Familie konnte eine treibende Kraft sein. Silas, der in seinem Leben nie besonders viel besessen hatte, wusste dies mehr als alles andere zu schätzen. Sein ganzes bisheriges Dasein hatte er in den Diensten derer gestanden, die ihm am meisten bedeuteten, und sich zu so manch zweifelhafter Arbeit durchgerungen, nur, um ihr Überleben zu sichern. Doch auf harte Zeiten waren auch Phasen des Durchatmens gefolgt – Momente wie heute, in denen er sich bewusstwurde, warum und für wen er das alles tat. Noch nie hatte er von seinen Geschwistern ähnliches verlangt und es widerstrebte ihm beinahe körperlich, dass er Zahel in eine Position gebracht hatte, in der es keine andere Option gab, als tapfer das eigene Schicksal zu ertragen. Er wollte ihr die Angst nehmen, doch im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten wusste Silas, dass die Zuversicht, die er säte, im Prinzip nur aus leeren Worten bestand und er darauf angewiesen war, dass sie ihm vertraute. Der Mischling hielt die Wangen seiner Schwester warm zwischen seinen Händen umfasst, hielt der Unsicherheit ihres Blickes stand und ließ die Welle aus Angst, Verzweiflung und Unwille, die ihm aus ihrem Blick entgegen tobte, an ihm brechen. In diesem Augenblick konnte er nicht mehr sein als der Fels in der Brandung, der ihren tobenden Gefühlen standhielt. Es dauerte einen Moment, doch Zahel ließ sich durch seine Worte beruhigen, schloss die Augen und schmiegte sich besänftigt in seinen Griff. Erleichtert stellte er fest, dass ihm neu gefasster Mut entgegen blinzelte, als sie die nassen Augen öffnete und ihn ansah. „Silas, du tust so viel für uns alle. Ich… ich vertraue dir völlig, das weißt du sicher und ich werde alles tun was ich kann und muss, um dich zu unterstützen… Zerfleisch‘ dich deswegen nicht. Ich… wir werden es gemeinsam schaffen. Als Familie.“, ein träges Schmunzeln formte seine Lippen als Antwort auf ihre Worte. Sie hatte ihm nun ebenfalls die Hand an die Wange gelegt und sein schief angehobener Mundwinkel wanderte unter ihren Daumen. Er hatte bisher keinen anderen Auftrag in dieser Welt gesehen, als sich um die Seinen zu kümmern. Dies war eine Aufgabe, die er bereits seit jüngsten Jahren hatte erfüllen müssen. Wie könnte er der Schuld und Scham also entkommen, die ihn zu zerfleischen drohten, wann immer er einen Fehltritt machte? Kein leichtes Unterfangen und bestimmt etwas, das er noch lernen musste. Der geteilte Moment war vorbei, als sich die Geschwister voneinander lösten und Zahel ihn mit einem kleinen Necken aus dem Gespräch entließ. Er hüstelte sogar ein wenig amüsiert ob der Vorstellung, dass Avalinn beim Anblick nackter Haut im Boden versinken könnte. Irgendwo piekste ihn der Schalk und einen kurzen Moment überlegte er tatsächlich, ob er es nicht darauf anlegen wollte.
Brav, wie er war, kam er schlussendlich gewaschen und zur Gänze bedeckt zurück, mit feuchtem Haar und frischer Kleidung und gesellte sich in die familiäre Runde dazu. Er hatte neben seiner Mutter Platz genommen, hielt die kühlen Finger in seinen Händen und drückte sie sanft. Seine vorangegangenen Worte entlockten Oriana ein leises Lachen und er freute sich über den kratzigen Klang, lächelte ihr ins Gesicht. „Es wird schon wieder.