Ankunft in Dessaria

Dessarias Stadttor mag wohl das beeindruckendste in ganz Celcia sein. Massiv und gut bewacht besitzt es außerdem eine große Alarmglocke, die in der Mitte eines steinernen Bogens hängt, der sich über die große Pforte spannt.
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Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Samstag 25. Juli 2015, 20:10

(Einstiegspost)
Es hatte länger gedauert, als Aleksa erwartet hatte, doch kurz vor Mitternacht in der dritten Nacht, die sie unterwegs war, erkannte sie weit hinten im Schneegestöber plötzlich die Schemen einer Stadt. Da sie erst den Wald Arus durchquert und sich dann so gehalten hatte, dass sie das Schattengebirge ständig zu ihrer Rechten sehen konnte, waren keine Zweifel möglich: Das da vorne musste Dessaria sein.
Sie stieß einen leisen Seufzer der Erleichterung aus und beschleunigte ihre Schritte. Warm war es schon nicht gewesen, als sie aufgebrochen war, doch mittlerweile war es sogar noch kälter und Aleksa sehnte sich nach einem beheizten Platz, an dem sie sich ausruhen konnte. Die letzten Nächte waren kein Vergnügen gewesen. Obwohl ihre Schuhe perfekt saßen, taten ihr schon kurz nach ihrem Aufbruch die Füße weh, doch sie war weitergewandert, Stunde um Stunde, bis die Sonne aufgegangen war und sie sich im Schutz der letzten Bäume des Waldrandes schlafen gelegt hatte. Die zweite Nacht war identisch verlaufen, nur, dass sie für den zweiten Tag nicht zwischen Bäumen, sondern in einer Felsspalte Schutz gesucht hatte. Und nun, in der dritten Nacht, war ihr vorläufiges Ziel endlich in Sichtweite.
Während sie sich der Stadt näherte und aus den undeutlichen Schemen langsam klarere Konturen wurden, wuchs Aleksas Staunen immer mehr. Schon die Berge waren ein unglaublich beeindruckender Anblick, wie sie so groß, kalt und unnahbar über Aleksa aufragten. Doch diese Stadt war noch einmal etwas für sich. Nicht nur von der Größe her, sondern auch und vor allem, weil sie von Lebewesen gebaut worden war. Das Elfenmädchen konnte sich nicht vorstellen, wie viel Mühe es gekostet haben musste, sie zu errichten.
So langsam ergriff eine gewisse Nervosität Besitz von Aleksa, als sie darüber nachdachte, was sie dort in Dessaria erwartete. Sie wusste, dass eine Stadt eine Ansammlung vieler, vieler Häuser war, doch schon zehn Häuser am selben Ort überstiegen ihr Vorstellungsvermögen. Und dann erst die ganzen Bewohner, die es dort geben würde… Schon mit drei Elfen im selben Haus konnte es manchmal leicht unübersichtlich werden, wie Aleksa in den letzten Jahren immer mal wieder gemerkt hatte. In einer Stadt wie Dessaria würden es gleich mehrere hundert Lebewesen sein.
Als sie das Stadttor bereits deutlich ausmachen konnte, blieb Aleksa für einen Moment stehen. Für sie hatte die Nacht gerade erst begonnen, doch für fast alle, die in dieser Stadt lebten, musste wohl der Tag so gut wie vorüber sein. Hoffentlich würde sie um diese Zeit überhaupt noch jemanden antreffen, der ihr weiterhelfen könnte. Das Tor musste doch auch um diese Zeit bewacht sein, so hoffte die junge Nachtelfe. Sie würde einfach eine der Wachen ansprechen.
Das Schneegestöber wurde stärker, während sie die letzten mühsamen Schritte in Richtung Stadttor machte.
Gleich wäre sie da, bereit, die Frage zu stellen, die am Anfang ihrer Suche stehen sollte. Bereit, diese Stadt zu betreten und mit eigenen Augen zu sehen, was jetzt noch unvorstellbar für sie schien. Sie würde durch die Straßen gehen, Fremden begegnen, sich durch die vielen Häuser eingeschüchtert fühlen und sich schließlich irgendwo ein kleines Zimmer mieten, in dem sie sich für den Rest der Nacht aufwärmen und ausruhen könnte. Vielleicht würde es ihr sogar trotz der für sie ungewöhnlichen Zeit gelingen, ein paar Stunden zu schlafen. Immerhin waren die letzten beiden Tage so ungemütlich gewesen, dass sie an diesen deutlich zu wenig Schlaf bekommen hatte. Und morgen früh würde sie trotz der Sonne aufstehen, losgehen und versuchen, Informationen zu sammeln.
Unwillkürlich nickte Aleksa. Das war ihr Plan. Jetzt müsste sie nur noch irgendwie in diese Stadt reinkommen.
Sie hatte das Stadttor nun erreicht. Der Schnee fiel in immer größeren und dichteren Flocken. Es wurde langsam sogar schwer, die eigene ausgestreckte Hand zu sehen, wie das Elfenmädchen feststellte. Trotzdem fiel ihr etwas großes, dunkles ein Stück vor ihr auf. Was immer es sein mochte, es bewegte sich nicht. Doch da es direkt am Tor stand, hoffte Aleksa, es könnte sich um eine Wache handeln. Sie trat noch einen Schritt darauf zu. „Entschuldigung“, sagte sie dann laut und mit fester Stimme. „Mein Name ist Aleksa und ich habe eine lange und anstrengende Reise hinter mir. Ich bin auf der Suche nach jemandem, der sich mit Metall oder Waffen oder am besten gleich beidem auskennt. Könnten Sie mir vielleicht sagen, an wen in der Stadt ich mich da wenden muss und wo dieser Jemand zu finden ist?“
Dann verstummte Aleksa erstmal und hoffte. Sie hoffte, eine Antwort zu erhalten, in die Stadt gelassen zu werden und tatsächlich jemanden finden zu können, der ihr mehr über den Dolch erzählen konnte. Doch am meisten hoffte sie gerade, tatsächlich eine Wache angesprochen zu haben und nicht nur irgendeine Säule oder einen Baum.

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Sonntag 9. August 2015, 20:51

