Durch die Straßen des abendlichen santroner Seemannsviertel zogen die verschiedensten Gerüche. Nahe am Meer gelegen, war die Luft stets ein wenig salzig, gleichwohl schwang den herüberwehenden Brisen ein leicht fischiger Geruch mit, der im Hafen und dem Kaufmannsviertel seinen Ursprung hatte. Nahe der Schenke ‚zum lachenden Kamel‘ roch es würzig nach Feuerholz und Bratenfett und in der Schankstube selbst konnte man zusätzlich das rauchige Aroma verschiedener Tabaksorten ausmachen.
Wie beinahe an jedem Abend konnte sich der Wirt der Schenke nicht über zu wenig Gäste beklagen. Die Nacht war noch jung, gerade mal halb 10 schlug die Uhr, so dass die Stimmung allgemein ausgelassen und heiter war. Lautes Gelächter durchbrach immer wieder den Raum, Krüge und Becher wurden angestoßen und teilweise konnte man eine Gruppe von Männern betrunken johlen oder ein Seemannsständchen halten hören, in die benachbarte Tischgesellen mit einstimmten, wenn sie die Melodie mit sich zog.
Durch die schmalen Gänge, zwischen den größtenteils vollbesetzten Tischen, bahnten sich mehrere Kellnerinnen ihren Weg zu den Gästen und luden auf den Tischen die üppigen Bestellungen ab. Es wurde geschnattert und geschäkert und sobald das Trinkgeld groß genug war, sah man wie das ein oder andere Schankmädel auf den Schößen der Kerle geschaukelt wurde.
An einem seitlichen Tisch, nahe des großen Kamins, in dem ein knasterndes Feuer prasselte, saß Skýler mit zwei Männern. Neben den großen und bereits halbgeleerten Krügen waren mittig des Tisches die Reste eines großen Bratens zu sehen, von der sich die kleine Gesellschaft fleißig bedient zu haben schien. Die Wangen und Nasen der beiden Männer waren stark gerötet und der aufgeweichte Ausdruck ihrer Augen verriet, dass es nicht alleine bei einem Krug guten Bieres oder Mets geblieben war. Dem Elfen der Runde konnte man dank seiner dunklen Haut kaum ansehen, ob der Alkohol ihm die Sinne zu rauben begann, wie es bei den Menschen der Fall war. Ihres Aussehens nach waren sie in etwa mittleren Alters und schienen eindeutig aus Santros zu stammen. Der eine besaß rotbraune Haare und breite Koteletten, der andere schien geradezu perfektes blondes Haar zu besitzen, das jedoch nicht so recht zu den dunkleren Augenbrauen passen wollte und den Anschein erweckte, dass er eine hochwertige Perücke trug. Im direkten Vergleich zu Skýlers hochgewachsener und schlanker Gestalt merkte man den Santronern in seiner Gesellschaft an, dass sie das ein oder andere Pfund zu viel mit sich herumtrugen, was sie ganz eindeutig aus dem Seemannsgewerbe ausschloss. Alle drei waren gerade in ein bellendes Gelächter ausgebrochen, weil Skýler einen Witz gemacht hatte. Es dauerte bis sie sich über die zweifelhaft lustigen Worte beruhigten und der Mann mit den breiten Koteletten, noch immer albern in seinen Krug giggelnd, den Blick zu dem Mischlingself hob und das Wort ergriff:
*¹„Du bis‘ gar nich so unübel. Geb‘ zu isch war … misstau’sch, als du ankams‘st. Aber’s war gansch schön anständig von dir die Börsche z’rück zu geb’n. Wär für un’sch riiichtig üb’l geworden, wenn die ganschen Einnahm‘n fort g’wesen wär‘n.“, lallte die Kotelette ihm entgegen und brach wieder in ein unzusammenhängendes Gekicher aus, während Ský, der seinen Kopf bereits in gefährlicher Schieflage am Tisch abzustützen versuchte mit einem treudoofes Grinsen auf den Lippen, eine wegwerfende Handbewegung machte, als würde man ihm unverdient schmeicheln. Der blonde Mann, auf dessen Gesicht die Schweißtropfen glänzten, weil ihm eindeutig viel zu warm war, nickte jedoch zustimmend:
*²„Du has‘ unsch wirklich gerettet! Der Handel mit den Drescharian … war so schon schwer genug g’wesn. Schteinharte Hunde, diesche Kerle! Bischu dir sicher, dasch du nicht mehr als ein Eschn zum Dank möchtst?“, fügte Perücke fragend hinzu, während er sich umwandte, um eine Kellnerin herbeizuwinken.