“, sicherte jene ihren Kindern zu und beantwortete auch Rhonas Frage nach ihrer Gesundung mit Zuversicht und nickendem Kopf. Silas wusste, dass es seiner Mutter Kraft und Energie kostete, diese Zuversicht aufrecht zu erhalten. Obgleich sie geistig klar und fieberfrei wirkte, fehlte ihr noch jeglicher Glanz, der für Oriana einst so typisch gewesen war. Immer noch hielt die Krankheit ihren geschwächten Körper auf Trab. Ihr silbriges Haar wirkte stumpf, das Gesicht hohlwangig, das Lächeln flach und blass. Sorgenfalten verdunkelten die Züge seiner Mutter, als er schließlich damit begann, seine Familie über das Kommende zu unterrichten. Silas würde sich der Sorge seiner Mutter stellen müssen, davon war er bereits ausgegangen, ihr angstbesetztes Japsen versetzte ihm dennoch einen Stich in seiner Herzgegend. Noch bevor er ansetzen konnte, hatte Avalinn bereits das Wort ergriffen: „Nein, Oriana. Ihr verliert sie nicht. Ich… Zahel wird hier wohnen, das habe ich mit Amenion besprochen… Sie wird zu ihm gehen, ihm bei seinen Behandlungen helfen und abends wieder gehen dürfen.“, Silas Atmung geriet einen Moment ins Stocken und staute sich in seiner Kehle. Ein warmer Schauer erfasste ihn, als Avalinn ihren Blick auf ihn richtete. Der Keimling jener zarten Hoffnungspflanze, die Avalinn in ihm bereits am Vorabend bewässert hatte, wollte sich ihr entgegen recken, in ihrer Gunst baden und gedeihen. „Es tut mir leid.“, entkam es der Elfe schließlich leise, den Blick gesenkt und in eine Weite gerichtet, die es nicht gab. Silas bemerkte, wie Avalinn gedankenverloren das Armband an ihrem Handgelenk drehte. Er erinnerte sich an Amenions Worte, an sein Versprechen, dass Avalinn ihre Magie nicht einsetzen würde können und es überlief seine Glieder kalt in Anbetracht des Umstands, wie er es gesagt hatte. „Ich habe alle nötigen Kräuter hier bei mir und bin zuversichtlich, dass die Behandlung weiter anschlägt. Amenion wird euch helfen und weiß was er zu tun hat, im Falle einer Verschlechterung. Er wird sich an die Zusicherung halten.“, fuhr die blaugehüllte Elfe fort und lächelte schwach auf Oriana herab. Sie schenkte den Umsitzenden einen kurzen Blick, während Oriana sich der Verkündung kraftlos geschlagen gab. Silas spürte die plötzliche Spannung, welche die Hand seiner Mutter erfasste und er beobachtete mit leichter Sorge im Blick, wie sie aufgeregt zum Wort ansetzte: „Avalinn ich danke euch für eure Hilfe. Aber.. wenn mein Sohn nicht… nicht wieder kommt oder… oder meiner Tochter etwas … zustoßen sollte, ich schwöre bei Manthala..“, der Mischling drückte die zarten Finger. „So weit wird es nicht kommen“, wandte er ein, blinzelte jedoch ein wenig überrascht, als Avalinn sich zur Gänze unbeeindruckt gegenüber dem unheilvollen Krächzen seiner Mutter zeigte. Erst als auch Oriana nach den Händen ihres Ältesten griff und jene leicht drückte, widmete sich dieser erneut ihrer Gestalt. „Silas.. ich ertrage kaum den Gedanken, dich gehen zu lassen. So weit… so lange… Ich weiß, wieso du in dieser Lage bist und ich liebe dich dafür. Aber ich verlange von dir, dass du um jeden Preis zurückkehrst. Dass du auf dich Acht gibst und dich jeder unnötigen Gefahr fernhältst.“, Silas lauschte ihren Worten aufmerksam, die sie in erstaunlicher Härte an ihn richtete, nickte langsam und bedächtig und erwiderte den Druck ihrer Hände. Weil das bisher ja auch so gut geklappt hat. Ich werde mich fernhalten,… die Gefahr wird mich trotzdem finden, dachte er ein wenig bitter, schluckte die Erwiderung hinunter und rang sich ein sanftes Lächeln ab. „Ich verspreche es“, murmelte er nur leise.