Es war kalt und eigentlich die falsche Jahreszeit, um eine Reise zu unternehmen. Vor allem zu Fuß war das ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt, den sie gewählt hatte. Doch sei es, wie es sei, nun war Aleksa einmal unterwegs und könnte noch immer umkehren, wenn sie es gewollt hätte.
Was nicht der Fall war, sodass sie nun einen Ort erreicht hatte, an dem sie womöglich ein warmes Zimmer und vielleicht sogar ein Bett frei von Ungeziefer erhalten könnte. Zumindest dann, wenn sie diese mächtigen Mauern passieren könnte, welche die Stadt umschlossen und wie eine Festung absicherten. Und wenn sie ausreichend Geld mit hätte. Schließlich konnte niemand sagen, wie sich derzeit die Preise hier gestalteten.
Obendrein würde sie auch erst, sollte sie hinein kommen, eine Herberge mit einem freien Zimmer für sich finden. Ansonsten stünde ihr eine weitere Nacht unter freiem Himmel und keine Gelegenheit zum richtigen Aufwärmen bevor. Nun ja, zur Not könnte sie morgen untertags, direkt vor Sonnenauf- oder nach deren Untergang, vielleicht eher hinein gelangen, sollte das Tor jetzt bereits geschlossen sein. Schließlich war vieles möglich, kannte die junge Frau diesen Ort und seine Sitten nicht.
Immer mehr waren Konturen der Siedlung zu erkennen, trotz des Schneegestöbers, das obendrein wie verabredet etwas schwächer zu werden begann. Es war ein wahrlich beeindruckender Anblick, die wuchtige Mauer rund um die Teile der Stadt, die nicht vom Gestein des Gebirges geschützt wurden. Und natürlich das große, breite Stadttor, eingeschlossen von zwei Türmen, die aussahen, wie zwei erhobene Finger, die jeden mahnen wollten, keine Gefahr darzustellen. Denn die Bewohner von Dessaria waren zwar vielleicht etwas kleiner als der Durchschnitt der Menschenrasse, aber sie waren äußerst wehrhaft.
Ob Aleksa viel über die Menschen hier wusste und vor allem über deren Vorurteile und Gebräuche? Nun, bald würde sie es feststellen können.
Wenige Schritte hatte die junge Nachtelfe machen können, als das Gestöber wieder stärker wurde und nur mit viel Glück konnte sie ihr Ziel erreichen, anstatt es aus den Augen zu verlieren. Endlich hatte sie es geschafft und versuchte, Aufmerksamkeit zu erregen. Der Wind blies ihr um die Ohren und verhinderte, dass sie weithin zu hören gewesen wäre, wie sie es sicherlich beabsichtigt hatte.
Trotzdem erhielt sie eine Reaktion, denn in Dessaria war man allzeit bereit, um ja keine Gefahr zu übersehen. Eine kleine Luke, etwa in Schulterhöhe von Aleksa, wurde von innen mit einem lauten Knall aufgeschoben. „Wer da? Wer will rein? Wie lautet das Zauberwort?“, brummte eine tiefe Stimme.
„Nicht Sesam, öffne dich, das ist öde!“, rief ein zweiter Kerl im Hintergrund, worauf grölendes Gelächter folgte. Es schien im Warmen eine fröhliche Runde zu sein, vielleicht sogar feuchtfröhlich, das konnte man von außen nicht ausmachen. Auch der Wächter an der Sichtluke brummte in seinen mächtigen Bart hinein, bevor er wieder ernst wurde.
Er konnte nicht viel erkennen, sonst hätte er sicherlich schon eine Bemerkung über seine angenehme Aussicht gemacht. So jedoch wartete er lediglich auf eine Antwort und wurde rasch ungeduldig, weil ihm die Kälte ins Gesicht blies. „Na, was ist? Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit!“, murrte er und blieb weiterhin bei seiner Muttersprache, da er zuvor nicht verstanden hatte, dass er auf celcianisch angesprochen worden war. Stattdessen vermutete er einen Heimkehrer und keine Reisende.
Wer wagte sich schließlich bei solch einem Sauwetter hinaus? Niemand, der bei klarem Verstand und keinen guten Grund dafür hatte!
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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Dienstag 18. August 2015, 20:43

Die dunkle Silhouette, die Aleksa zunächst angesprochen hatte, bewegte sich nicht. War da überhaupt etwas? Sie blinzelte, sah genauer hin – der Schnee machte es unmöglich, etwas zu erkennen. Dazu kam ihre Erschöpfung, die es ihr schwer machte, die Augen überhaupt offen zu halten. Doch es war kalt und genau deswegen musste sie jetzt alle Sinne einsetzen, um den entscheidenden Hinweis nicht zu verpassen, der ihr verraten würde, wie sie in die Stadt käme.
Es waren ihre Ohren, die das wichtige Signal lieferten. Bei dem plötzlichen Knall zuckte die Nachtelfe kurz zusammen, dann sah sie sich wachsam um und bemerkte schnell eine Luke im Tor, die gerade geöffnet worden sein musste. Sie trat näher an die Öffnung heran und beugte ihre Knie ein wenig, um ins Innere sehen zu können.
Ein Wächter mit dem wohl beeindruckendsten Bart, den Aleksa je gesehen hatte, sprach zu ihr. Seine Stimme war tief und brummig, aber nicht unfreundlich. Eine zweite Person rief aus dem Hintergrund dazwischen, dann sprach der Wächter wieder. Dieses Mal klang er jedoch ungeduldiger und ein wenig mürrisch. Es wäre wohl eine gute Idee, ihm möglichst schnell zu antworten. Doch ein Problem hatte Aleksa da: Von allem, was die beiden Menschen da drinnen gesprochen hatten, hatte sie kein einziges Wort verstanden.
„Mein Name ist Aleksa“, versuchte sie es deswegen nochmal. Jeder verstand Celcianisch, also musste das doch auch für diesen Mann da drinnen gelten, oder? Sie brauchte wirklich seine Hilfe. Es war eiskalt und sie war so erschöpft… Vielleicht sollte sie nochmal an sein Mitgefühl appellieren? „Ich bin sehr erschöpft von meiner langen und anstrengenden Reise“, fügte sie darum hinzu. „Darf ich bitte reinkommen?“ Ihre Stimme hatte schon fast einen flehenden Unterton. Was könnte sie noch sagen? „Ich komme in friedlicher Absicht“, fiel ihr noch ein und um diese Worte zu bekräftigen, trat sie einen Schritt von der Luke zurück und zeigte dem Mann ihre offenen Handflächen. Dann kam sie wieder näher, um eine Antwort verstehen zu können, sollte sie ihr gegeben werden.
Aleksa fühlte sich hilflos und ausgeliefert, wie sie da in der Kälte vor dem Tor stand und um Einlass bat. So hatte sie sich den Beginn ihrer Reise nicht vorgestellt. Doch sie hatte auch ihre ganze Entschlossenheit, die der Hilflosigkeit gegenüberstand und sie mit Kraft und Hoffnung erfüllte, während sie schwieg und die Reaktion ihres Gegenübers abwartete.

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Sonntag 30. August 2015, 21:08

Die junge Nachtelfe hatte sich eindeutig das falsche Wetter für ihre Reise ausgesucht. Nun ja, zumindest in der Hinsicht, dass man auch gerne sehen würde, wohin man ging und mit wem man sprach. Oder eher was… Denn in puncto Sonneneinstrahlung hatte sie Glück, dass die Tage sehr trüb waren und kaum Licht hindurchließen, sonst hätte sie nicht so bedenkenlos im Freien schlafen können, immer mit dem Risiko, sich unbewusst im Schlummer abzudecken und Verbrennungen riskieren zu müssen.
Doch das war theoretisch ohnehin kein Thema vorläufig mehr, da sie ihr Ziel erreicht hatte. Jetzt müsste sie lediglich noch hinein und zu einem Zimmer mit Bett kommen.
Also klopfen, Frage war nur, hatte sie auch an der richtigen Stelle geklopft? Oder würde sie nun bis zum Ende warten und keine Reaktion bekommen, weil sie ganz falsch stand? Wie lange sollte sie überhaupt hier ausharren, bis sie wüsste, dass sie weitergehen sollte oder nicht? Wer konnte ihr darauf Antwort geben? Oder würde der Schneesturm nachlassen, wenn sie Glück hätte?
Immerhin, ihr schienen die Götter ein wenig gewogen zu sein, denn plötzlich wurde in ihrer Nähe eine Luke geöffnet und jemand sprach sie an. Na bitte, sie war gehört worden! Wenn auch anscheinend nicht verstanden, denn die Antwort war genau das: unverständlich.
Schließlich hatte der Torwächter die Worte vorhin selbst nicht gehört, sondern nur das Klopfen und eine Stimme, weswegen er annahm, einen Heimkehrer vor sich zu haben. Der seine Sprache verloren zu haben schien, bis sich das Problem genauer erklärte.
Schon ungeduldig, brummte er in seinen wuchtigen Bart und hätte den Reisenden vermutlich wortkarg abgespeist, wäre die Stimme nicht eindeutig weiblich gewesen. Und gegen Damenbesuch hatten die Wächter nie etwas einzuwenden, denn so etwas versprach Abwechslung und sicherlich auch die ein oder andere angenehme Stunde. Soweit die Frau Gemahlin daheim nichts davon mitbekommen würde...
Doch dieses Risiko war es immer wert und somit gebrauchte der Torwächter sogar freiwillig das allgemeine Celcianisch, obwohl sein Akzent recht hart war und seine langsamere Sprechweise deutlich machte, dass er diese Sprache nicht oft benutzte. „So, so, in friedlicher Absicht? Und was willst du hier?“, brummte er.
Inzwischen waren die anderen, die sich kurzzeitig wieder in ihr Würfelspiel vertieft hatten, ebenfalls aufmerksam geworden. „Wer ist da?“, rief einer und lenkte die Aufmerksamkeit des Torwächters auf sich.
„Ein Weib, sagt, sie hätte ‘ne lange Reise gehabt.“, erklärte der.
„Sie kann sich gern bei mir aufwärmen.“, erwiderte der, der vorhin den Scherz mit dem Losungswort gemacht hätte, und wackelte auffordernd mit den Augenbrauen.
Der Torwächter grinste schmal und wandte sich wieder der offenen Luke zu. „Woher kommst du? Wie wissen wir, dass du uns nicht belügst? Wir sind für die Sicherheit aller Dessarier zuständig.“ Der letzte Satz war dazu da, um sich ein wenig brüsten zu können.
Vielleicht wäre das wirklich eine Käufliche und würde sich ihm als erstes zuwenden, weil er für das Tor zuständig war und sie herein gelassen hätte. Also wollte er sich ins rechte Licht rücken, einen Vorteil gegenüber seinen Kameraden haben.
„Red‘ nicht so viel und lass sie rein. Will sie sehen!“, murrte der, der sich bereits als Wärmer angeboten hatte, wurde diesmal allerdings ignoriert. Trotzdem blickte die gesamte Gruppe neugierig zum Torwächter und lauschte gespannt auf die Antworten.
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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Montag 31. August 2015, 19:30

