertisch - wo man jederzeit satt wird! Klingt das nicht fabelhaft? Achja ... ich hätte Stammkundschaft, weil die Bürger des Ortes, in dem ich mich niederlasse, täglich bei mir speisen würden. Aber es gäbe natürlich auch Reisende, die ihre hungrigen Mägen bei mir füllen wollen. Händler und Scharen von Söldnern - tapfere Krieger, so wie du eine bist."
Und vorüber war die Ablenkung. Ilmy kehrte zu ihrem zweiten Thema zurück, für das sie offenbar heller brannte als die Flammen, mit denen sie üben sollte. Madiha hatte keine Chance. Das Mädchen würde so lange und voller Stolz davon sprechen, bis das Missverständnis aufgeklärt wäre - entweder durch einen noch tieferen Lügensumpf, in dem Madiha mit der Zeit bis zum Halse stecken und schließlich versinken würde oder indem sie die Wahrheit sagte. Warum nur fand Ilmy Kampfmagie so viel spannender als die Kunst, mit dem Feuer zu spielen? Madiha startete einen letzten Versuch, ehe sie dicht in die Ecke gedrängt endlich eine Lösung aus dem Ärmel würde schütteln müssen.
"Was? Kampfmagie?" Ilmengard schaute fragend. Dann lachte sie, winkte ab. "Oh, das hast du falsch verstanden. Ich finde Magie furchtbar langweilig. Es gibt so viel Theorie, die man lernen muss, ehe man sie wirklich praktisch einsetzen kann. Bis ich eine winzige Flamme aus meinem Finger schießen lassen kann, habe ich drei Mal die Schachtel mit den Zündhölzern geholt! Nein, nein. Ich spreche nicht von Kampfmagie, sondern von einfachen Kriegern. Stark und kraftvoll. Eben richtige Helden, verstehst du? So wie du eine bist." Jetzt nahm es Überhand. Madiha war von der selbsternannten Kampfmagierin zu einer einfachen Kriegerin geworden und nun stand sie plötzlich als Helding da - zumindest, wenn es nach Ilmys Vorstellung ging. Die Situation wurde immer verzwickter. "Oder habe ich mich nun auch geirrt? Bist du eine Kampfmagierin, die hier lernt? Gegen wen hast du denn schon alles gekämpft und welche Magie-Art nutzt du dafür?"
Nein, das wurde zu viel. Madiha sah keine andere Möglichkeit mehr. sie entschied sich, reinen Tisch zu machen. Die Wahrheit musste her, auch wenn es Ilmy möglicherweise enttäuschte. Schlimmer wäre es, langfristig und immer intensiver zu lügen, bis das Märchen aufflog. Unter reichlich Gestammel brachte Madiha die Wahrheit ans Licht und in eben jenem Moment, da sie sprach, blendete sie auch der letzte Rest der Nachmittagssonne, die am Horizont langsam Richtung Meer sank. War dies ein Zeichen Lysanthors? Hieß er es gut, dass sich das Mädchen an die Wahrheit hielt?
Bestätigt und ein wenig geblendet vom Licht trat Madiha an Ilmengard heran. Sie wappnete sich innerlich für alles und dann brachte sie es heraus. -Dabei konnte sie ihrem Gegenüber genau in die Augen schauen. Das faszinierte Schimmern darin kam zum stocken. Erst weitete sich der Blick, dann senkte Ilmy ihre Lider ein wenig herab. Sie neigte kaum merklich den Kopf, um Madiha zu mustern. Sie klappte den Mund zu. Alles in ihrem Ausdruck sprach doch von Enttäuschung! Oder bildete die einstige Sklavin es sich nur ein? Sah sie Enttäuschung in den Zügen, weil sie nichts Anderes erwartete? Ein genauerer Blick und sie würde erkennen, dass diese Emotion zwar auch eine Rolle spielte, aber keine tragende. Neugier und Überraschung dominierten Ilmengards Miene. "Oh...", brachte sie zunächst nur hervor. Es klang ebenfalls eher überrascht als enttäuscht. "Dann ist das nur dein Traum? Du möchtest eine starke Kriegerin werden, ja?"
WUSCH! Madiha konnte das Schwingen hören, als Ilmy die Hand vorschnellen ließ. Im ersten Moment könnte man damit rechnen, dass sie ihr eine Ohrfeige geben wollte, als Strafe für ihre freche Lügengeschichte. Doch nichts dergleichen geschah. Schwungvoll zwar, aber nicht um die andere zu schlagen, hatte Ilmengard ihre Hand vorgestreckt und hielt sie nun zwischen den beiden Mädchen empor. Sie wartete offensichtlich darauf, dass Madiha jene ergriff und schüttelte. "Eine Sklavin, der Todesstrafe im Wüstensand entkommen ... du hast einen weiten Weg hinter dir, wenn du jetzt an der Feuerakademie der Hexe Cassandra bist. Und genau wie ich hast du einen noch längeren Weg vor dir. Aber wir beide werden das schon schaffen, ja? Wir zwei ziehen es durch und dann werde ich eine berühmte Köchin und du die beste Kriegerin, die Celcia je gesehen hat .... äh ... oder was immer du werden möchtest. Hand drauf!" Ilmy grinste über beide Pausbacken hinweg.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 20. März 2021, 16:20

Es war der Sklavin so unangenehm, dass Ilmy in ihr eine Heldin sah. Madiha wäre am Liebsten im Boden versunken und nie wieder aufgetaucht. Dann musste sie endlich die Wahrheit sagen und nach nur wenigen Worten war es, als hätte man die Schleusen geöffnet und das Wasser in Form eines Redeschwalls kam unkontrolliert herausgeschwappt. Während Madiha redete, erkannte sie in Ilmengard’s Augen, wie das Funkeln der Bewunderung einem Schatten der Enttäuschung wich. Madiha’s Herz sank in die Hose und je mehr Ilmy ihr Gesagtes verinnerlichte und verstand, desto ruhiger wurde die Magierin. Dann erkannte die Sarmaerin jedoch, dass Enttäuschung nicht die vorherrschende Emotion war. Etwas anderes mischte sich dem verschwitzten Gesicht von Ilmy bei: Neugierde. Madiha konnte sich nicht helfen: Ilmengard Wollweber war nicht so, wie sie es gewohnt war. Sie zeigte sich nicht Madiha’s Erwartungen entsprechend und überraschte die Sklavin mehr als einmal, seit sie sich begegnet waren.

Dann jedoch geschah etwas, was Madiha sofort dahin verbannte, woher sie einst kam: Ilmy’s Hand die so plötzlich nach vorne schnellte, löste in Madiha einen lange anerzogenen Reflex aus. Bevor die einstige Sklavin überhaupt verstehen konnte, was Ilmy bezweckte, hatte sie sich schon weggeduckt und hockte dann vor der Magierin im Sand. Sie hatte den Kopf so gesenkt, dass das schwarze Haar ihr Gesicht bedeckte und die Arme über den Kopf gelegt. Unterwürfigkeit war noch untertrieben, diese Haltung erzählte Bände von ihrem Leben in Ketten. Sie erwartete ganz offensichtlich Schläge und konnte nicht anders, als sich und ihren Körper so gut es ging zu schützen. Erst als die Schmerzen ausblieben, wagte Madiha den Blick nach oben zu richten. Langsam kam das gezeichnete Gesicht unter den Haaren hervor die links und rechts zur Seite wegfielen, als sie den Kopf hob. Nur vorsichtig und unsicher ließ Madiha ihre Arme sinken und kam langsam wieder in der Situation am Strand an. Gott war ihr das peinlich… Und auch wieder nicht, denn sie kannte es nicht anders. Sie wusste es nicht besser und ihr Körper war darauf trainiert, bei drohenden Schlägen, in den Selbstschutz zu gehen.

