Geschmeidig und Katzenhaft, nicht ohne ansprechenden Hüftschwung bewegte sich die Leonidin neben Kazel her, immer ein zwei Schritte vor ihm. Auch darin entsprachen diese Katzenfrauen ihren kleineren Vorbildern, sie waren sich ihrer betörender Wirkung bewusst und geizten nicht damit sie einzusetzen.
"Was treibt diesen Mann - Kelso - an, uns zu helfen? Was soll ich bei ihm lernen?" Die Frau blieb stehen. Wandte sich zu Kazel um und legte ihren Kopf schief. „Was ihn dazu treibt… euch zu helfen?“ Sie strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. Stemmte ihre Pranken in die Hüfte und verlagerte ihr Gewicht auf den rechten Fuss. Mit der anderen Pranke machte sie einen Schwenk durch die Höhle als wollte sie ihm eine gigantische Aussicht präsentieren. „Deine Füsse befinden sich auf dem Grund Lenonia. Lenonia ist nicht eine Stadt die man als Reisender besucht, oder findet ihr sie in einer eurer Karten überhaupt verzeichnet? Wer sich in dieser Stadt aufhält… ist Teil der Stadt. Teil des Volkes und des Rudels. Kelso ist dein Bruder, wie ich deine Schwester bin. Er hilft dir, weil du zur Familie gehörst. Er wird dir die Stadt zeigen. Dann wirst du auch erkennen warum bei uns das Rudel über allem steht. Alleine hätten wir niemals schaffen können, was wir in der Gemeinschaft geschaffen haben.“ Eigentlich konnte sich Kazel bezüglich der Integration in irgendwelche Gemeinschaften nicht beschweren. Die Irren Burgstein hatten ihn in ihr Herz geschlossen, ebenso wie er einen Platz bei der Bruderschaft gefunden hatte, einen Platz irgendwo in Janays und Talimées Herzen und nun auch noch in der Gemeinschaft der Leoniden. Doch letztere missinterpretierte er nach wie vor. Vermutlich führte Kazel die Aussagen der Leonidin auf Raxtian zurück, das Rudels sei wichtig weil sie alle seine Schöpfungen sind. Er ahnte ja noch nicht wie falsch er damit lag. So stellte er weiter Fragen welche die Leonidin ordentlich irritierten. Langsam dämmerte es Kazel, dass sie offensichtlich nicht ganz vom gleichen sprachen.
"Na, die Veränderungen. Eure Verwandlung in diese Katzenwesen durch die Hand dieses Bastards Raxtian Tausendtod. Oder ... hat er eure Erinnerungen irgendwie ausgelöscht ... seid ... seid ihr gar keine einstigen Menschen oder Elfen, denen er Katzenkrallen, Ohren und Fell verpasst hat?!
Sie starrte ihn an, ihre Augen verengten sich zu schlitzen. Sie sah ihn durchdringend an, hielt dass was dieser Kerl da von sich gab für einen schlechten Scherz. „Was redest du da, Mischling?“ Fragte sie ihn skeptisch. Was immer er war, er schien kein Hybrid zu sein. Sie konnte es riechen, die Tatsache dass er nach Essen roch konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Blut nicht danach roch. Was er an Krallen in seinen Pranken trug, war nicht das Produkt eines Hybridengens. Es wäre auch sehr unwahrscheinlich dass Kazel von einem infizierten Adler und einer Schlange gebissen wurde. Was erzählte er also da von diesem gewissen Raxtian Tausentod? Er schien das Opfer eines durchgeknallten Bastards zu sein und sie ebenso für welche halten. Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein Kazel.. nein… der Stamm der Leoniden trägt das Gen in sich…“ Begann sie langsam.