Aleksa war erleichtert, als der Wächter ihr schließlich auf Celcianisch antwortete. Sein harter Akzent machte es für sie ein wenig schwer, ihn zu verstehen, doch da er langsam genug sprach, konnte sie jedes seiner Worte identifizieren, auch wenn sie bei einigen kurz nachdenken musste, was gemeint sein konnte. So konnte sie antworten: „Ich bin auf der Suche nach einem Menschen, der sich mit Metall oder Waffen auskennt, vielleicht sogar gleich mit beidem.“
Für einen Moment überlegte sie, ob sie den Dolch erwähnen sollte, doch sie entschied sich dagegen. Schon die Erwähnung von Waffen unterstrich ihre friedliche Absicht nicht unbedingt. Dann auch noch sofort zu sagen, dass sie welche bei sich trug, erschien ihr nicht besonders klug.
Stattdessen fügte sie hinzu: „Es gibt einige Informationen, die mir ein solcher Mensch geben könnte und die wichtig für mich wären. Also dachte ich, ich versuche mein Glück hier, denn in welcher Stadt kennt man sich wohl besser mit Metall aus als in Dessaria?“
Diese Worte betonten noch einmal das Metall und würden dem Wächter hoffentlich zeigen, dass es ihr tatsächlich nicht vordergründig um Waffen ging. Außerdem hoffte Aleksa, dass er eine gewisse Wertschätzung seiner Stadt heraushören würde, die ihn vielleicht ebenfalls freundlicher stimmen könnte.
In der fremden Sprache, in der er auch zu Beginn gesprochen hatte, tauschte der Mann einige Worte mit den anderen aus. Hätte sie die Worte verstanden, wäre sie wohl etwas nervös geworden, doch so fühlte sich Aleksa durch den fröhlichen Klang der Stimmen beruhigt. Vielleicht besprachen sie, ob sie sie hereinlassen sollten? Da niemand ablehnend klang, wuchs ihre Hoffnung noch weiter.
Schon wandte sich der Wächter mit einem schmalen Grinsen wieder der Nachtelfe zu und stellte ihr noch zwei Fragen. Die nach ihrer Herkunft beschloss Aleksa zunächst zu ignorieren. Immerhin war ihr Weg hierher nur zweieinhalb Tage lang gewesen. Für sie als ungeübte Reisende und vor allem auch bei dem Wetter war das zwar viel gewesen, doch ob auch die Menschen dort drinnen dies als lange Reise ansehen würden, war fraglich. Sie hoffte, das Mitgefühl der Wächter mit ihr könnte vielleicht größer sein, wenn sie dachten, sie käme möglicherweise von weiter her. Also ließ sie diese Frage offen und tat so, als hätte sie sie überhört.
Stattdessen antwortete sie gleich auf die zweite: „Sicher sein könnt ihr euch nicht, denn ich wüsste nicht, wie ich meine Absichten beweisen könnte. Was ich euch geben kann, ist mein Wort, dass ich Streitigkeiten aus dem Weg gehen werde und niemanden verletze, der mich nicht zuerst verletzt.“
Dann warf sie ihre Pläne, nichts von dem Dolch zu erzählen, über den Haufen und fuhr fort: „Nehmt es als Zeichen meiner Ehrlichkeit, dass ich euch sage, dass ich bewaffnet bin. Ich habe zwei Dolche und eine Peitsche bei mir, aber nicht, weil ich vorhabe, sie zu benutzen. Sie waren auf meiner Reise zu meinem Schutz bestimmt.“
Nach einer winzigen Pause, die ihren Worten Nachdruck verleihen sollte, setzte sie noch hinzu: „Ich schwöre, dass ich nicht die Absicht habe, irgendjemanden zu verletzen.“
Auf den letzten Satz des Wächters ging sie nicht ein, doch sie hatte ihn mit einem Nicken zur Kenntnis genommen. Selbstverständlich war die Sicherheit der Dessarier ihr Zuständigkeitsbereich, sie waren schließlich die Wachen. Und sie nahmen ihren Beruf offenbar ernst – durch dieses Tor kam scheinbar nicht jeder. Aleksa respektierte, ja bewunderte diese Gewissenhaftigkeit, mit welcher ihr Gegenüber ihre Absichten trotz der späten Uhrzeit hinterfragte. Doch zur selben Zeit wünschte sie sich, er wäre ein bisschen weniger gründlich, denn mittlerweile hatte sie trotz ihrer warmen Kleidung zu zittern begonnen und es fehlte nicht viel, dann würden sogar ihre Zähne zu klappern beginnen. Die Kälte machte es schwer, sich zu konzentrieren, und ließ sie ständig an eine warme Mahlzeit, eine dicke Decke oder anderen Luxus denken, den sie wohl nur in der Stadt erhalten könnte. Gerade hatte sie nicht mal die Möglichkeit, sich warmzuhalten, indem sie auf- und abging. Schließlich konnte sie dieses wichtige Gespräch wohl kaum unterbrechen.