Nachdem Madiha erkannt hatte, dass ihr von Ilmy nichts drohte, kam die junge Wüstenbewohnerin wieder auf die Beine. Noch immer stand sie mit nackten Füßen im Sand und die Sonne blendete sie abermals beim Aufrichten. Erst jetzt ergriff Madiha die Hand von Ilmy, immer noch etwas vorsichtig in ihrer Art und mit verhaltenem Vertrauen. Die nächsten Worte aus Ilmy’s Mund halfen Madiha dabei, dass sie ihren Schreck beiseite schieben konnte und sich wieder deutlich wohler fühlte. Sie spürte eine gewisse Verbundenheit aufkommen, etwas was ihr sogar verschwörerisch vorkam. Es war fast so, als ob sie sich mit Ilmy verband und die beiden einen Plan ausheckten, wie sie gemeinsam das was kommen sollte meisterten. Madiha kannte diese Gefühlswelt nicht und betrat sie völlig unwissend, doch dass es sich nach etwas Gutem anfühlte, das merke selbst sie. Ein Lächeln trat auf das vernarbte Gesicht und sie nickte bestätigend für Ilmy’s Worte. Dann löste Madiha ihre Hand von der Schweißigen der Magierin und sie legte ihre Hand auf ihre Schulter. „Ilmy, du wirst eine grandiose Köchin. Da bin ich mir sicher!“ Dann lächelte sie ihr zu und straffte die Schultern: "Danke, Ilmy." Sie war ernst, denn die Andere sollte merken, dass Madiha ihr sehr dankbar für ihren Zuspruch war. Madiha’s Blick ging zum Meer und der untergehenden Sonne. Es war ihr, als würde der Gott des Lichts es gutheißen, dass die beiden Mädchen sich verstanden. Aber Madiha hatte nie Zugang zu einem Tempel, oder einem Priester gehabt, sodass sie auch nichts auf derlei Zeichen gab. Ungewiss war ihre Zukunft hier, das wusste sie. Doch mit Ilmy an ihrer Seite, würde sie es schaffen. Ganz bestimmt.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 23. März 2021, 07:20

Ilmengard Wollweber bildete eine Ausnahme unter all den Persönlichkeiten der Feuerakademie Cassandras, aber nicht gänzlich allein. Denn nicht nur das pausbäckige Mädchen zeigte sich Madiha gegenüber freundlich, sondern auch Schwester Dunia. Zu dieser kehrte die einstige Sklavin alsbald nach dem Handschlag mit Ilmy zurück, denn irgendwann musste sie es ja tun. Die beiden Mädchen hatten noch fertig aufgeräumt, gemeinsam den Sonnenuntergang betrachtet und waren dann erst die Stufen in der Klippe zurück gen Garten gestiegen. Ilmy machte das immer so, erzählte sie. Denn um diese Zeit pflegten nur wenige Eleven, draußen zu sein, weil die meisten gemeinsam zu Abend speisten. Auch sie wollte in den großen Saal, in dem man sich entweder von einem aufgebauten Buffett bedienen konnte oder wo manchmal der Koch persönlich an der Theke stand und seine Mahlzeiten ausgab. Madiha war bisher nicht in den "Genuss" gekommen, unter den Augen aller Eleven und Lehrmeister zu essen. Bisher hatte man ihr die Mahlzeiten noch in der Krankenstation gebracht und deshalb begleitete sie ihre neuste Bekanntschaft nicht mit in den Saal. Das wäre ohnehin zu viel für sie. Sie spürte die Arbeit in jedem ihrer Knochen, hatte sandige Füße und verschwitzte Achselhöhlen. Würde sie sich so der gesamten Wohngemeinschaft der Akademie präsentieren, käme sie wohl eher wieder in den Stand einer Sklavin zurück als ihr lieb wäre. Außerdem wartete Schwester Dunia ohnehin auf sie.
Interessant war, wie sich die Pflegerin präsentierte, kaum dass Madiha erneut zurück auf die Krankenstation gekehrt war. Schwester Dunia hatte in einer Ecke eines der Krankenbetten entfernen und durch einen Schreibtisch ersetzen lassen. Simples und bereits sehr abgenutztes Holz ließ darauf schließen, dass sie das Möbelstück aus irgendeiner Rumpelkammer geholt haben musste, aber es wäre besser als auf dem eigenen Bett lernen zu müssen. Die Frau hatte sogar dafür gesorgt, dass sie und Madiha ein wenig Privatsphäre hätten. Zwei von drei Vorhängen waren bereits so zugezogen, dass sie wie Wände aus Leinenstoff den Blick auf die lerneifrige Schülerin abschirmen würden. Der dritte Vorhang, welcher noch verknotet an der Seite hing und über eine Schiene zugezogen werden konnte, diente dann quasi als Tür, die in den Raum selbst ragte. So konnte Madiha zusätzlich den Blick aus einem der großen Bogenfenster genießen und von dort etwas Luft erhaschen, während sie an ihrem Tisch sitzen und lernen würde. Denn dass der Schreibtisch genau dafür gedacht war, musste sie nicht anzweifeln.
Schwester Dunia saß auf einem Hocker daneben, hatte schon eine Kerze angezündet und sie in eine auffällig schöne Laterne in Form einer dicken Bauchtänzerin aus Keramik gestellt. Ihr Bauch lag frei, so dass die Flamme die Öffnung, die ihre Mitte bildete, schön flackern ließ. Das Licht reichte aus, dass Madiha auch noch bis spät in die Nacht würde lernen können - und das stand ihr bevor.
Gemeinsam mit Schwester Dunia als Aufsichtsperson machte sie sich daran, ihre ersten Buchstaben zu erlernen. Die Schwester war streng, wenngleich gerecht. Sie erklärte alles sachlich und mit großer Geduld, erwartete im Anschluss aber auch, dass Madiha eigenständig umsetzte, was sie lernte. Dunia kaute ihr nichts vor. So saß sie fortan Abend für Abend neben dem Mädchen auf ihrem Hocker, las selbst in irgendeinem Schmöker oder stellte die Medikamente für ihre Patienten zusammen, während sie Madiha eine Lektion nach der anderen zum Üben gab. Sie motivierte das Mädchen, indem sie ihr zunächst die Buchstaben beibrachte, die nötig waren, um ihren eigenen Namen zu schreiben. Anschließend fragte sie nach Lieblingsfarbe, -essen oder tier und Madiha musste ihre Antworten dann in schöner Schrift auf das Papier bringen. Sie lernte schnell, ordentlich dabei zu sein, denn Schwester Dunia ließ sich jedes Resultat ihrer Übungen im Anschluss vorlesen.
So verbrachte Madiha die nächste Zeit damit, tagsüber entweder auf der Station zu ruhen, einige Stunden am Unterricht teilzunehmen oder sich ab dem Mittag mit Ilmy zu treffen, nur um dann bis spät in die Nacht ihre Lektionen zu üben. Leicht war es nicht, aber schon nach einigen Wochen zeigten sich beachtliche Fortschritte. Außerdem fiel es ihr nun leichter, dem Stoff der offiziellen Unterrichtsstunden zu folgen, wenngleich er dadurch nicht interessanter wurde. Das meiste verstand Madiha gar nicht. Was kümmerte sie schon die Historie der Feuermagie oder theoretischer Umgang mit Magie im Allgemeinen und Feuer im Speziellen? Seither hatte sich bei ihr auch nicht mehr ein einziger Funke gezeigt. Niemand erwartete es anscheinend auch von ihr. Abgesehen vom theoretischen und furchtbar trockenen Unterricht holte man sie auch nicht hinzu. Die praktischen Übungen, die sie beispielsweise bei Ilmy beobachtete, verlangte ihr niemand ab. Bald schon schlich sich das Gefühl ein, sie sollte hier gar nicht lernen, Magie anzuwenden. Aber warum war sie dann noch in der Akademie? Weshalb warf man sie nicht zurück auf die Straße oder brachte sie zum nächstbesten hohen Sarmaer, der sie missbrauchen oder schlagen würde?
Die Fragen geisterten ihr nach wie vor im Kopf herum, als Madiha eines morgens von Schwester Dunia aus dem Schlaf gerissen wurde. Es war noch früh, sehr früh sogar. Die Sonne erhellte gerade erst die unteren Ränder des Himmels. Zu dieser Zeit waren selbst Sarmas Straßen ganz still, von der Akademie ganz zu schweigen. Die Krankenstation, welche nach wie vor Madihas Zuhause war, zeigte sich in verschiedenen Nuancen von Grau bis Zwielicht. Dass sie immer noch kein eigenes Zimmer in der Akademie besaß, kam dem Mädchen eigentlich ganz Recht. Sie fand so Zeit, Schwester Dunia näher kennen zu lernen, wenngleich sie aus der Frau immer noch nicht hatte herauskitzeln können, was hinter ihrem strengen Blick für eine Geschichte steckte. Dunia schwieg über ihre eigene Vergangenheit wie ein Grab.
Heute aber sprach sie sehr euphorisch, fast aufgeregt, als sie Madiha an der Schulter wach rüttelte. "Steh auf, Kindchen. Madiha! Hörst du nicht? Du musst dich zurecht machen. Dein großer Tag bricht an. Heute entscheidet sich, ob du als Elevin an der Akademie aufgenommen wirst." Sie zögerte kurz, hielt mit der Wahrheit dann aber nicht hinter dem Berg. "Oder ob du uns verlassen musst. Ich erwarte Perfektion in deinem Auftreten. Beeindrucke sie durch Disziplin. Deshalb musst du dich nun waschen und anziehen. Ich habe dir sogar etwas zurecht gelegt."
Madiha bekam inzwischen Kleidung von der Akademie gestellt, aber sie war schlicht und sah den Roben der Eleven nicht ähnlich. Heute aber lag etwas sehr Auffälliges und sicher Teures über dem Stuhl neben ihrem Bett. Schwester Dunia hatte ihr einen Satz Kleidung beschafft, mit dem sie bei wem auch immer Eindruck schinden sollte. Die Pflegerin wirkte allein durch diese Geste nervöser als sonst.