Oriana ließ sich in den kleinen Kissenturm sinken, den man ihr im Rücken zurechtgelegt hatte. Die ganze Aufregung hatte sie sichtlich erschöpft und sie würde genügend Schlaf brauchen, um sich davon zu erholen. In der Zwischenzeit hatte Silas sein Wort bereits an Avalinn gerichtet, welche Kräuter und Knollen auf dem Fenstersims ausbreitete und für den späteren Zugriff bereitlegte. Einen kurzen Moment dauerte es, bis die Elfe erkannte, dass Silas das Wort tatsächlich an sie gerichtet hatte. Langsam drehte sie ihre Position und schien nachdenklich innezuhalten, ehe sie seinem Vorschlag zustimmte. „Ja gut ich danke euch, Silas. Ich komme gerne mit, dann kann ich auf dem Markt noch einige Besorgungen machen.“, er bestätigte ihre Worte mit einem Kopfnicken und erhob sich leise von der Seite seiner Mutter. Während Avalinn ihre Verhüllung anlegte, schlüpfte auch Silas unter seinen Kapuzenumhang und schloss die Knöpfe an seinem Kragen. Den Münzbeutel verstaute er erneut in der Innentasche. „Ich würde gerne heute Abend noch mal nach euch schauen, Oriana, wenn ihr einverstanden seid.“, richtete seine Begleitung das Wort nochmals an seine Mutter. Silas erkannte das Zögern in Orianas kurzfristiger Stille, doch schließlich nickte sie. „Ich danke euch“, mit einem Blick auf ihren ältesten Sohn setzte sie fort: „Wir werden auf dich warten, komm nicht zu spät. Wir wollen noch etwas Zeit zusammen verbringen, bevor du aufbrichst.“ Erneut lächelte Silas schwach und neigte den Kopf zum Einverständnis. „Natürlich. Ruh‘ dich in der Zwischenzeit etwas aus.“, murmelte er sanft, danach wandte er sich Avalinn zu, die ihre Ledertasche bereits wieder verschlossen hatte und scheinbar bereit zum Aufbruch war. Nach einer flüchtigen Verabschiedung traten sie gemeinsam den Weg aus der Hütte an. Knarzend schloss sich die Tür im Rücken des Mischlings, diesiges Zwielicht schlug ihm die ersten Schritte entgegen. Mit einem schiefen Blick auf Avalinn gewährte er der Elfe einen kurzen Moment, in dem sie ihre Augen daran gewöhnen konnte und sich seufzend den Nacken dehnte. Sie fing seinen Blick auf, nickte ihm leicht zu: „Geht nur vor, Silas, ich folge euch.“. Mehr brauchte es nicht, um seine Schritte zielstrebig voranzutreiben.
Eine Weile wanderten sie stillschweigend nebeneinanderher und Silas verlor sich in den unterschiedlichsten Gedanken. So viel war zu tun, so viel war zu bedenken. Dennoch hatte ihn der Vormittag gestärkt, ihm neue Energie und ein Stück weit Hoffnung geschenkt, um den kommenden Anforderungen mit gerecktem Kinn und gestrafften Schultern entgegen zu treten. Seine Schritte führten ihn an den Häusern der Nachbarschaft vorbei, und je weiter sie an den äußeren Rand des Viertels gerieten, in dem die Círenas‘ hausten, desto größer und ordentlicher wurden die Bauten, bis sie sich in einer Gegend wiederfanden, in der Prunk und prachtvolle Architektur vorherrschten. Silas hatte bereits etwaige Botengänge in die verschiedensten Ecken und Winkel des Reiches unternommen – dieses Viertel, es ließ sich nicht leugnen, war mit Abstand eines der Besseren. Ein Ort, an dem der Reichtum der Stadt offen zur Schau gestellt wurde. Myniel hatte sich bereits vor einiger Zeit in die Lehre eines Schneidermeisters begeben, der in der ganzen Stadt namentlich Anklang fand und bereits einige der besten Schneiderinnen und Schneider hervorgebracht hatte, welche das Reich der Nachtelfen aufweisen konnte. Generell gesprochen war das Schneidervolk bereits seit jeher ein treuer Kundenstamm gewesen, dessen Aufträge Silas sogar recht gerne entgegen genommen hatte – im Rahmen einiger Botengänge hatte Silas sogar den ein oder anderen Blick auf das Leben des höfischen Adels werfen können. Angestrengt versuchte Silas, sich an den Namen seiner letzten Auftraggeberin zu erinnern. Meisterin Kilani? Kasani? Irgendetwas in dieser Richtung. Avalinn riss ihn aus seinen Überlegungen: „Silas?“ Überrascht hielt der Mischling inne, die spitzzulaufenden Ohren zuckten etwas, als er sich nach der Elfe umdrehen wollte. Doch sie huschte bereits vor seine Nase. „Hm?“, entfuhr es ihm und er ließ den Blick über ihren verschleierten Schopf hinweg kurzfristig prüfend über die Umgebung gleiten. Hatte er etwas übersehen? War ihnen jemand gefolgt? „Es tut mir von Herzen leid, dass ihr dieser Situation ausgesetzt seid.“, ertönte es schließlich leise. Irritiert blinzelte Silas auf die Elfe vor ihm hinab. Beinahe hätte er es in einer spöttischen Bemerkung abgetan, doch sie sah ihn von unten herauf mit entwaffnender Ehrlichkeit an. Der bernsteinfarbene Blick glänzte betrübt. Der Spott erstarb ihm auf der Zunge, noch ehe er ihn aussprechen konnte. Es verwirrte ihn, dass sie sich für etwas entschuldigte, auf das sie keinen Einfluss hatte. Zwei Falten bildeten sich zwischen seinen Augenbrauen. „Ihr braucht Euch für nichts entschuldigen“, erwiderte er schließlich wahrheitsgemäß. „Ihr tragt keine Schuld. Nichts von all dem ist Eure Schuld.“, fuhr er nachdrücklich fort. Ein Blitz zuckte sein Rückgrat hinab, als sie nach seinen Händen griff. Instinktiv versteifte er, doch er ließ es zu und hielt diesmal auch ihrem Blick stand, ohne sichtlich ins Wanken zu geraten. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen in seinem Leben, war Silas es nicht gewohnt, Nähe zu teilen. Die Maske musste sitzen und auch jetzt stellte er sicher, dass neben all den ehrlich gemeinten Worten nicht allzu viel von dem, was er in seinem Innersten verbergen wollte, sichtbar wurde.