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Sonntag 4. Oktober 2015, 12:34

Da es sich um eine Reisende handelte, die hier Einlass in die Stadt begehrte, und diese offensichtlich der ortsansässige Sprache nicht mächtig war, war der Wächter notgedrungen in das allgemeine Celcianisch gewechselt.
Die Antwort jedoch, die er bekam, ließ ihn laut und dröhnend lachen, als hätte diese Frau den besten aller Witze gemacht. Das rief natürlich seine Kameraden, die nun noch neugieriger geworden waren, unruhig werden.
„Was ist los?“, fragte auch schon der Erste, da sie dem Gespräch lediglich einseitig folgen konnten.
„Was hat sie gesagt?“
„Red schon, Mann!“
„Glaubt sie, du hast einen großen…“ Diese Frage konnte nur von einem kommen und musste nicht vollständig ausgesprochen werden.
Endlich hörte ihr Kamerad auf zu lachen und wandte sich den anderen Männern zu. „Sie hat gefragt, ob es hier einen Menschen gibt, der sich mit Metall und Waffen auskennt.“, gab er weiter und bekam erneut einen, wenngleich um einiges kürzeren, Lachanfall.
Die anderen stimmten darin ein, denn wenn Dessaria für etwas bekannt war, dann dafür, dass es hier lauter Menschen gab, die sich mit den beiden genannten Dingen auskannten. Sie lebten schließlich davon und hatten es schon längst zur Meisterschaft gebracht!
Schließlich widmete sich der Wächter wieder der Reisenden. „Schätzchen, wenn du keinen Namen hast, dann suchst du hier die Nadel im Heuhaufen.“, erwiderte er und schüttelte den Kopf.
Was sollte er von ihr nur halten? Ihre Begründung für ihre Anwesenheit klang so unschuldig naiv, dass sie beinahe glaubwürdig wirkte. Aber war es klug, dem zu glauben? Schließlich waren mögliche Feinde und Spione geschult darin, einen falschen Eindruck zu erwecken. Der Soldat war skeptisch, schließlich hatte er auch etwas an Lebenserfahrung bislang sammeln können. Die Schmeichelei, die viel zu offensichtlich war, überging er dadurch auch glatt, und schüttelte den Kopf, was man draußen jedoch nicht sehen könnte.
„Welche Informationen sollen das sein?“, hakte er nach und sein Misstrauen wuchs bei solch einer Aussage.
„Vielleicht sucht sie den Händler, der ihr ein Brotmesser verkauft hat, das sie für ein Fleischmesser gehalten hat?“, spekulierte einer der Männer, woraufhin die anderen wieder lachten. Nur der Torwächter hatte dafür lediglich ein müdes Grinsen übrig, da er lediglich mit einem halben Ohr zugehört hatte.
Denn ihm war nicht entgangen, dass sie ihren Herkunftsort verschwieg, was bei ihm nicht sonderlich gut ankam. „Aha, der nicht dich zuerst verletzt? Was hast du vor? Bist du so trinkfest?“, bohrte der Wächter weiter und murrte unwillig bei ihrer Eröffnung, so sehr es auch der Wahrheit zu entsprechen schien, sonst wäre sie nicht so dumm gewesen, das zu erwähnen.
„Jetzt lass sie endlich rein, Evrard. Es ist kalt draußen.“, hatte endlich einer der Soldaten Mitleid mit der Reisenden.
Der Angesprochene jedoch schnaubte und gab zu bedenken:„Sie hat Waffen bei sich.“
Der Anzügliche grinste von einem Ohr zum anderen und rieb sich schon jetzt die Hände. „Na, dann müssen wir sie gründlich durchsuchen.“
„Und wenn sie hässlich wie die Nacht ist, machst du das alleine, wie?“, kam es sofort als Konter zurück und wieder wurde gelacht. Nur Evrard nicht, der blieb ernst und überlegte.
Es war seine Verantwortung, egal, wie er sich entschied, er hatte Dienst und das war auch aktenkundig. Wenn er ein potentielles Risiko herein ließ, würde er zur Rechenschaft gezogen werden, sollte er die Reisende hingegen draußen in der Kälte lassen, könnte er womöglich ein Leben gefährden. Welche Möglichkeit er auch wählte, sie hatte immer einen Haken.
Schließlich schnaubte er, als ihm sein ältester Kamerad, mit dem ihm auch eine gewisse Freundschaft verband, auf die Schulter klopfte. „Lass sie rein und wir sehen sie uns an. Dann können wir ihr den weiteren Weg noch immer verbauen, sollte sie uns suspekt sein.“, riet er Evrard.
Dieser presste kurz die Lippen zusammen, ehe er nickte. „Gut.“, brummte er und machte sich daran, das schwere Schloss zu betätigen.
Es hatte mehrere Phasen und bevor er die letzte angehen konnte, musste er die Sichtklappe zuschlagen. Das geschah mit einem dumpfen Rums und die Sekunden danach mussten endlos erscheinen, ehe das Tor sich allmählich einen Spalt breit öffnete. Licht sickerte heraus in das Schneetreiben und beinahe so etwas wie der Hauch von Wärme.
„Los, komm rein, ehe uns hier der Arsch abfriert.“, murrte Evrard, als das Mädchen erneut nicht schnell genug nach seinem Geschmack reagierte.
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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Mittwoch 7. Oktober 2015, 17:49

Langsam verunsicherte das Verhalten der Wachen Aleksa. Immer wieder tauschten sie Worte auf dieser fremden Sprache aus, mit der sie überhaupt nichts anfangen konnte, und lachten. Am Anfang hatte sie gehofft, die Männer wären einfach nur freundlich und gut gelaunt, doch nach und nach beschlich sie das Gefühl, dass sie sich vielleicht eher über sie und ihr Auftreten lustig machten.
Als ihr Gegenüber jedoch wieder das Wort an sie richtete, war sie erleichtert. Die Anrede „Schätzchen“ gefiel ihr nicht wirklich, aber sie war etwas, das sie noch problemlos übergehen konnte. Und immerhin wusste sie jetzt, was die Belustigung dieses Mal ausgelöst hatte. Ein Name. Nein, sie hatte keinen Namen, sie suchte ja keine bestimmte Person. Die Nadel im Heuhaufen suchte sie also auch nicht. Viel eher hatte sie gehofft, eine einzige Nadel auf dem Boden zu finden, und war auf eine ganze Box voll mit Nadeln gestoßen. Je mehr Metallexperten es hier gab, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass ihr einer davon tatsächlich weiterhelfen konnte. Die Worte des Wächters bestärkten sie in ihrem Vorhaben, statt sie zu verunsichern.
So zögerte sie auch nicht lange, als ihr Gegenüber fragte, um was für Informationen es gehe. „Ich habe diesen Dolch bei mir“, antwortete die junge Nachtelfe. In ihrer Stimme lagen plötzlich so viele Emotionen, Trauer, Aufregung, Ungeduld… Sie musste erst einmal schlucken, bevor sie nachdrücklich fortfuhr: „Ich muss alles wissen, was es über diesen Dolch zu wissen gibt. Woher er kommt, woraus er besteht, von wem er gemacht wurde. Wem er gehört hat, wenn mir das jemand sagen kann.“ Dann musste sie aufhören zu sprechen, bevor ihr noch Tränen in die Augen stiegen. Diese ganze Geschichte mit ihren Eltern nahm sie einfach noch so sehr mit. Sie konnte nicht anders, als den Menschen zu finden, der ihnen das angetan hatte. Und sie war gerade auf dem Weg, das zu tun. Jetzt musste sie nur in diese Stadt.
Einmal atmete sie noch tief durch, dann zwang sie ihre Gedanken dazu, sich wieder ganz der aktuellen Situation zuzuwenden. Der Wächter stellte ihr noch einige Fragen. Die nach ihrer Trinkfestigkeit irritierte sie etwas, aber sie wusste genug über Dessaria, um zu wissen, welche Rolle Alkohol hier spielte. Vielleicht war es also einfach eine ganz normale Frage an einem Ort wie diesem. „Wenn mich jemand angreift, werde ich mich selbstverständlich verteidigen“, versuchte sie ihre Einstellung zu erläutern. „Ich werde mich aber bemühen, niemandem einen Grund dazu zu geben. Streitigkeiten werde ich aus dem Weg gehen, so gut es geht.“
Sie hoffte, dass diese Worte nun reichen und die Fragen ausführlich genug beantwortet haben würden. Tatsächlich redeten die Wachen nochmal in der ihr unbekannten Sprache miteinander, sagten aber nichts mehr zu Aleksa. Ihr Gesprächspartner machte stattdessen irgendetwas, doch sie konnte durch die kleine Klappe nicht sehen, was. Ob er vielleicht das Tor öffnete? Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein…
Als hätte er dies über seine Tätigkeit ganz vergessen und als wäre es ihm nun plötzlich wieder eingefallen, schloss der Wächter die Sichtklappe auf einmal und ließ die Elfe mit dem lauten Geräusch und der Kälte allein im Schneetreiben stehen. Nun war der entscheidende Augenblick gekommen. Würde gleich das Tor aufgehen oder müsste sie wieder gehen? Sich nach einem neuen Ort in der Kälte umsehen, der sie für einen Tag vor Schnee und Licht schützen könnte? Ein neues Reiseziel finden? Die Sekunden schienen nicht vergehen zu wollen und Aleksa wurde draußen immer nervöser. Wie lange konnte es denn dauern, ein einfaches Tor zu öffnen? Sie wollte schon fast die Hoffnung aufgeben und wieder gehen, als der Wächter es geschafft hatte. Licht fiel nach draußen, ließ den Schnee glänzen und die junge Elfe lächeln. Es sah so einladend aus, so gemütlich und warm und es war so nah… Für sie als Nachtelfe war Licht normalerweise kein gutes Zeichen, aber dieses eine Mal war es das beste, das sie sich wünschen konnte.
Sie holte Luft, um zu fragen, ob sie hereinkommen dürfte. Der Wächter forderte sie auf, einzutreten, noch bevor sie etwas sagen konnte. Statt der Frage kam nun nur ein leises „Danke“ über ihre Lippen, als sie die letzten Zentimeter zwischen sich und dem Tor hinter sich brachte und dann endlich eintreten konnte, hinein in die Helligkeit und in die Wärme.