Wie gut Madiha inzwischen im Lesen und Schreiben ist überlasse ich dir. Ihre Kleidung darfst du auch nach eigenen Wünschen beschreiben.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 25. März 2021, 11:52

Mit jedem Schritt weiter die Treppe zum Garten der Akademie hinauf, verblasste das wunderbare Gefühl, welches Madiha in den Stunden am Strand gewonnen hatte. Jede Stufe empor, brachte das Mädchen zurück in die Realität und schon bald sah sie sich wieder mit jener konfrontiert. Zum Glück waren nur noch vereinzelt Magier in den Gärten unterwegs, sodass Ilmy und Madiha, nachdem sie die Untensilien wieder im Schuppen verstaut hatten, unbehelligt die kühlen Mauern der Akademie passieren konnten. Hier allerdings verabschiedete sich die einstige Sklavin von ihrer neuen Bekanntschaft und winkte ihr zum Abschied zu. Wer wusste schon, was aus dem zarten Band, welches sie knüpfen konnten, wurde. Doch darüber dachte die Sarmaerin nicht nach. Sie wusste ohnehin nichts über Freundschaften und über Gepflogenheiten unter ihnen. Sie hatte in ihrer Vergangenheit Leidensgenossinnen gekannt und wenn man das als Freundschaft bezeichnen wollte, dann war sie darin vielleicht doch kundig, aber nicht so. Nicht hier. Nicht außerhalb von Zwang und Unterwerfung. Madiha verlor die Gedanken an ihre Vergangenheit ganz bewusst, als sie den Weg zurück zum Krankenflügel ging. Jetzt verbot sie sich erst Recht die Erinnerungen, die immer wieder, wie aufdringliche Freier, in ihren Verstand bohrten. Verschwitzt und mit Asche beschmutzt, trat sie in den Krankenflügel. Sofort fiel ihr auf, dass sich etwas verändert hatte: Schwester Dunia lief nicht wie sonst von Pflegebett zu Pflegebett und verteilte Medikamente, Ratschläge, oder Verbände, sondern saß in einer konstruierten Nische und schien auf sie zu warten. Madiha lächelte flüchtig, als sie den Schreibtisch erkannte und war beeindruckt von der Mühe, die sich die Schwester machte. Umso mehr wollte Madiha sie nicht enttäuschen, weshalb sie sich brav an den Tisch setzte und ihr kurz berichtete, was sie am Strand erlebt hatte. Dabei erwähnte sie Ilmengard Wollweber und auch, dass sie sie für eine Kriegerin hielt, was sie mit einem unsicheren Lachen quittierte. Was Madiha nicht erzählte, war die Situation im Garten, bevor sie hinunter zum Strand ist. Das war ihre ganz persönliche Angelegenheit und Schwester Dunia sollte nicht den Eindruck gewinnen, dass sie bei allem Hilfe brauchte. Nein – wehren würde sie sich weiterhin ganz prima alleine. Doch jetzt ging es erstmal darum, dass sie endlich ein paar Buchstaben lesen und schreiben lernte.

In den nächsten Stunden, bis tief in die Nacht hinein, brütete Madiha über kleinen Geschichten, die für Kinder geschrieben wurden. Schwester Dunia hatte sie extra aus der Bibliothekt ausgeliehen, damit der Anfang für Madiha nicht so schwierig würde. Doch um ehrlich zu sein, tat sich die Dunkelhaarige immens schwer den richtigen Einstieg zu finden. Dunia brauchte viel Geduld mit ihrer Novizin und der Druck, den sich Madiha teilweise selber machte, war dem ganzen Unterfangen nicht gerade zuträglich. Zäh, wie eine gallartartige Fischsuppe, tröpfelten die einzelnen Lettern in Madiha’s Verstand und hatten Mühe dort zu bleiben. Immer wieder musste sie nachfragen, immer wieder musste das Mädchen neu ansetzen, um bereits Gelerntes erneut zu lernen. Frustration kam bei ihr auf, wie bei jedem anderen wohl auch. Madiha fühlte sich zu doof für das, was andere spielend konnten. Sie hatte das Gefühl, zu nichts zu gebrauchen zu sein, und doch wollte ihr innerer Ehrgeiz einfach nicht aufgeben. Und dann, unter den strengen aber geduldigen Augen Schwester Dunias, passierte es nach ein paar Nächten des Lernens, dass Madiha eine ganze Zeile aus einer ihr bis dahin unbekannten Geschichte langsam und stockend, aber dafür fehlerfrei, lesen konnte. Das Gefühl, das dadurch ausgelöst wurde, war unbeschreiblich. Madiha lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lächelte selig. Alle Anspannung fiel von dem Mädchen ab und all die anstrengenden Nächte zuvor, der wenige Schlaf bewirkten, dass ihr ein paar Tränen kamen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte tatsächlich gelesen! In einem Buch! Alleine! Laut! Sie konnte es nicht glauben. In den folgenden Wochen, klappte das Lernen sichtlich besser. Endlich hatte sich ihr Gehirn darauf eingestellt, dass es neues Futter bekam und, dass dieses Futter neue Areale in ihr beanspruchte. Auch Schwester Dunia konnte deutlich merken, dass sie schneller lernte, flüssiger las und nicht mehr so verkrampft schrieb, sodass ihr ihre Hand am Ende der Unterrichtseinheit schmerzte. Madiha sog dieses Wissen und die daraus gewonnene Freiheit, in sich auf wie ein Schwamm. Es war herrlich zu wissen. Es war herrlich Wissen vermittelt zu bekommen und sie konnte nicht fassen, wie viel ihr durch ihren Lebenslauf entgangen war. Doch statt sich mit Groll aufzuhalten, steckte sie ihre Energie und Zeit in weitere Bücher und Schriften.

Irgendwann hatte sich ein gewisser Rhythmus eingependelt. Entweder schlief Madiha tagsüber und holte so etwas von dem verlorenen Schlaf nach, oder sie nahm am Unterricht teil. Zwar verstand sie immer noch kaum bis gar nichts von dem Stoff, doch das Lesen, auch wenn es langsam und nicht brauchbar war für das Pensum im Unterricht, gab ihr neues Selbstvertrauen. Nach wie vor gehörte das Sklavenmädchen aus der Gosse nicht dazu, doch das störte sie nur bedingt: War sie nicht im Krankenflügel, oder im Unterricht, dann saß sie mit Ilmy auf einer Bank im Garten oder sah der Magierin bei ihren Übungen am Strand zu. Ilmy hatte viele Studien zu erledigen, doch alle paar Tage schafften es die Mädchen, sich für eine kleine Pause zu sehen. Sie verstanden sich und Madiha hatte mehr und mehr das Gefühl, angekommen zu sein. Die Gänge der Akademie, der Krankenflügel, Schwester Dunia, Ilmy – all diese Dinge schafften eine Vertrautheit, eine Routine, die Madiha Zeit ihres Lebens gefehlt hatte. Für sie könnte es noch lange zu weitergehen. Dennoch kamen ihr immer wieder Fragen in den Sinn: Wieso war sie hier? Sie hatte Magie gesehen, bei anderen. Bei sich selber konnte sie keine feststellen und auch wenn sie insgeheim versucht hatte, als keiner hinsah, die Übungen die Ilmy machte, nachzuahmen- passierte nichts. So zufrieden Madiha Al’Sarma war, so bohrte sich dieses winzige Detail dennoch immer weiter in den Vordergrund. Es war wie eine tickende Uhr die dir anzeigte, wann Schluss mit lustig war. Die Sarmaerin vermied das Thema in der Hoffnung, dass es niemals auftauchen würde. Vielleicht war sie ja auch einfach so unsichtbar und nicht existent für die Dozenten und Eleven, dass man sie vergessen hatte? Wie eine streunende Katze die man zwar ab und an sah, sie dann aber auch wieder vergaß.