Betrachtete man die Dynamik einmal genauer, war es eine recht spannende Beobachtung. Die Berührungen der Elfe hatten eine tatsächlich ganz und gar paradoxe Wirkung auf den weißhaarigen Mischling, denn obgleich ihn jedes Mal Zuversicht erfasste, sobald sie nach ihm griff, wollte er sich dieser Wärme und Hoffnung nicht freiwillig öffnen, zog sich innerlich davon zurück. Avalinn besaß ganz offensichtlich das Talent, geistige Mauern niederzureißen und unter ihren Berührungen zum Einsturz zu bringen. Sei es nun ihrem Naturell oder der Magie in ihren Adern geschuldet. Silas war es hingegen gewohnt, Personen in seinem Umfeld auf Herz und Nieren zu prüfen, jeden auf Abstand zu halten und aus sicherer Entfernung zu beobachten. Er hielt die Tore seiner Festung verschlossen, bevor er gewählten Personen Eintritt gewährte. Und nun war da eine Fremde, eine Elfe, in Gestalt und Statur nicht mehr als ein Blatt im Wind – die mühelos Ziegel aus seiner Mauer riss. Das war nicht nur ärgerlich, sondern tatsächlich gefährlich, nahm es ihm doch jede Stabilität, derer er sich so rühmte.
Stimmengewirr polterte durch die Gassen und Avalinn wie auch Silas zogen die Hände abrupt an ihre Seiten zurück. Ein Blick in die richtige Richtung genügte, um die Vermutung des Mischlings zu bestätigen. Der rückwärtsstolpernde Mann wich vor der Besitzerin jener Stimme zurück, die Silas bereits gut genug kannte, um sie am Klang zu erkennen. „Es… es tut mir leid, My.. Myniel ich habe die Bestellungen einfach verwechselt.“, Silas schmunzelte, als er das Schauspiel beobachtete. Beinahe empfand er Mitleid mit dem armen Kerl, den Myniel hier so gekonnt aus der Schneiderei jagte. Die Nachtelfe war schon immer eine Naturgewalt gewesen, wenn sie es darauf anlegte. „Ach schon gut, du Riesenbaby. Ich weiß ja, dass deine Frau gerade Drillinge bekommen hat. Da kann man schon mal durch den Wind sein. Hier... Ich hole den Stoff morgen selbst. Geh und küss' deine Frau.“, Silas presste eine Faust vor die Lippen und lachte lautlos in jene hinein, ehe er seufzend den Kopf schüttelte und Avalinn einen seitlichen Blick zuwarf, der sein amüsiertes Prusten beinahe augenblicklich verstummen ließ. Ja, freu dich nicht zu früh, sonst steckst du noch die ganzen Schläge ein, schallt er sich selbst. Myniel trat mit langen Schritten vor die Tür, die Hände in die Hüften gestemmt, ein Lächeln auf den Lippen. Silas klärte seine Kehle mit einem leisen Räuspern und seine Nase kräuselte sich, als er unter dem Blick der Schwarzhaarigen zu grinsen begann. „Silas Círenas!“, posaunte sie mit heller Stimme und kam ihnen mit zügigen Schritten entgegen. Weniger als eine Armeslänge entfernt blieb sie schließlich stehen. Trotz ihrer geringen Größe wusste Silas, dass wohl die meisten Männer dem amethystfarbenen Blick in kürzester Zeit erlagen – es kostete der Nachtelfe wahrlich keine Mühe, eben jene mit einem gekonnten Wimpernschlag in die Knie zu zwingen. „Du siehst beschissen aus, wer ist deine neue Freundin?“, der Mischling lachte auf, ein seltener Klang, der unter normalen Umständen kaum über seine Lippen fand. „Und du bist so reizend wie immer.“, merkte Silas trocken an und schob sich ein wenig zur Seite, um den Blick auf die Elfe schräg hinter ihm freizugeben. Nicht, dass Myniel sie eines Blickes gewürdigt hätte. „Darf ich vorstellen? Myniel, das ist…“, die Verhüllte trat einen Schritt vor und benannte sich augenblicklich selbst, während sie der Schneiderin die Hand hinhielt. Na, das kann ja was werden, Silas beobachtete, wie Myniel die Größere nun doch einer bedächtigen Musterung aus ihren schräggestellten Katzenaugen unterzog. „Na, wenn das so ist? Dann kommt mal rein in die gute Stube.