Als würde jemand die hübsche dunkle Gesichtshaut des Elfen mit den Händen zur Seite ziehen, lächelte er wie ein Schaf, während er einen merkwürdig brünftigen Laut von sich gab.
*³„Das war doch gar nischts! Aber wenn ihr mir scho dankbar scheit, hätt isch nischts dageg’n ne koschtenfreie Nacht bei Roxsch- Roksch … gleich hab‘ ischs: Rox-ana zu verbringn. Kennt ihr schie?“, fragte er und richtete sich mit etwas wankenden Bewegungen in eine aufrechtere Position auf. Seine freien Hände formten auf Brusthöhe nun eindeutig große Rundungen, deren Bewegungen den Blick der beiden Männer auf sich zogen.
*⁴„Sooolsche … wie schagt ihr hier noch mal ... Möpse hat schie! Auch im Bett isch schie die Beschte! Müscht schie eeecht mal auschprobiern! Der beschte Scheksch meines Lebens!“ Erneut brachen die Drei in ein merkwürdiges Lachen aus, das dieses Mal jedoch mehr in den Kehlen der Männer stattfand. Skýlers Gesellschaft schien dem Gedanken nicht abwegig zu sein, die eben erwähnte Dame eines Tages aufzusuchen und Kotelette zog eindeutig in Gönnerstimmung seinen Beutel, um dem Elfen ein paar Münzen hinzulegen.
In etwa eine Stunde verging, als sich die Zusammenkunft der drei Männer auflöste und Skýler aus dem Eingang der Schenke stolperte. Vor sich hin brabbelnd und lallend, wankte er in S-förmiger Linie durch die Gassen, bis sich seine Gestalt in einer besonders dunklen Ecke im Schatten auflöste und dann mit einem Male vollständig verschwand.
Als hätte sich ein Loch im Boden aufgetan, war von dem Mischling nichts mehr zu sehen, doch zwei Gassen weiter, nahe des Bettler- und Gaunerviertels, schlüpfte er wieder aus dem Schatten von mehreren aufgestapelter Kisten hervor. Tief sog er die Luft in seine Lunge und entließ sie in einem beinahe angestrengten und doch stillem Seufzen.
Das war leicht!, dachte er und bewegte seinen rechten Arm kreisförmig, als würde er eine Verspannung lösen wollen. Während er mit geradlinigen und bestimmten Schritten, denen es nicht an Gleichgewichtsgefühl mangelte, seinen Weg zu seiner Unterkunft fortsetzte, verschwand seine Gestalt hier und da wieder im Schatten und machte es einem möglichen Verfolger somit beinahe unmöglich ihm auf der Fährte zu bleiben.
Für heute hatte er sein Tagewerk eindeutig erfüllt. Er hatte sich das Vertrauen zweier einflussreicher Händler aus Santros erschlichen, indem er ihnen während ihrer täglichen Abbauarbeiten erst, ohne großen Aufwand, die prall gefüllte Geldbörse entwende, nur um sie ihnen dann unter dem Vorwand, dass Perücke sie fallen gelassen hatte, zurückzugeben. Dadurch war es ihm möglich die Dankbarkeit der beiden Männer auszunutzen, sich zu einem Abendessen einladen zu lassen und ihnen dort einige Informationen über ihre Handelsverbindungen zu entlocken. Noch dazu war sich Skýler ziemlich sicher, dass zumindest einer von ihnen bei besagter Roxana auftauchen würde, die eine der schwatzhaftesten Prostituierten in ganz Santros war und sich besonders für die Arbeit ihrer Kunden interessierte. Durch sie würde er mit Sicherheit noch an zusätzliche Informationen kommen. Zumindest hatte das bereits einmal gut funktioniert.