Als Madiha in dieser Nacht zu Bett ging, nachdem sie die kleine Bauchtänzerin gelöscht und alles auf dem Schreibtisch fein säuberlich, so wie von Dunia gezeigt, geordnet hatte, lag sie noch einen Moment wach. Sie ging ihre Unterrichtseinheit von heute noch einmal durch, den Blick auf den Schreibtisch gerichtet der ihr inzwischen so viel bedeutete. Sie hatte sich nie an der zerschlissenen Optik gestört, hatte diesen Umstand nicht mal wahrgenommen, doch inzwischen war es etwas, was ihr gehörte. Es waren ihre Sachen auf dem Tisch, ihre Kleidung am Körper, ihr Bett in dem sie schlief. Es war ein Zuhause, wie Madiha es nie besessen hatte und diesen Gedanken tragend, als sie einschlief, war das Erwachen umso ruppiger: Dunia stand an ihrem Bett und rüttelte an ihr. Madiha brauchte einen Moment, hatte sie doch deutlich zu wenig geschlafen, dann schreckte sie hoch. „Ist was passiert?!“ Fuhr sie hoch und musste erstmal das wirre Haar bändigen, um überhaupt etwas zu sehen. Dann fiel ihr auf, wie früh es war. Stöhnend, ließ sich Madiha wieder in die Kissen fallen und bedeckte mit ihrem Arm das Gesicht. „Bitte nicht. Ich… ich hab kaum geschlafen.“ Murrte sie und auch wenn sie Dunia nie ein Detail über die Vergangenheit entlocken konnte, gab es dennoch eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen. Die Euphorie in Dunia’s Stimme, veranlasste Madiha dazu, ein Auge zu öffnen und sie anzusehen. Dann erst kam die Bedeutung der Worte, die Dunia ihr entgegnete, in ihrem müden Verstand an. Sofort klopfte ihr Herz und sie setzte sich abermals hastig auf. „Was?!“, entfuhr es dem Mädchen und sie machte große Augen. „Ich dachte die vergessen das“, platzte sie heraus, obwohl sie es nur denken wollte. Angst kroch ihr die Kehle hoch – Sie sollte heute zeigen, wozu sie imstande war? Sie? Die Sklavin Madiha, die doch die streunende Katze sein wollte, die niemand bemerkte. Das Mädchen schluckte und merkte ihren trockenen Mund. Sie nahm einen Schluck Wasser der neben ihrem Bett stand und versuchte ihre Nervosität – nein, ihre Angst- zu verbergen. Die Anweisungen, die Dunia ihr auferlegte, kamen bei Madiha an und sie nickte fleißig bei jeder neuen Ansage durch Dunia. „Perfektion.“, murmelte sie und stand bereits, während Dunia sie etwas aus dem Bett scheuchte. Das lange, weiße Nachthemd, kitzelte an Madiha Knöcheln, sodass sie sich kratzte, während Dunia ihr Bett aufschüttelte. Das macht sie sonst nicht, schoss es Madia durch den Kopf und sie beobachtete Dunia kurz. Offenbar war sie selber ebenso aufgeregt, wie Madiha Angst hatte. Aber Dunia freute sich regelrecht, was bei der Dunkelhaarigen erneuten Druck aufbaute. Dann fiel der grau-blaue Blick auf die Kleidung die ihr zurechtgelegt wurden. Madiha staunte, als sie die petrolfarbene Tunika erkannte, die hier und dort an den Ärmeln, oder dem V-förmigen Halsausschnitt silbenere Ornamente aufwies. Der Stoff schien teuer zu sein, zumindest für das Wissen, was Madiha hatte. Aber es ging dem Mädchen auch nicht um Wert. Sie war einfach wunderschön und sie hatte so etwas nie besessen. Madiha stellte den Becher mit dem Wasser zur Seite und trat an die Tunika heran. Sie war fließend, etwas länger und würde ihr bis knapp über den Po reichen. Unter der Tunika lag noch ein Lederkorsett, was die Tunika unterhalb ihrer Brust umschließen würde. Dazu gab es eine weiße Hose aus Leinen die lockerer saß und somit an warmen Tagen die nötige Luftzirkulation zulassen würde. Madiha war sprachlos, als sie die Kleidung sah. Sanft strich sie mit den Finger darüber, wurde aber jäh aus den Gedanken gerissen, als Dunia sie ins Bad scheuchte. Nachdem sich die Dunkelhaarige gewaschen hatte, zog sie die bereitgelegten Stücke an. Vor einem Spiegel stand sie und betrachtete sich: Das Türkis harmonierte sehr mit ihrem dunklen Hauttyp, der endlich auch etwas Farbe nachholen konnte, seit sie vernünftig aß und regelmäßig der Sonne ausgesetzt war. Die silbernen Ornamente am Kragen und den Handgelenken, veredelten sogar das Mädchen selbst. Das braune Lederkorsett umschloss ihre Bauch und verdeutlichte die dünne Gestalt. Madiha hatte ihre Haare zu einem lockeren Zopf geflochten und einzelne Strähnen fielen ihr auf die schmalen Schultern. Die weiße Hose lag nicht zu eng an, gab den Beinen etwas Spiel, doch trugen sie nicht auf. Man erkannte die zierliche Silhouette deutlich darunter. Madiha’s Herz klopfte. Zum ersten Mal betrachtete sie sich eingehend im Spiegel, seit sie hier angekommen war. Doch sie sah die Narben in ihrem Gesicht nicht, sie konnte nur staunend bewundern, was aus ihr geworden war. Das alte Lumpenhemd existierte schon lange nicht mehr, doch das hier? Madiha spürte, wie die Tränen kommen wollten, doch sie atmete tief und schaffte es, sie zu unterdrücken: Sie musste perfekt sein. Für Dunia, für sich. Sie wollte bleiben. Jetzt musste sie nur noch zeigen, dass sie Magie in sich trug. Als sie sich zu Dunia lächelnd umdrehte, konnte sie nicht verhindern, dass das Lächeln von Zweifel und Angst getrübt wurde. „Fertig.“ , sagte sie und holte abermals tief Luft, als würde ihr das Mut schenken.


Ich würde Lesen auf durchschnittlich und Schreiben auf rudimentär setzen?
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Montag 29. März 2021, 13:03