“, die Nachtelfe konnte in ihrer Ablehnung meisterlich subtil sein. Als Myniel sich unterhakte, warf Silas seiner Begleitung einen beinahe entschuldigenden Blick zu. Doch er ließ sich von der Schwarzhaarigen mitziehen und lächelte mild, als ihn jene mit einer wahren Flut an Worten tränkte. „Wie lange ist das jetzt wieder her, Silas? Du kommst mich viel zu selten besuchen, ich sehe Morrin viel öfter und das sollte nicht so sein", sie traten unter dem Schild, welches das Haus als Schneiderei auswies, hindurch und traten in die warme Werkstube ein. Der Mischling warf einen Blick in den Raum und seufzte leise, bevor er erwiderte: „Zu lange, aber du weißt ja selbst am besten wie das Leben so spielt.“, er verschränkte die Arme vor der Brust.
Sein Blick glitt unweigerlich in die Tiefen ihres Rückenausschnitts, dem sie ihm so subtil präsentiert hatte. Er schluckte leise. „Als zukünftige Hofschneiderin hast du sicherlich alle Hände voll zu tun.“, neckte er, denn er wusste, dass Myniel diesen Posten mit ihrer Lehre anstrebte. „Vermutlich hast du recht. Ich sollte die Möglichkeiten, dich zu besuchen, nutzen, solange du die Namen der einfachen Leute noch kennst“, das Grinsen nahm den Worten den Stachel. Es erinnerte an die Zeit, in der sich das Trio über das Leben der Adligen ausgelassen hatte – dass Myniel mit etwas Glück bald selbst ein solches Dasein fristen sollte, war immer noch etwas befremdlich, wenn auch reichlich verdient.
Vermutlich war ihm der Anblick der perlmuttfarbenen Haut ein wenig zu Kopf gestiegen, denn nun registrierte Silas auch allzu bewusst den tiefen Einblick der Vorderseite ihres Kleides und war beinahe kläglich darum bemüht, den Blick nicht abschweifen zu lassen. Myniel hatte noch nie mit ihren Reizen gegeizt – und nach wie vor kroch ihm die Nervosität in die Knochen, wenn er sich jenen ausgesetzt sah. „Kommst du endlich zur Vernunft und bittest mich um ein Essen?“, kokettierte sie und lächelte ihn offen an. Silas schmunzelte und schüttelte in aller Theatralik den Kopf. „Weißt du denn immer noch nicht, was gut für dich ist?“, hielt er spielerisch dagegen. So war es in der Zeit nach jener Nacht immer zwischen ihnen gewesen. Sie neckten sich, zogen sich auf, ließen Unausgesprochenes seit Jahren in spielerischen Scherzen verstauben. „Wie geht es Oriana? Morrin erzählte mir, dass sie krank sei?" Silas nickte mit ernster Miene. „Mittlerweile…“, er warf der Elfe in seinem Rücken, die sich mit den Zeichnungen verschiedener Schnitte beschäftigte, einen stummen Blick zu. „… geht es ihr besser. Sie ist noch nicht ganz über den Berg. Aber… aber es wird.“, der Mischling senkte den Blick, ehe er Myniel wieder ins Gesicht sah. Die Nachtelfe schien zu spüren, dass es nicht der Zufall war, der den Mischling vor ihre Tür getragen hatte. „Was kann ich für dich tun, Silas?“, fragte sie geduldig. Silas begegnete ihrem Blick eine Weile schweigend. „Ich bin tatsächlich nicht nur zum Plaudern hier, Myniel“, gestand er und lächelte erneut mit schiefgelegtem Kopf. „Ich brauche einen Umhang. Für die Oberwelt.“, er trat einige Schritte an sie heran. „Hast du etwas bei der Hand?“, er kam noch ein Stückchen näher, angelte den Münzbeutel hervor und platzierte ihn neben ihrer Hand auf der Kante des Tisches. „Ich weiß, es ist kurzfristig“, endete er schließlich und trat zögerlich wieder etwas zurück.