Sie setzte sich wieder in Bewegung. „Lange haben wir ein Schattendasein geführt, jeder für sich, ganz allein. Dies ist die Geschichte der ersten Generation der unsrigen… die ersten Löwenhybriden sollen in Pegar aufgetaucht sein. Eine Familie von Adligen die sich einen Löwen halten wollten als Haustier… sie wurden gebissen, die grosse Urlöwin hatte das Gen in sich getragen und die Familie veränderte sich. Doch Pelgar war damals wie auch heute nicht bereit für Veränderungen und so wurden sie aus der Stadt gejagt. Erst hielten sie ihre Krankheit für einen Unsäglichen Fluch. Verstossen von der Gesellschaft, ausgesetzt in der Wildnis mussten sie sich aber immer mehr auf ihre animalischen Fähigkeiten verlassen um überleben zu können. Sie begannen nach ihresgleichen zu suchen und als sie genug Hybriden zusammengetrommelt hatten beschlossen sie, hier sesshaft zu werden. Die Kombination zwischen humanoiden und animalischen Genen erwies sich als stark und unser Geschlecht reifte heran. Unsere Population vergrösserte sich ebenso wie die Pracht unserer Stadt, heute dürfen wir die Früchte unserer Vorfahren ernten, denn wir sind keine kleine Sippe von Verstossenen mehr.“ Sie führte ihn aus der Höhle hinaus und zum ersten Mal konnte Kazel seinen Blick über die grosse Stadt Lenonia schweifen lassen. Prächtige Bauten ragten aus dem Wald hervor. Eine Mischung zwischen Höhlenbauten und Häusern, Festungsanlagen und Pärke. Sie besass eine ganz eigenwillige Architektur, die Gebäude waren nicht nur funktional gebaut, sondern jedes von ihnen erschien als eigenes Kunstwerk. „Das ist unsere Stadt, der Stolz unseres Volkes.“
„Mhrmrm…“ Ertönte es plötzlich dicht hinter Kazel. Eine tiefe, knurrige Stimme die einem die Nackenhaare aufstellte. „Das ist also der Neue huhm?“ Neben dem Höhleneingang stand, bisher unbemerkt ein stämmiger Leonid. Seine Körpergrösse belief sich auf knapp zwei Meter und sein muskulöser Aufbau sprach für ein ordentliches Gewicht an Muskelmasse. Statt Füsse hatte er Tatzen, jedoch besass er oben pelzige Hände statt Pranken. Sein gesamter Habitus glich eher jenem eines sehr grossen Menschen, doch seine gelben Augen funkelten animalisch. Sie behielten Kazle fest fixiert. Als Kazel sein Gesicht sah, musste es ihm klar werden wen er vor sich hatte. Die linke Seite war von einigen längst verheilten Kratzern übersäht, tief jedoch nicht so eindrücklich wie jene vier tiefen Narben die sich über seine gesamte rechte Gesichtshälfte zog. Dieser Mann hatte eine sehr schwerwiegende Verletzung überlebt, soviel stand nach seinem Anblick fest. Er trug Ohrenringe die… wen wunderts… aus einer Kralle gefertigt waren. Seine Mähne hatte er offenbar rot gefärbt und sie anschliessend nach hinten gebunden. Kelso trug eine Lederweste sowie Armschienen und ein Schwert an seiner Seite. Kazel hatte hier keinen Jäger vor sich, sondern ein Krieger. Er lehnte gegen die Höhlenwand, hielt die Arme verschränkt und erweckte nicht den Anschein als dass er seine Hand zum Gruss erheben würde. Eher wurde Kazel von ihm mehr als nur skeptisch beäugt. Er bleckte kurz die Zähne. Musterte Kazel ein zweites Mal von oben bis unten. Dann schnupperte er, witterte vermutlich ebenso wie die anderen den Vogelanteil in Kazel.