"Sei nicht albern!" Aus Schwester Dunias Mund klang es nicht tadelnd, wenngleich man ein milderndes Kichern nur erahnen konnte. Die Miene der Pflegerin blieb streng wie immer. Ihre Augen aber verrieten, dass sie mit Madiha anders umging als mit anderen Patienten. Zwischen ihnen hatte sich ein Verhältnis gebildet wie es sonst nur zwischen einem Mentor und seinem favorisierten Eleven entstand. Dunia at-Tabiba - so ihr voller Name - belohnte Madihas Lerneifer, indem sie ihr nur noch mehr beibrachte. Allem voran lehrte sie das Mädchen eine Ritualität. Aus allem machte die prinzipientreue Frau ein Ritual. So weigerte sie sich beispielsweise, die nächste Lektion im Lesen anzugehen, wenn Madihas Schreibtisch nicht ordentlich aufgeräumt war. Sie grüßte das Mädchen nicht, solange ihr Bett noch unordentlich und sie selbst ungewaschen war. Heute sollte allerdings eine Ausnahme sein, denn heute störte jemand den ritualisierten Alltagsrhythmus, an den Madiha sich langsam gewöhnt hatte. Mehr noch, Schwester Dunias Lehrstunde würde offenbar eingetauscht werden gegen ... eine Prüfung? Oder schaute man Madiha nur einmal an, erkannte ihr fehlendes Talent, Magie anzuwenden und entschied, dass sie überhaupt nichts an Hexe Cassandras Feuerakademie zu suchen hätte. Standen nun die letzten Momente mit ihrer persönlichen Mentorin an? Würde man sie wenig später hochkantig hinauswerfen und was würde aus Ilmy und ihr? Bekäme sie überhaupt Gelegenheit, die pummelige Schülerin noch einmal sehen zu dürfen?
Für einen Herzschlag lang hoffte Madiha noch, man hätte sie vergessen, aber Dunias Bemerkung zeugte davon, dass dies nicht der Fall war. Außerdem setzte die Pflegerin nach: "Nur weil die Rädchen des organisatorischen Uhrwerks der Akademie sich genauso langsam drehen wie ein fetter Sultan auf seine Sänfte von einer Seite auf die andere, heißt das nicht, dass man dich vergessen hat. Zunächst war ja dein Zustand Schuld. So schwach und unterernährt wie du warst, konnte man unmöglich in Erwägung ziehen, dich auf eine magische Begabung hin zu prüfen. Du standest dem Tode näher als dem Leben damals!" Die Erinnerung daran ließ selbst die Pflegerin verstummen. Madiha musste wirklich schlimm ausgesehen haben, als man sie vor Wochen hierher brachte. Als Caleb sie hergebracht hatte. Seitdem war es absolut still um den Dieb herum geworden. Nicht dass er und Madiha einander Freunde nannten! Dem Mädchen war immer noch schleierhaft, warum er sich ihrer angenommen und sie überhaupt gerettet hatte. Doch jetzt war nicht die Zeit, darüber zu spekulieren. Es brächte ohnehin kein Ergebnis mit sich. Sie musste aus dem Bett heraus, ehe Schwester Dunia sie noch zusammen mit dem Laken aufschüttelte. Auch die Pflegerin schien nervös zu sein, dass sie Madiha diese Arbeit plötzlich abnahm. So konnte sich das Mädchen auf sich selbst konzentrieren.
Nachdem sie die neue und sehr teuer wirkende Kleidung entdeckt hatte, ging es in die Waschräume. Ordentlich zurechtgemacht und angezogen stand sie wenig später vor einem der mannshohen Wandspiegel. Es war lange her, seit sie das letzte Mal ihr Bildnis gesehen hatte und jetzt ähnelte es ihrer Erinnerung kaum mehr. Natürlich erkannte sie die ewig währenden Eigenschaften wie ihre Augen- und Hautfarbe oder die Narbe, welche ihr Gesicht verunstaltete. Aber so fein angezogen war sie nicht einmal in den Diensten ihrer früheren Herren. Dort hatte sie je nach zu erledigender Arbeit Lumpen oder einen Hauch von nichts getragen, den man schnell abreißen konnte, um ihren Körper zu missbrauchen. Tatsächlich stand ihr die Tunika wirklich gut. Die silbernen Ornamente an Kragen und Saum verpassten ihr bereits jetzt einen magischen Eindruck, so dass Madiha es vielleicht selbst noch glaubte, ein wenig Talent zu haben. Sie sah beinahe hübsch aus. Es fehlte nur noch...
"Lass mich den Haar bürsten." Dunia erschien mit Bürste und Kamm in der einen, mit einer scharfen Schere in der anderen Hand. Letztere ließ sie einmal bedrohlich schnippen. "Was ich nicht entwirrt bekomme, muss ich abschneiden. Mit einem so verfilzten Vogelnest kannst du nicht vor deine Prüfer treten."
Es würde also tatsächlich eine Prüfung geben.
Schwester Dunia wies Madiha an, sich auf einem Hocker niederzulassen. Wie gut, dass sie das Mädchen so zeitig geweckt hatte. Offensichtlich ahnte sie, was beiden bevorstand. Madihas Mähne zu entwirren und dann so zu bändigen, dass es wieder nach Haar aussah, kostete eine Menge Zeit. Tatsächlich musste Dunia hier und da sogar die Schere zücken. Meistens schnitt sie aber nur die Spitzen ab oder entfernte einen unlösbaren Knoten. Es kostete alles von Madihas Geduld, still auf dem Hocker sitzen zu bleiben. So hatte sie aber Gelegenheit, sich mit der Pflegerin zu unterhalten, wenn sie denn wollte. Ansonsten musste sie nach dem Kämmen und Schneiden auch noch ewige Wiederholungen über sich ergehen lassen wie die Bürste ihr Haar glättete. Am Ende schimmerte es aber und fühlte sich ganz weich an.
Gerade rechtzeitig, denn just in diesem Moment erschien ein nobel gekleideter Mann mittleren Alters auf der Krankenstation. Sein kräuseliges Haar war beinahe genauso schwarz wie seine Augen, die er hinter einer aufgesetzten Brille verbarg. Der rotbraune Zwirn, den er trug, war überall mit Goldrändern versehen, so dass der Mann an sich schon einen lysanthorgefälligen Kontrast zu Madihas Silberpetrol in Form einer Tunika bildete. Er räusperte sich und schlug die Hacken seiner Schuhe zusammen. Sie erinnerten Madiha an das Schuhwerk, das viele der ansässigen Professoren und Lehrmeisterinnen hier trugen. Dunkelrot, ebenfalls mit goldenen Verzierungen versehen, kringelte sich die Spitze zu einem Bogen empor. Welche Zehen sollten dort Platz finden?!
"Lysanthors reinigendes Licht mit euch", grüßte er beide. Dann warf der Mann einen Blick auf ein mitgeführtes Klemmbrett. Er richtete die Brille und fuhr fort: "Ich bin Marek ibn Charim, Sekretär des ehrbaren Aziz ben Ahib. Ich soll den Prüfling zu ihm geleiten." Ein erneutes Räuspern und ein wiederholter Blick auf das Klemmbrett. "Madiha. Nur Madiha? Ist sie da?"
"Hier steht sie, ibn Charim"
, erwiderte Dunia und wandte sich mit einem leisen Raunen an Madiha: "Perfektion." Jetzt kam es wohl auf alles an. Wenn Madiha da vermasselte, säße sie wieder auf der Straße. Ohne Dunia, ohne Ilmy und vielleicht sogar ohne die schöne Tunika, die man ihr überlassen hatte. Vielleicht hatte Ilmy sich gar nicht in ihr geirrt. Sie war eine Kriegerin und der schwierigste Kampf ihres bisherigen Lebens stand ihr jetzt wohl bevor.


Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben benötigen keine Stufenangaben. Aber du kannst sie in deinem Steckbrief als charakterliche Entwicklung aufführen.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 1. April 2021, 21:54

Madiha hatte an ihre Ankunft in der Feuerakademie von Cassandra keinerlei Erinnerungen mehr. Sie wusste, weil man es ihr erzählt hatte, wie sie hier angekommen und versorgt worden war. Sie wusste auch, dass es Caleb gewesen war, der sie hierher gebracht hatte, nachdem er sie aus dem Sand buddeln ließ. Sie spürte eine Dankbarkeit dem Dieb gegenüber und hatte dennoch keine Ahnung, wieso er all das getan hatte. Es war auch nicht ihr Metier, sich den Beweggründen anderer Mitmenschen anzunehmen, um diese zu analysieren. Dafür war Madiha nun wirklich die falsche Person. Das Mädchen aus Sarma hatte keinen Bezug zu zwischenmenschlichen Gepflogenheiten oder kannte überhaupt einen anderen Beweggrund, als Gier, Trieb oder Machtmissbrauch. Auf der anderen, auf ihrer Seite, kamen dann noch Überleben, Angst und Wut dazu. Nächstenliebe, Liebe allgemein, Freundschaft und Aufrichtigkeit, kamen in ihrem Leben bisher einfach nicht vor. Es war gar nicht so, dass Madiha besonders misstrauisch und zynisch war, sie glaubte schlichtweg nicht daran. Es war ein Fakt in ihrem jungen Leben, der hart erlernt und von anderen wohlgenährt wurde. Dass es nun an der Akademie des Feuers gleich zwei Seelen gab, die sich Madiha freundlich zuwandten und eine Dritte sich irgendwo in Celcia befand, und ihr ebenfalls wohlgesonnen schien, das vermochte Madiha nicht zu erfassen. Dahingehend setzte ein Pragmatismus ein: Es war halt so. Wieso, warum, oder ob es an ihr lag, dass man sie mochte, oder vielleicht bemitleidete, das überdachte die Gezeichnete nicht. Madiha war Madiha. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Umso überraschter war sie auch, dass sie sich bei Dunia und im Krankenflügel heimisch fühlte. Es musste ein Instinkt sein, der sich meldete, wenn einem Gutes wiederfuhr. Madiha jedenfalls schaffte es nicht, sich gegen die Hilfe Dunia‘s und die Zuneigung, die sie immer mehr für sie empfand, zu wehren. Mit der Strenge, den Ritualen und den abendlichen Unterrichten, schaffte Dunia für Madiha so etwas wie ein Zuhause. Wenn die Sarmaerin den Tag über in der Akademie unterwegs war und am Abend zurückkehrte, dann fiel sogleich beim Eintreten, all die Anspannung des Tages ab. Sie hatte das knarzende Bett in dem sie schlief, liebgewonnen. Sie hatte den Schreibtisch, den Dunia eigens für sie geholt hatte, liebgewonnen und die kleine Lampe in Form einer Bauchtänzerin, ließ Madiha daran glauben, dass sie hier tatsächlich für immer sein könnte. Die Beständigkeit, die es in ihrem Leben in der Form bisher nie gegeben hatte, ließ sie vergessen, dass sie hier nur geduldet wurde. Sie blendete aus, dass sie bisher nie getestet wurde und man eigentlich magische Fähigkeiten benötigte, um hier sein zu dürfen. Es lag wohl in Madiha’s Natur, dass sie eine gewisse Realitätsflucht begann, um sich besser auf das Hier und Jetzt konzentrieren zu können. In den paar Wochen, die sie nun hier war, hatte sie so viel mehr gelernt, als in all den Lebensjahren zuvor. Das Schicksal meinte es gut mit ihr, sofern sie daran glauben würde.