Obwohl er nicht vorhatte sich direkt auf sein Lager zu schmeißen, hatte Skýler nicht das Bedürfnis noch länger draußen herumzulaufen. Und so dauerte es nicht lange bis er seinen dunklen Umhang vom Kopf zog und achtlos auf den Boden seiner kleinen Unterkunft fallen ließ, die in der Nähe des Händlerviertels lag.
Gähnend machte er nur ein paar Schritte bis zu einer kleinen, alten Kommode, der er eine rotbräunliche Flasche entnahm. Zusammen mit dieser schwang er sich geschickt aus seinem Fenster und kletterte an ein paar mörtelabbröckelnden Stellen die Wand auf das flache Dach hinauf. Dort angekommen machte es sich der Elf nicht zum ersten Mal gemütlich. Eine Decke lag ausgebreitet auf dem Dach und als er sich mit einem zufriedenen Laut darauf niederließ, spürte er unter seinen Händen, dass die Hitze des Tages die Mauern und den Stoff, noch nicht vollständig verlassen hatte.
Von dem kleinen Dach aus konnte er unbemerkt die nähere Umgebung einsehen und die dunkle Schönheit der Nacht genießen. Etwas, was er für sich alleine, ganz gerne tat. Santros war eine interessante und vielseitige Stadt, in der sich der Spion ziemlich wohl fühlte. Zwar war er nur hier, weil er den Auftrag hatte, mehr über die Handelsbeziehungen und Warenströme der Stadt zu erfahren und die Schwachstellen herauszufinden, doch gab es noch einen weiteren Grund, der den Mischling dazu bewog, seinen Aufenthalt in die Länge zu ziehen.
10 Tage sind schon vergangen…, dachte er und nippte in Gedanken versunken an seinem Bier. Spätestens in etwa einer Woche wird man einen Bericht erwarten. Normalerweise bin ich schneller, aber…, sein Blick glitt von Dach zu Dach und von Gebäude zu Gebäude, die je weiter sein Blick schweifte, immer wohlgebauter zu sein schienen.
Es war nicht sein erster Aufenthalt in Santros. Doch irgendwie hatte es Skýler diese Stadt angetan. Hier war es selbst für ihn, dem man seine dunkelelfische Abstammung durchaus ansah möglich, sich auch am Tage frei zu bewegen. Ein Vorteil, den viele Handelsstädte besaßen – sie waren recht neutral eingestellt. Doch wie lange würde ihn Kraz’hian noch Zeit für diesen, recht einfachen Auftrag geben, bevor er ihn zurückrief? Skýler verfolgte hier bereits ganz eigene Ziele, von denen besagter Dunkelelf niemals erfahren durfte. Von daher barg jeder Tag, den er weiter hinauszog, ein Risiko.
Noch habe ich keine Anhaltspunkte zu anderen Akteuren der Spinne finden können. Doch… das war auch kaum zu erwarten. Ich fische noch immer im Trüben herum, aber ich hatte schon die Hoffnung wenigstens eine kleine Spur zu finden., dachte er mit undurchsichtigem Ausdruck, der seinen inneren Frust nicht zeigte.
Ein frischer Wind wehte durch sein rotorangenes Haar und er legte den Kopf in den Nacken, um in den Nachthimmel zu blicken. Es war nicht das erste Mal, dass er sich in einer Sackgasse wiederfand. Obwohl er selbst ein Mitglied der Spinne war, wusste er im Grunde … nichts über die geheime Organisation. Lange Zeit war er dem Irrtum erlegen, dass Kraz’hian der Kopf der Organisation war, doch über die Jahre und über gesammelte Informationen hatte sich ihm ein anderes Bild erschlossen. Und mittlerweile wollte Skýler mehr wissen. Er wollte kein ahnungsloses Werkzeug sein und nicht einmal wirklich wissen, welche Ziele er mit seiner Arbeit unterstützte. Doch zu fragen war gefährlich. Und übereilt zu handeln ebenso. Von daher musste er Niederlagen akzeptieren, so sehr diese ihn innerlich auch wurmten.
Morgen ist ein neuer Tag. Irgendwann wird sich etwas ergeben und wenn ich einmal eine Spur habe, wird es… einfacher!
*¹
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