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Samstag 5. Dezember 2015, 19:33

Die Dessarianer waren an sich durchaus ein lustiges Völkchen und konnten auch den ein oder anderen Witz ihresgleichen über sich vertragen. Allerdings brauchten auch Fremde ein gewisses dickes Fell und genügend Verstand, um so etwas nicht selbst zu versuchen, denn es würde ihnen schlecht bekommen. So sehr sich die Bewohner gegenseitig necken und sogar Dinge bis unter die Gürtellinie sagen konnten, wehe dem Außenstehenden, der das ebenfalls täte, da waren sie alle wie Geschwister. Untereinander durchaus uneins bis hin zu gemein, aber gegen alle anderen wie eine eiserne Mauer zusammenhaltend.
Trotzdem waren sie nicht boshaft zu bezeichnen und konnten, wenn es für sie einen gewissen lohnenden Anreiz gab, sogar recht hilfsbereit Fremden gegenüber werden. Ob das auch für Aleksa gälte, würde sich noch zeigen.
Vorerst jedoch dauerte es, bis sich der Wächter durch all die Frotzeleien und gut gemeinten Ratschlägen eines der älteren Männer zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Und diese fiel positiv für die späte Besucherin aus, denn er öffnete die Tür und forderte sie beinahe schon unwirsch auf, gefälligst auch einzutreten, wenn er sich schon dazu bereit erklärte. Als sie das befolgte, brummte der Soldat nur zu ihrem Dank, und schloss hastig hinter ihr wieder die Öffnung, um die Kälte und den Schnee auszusperren.
In der Zwischenzeit konnte die junge Nachtelfe sowohl die Wächterstube, die erstaunlich großzügig war, als auch deren derzeitige Bewohner in Augenschein nehmen. Der Raum war ein langgezogenes Rechteck bis zu einer weiteren, geschlossenen Holztür, folgte in seiner Form also der Stadtmauer, die diese Kerle zu bewachen hatten, zumindest einen kleinen Abschnitt lang. Die Verbindungstür führte indes zu einem kleinen, schmalen Gang, in dem es sowohl eine Treppe hinauf, als auch einen Zugang zur Stadt selbst gab, und auf der anderen Seite zur nächsten Wachstube führte. In dieser hier gab es an Mobiliar ausreichend Stühle, zwei Tische, drei Betten, eine kleine Kochstelle, auf der sich die Männer in langen Nächten Wasser wärmen oder etwas kochen konnten, wenn ihre Fähigkeiten dazu reichten. Lampen erhellten den Raum ausreichend und zwei Eimer, mit kaltem Wasser gut gefüllt, waren für einen Brandnotfall ebenfalls bereitgestellt. An Geschirr gab es einfache Schalen und Becher aus Holz, welche die Männer selbst zu reinigen hatten. Lediglich zum allgemeinen Saubermachen kamen einige Frauen aus der Stadt einmal pro Woche untertags her.
Die Soldaten indes waren allesamt zwar gerüstet, trugen jedoch keinen Helm. Diese waren neben der Verbindungstür gestapelt, ebenso wie einige Waffen, Hellebarden, Pfeil und Bogen, auch Schwerter, und natürlich Fackeln, um Feuerzeichen als Signale auf den Zinnen der Stadtmauer geben zu können, sollte dies notwendig sein. Die Kerle selbst waren unterschiedlichen Alters, wenngleich alle recht robust und stämmig gebaut, manche schon angegraut und die Haut von der Arbeit an der Sonne gefärbt. Einige trugen wuchernde Bärte, andere hatten diese wohl erst kürzlich stutzen lassen, doch keiner hatte vollständig auf diesen männlichen Körperschmuck verzichtet. Schmutzig waren sie nicht zu nennen, aber so gut wie alle hätten ein längeres Bad in sauberem Wasser und Seife vertragen können. Es war allerdings fraglich, ob sie solch einen Luxus zu schätzen wüssten. Was ebenfalls allen zu eigen war, war ihre geringe Körpergröße, die bei weitem nicht an die von Aleksa heranreichte.
Neugierig musterten sie den späten Gast, lediglich der ältere Soldat, der für ihren Einlass gesprochen hatte, nickte ihr grüßend zu. Während der Wachmann, der ihr geöffnet hatte, leise vor sich hin brummte, als er dennoch gastfreundlich einen Becher mit warmen Met füllte und ihr kurzerhand in die klammen Hände drückte.
„Da, trinkt, und setzt Euch.“, sprach er murrend, wenn auch etwas höflicher, jetzt, wo er die Frau im Licht sah. Diese war keine Käufliche, das sah man, aber ihre Worte hatte er nicht vergessen. „Zeigt uns einmal den Dolch.“, forderte Evrard dann und warf seinem älteren Kameraden einen vielsagenden Blick zu. „Wir haben einige Erfahrung und wissen vielleicht schon weiter.“, fügte er erklärend hinzu, obwohl mit dem Hintergedanken, dass er dadurch ihren Besuch in der Stadt selbst hinauszögern oder sogar verhindern könnte, ohne dabei lügen zu müssen.
Denn wenn sich jemand mit Waffen auskennen musste, dann waren es nicht nur die Schmiede, sondern auch die Träger. Und Dolche besaß fast jeder in der Stadt und hütete sie sorgsam, da sie mitunter lebenswichtig sein konnten. Auffordernd deutete der Wächter auf den Tisch, als Zeichen, sie solle die Waffe dorthin legen, damit sie alle in Augenschein nehmen könnten.
Neugierig waren die Männer allemal, das konnte man ihren Mienen deutlich entnehmen. Wenngleich nicht alle an der Waffe, sondern manche vielmehr an der groß gewachsenen, schlanken Trägerin, die so überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihren Geschlechtsgenossinnen vor Ort besaß.
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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Freitag 11. Dezember 2015, 17:41