Doch eine solche Flucht vor der Realität brachte irgendwann unweigerlich die Erkenntnis mit sich, dass man sich selber belogen hatte. Es war nicht alles gut und es war auch nicht vorgesehen, dass man Madiha vergaß. Dunia’s Wecken an diesem Morgen machte deutlich, dass die Realität ein unerbittlicher Verfolger war, der nur darauf wartete, zum Sprung anzusetzen und den Flüchtenden niederzureißen. Bei Madiha war dieser Tag heute. Das Mädchen starrte sich selber im Spiegel an und ließ das Grau-Blau über ihre Garderobe wandern. Sie hatte das Gefühl, auch wenn sie anders, als die anderen Eleven aussah, doch etwas Magisches an sich zu haben. Sie wollte fast glauben, dass sie zu Recht hier war und hier stand, und das man bei der Prüfung auf ihre magischen Fähigkeiten hin, sein blaues Wunder erleben würde, zu was sie imstande sein konnte. Doch wenn sie sich selber in die Augen blickte, dann wurde ihr bewusst, dass das alles nur Äußerlichkeiten waren. Sie fühlte im Innern eine wachsende Unsicherheit und eine Zukunftsangst. Was würde denn geschehen, wenn man sie vom Hof jagen würde? Sie war nun mal keine unbegabte Schülerin von Stand und hatte eine reiche Familie im Hintergrund. Sie hatte niemanden hinter sich. Was wäre denn, wenn sie gehen müsste? Konnte sie sich vorstellen, in Sarma woanders Fuß zu fassen? Als Frau, die nichts hatte, außer ihren Körper? Man hatte Madiha gut gepflegt und die Ehre gebührte ganz alleine Dunia, dass sie heute hier stand und aussah, wie ein vernünftiger Mensch. Zwar noch dürr, aber eben nicht mehr so kränklich und blass. Doch was sollte eine Frau wie sie in einem Sarma schon werden? Madiha schauderte und rieb sich kurz die Arme. Nichts. Nichts würde sich ändern an ihrem Leben, wenn sie es nicht schaffte, die Prüfer zu überzeugen. Leichter gedacht, als getan.

Nachdem sie sich ihrer Mentorin präsentiert hatte, hatte Madiha gehofft, dass sie so durchgehen würde. Doch den strengen Augen der Schwester entging natürlich nicht, dass ihr Haar nach wie vor wild und ungestüm wucherte und auch der augenscheinliche Zopf konnte das nicht verbergen. Leicht grinsend, wurde ihre Stimmung dann aber missmutig, als sie Bürste, Kamm und Schere entdeckte. Dunia wies sie an, sich auf den Hocker zu setzen, dem sie Folge leistete und so saß das Mädchen vor dem Spiegel, vor dem sie eben noch stand, und harrte der Dinge die dort kommen mochten. Es ziepte. Es schmerzte, es machte sie rasend vor Wut, aufgrund der Schmerzen. Madiha hatte alle Mühe, nicht fudernd aufzuspringen und Schwester Dunia die Bürste aus der Hand zu schlagen. Ablenkung musste her und so versuchte Madiha ein Gespräch anzufangen. „Ist Caleb oft hier zu Gast?“, fragte sie unvermittelt und setzte voraus, dass Dunia den Mann kannte, der sie hergebracht hatte. Warum sie nun ausgerechnet in dieser Situation an ihn dachte, war Madiha schleierhaft und auch etwas egal: Sie wollte nur abgelenkt werden, von Dunia und ihrer Mission, ihr die Kopfhaut vom Schädel zu reißen. „Ich sollte wohl danke sagen, irgendwann.“, schoss sie hinterher und biss die Zähne zusammen, während sich Dunia einer sehr widerspenstigen Klette widmete. „Wie bist du hergekommen, Dunia? Woher kommst du aus Sarma?“, auch hier brabbelte das Mädchen gleich los, bei dem was ihr in den Sinn kam. Sie hatte Mühe zu sprechen und atmete ab und an geräuschvoll den Schmerz aus. Es dauerte eine Ewigkeit, bis Dunia endlich von ihrem Kopf abließ. Es pochte. Selbst ihre Haare pochten, hatte Madiha das Gefühl und sie war sich sicher, dass ihre Kopfhaut blutete. Erst als sie sich erneut im Spiegel ansah, war sie verblüfft über das Resultat. Ihr Haar war befreit von den Federn, die sie sich einst vor langer Zeit hineingedreht hatte, um sich irgendwie individuell abzugrenzen, und schimmerte in einem angenehmen Schwarz, samtig und weich. Madiha strich, mit offenem Mund, über ihren Kopf und das lange Haar entlang. Es war nun viel glatter und stand nicht mehr, wie ein ausgefranster Wischmob, zu allen Seiten ab. „Wahnsinn“, entfuhr es ihr, doch ihre Bewunderung, für das Werk Dunia’s, wurde durch eine männliche Stimme unterbrochen. Die Begrüßung quittierte Madiha mit einem Anheben beider Augenbrauen. Sie war inzwischen die Anbetung zu Lysanthor gewohnt, doch dass jemand sie so ausdrückte, brachte sie fast zum Lachen. Um Dunia’s Willen, hielt sich das Mädchen jedoch zurück und wartete geduldig, doch immer noch unterdrückend grinsend, ab bis der Sekretär sich zu Ende erklärt hatte. Auch wenn Madiha bereits viel gelernt hatte, was Anstand, Etikette und Benehmen anging, so war sie dennoch immer noch einfach in vielen Dingen gestrickt und es fiel ihr manchmal schwer, dem Ganzen gerecht zu werden. Niemand hatte je ein vernünftiges Wort gewechselt. Man bellte ihr Befehle entgegen, oder nahm sie sich, wenn einem danach war, ohne viele Worte zu machen. Das war ihre Welt. Nicht ein ‚Sekretär von dem und dem‘, oder ‚Lysanthors Licht das irgendwas reinigte‘. Dennoch, Madiha wollte Dunia nicht enttäuschen und so riss sie sich zusammen, als sie von ihrer Mentorin leicht in Richtung Marek ibn Charim’s gedrückt wurde. „Perfektion.“, wiederholte Madiha die geflüsterten Worte und atmete tief durch. Sie nickte Marek, so höflich wie sie konnte, zu: „Ich bin bereit, mich… mich der Prüfung zu stellen.“ Sie nickte bekräftigend, was eher dümmlich wirkte und schluckte, versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen, der wild hämmernd aus ihrer Brust zu springen drohte. Ich bin sowas von geliefert…, dachte sie noch, als sie ihre Schritte hinter Marek ibn Charim, aus dem schützenden Krankenflügel lenkte.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 4. April 2021, 01:44