Die Leonidin wandte sich um. „Kelso…“ Sie verneigte sich vor ihm als Zeichen ihrer Unterwürfigkeit. „Ja... er gehört zu dem kleinen Rudel von Menschen die wir im Wald aufg…“ „Ich weiss zu wem er gehört!“ Unterbrach er sie ruhig. Sie schwieg sofort. „Natürlich Kelso…“ Meinte sie. So gross und stark, so dominant und selbstsicher sie noch vor wenigen Minuten gewirkt hatte, in der Gegenwart von Kelso der Kralle wirkte sie im Vergleich wie das reinste Schmusekätzchen. „Nun…Welpe… du wurdest meiner Einheit zugeteilt…. Rhrhrhrh…“ Kelso musste nicht extra betonen dass er das Alphatier davon war, dies erschien jedem der einen gesunden Menschenverstand hatte sofort als logisch. Er blickte zur Leonidin hin. „Hoffen wir alle, dass der Entscheid des Königs richtig gewesen war in Bezug auf diese Fremdlinge…“ Sie nickte. „Ja, Kelso.“ „Du kannst jetzt zurück zu deinen Jägerinnern gehen.“ Die Leonidin zog ab, liess Kazel mit Kelso alleine vor der Höhle stehen. Noch immer machte dieser keine Anstalten sich zu bewegen. „Nun…, Welpe…“
Er blickte in an. „Du willst Teil des Rudels sein… als Mann… hast du dich zu beweisen ob du dem Rudel auch würdig genug bist… mir ist zu Ohren gekommen dass du Tapfer gegen die Warge gekämpft hast, die dich angegriffen haben… Tapfer… aber Dumm…“ Brummte er. Nicht gerade schmeichelnde Worte… Er stiess sich von der Wand ab. Trat zu Kazel hin. „Folge mir…“ Kelso schritt voran und wenn man bei Kelso von schreiten sprach dann war dies auch so. In Pelgar würde man diese Form der Fortbewegung wohl eher marschieren nennen. „Das erste was du lernen musst… ist Schritt zu halten mit deinem Rudelführer. In einem Rudel muss jeder einzelne auf den jeweils andere abgestimmt sein. Gleich schnelle Schritte, gleiche Wachsamkeit, du deckst den Rücken des Vordermanns während derjenige der hinter dir geht den deinigen Deckt. In einem Rudel sind wir alle Brüder und den Bruder vor dir zu verlieren ist die schlimmste aller Schanden die dir widerfahren kann, denn seinem Schutz soll deine ganze Aufmerksamkeit dienen… so überleben wir in der Wildnis, Tag für Tag. Generation für Generation.“ Er blickte zu ihm hin. „Darum wirst du dich beweisen müssen, tust du dies nicht dann wird keiner vor dir gehen wollen. Er wenn dein Herz im gleichen Takt mit dem Rudel schlägt… wirst du ein ehrenhafter Teil der Roten-Mähnen sein“
Er führte Kazel in die Stadt hinein. Die Gebäude waren riesig, wie konnte so eine gewaltige Stadt nicht kartographiert worden sein, wo sie sich doch mitten in der Stillen Ebene befand? Dies würde wohl vorerst das Geheimnis des Volkes bleiben. Die Stadt war ziemlich belebt. Löwinnen mit ihren Kleinen waren unterwegs um Wasser für ihre Haushalte zu besorgen. Manche von ihnen gingen auch auf Märkte wo rohes und gebratenes Fleisch angeboten wurde. Selten war eine Löwin oder ein Löwe alleine unterwegs, meistens sah man sie immer in kleine Grüppchen von vier bis fünf Personen durch die Stadt laufen. Man grüsste sich auf der Strasse, dabei hielt der eine Part sein Haupt hoch erhoben während der andere das seinige demütig senkte. Ein Zeichen der Hierarchie die hier stark vorherrschte. Kelso musste bisher noch bei keinem sein Haupt senken. Er blickte kurz zu Kazel hin. „Du hast dein Haupt zu senken, vor jedem Löwen, vor jedem Junglöwen, vor jeder Jägerin, jeder Löwin. Doch niemals darfst du deinen Blick vor anderen Welpen beugen… und wenn sie dich herausfordern… dann erkämpfe dir deinen Stand.“ Er ging weiter. „Als Mitglied der Rot-Mähnen ist dir dein Stand nämlich heilig, wie dir das Wasser welches du Trinkst… das Tier welches du verzehrst heilig ist. Wie du jenes zum Überleben brauchst, benötigst du auch deinen Stand um zu existieren. Wenn dir unsere Sitten und Bräuche zu hart erscheinen dann lass dir deine Haare wachsen und begib dich ins Frauenhaus… und hoffe dass sie dich dort als Welpe empfangen.“
(das Bild folgt am Abend