Der Raum, den Aleksa nun betrat, war deutlich größer, als sie erwartet hätte. Die Dicke der Stadtmauer begrenzte ihn zwar wie erwartet, doch er erstreckte sich auch in der Länge der Mauer ein nicht zu geringes Stück, sodass einiges Mobiliar hineinpasste. Luxuriös war das hier zwar nicht zu nennen, doch auch nicht ungemütlich. Viel Aufmerksamkeit für den Raum hatte die junge Nachtelfe jedoch nicht übrig, sodass das auch das einzige war, was sie feststellte. Deutlich mehr interessierten sie die Menschen, die in diesem Raum waren. Schüchtern ließ Aleksa ihren Blick über die Dessarianer streifen, von denen es hier eine ganz beachtliche Anzahl gab. Zumindest hatte die Elfe noch nie so viele Personen an einem Ort gesehen. Diese hier waren allesamt männlich und trugen Rüstungen und Bärte, was sie auf eine gewisse Weise noch einschüchternder wirken ließ. Dass sie deutlich kleiner als Aleksa waren, machte es etwas besser, doch sie würde sich trotzdem ganz sicher nicht mit ihnen anlegen. Immerhin waren die Waffen neben einer Tür gestapelt, wodurch sich die Nachtelfe ein bisschen besser fühlte. Offenbar wurde sie nicht sofort als gefährlich eingeschätzt. Das sollte doch schon mal ein gutes Zeichen sein, oder?
Sie atmete ein wenig erleichtert aus und wurde sich erst dadurch bewusst, dass sie beim Eintreten die Luft angehalten hatte. Einer der älteren Wächter nickte ihr zu, die anderen starrten sie nur an. Immer noch sehr schüchtern nickte Aleksa zurück, auch wenn es ein ruckartiges, hastiges Nicken war, das den Eindruck erweckte, sie wolle die Begrüßung nur schnell hinter sich bringen. Es waren einfach so viele Leute hier, so viele… Eine warme Berührung an ihren Händen riss die junge Elfe aus ihren angstvollen Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Ja, es waren viele Menschen in diesem Raum, doch das sollte sie eigentlich nicht weiter stören. Sie hatte ein Ziel und das würde sie nun verfolgen. Diese Menschengruppe war nur die erste von vielen, denen sie sicherlich noch begegnen würde. Sie musste nur konzentriert bleiben und sich überlegen, was sie als nächstes zu tun hatte.
Es war ein Becher mit warmem Met, den sie nun hielt. Der Wächter, der Aleksa hineingelassen hatte, forderte sie nun dazu auf, zu trinken und sich zu setzen. Noch einmal sagte sie leise „Danke“, sah sich nach einem freien Stuhl um und setzte sich, als sie einen gefunden hatte. Den Becher hielt sie mit ihren beiden behandschuhten Händen fest umklammert. Die Wärme des Inhalts drang durch den Becher und durch den Stoff, sodass es sich anfühlte, als würden ihre eiskalten Finger ganz langsam wieder auftauen. Der Geruch, der von der Flüssigkeit aufstieg, erinnerte die junge Nachtelfe an Abende in Teros Küche. Tero selbst hatte eigentlich nie Met gehabt, doch ab und zu hatte einer der seltenen Besucher welchen mitgebracht, den sie dann immer zu dritt getrunken hatten. Meistens gab es dazu noch irgendwelche seltenen Speisen, die der Besuch ebenfalls mitgebracht hatte. Diese Abende waren die schönsten und interessantesten gewesen. Und nun war sie die Besucherin, saß in der Stube anderer Menschen, war diejenige, deren Geschichte im Mittelpunkt stand. Ein ganz zaghaftes Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, als sie aufsah und die Wächter ansah, deren neugierige Blicke wiederum auf ihr lagen.
Sie zögerte nicht lange, als sie gebeten wurde, den Männern den Dolch zu zeigen. Ihre Umhängetasche hatte sie über der linken Schulter, also ließ sie mit der linken Hand den Becher los, um die Schulter so zu senken, dass die Tasche herunterrutschte. Mit einer etwas ungeübt wirkenden Bewegung fing sie sie nun mit ihrer linken Hand auf. Obwohl sie das schon oft gemacht hatte, würde es nie so elegant und fließend wirken, wie es sich Aleksa gewünscht hätte. Daran war einfach ihr verdammter Arm Schuld. Für einen Moment wurde ihr Blick hart, als sie daran dachte, woher die Verletzung kam, die an all dem schuld war. Doch dieser Moment des Innehaltens dauerte kaum lange genug an, um bemerkbar zu sein. Sie würde den Verantwortlichen finden, das war es, was jetzt zählte.
Die junge Nachtelfe stellte die Tasche neben sich auf den Boden und öffnete sie. Viel war nicht darin, also konnte sie sofort mit einer gezielten Bewegung den Dolch herausholen. Er lag schwer in ihrer Hand und sie konnte ihn nicht schnell genug auf den Tisch vor sich legen. Am liebsten hätte sie ihn nie wieder berührt, immerhin waren mit dieser Waffe ihre Eltern ermordet worden. Doch sie musste es tun, wieder und wieder. Er war ihr einziger Anhaltspunkt, ihre einzige Spur in dieser großen Angelegenheit. Und nun würde sich herausstellen, ob es reichte oder ob sich die Spur im Leeren verlaufen würde.
Daran, die Wächter direkt zu fragen, hätte Aleksa eigentlich auch vorher denken können. Sie würden zwar sicher nicht wissen, wem dieser Dolch einst verkauft worden war, doch vielleicht würden sie etwas anderes erkennen können – das Metall, die Bedeutung der Verzierungen, womöglich sogar das Handwerk eines bestimmten Schmieds. Erwartungsvoll musterte sie die Dessarianer, die ihr nun Auskunft geben könnten. „Irgendwelche Ideen?“, fragte sie leise und dann, als ihr auffiel, wie unhöflich und fordernd diese Worte klingen mussten: „Ich wäre… Ich wäre wirklich für jede noch so kleine Information dankbar, die ich bekommen könnte.“ Dann verstummte sie wieder und nahm zwei Schlucke vom Met, der sie so nun auch von innen zu wärmen vermochte.

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Sonntag 24. Januar 2016, 20:13