Madiha lernte in wenigen Wochen mehr als sie glaubte, ihr Leben lang an Erfahrungen gewonnen zu haben. Unter anderem musste sie aber auch zugeben, dass das Leben an einer Magier-Akademie - wenngleich sie selbst bislang nicht einen Zauber gewirkt hatte - nicht unbedingt leichter war. Ohne den Unterricht oder den ignoranten Umgang durch ihre Mitschüler in die Liste einzureihen, blieben genug Dinge übrig, die sich für das Mädchen als neue Herausforderungen entpuppten. Einer davon musste sie sich nun entgegenstellen: dem Bürsten ihres verfilzten Vogelnestes von Haarschopf. Die andere sollte in Form ihrer Prüfung auf magische Begabung nämlich noch folgen und Schwester Dunia bestand darauf, dass sie einen anständigen Eindruck machte. Sie setzte diese Erwartung auch sofort mit aller Konsequenz um. Strenger als ihre Prinzipien schien nur der Kamm, welcher immer wieder in der Filzwolle hängen blieb, die Madiha Frisur zu nennen pflegte. Oh, gepflegt war hier überhaupt nichts! Die Krankenschwester hätte sich besser einen Krummsäbel besorgen sollen, um dieser Masse an Knoten Herrin zu werden. Sie zeigte trotz allem ihre Vorbildfunktion, indem sie nicht aufgab. Selbst wenn es bedeutete, dass Madiha um einige ziepende Schmerzen nicht herum kam. Es fühlte sich teilweise an, als zöge Schwester Dunia ihr neben einem Büschel Haare noch die halbe Kopfhaut ab. Um sich abzulenken, versuchte sie es mit einem Gespräch. Darüber hinaus stellte sie vor allem Fragen, die ihr schon Tage, wenn nicht sogar Wochen lang unter den Nägeln brannten. Eine junge Frau wie sie musste schließlich jede Gelegenheit nutzen, mehr über die Hintergründe ihres Daseins oder über ihre Verbündeten herauszufinden. Von Freundschaft sprach Madiha nach wie vor nicht. Mit dem Begriff verband sie weniger als mit dessen Bedeutung, die sie vielleicht bereits zwischen den Zeilen zu entdecken lernte. Schließlich verstand sie sich mit Ilmengard Wollweber sehr gut und das, ohne dass die Elevin etwas im Gegenzug erwartete. Die beiden Mädchen bildeten ebenso wenig eine Zweckgemeinschaft wie Madiha und Schwester Dunia. Etwas, das die einstige Sklavin so noch nicht kannte. Somit war es nicht überraschend, dass sie gerade in Bezug auf ihren neuen Lebensweg und die Begleiter auf diesem Fragen stellte. Zu schade, dass jene Fragen nur auf Dunias Ohren trafen.
"Caleb? Der Name sagt mir nichts", schmetterte die Frau schlicht ab und schien Madiha noch einige Haarwurzeln direkt aus dem Schädel zu reißen. "Wenn du allerdings glaubst, ihm zumindest ein Dankeswort schuldig zu sein, solltest du damit nicht zögern. Vielleicht könnte es eines Tages zu spät sein." Die Pflegerin verfiel wieder in Schweigen. Entweder konzentrierte sie sich nun deutlich intensiver auf ihre Aufgabe oder hatte überhaupt nicht vor, weiter zu plaudern. Erst recht wohl nicht, als Madiha sie auf ihre Vergangenheit ansprach. Wie üblich war aus Dunia diesbezüglich nichts herauszuholen. Oder nur so viel, dass es Madiha nichts nutzte. "Neugier ist eine Tugend. Taktlose Fragereien sind eine Last." Und damit war das Thema wie so oft vom Tisch. Vermutlich würde Madiha sich noch alle Zähne an der unnahbaren Pflegerin ausbeißen wie es der Kamm gerade bei ihrer Putzwolle tat. Wie viele Zähne er wohl verlor? Madiha bekam keine Gelegenheit, einen Blick auf das Werkzeug zu werfen, aber dass Dunia es nach einer gefühlten Ewigkeit in den Mülleimer warf, sprach Bände. Abgesehen von diesem Verlust schien die Frau aber zufrieden.
"Jetzt kannst du dich wirklich das erste Mal voll und ganz sehen lassen. Na also! Unter all dem Filz steckt nicht nur ein wissensdurstiger Kopf, sondern auch ein hübsches Mädchen." Sie deutete zum Spiegel, damit Madiha sich erneut betrachten konnte. Tatsächlich sah sie mit geglätteten Haaren plötzlich ganz anders aus. Nie zuvor hatte ihre Mähne so schön geglänzt! Würden die Narben sie nicht zeichnen, könnte man Dunias Worten sogar Glauben schenken, obgleich gerade diese besondere Auffälligkeit Madihas Gesicht einzigartiger machte. Es gab ihr Charakter. Genau zum richtigen Zeitpunkt, sollte man meinen. Denn just einen Moment später erschien Marek ibn Charim, Sekretär eines Mannes namens Aziz ben Ahib. Sich diese Kombination zu merken, war schon eine Kunst für sich. Vielleicht wiederholte der Mann es deshalb besonders oft, damit er sich die Phrase besser einprägen konnte. Denn erneut erwähnte er den Namen seines Dienstherrn: "Lassen wir Aziz ben Ahib nicht warten." Er schenkte Schwester Dunia noch einen respektvollen Blick über den Rand seiner Augengläser hinweg. Dann wandte er sich mit der Behändigkeit eines Ochsen in einer zu engen Gasse herum. Dunia schob Madiha hinter ihm her. Sie schenkte ihr weder Mut machende Worte noch welche des Abschieds und das war wohl das größte Kompliment, welches das Mädchen von ihr hätte erhalten können. Wäre die Schwester nämlich etwas offener über sich selbst, so dass ein Kennenlernen leichter fiel, hätte Madiha gewusst, dass sie nur aus einem Grund auf hoffnungsvolle Glückwünsche verzichtete. Sie glaubte an ihren Schützling. Dieser brauchte sich weder an Hoffnung zu klammern noch an Glück, das nur den wenigsten beschieden war. Schließlich brachte sie alles aus eigener Kraft mit, was für die Prüfung nötig wäre. Ja, daran glaubte Schwester Dunia aus voller Überzeugung. Und so ging sie auch vollkommen ruhig, fern aller Nervosität wieder ihren Pflichten nach.
Madiha hingegen folgte Marek durch die Akademie. Sie musste auf seinen Gang achten, denn der Sekretär wählte Wege, die das Mädchen sonst nicht beschritt. Es ging weder zum Speisesaal, noch hinunter in den Garten oder in den Bereich der Unterrichtsräume. Für Prüfungen gab es einen ganz eigenen Raum. Jeder Eleve, der mindestens ein Lehrjahr hinter sich gebracht hatte, kannte ihn und doch sprach niemand über ihn. Viel zu viel Unbehagen löste er bei den meisten Magierschülern aus, denn in diesem Saal wurden theoretische Prüfungen abgehalten. Das waren bekanntlich die schlimmsten an der Akademie. Trockener als die große Wüste führten auch sie regelmäßig zu Dehydration der Studenten, weil sie Blut und Tränen schwitzten, während ihnen bei den schweren Prüfungsfragen die Köpfe rauchten. Hätte Madiha, die bislang nicht eine Prüfung hier abgelegt hatte, davon gewusst, wäre ihr wohl noch mulmiger zumute gewesen.
So zeichnete sich der berühmt berüchtigte Hörsaal 21 für sie durch keinerlei Besonderheit aus, abgesehen von der Tatsache, dass man ihr dort gleich auf den Zahn fühlen würde. Dabei verströmte der Saal bereits beim Eintreten eine andere Stimmung. Er war von einer Aura umgeben, die einen muffigen Geruch besaß, als würden wie Stufen empor führenden Sitzbänke und Tischreihen den Angstschweiß von Jahrzehnten aufgesogen haben. Hinzu mischte sich ein unangenehmes Aroma alter Tafelschwämme und Mottenkugeln. Letzterer stammte von den Vorhängen, die nicht etwa da waren, um Fenster zu verbergen. Jene gab es in Hörsaal 21 nicht. Sie befanden sich scheinbar nur hier, um den Prüfer vor untalentierten Feuermagiern zu schützen. Man konnte sie nämlich vor dem Tafelbereich zuziehen und ihr versengter Saum zeugte von einigen Missgeschicken.
Bis auf drei Männer an einem länglichen Tisch neben der Tafel war der Raum leer. Der hagere und noch strenger als Dunia dreinblickende Alte in der Mitte musste Aziz ben Ahib sein, denn die beiden Gestalten zu seiner Seite glichen in der Optik fast Mareks Ausstattung. Sie waren lediglich eine Spur älter als der Sekretär, der Madiha die Tür öffnete und dann daneben Position bezog. Mit lauter Stimme, die den halben Hörsaal füllte, verkündete er: "Ich bringe die zu prüfende Madiha ..." Er warf einen Blick auf seine Unterlagen, räusperte sich. "Nur Madiha. Sie ist bereit, sich der Prüfung einer magischen Begabung zu stellen."
Nun ging es los. Es gab kein Zurück mehr. Aziz ben Ahib streckte eine von Altersflecken gezeichnete Hand aus. Selbst unter seiner Bräune konnte man die vorquellenden Adern deutlich blau schimmern sehen. Oder handelte es sich um Falten? Der Mann war ein einziger Faltensack, dabei schien er doch nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Nun, offensichtlich einfach zu viel Haut. Sie besaß kaum Platz, um sich über seinen dürren Körper zu spannen, so dass sie vor allem im Gesicht reichliche Runzeln bildete. Wie alt war dieser Sarmaer? Sein grauer Bart verschwand unter dem Tisch! Man war geneigt, einen Blick zum Boden zu werfen, um herauszufinden, ob die krausigen Haare nicht vielleicht durch die Ritze zwischen Tisch und Boden wieder hervorlugten wie dorniges Wüstengewächs. Dem war nicht der Fall. Trotzdem beeindruckte der alte Zauberer durch seine geradezu mumifizierte Erscheinung. Seine Stimme passte zur Optik. Kratzig und nicht gerade laut sprach er, so dass Madiha sehr aufmerksam hin hören musste, um ihn zu verstehen.
"Madiha also. Nur Madiha? Nun gut. Ich bin Aziz ben Ahib, oberster Prüfer in den Diensten der Feuerhexe Cassandra und verpflichtet, mir jeden potenziellen Schüler persönlich anzusehen. Komm bitte näher." Er winkte sie heran, dass man Sorge bekam, die Hand würde gleich vom Gelenk abfallen. Irgendwie ... knarrte sie.
"Wir beginnen mit den einfachen Teilen der Prüfung. Hast du an dir schon einmal Magie entdeckt? Wenn ja, welche Richtung schlägt das Arkane bei dir ein? Wenn nein: wie kommst du darauf, an der Akademie unserer ehrbaren Cassandra praktizieren zu wollen? Oh und natürlich muss ich noch das Alter erfahren. Nun?"
Alle Blicke waren auf Madiha gerichtet. Wenn das die einfachen Teile der Prüfung waren, würde sie bald noch erfahren, warum Hörsaal 21 verschwiegen wurde und gefürchtet war.
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Re: Das Leben der Anderen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 7. April 2021, 18:54

Madiha schluckte, als Dunia ihr verbal sehr verdeutlichte, dass sie eine Grenze überschritten hatte. Dennoch fühlte sich das Mädchen nicht schlecht. Wenn sie nicht fragen würde, würde sie grundsätzlich nichts erfahren. Und offenbar sprach Dunia nicht über ihre Vergangenheit, was es umso interessanter für Madiha machte. Doch auch wenn die junge Frau zu gerne gewusst hätte, was es mit Dunia at-Tabiba auf sich hatte, so war sie die letzte die jemanden übergebührlich mit Fragen löcherte, was die Vergangenheit anging. Sie selbst versuchte seit Wochen ihre zu vergessen und würde sie am liebsten tief, tief vergraben und nie wieder daran denken. Madiha stellte die Fragerei also augenblicklich ein und bedachte den Kamm, der verbraucht in den Müll flog. Sie atmete tief, wandte sich während Dunia’s Worte um, und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Mentorin hatte recht: Sie konnte sich sehen lassen. Doch das hübsche Mädchen, erkannte sie in sich nicht. Madiha sah die Narben an und ihr Blick hängte sich an ihnen auf. Zurückkehrten die schrecklichen Bilder aus der Zelle, die Gesichter die inzwischen zu Fratzen verzerrt waren, wenn sie an die Befragung dachte. Das Mädchen schüttelte sich kurz, schüttelte die Bilder aus ihrem Kopf. Zaghaft lächelte sie als Antwort, auf Dunia’s Worte, dann betrachtete sie ihr Haar. Es war nie so weich gewesen, nie so glänzend. Madiha staunte und zollte dem Kamm, und Dunia’s Handgelenken, innerlich Respekt für die treffliche Arbeit. Auch wenn ihre Kopfhaut pochte und schmerzte und sicher irgendwo blutete, so wie Dunia an ihr gerissen hatte. Das die Pflergerin nichts über den Dieb wusste, schmerzte Madiha etwas, denn sie hatte gehofft, sich irgendwie revanchieren zu können, doch so schob sie den Gedanken, trotz der mahnenden Worte, es könne irgendwann zu spät für Dank sein, zurück und konzentrierte sich auf das Problem, welches unmittelbar bevorstand: Prüfung.

Gerne hätte das Mädchen noch ein paar Worte des Mutes von ihrer Mentorin gehört. Etwas, was sie heroisch fühlen ließe, doch, dass das eine Auszeichnung Dunia’s an sie war, verstand Madiha nicht. Und so war sie etwas traurig über den wortlosen Abschied, der doch der letzte hätte werden können. Das Gefühl ließ Madiha aber nicht lange zu. Sobald sie den Krankenflügel verlassen hatten, richtete sich ihr Verstand auf all das, was Dunia ihr gepredigt hatte. Sie wiederholte gebetsmühlenartig die Lehrstunden und auch wenn es hier nicht ums Lesen oder Schreiben ging, half ihr das, sich zu erden und ruhiger zu werden. Das allerdings verebbte etwas, als Madiha merkte, dass sie nicht den Wegen folgte, die sie bereits kannte und die ihr Sicherheit gegeben hätten. Den Teil der Akademie hatte sie bisher nicht betreten und nur ganz sporadisch mal unheilvoll geflüsterte Berichte über verhauene Prüfungen gehört. Unbehagen breitete sich wieder mehr in ihr aus und setzte zum Tauziehen mit ihrer Stärke an. Beide wollten die Oberhand gewinnen und Madiha wusste nicht, wer gewinnen würde. Als sie vor einer Holztür stehen blieben, damit Marek diese öffnen konnte, erhaschte die Sarmaerin einen kurzen Blick auf das Messingschild daneben: Hörsaal 21. Und sie konnte es lesen. Sie! Madiha lächelte und freute sich über ihren Erfolg. Sie fühlte sich stärker und das Unbehagen legte beleidigt eine Pause ein. So viel hatte sie bisher erreicht, da würde sie das nun nicht aufhalten. Sie brauchte sich nicht zu verstecken und wenn man ihren Leidensweg betrachtete, war es fast ein Wunder, dass sie nun vor so etwas wie einer lapidaren Prüfung Angst hatte. Das Leben hatte sie bereits häufiger geprüft, als sie Lebensjahre besaß – also immer ran an die Herausforderung. Ihr konnte nichts passieren.

Mit diesem Gefühl und fast schon geschwellter Brust, schritt Madiha über die Schwelle in den Hörsaal 21. Und draußen blieben Mut, Stärke und Zuversicht. Als Marek’s Stimme ihr Ankommen verkündete, zuckte sie zusammen und ihr wurde wieder elend, als sie die Männer an der Stirn des Raumes sitzen sah. Als sie den modrigen Geruch wahrnahm und nicht mal wusste, warum sie nervös wurde, da sie eine solche Situation bisher nie erlebt hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass die ganze Atmosphäre des Raumes über sie kroch und sie einhüllte. Kein Wunder, dass niemand darüber sprach. Dieser Raum war getränkt von Angst. Madiha fröstelte etwas und strich sich beim Näherkommen über die Arme. Sie blieb vor dem Pult stehen und betrachtete Aziz. Sie war nicht nur geneigt, nach dem Ende des Bartes zu suchen, sie tat es: Sie senkte den Blick und neigte etwas den Kopf, um den Rest seines Bartes zu erhaschen, bevor er das Wort an sie richtete und sie sich wieder gerade hinstellte. Dieses ‚Nur Madiha‘ stieß ihr nicht zum ersten Mal sauer auf, doch war es auch schlicht die Wahrheit. Daran konnte sie nichts ändern und die alten Männer- Dozenten!- konnten nichts dafür. Also schluckte sie den Ärger herunter und nickte vorbildlich. Das Knacken seiner Hand ekelte sie etwas, doch sie trat noch etwas näher, bevor er weitersprach. Dann begann die Prüfung und Madiha’s Augen huschten unruhig von Aziz zu den beiden anderen Männern und wieder zurück. Sie brauchte einen Moment, bevor sie den Mund öffnete, um die Fragen zu beantworten die ihr gestellt wurden: „Mein Name ist tatsächlich nur Madiha…“, eröffnete sie das Gespräch ihrerseits und merkte dann, dass sie auf etwas geantwortet hatte, was gar keine Frage gewesen war. Madiha räusperte sich verlegen. „Entschuldigung.“ , versuchte sie es besser zu machen und fuhr dann fort: „Ich.. ich.. also da war diese Situation, also ich meine…“. Wie zur Hölle sollte sie das denn erzählen? Dass sie einen Edelmann verbrannt hatte? Dass sie Wut fühlte und sich wünschte, er würde in Flammen und Asche aufgehen! Madiha strich sich verlegen durch das Haar, ruinierte dann etwas die Frisur und schluckte trocken. „Ich, ich habe große Wut gefühlt… einmal.. und ähm, ich habe –ausversehen- etwas entzündet. Also, ich glaube ich war das, wissen tu ich das jetzt nicht, aber plötzlich brannte… es.“ Erneutes Räuspern ihrerseits, dann holte sie zittrig Luft. Wenn sie jetzt schon so nervös war, wie sollte es denn dann nur bei der echten Prüfung werden? Madiha schloss für einen Moment die Augen, um sich zu sammeln und hörte Dunia’s Stimme die „Perfektion“ verlangte. Dann öffnete sie den grau-blauen Blick und zeigte etwas mehr Ruhe und Stärke: „Ich bin 17. Und ich selber habe nicht geahnt, dass Magie in mir stecken könnte. Ich kam auf Empfehlung, als ich ausversehen etwas entzündete, ohne Hilfsmittel oder die Hände zu benutzen.“ , schloss sie und wirkte gefasster, hoffnungsvoll, den ersten Eindruck nicht gleich versaut zu haben.
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