Erst, wenn man in eines der Wachzimmer kam oder auf den Zinnen seine Patrouillen abschritt, konnte man ermessen, wie dick die Stadtmauer war, die um Dessaria gebaut worden war. Besser gesagt, an der einzigen zugänglichen Stelle errichtet worden war, aus massiven Gestein, da ansonsten Berge eine natürliche Grenze bildete. Einerseits war dieser Schutz sehr zuverlässig und stets beruhigend, andererseits hinderte es die Stadt gleichzeitig daran, weiter anzuwachsen und sich auszubreiten. Überzählige Bewohner mussten sich entweder damit abfinden… oder Ideen haben für einen Ausbau, um nicht zum Wegziehen gezwungen zu werden.
Und die Dessarianer waren äußerst sesshafte Leutchen, die schon manches vollbracht haben, um in der Heimat bleiben zu können. Etwas, das Aleksa vielleicht noch zu sehen bekäme, sollte sie diese Hürde bewältigen und weiter ziehen können.
Doch zuerst musste sie sich all den Wachleuten stellen, von denen die meisten sie mehr als neugierig ansahen, der ein oder andere sogar etwas zu deutlich musterte. Die Älteren dieser Männer waren verheiratet, die anderen versprochen oder noch auf der Suche, aber das bedeutete trotzdem nichts, da sich viele gerne nach hübschen Mädchen umdrehten. Und dass Aleksa nicht nur größer, sondern auch graziler, sehr jung und auch lieblich war, war ihr die Aufmerksamkeit sicher, ungeachtet dessen, ob sie das als Vorteil für sich verwenden könnte oder nicht wüsste, wie.
Dass sie allerdings die Anzahl an Wachsoldaten schon als viel erachtete, war kein gutes Zeichen, denn in den Gassen der Stadt wimmelte es noch viel stärker. Doch das war etwas, worüber sie sich später würde Gedanken machen müssen. Über ihre Einschätzung als Feind oder nicht darüber schon eher.
Noch waren die Waffen gestapelt, aber diese Männer waren kräftig genug und so zahlreich, dass sie mit einer einzelnen, jungen Nachtelfe sicherlich auch ohne Hilfsmittel fertig werden könnten. Sonst hätten sie Aleksa auch niemals herein gelassen, wenn sie sich nicht sicher sein konnten, einen doch potenziellen Feind in ihrer Stube überwältigen zu können.
Allerdings sollte man ihnen nicht nachsagen können, sie wären ungastlich. Also wurde ihr ein Becher mit warmen Met gereicht… oder eher in die Hände gedrückt, so steif, wie sie nun dastand und offensichtlich die Eindrücke, die sich ihr hier boten, erst einmal verarbeiten musste. Ihr leiser Dank wurde mit einem weiteren Nicken des Ältesten in der Runde und von einem leisen Brummen ihres Toröffners quittiert, ehe sie sich setzen konnte.
Es war gar nicht so leicht, sich mit dieser neuen, unerwartet positiven Situation zurecht zu finden. Währenddessen machte sich allmählich leise Unruhe breit, denn es wurde gewartet, was diese ungewöhnliche Besucherin hierher geführt hatte, was es mit dem angekündigten Dolch auf sich haben mochte. Ein wenig wurde gescharrt, einer räusperte sich und ein anderer schniefte kurz, doch ansonsten wurde nicht gesprochen, sondern die Frau nicht aus den Augen gelassen. Da war es sicherlich von Vorteil, dass sie den Grund ihres Besuches rasch offenbarte, indem sie die fein geschmiedete Waffe auf den Tisch legte.
Währenddessen aber hatte sie ein wenig Mühe, aufgrund der Verletzung, die noch nicht vollständig verheilt war. Das wäre noch nicht aufgefallen, vor allem nicht den Jüngeren, ihr veränderter Blick hingegen blieb nicht unbemerkt. Es war der Älteste von ihnen, der geschult genug war, um auf alle Nuancen, mochten sie noch so hauchdünn sein, in seinem Umfeld zu achten. Er hatte ausreichend Lebenserfahrung, auch, um zu wissen, dass jetzt nicht der rechte Zeitpunkt war, um darauf aufmerksam zu machen. Jedoch würde er es sich merken.
Jetzt erst einmal galt es, den Dolch zu betrachten und vielleicht dabei herauszufinden, von wem er gefertigt worden war. Sofern es dafür Anhaltspunkte gäbe, wie eine besondere Fertigungstechnik, das Material oder gar eine Signierung, die bekannt wäre. Alle anwesenden Köpfe beugten sich über den Tisch, die einen tiefer, die anderen etwas dezenter. Sofort wurde durcheinander gesprochen, natürlich in der Heimatsprache und somit für die Besitzerin der Waffe absolut unverständlich. Immer wieder wollte eine vorwitzige Hand danach greifen und den Dolch für sich beanspruchen, um ihn zu begutachten, wurde aber mit einem zeitweise sanfteren, dann wiederum härteren Schlag auf die Finger zurück gewiesen.
Solange, bis sich die Aufregung ein wenig legte und man dem Fachmann unter ihnen Raum und Wort überließ. Es war der Älteste, der mit grüblerischer Miene da stand und eindeutig über den Gegenstand nachsann. Immer mehr Augenpaare richteten sich auf ihn, das Getuschel ebbte ab, freiwillig oder dank Rippenstöße, bis sich angespannte, erwartungsvolle Stille über den Raum senkte.
Seine Augen verengten sich ein wenig und er schien drauf und dran, die Hand auszustrecken, um den Dolch an sich zu nehmen. Doch er tat es nicht, rührte sich nicht und schien kaum noch zu atmen. Sein Gesicht verschloss sich, viel offensichtlicher wurde sein Blick abweisend als zuvor bei der Nachtelfe.
Dann hob er abrupt seinen Kopf und sah die Fremde durchdringend an, so, als wolle er bis in ihre Seele vordringen und dort zusammenpressen, um jeden Tropfen Information aus ihr heraus zu bekommen. „Wo habt Ihr ihn her?“, flüsterte er so leise, dass man es eigentlich nicht hätte hören können, wäre auch nur ein Atemzug in dem Raum gemacht worden. Die Spannung, die in der Luft lag, wurde noch stärker, obwohl keiner wusste, was genau diesen einen Mann zu dieser Reaktion bewegte.
Lediglich der heutige Torwächter, Evrard, bekam eine Ahnung, die alles andere als positiv, sondern regelrecht unheilvoll war. Ein Ausbruch oder Gefahr wäre nicht zu erwarten, allerdings auch nichts Gutes.
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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Aleksa » Montag 29. Februar 2016, 18:14

Aleksa blieb ruhig auf ihrem Platz sitzen, nachdem sie den Dolch auf den Tisch gelegt hatte. Weniger ruhig blieben die Wächter, die augenblicklich durcheinanderzureden begannen, noch immer in dieser Sprache, von der die Nachtelfe kein Wort verstand. Es war offensichtlich, dass die Waffe das Interesse der Dessarianer geweckt hatte.
Als einer von ihnen Anstalten machte, nach dem Dolch zu greifen, fühlte sich Aleksa noch etwas angespannter als ohnehin schon. Einerseits hätte sie nichts dagegen, wenn jemand den Dolch berühren würde. Er lag schließlich mit einer Seite auf dem Tisch, sodass diese nicht sichtbar war. Vielleicht wäre aber auf der Rückseite der entscheidende Hinweis zu finden und dann könnte es nur gut sein, wenn jemand die Waffe anfassen würde, um sie umzudrehen oder von allen Seiten richtig betrachten zu können. Andererseits hätte es die junge Nachtelfe beruhigt, wenigstens gefragt zu werden, bevor einer der Anwesenden auf eine solche Idee kam. Immerhin war dieser Dolch in ihrem Besitz und war die einzige Spur, die sie zum Mörder ihrer Eltern führen könnte. Das machte ihn für sie zu einem unschätzbar wertvollen Gegenstand. So ungern sie ihn selbst berührte, so ungern hätte sie ihn auch in den Händen einer anderen Person gesehen, besonders, wenn sie diese Person erst seit wenigen Minuten kannte.
Doch ihre Anspannung stellte sich als unbegründet heraus, denn ein anderer Dessarianer schlug dem Neugierigen auf die Finger, bevor diese der Waffe auf dem Tisch zu nahe kamen. Das passierte noch mehrmals und mit jedem Mal blieb Aleksa ruhiger. Nur mit den Geschlagenen bekam sie teilweise Mitleid, wenn der Schlag etwas heftiger zu sein schien. Gleichzeitig allerdings war sie beinahe dankbar, dass die Wächter sich gegenseitig davon abhielten, den Dolch zu berühren.
Sie fragte sich, weshalb sie sich so verhalten mochten. War es einfach Höflichkeit oder gab es einen anderen Grund, aus dem man mit diesem Dolch besser nicht in Kontakt kommen sollte? Konnten durch Berührung vielleicht Spuren vernichtet werden? Die Elfe hoffte inständig, dass dem nicht so war. So viele Male hatten sie und Tero diese Waffe bereits in der Hand gehalten, dass sonst sicher nichts sinnvolles mehr am Dolch erkennbar wäre.
Schließlich ebbte das unverständliche Gespräch ab. Als es nach und nach leiser wurde, sah Aleksa auf, blickte von einem Wächter zum nächsten und flehte innerlich, sie mögen ihr einen brauchbaren Hinweis geben. Sie folgte den Blicken der anderen, die ihre Augen auf einen ganz bestimmten Wächter gerichtet hatten. Er sah aus, als würde er zu den ältesten Personen in diesem Raum zählen. War das der Grund für das Schweigen und Warten der anderen? War er derjenige mit der meisten Erfahrung oder dem meisten Wissen? Sein nachdenklicher Blick haftete jedenfalls noch immer am Dolch.
Mit einer plötzlichen Bewegung hob er den Kopf und sah nun die Nachtelfe an. Sie war nie besonders schreckhaft gewesen, doch die Bewegung kam so abrupt, dass sie leicht zusammenzuckte. Der Blick in den Augen des Dessarianers trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Er war so durchdringend, dass Aleksa ihm nicht lange standhielt und selbst lieber wieder auf den Dolch sah. Hatte sie etwas falsch gemacht?
Als der alte Dessarianer nun die Stimme erhob, war sie nicht mehr als ein leises Flüstern. Dennoch verliehen die nächsten Momente der Situation noch mehr Intensität und Spannung, als ohnehin schon in der Luft lag. Nicht nur die junge Elfe, sondern auch alle anderen Anwesenden schienen sich zu fragen, weshalb er auf diese Weise reagierte. Für Aleksa stand fest, dass er etwas über den Dolch wissen musste. So reagierte man nicht auf eine Waffe, die man nie zuvor gesehen hatte und mit deren Anblick man nichts anfangen konnte. Er musste Informationen haben und diese brauchte die Nachtelfe. Also stand es für sie außerfrage, dass sie auch ihm die Informationen geben würde, die er haben wollte. Das wäre einfach ein gerechter Handel. Informationen im Austausch gegen andere Informationen.
Als sie nun jedoch einen Satz formulieren wollte, merkte sie, wie schwer ihr dies fiel. Die Ermordung ihrer Eltern nahm sie noch immer ziemlich mit und alles in ihr sträubte sich dagegen, darüber zu sprechen. Schließlich brachte sie mit trauriger Stimme hervor: „Mit diesem Dolch wurden meine… meine Eltern ermordet. Wer auch immer das getan hat, wurde unterbrochen, während er versuchte, auch mich umzubringen. Den Dolch muss er auf der Flucht verloren haben. Ein Freund meiner Eltern fand ihn und zog mich auf. Seit ich die Geschichte kenne, steht für mich fest, dass ich denjenigen finden muss, der dafür verantwortlich ist.“

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Re: Ankunft in Dessaria

Beitrag von Erzähler » Sonntag 8. Mai 2016, 21:21

Es war immer ein Erlebnis, wenn es in Dessaria um Waffen ging. Mal musste ein neues handwerkliches Kunstwerk bestaunt werden, dann wurde darum gestritten, wer die schärfere Klinge schleifen konnte, dann musste der Griff unbedingt mit Rubinen verziert sein und bloß nicht mit Saphiren, dann wiederum galt es, wer die längste Klinge hatte, und so weiter und so fort. Es gab immer und überall einen Grund, weswegen helle Aufregung um Waffen und Rüstungen herrschte.
Dieses Mal allerdings waren die Umstände ein wenig verworrener. Das änderte jedoch nichts daran, dass der Dolch selbstverständlich mit Respekt behandelt wurde und trotzdem viel durcheinander geredet sowie spekuliert wurde.
Als die Neugier indes zu groß wurde und einer der bärtigen Kerle glaubte, danach greifen zu können, um ihn näher an sich heran zu ziehen, für sich zu vereinnahmen, umzudrehen, das Gewicht in der Hand zu wiegen und aus vielen anderen Gründen, wurde er buchstäblich zurück gepfiffen. Nein, so einfach fasste man diese Waffe nicht an und das bestimmte einer, der hier offensichtlich viel Einfluss genoss. Er war der Älteste unter ihnen und jemand, der Lebenserfahrung und eine gewisse Ruhe ausstrahlte, allerdings jetzt einen Ausdruck aufwies, der all diejenigen, die ihn gut kannten, beunruhigt hätte.
Dieser Mann war es auch, der schlussendlich für Raum um den Tisch herum sorgte, nicht viel, aber ausreichend, um noch als einziger daran zu stehen und aus nächster Nähe auf die Waffe blicken zu können. Solange, bis er den Kopf hob und die fremde, junge Frau fixierte, welche den Dolch zu ihnen gebracht hatte. Man sah ihm an, wie es in ihm arbeitete, und ihr leichtes Zusammenzucken hätte ihn in anderen Momenten vermutlich milder gestimmt.
Jetzt jedoch nicht. Viel zu viel hatte dieser Anblick in ihm aufgewühlt, dass es in ihm zu gären begonnen hatte. So viele offene Fragen herrschten in ihm vor, Fragen, die sie womöglich beantworten konnte. Oder eben auch nicht… Man würde sehen.
Also öffnete er den Mund und sprach Worte aus, die er schon so oft gedacht und hin und her gewendet hatte, seit so vielen Jahren. Die Erwiderung fiel allerdings weitaus anders aus, als er es gehofft oder gar ersehnt hatte. Zuerst hauchte er, während er ein wenig blass um die Nase wurde:„Unmöglich…“
Doch dann verhärtete sich sein Gesicht, sein Kiefer spannte sich an, seine Lippen wurden zu einem dünnen Strich. Nun ja… zumindest ein wenig Licht brachte diese Fremde in das Dunkel, doch bedauerlicherweise nicht so, wie er es erwartet hatte.
„Wo war das?“, stellte er die nächste Frage und seine Stimme klang derart kratzig, dass er sich räuspern musste.
Die Wachmänner wagten kaum zu atmen und beobachteten gespannt, was geschah. Lediglich einer löste sich und brachte dem Ältesten einen Becher lauwarmen Gewürzmet, den dieser mit einem knappen, dankbaren Nicken annahm.
Doch er trank nicht, sondern fixierte die Frau vor sich. „Wisst Ihr, wer der Angreifer war? War es ein Dessarier? Wie sah er aus?“, löcherte er die Fremde weiter und war noch nicht soweit, um von sich aus Informationen preis zu geben. Sie müsste vermutlich auch erst konkret danach fragen, schließlich war er niemand, der von sich aus groß zu reden begann. Das hatte ihn nicht allein die Zeit und seine Vergangenheit gelehrt, so war er auch veranlagt.
Indes begannen nun die anderen trotz allem miteinander zu tuscheln, sodass bald ein unruhiges, ungutes Zischeln den Raum erfüllte, obwohl sie so neugierig waren. Aber sie konnten es einfach nicht erwarten, ihre Gedanken miteinander zu teilen. Erst nach einigen strengen, gezischten Ermahnungen der Besonneneren, ebbte die Geräuschkulisse wieder ab. Alle Augenpaare richteten sich erneut auf die Nachtelfe, die den Dolch gebracht hatte.
Berühren wollte die Waffe inzwischen niemand mehr. Sie wussten nun, dass Blut daran klebte, obwohl er gesäubert worden war. Das war zwar eigentlich kein Hinderungsgrund, aber ihnen war auch bekannt, dass einst etwas Schlimmes ihrem Kameraden zugestoßen war. Familientragödie oder so etwas, manche kannten mehr Details, andere weniger. Doch wenn es damit zusammen hing, wollte lieber niemand dieses Feld mehr betreten und sich womöglich noch Unmut einhandeln. Nein, abwarten, so schwer es auch den Ungeduldigen fiel, war hier die bessere Devise. Es würde sich schon alles weisen.
Auf jeden Fall aber hatten sie heute, nach ihrem Dienst, bei sich daheim eine Menge zu erzählen! Das würde eine Freude werden, mit Neuigkeiten bei den Frauen angeben zu können! Nun ja, wenigstens malte sich das der ein oder andere so in seiner Vorstellung aus, der sonst eigentlich nie so recht zu Wort kam bei sich daheim…
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