Manche Tage waren voller Schrecken. Sie lauerten hinter jeder Ecke in düsteren Schatten, wo der Atem stockte und die Brust eng wurde. Oder aber vor harmlos erscheinenden Schneiderstuben, wie es bei Avalinn scheinbar der Fall gewesen war. Panik konnte etwas Zerstörerisches sein und manchmal folgte die Angst dahinter keiner Logik. Dann gab es keine schnelle Lösung, kein Entkommen aus ihren Klauen. Lediglich den Weg hindurch. Der Mischling hatte es am eigenen Leib erfahren. Hatte mehr als einmal den Boden unter seinen Füßen verloren und war am Rande seiner kleinen Welt zusammengebrochen. Egal, wie oft sie ihm gesagt hatten, er solle atmen, die Luft war ihm zu dünn vorgekommen, und obwohl er ganz genau wusste, dass er Ruhe hätte bewahren müssen, hatte er sich jedes Mal wie ein Schiff ohne Segel mitten in einem tosenden Sturm gefühlt. Der Mischling war kein Elf der Lyrik und für die meisten Empfindungen fand er kaum die richtigen Worte, doch er erkannte Angst und Leid in anderen, wenn sie sichtbar wurden. Auch in Avalinn sah er diesen namenlosen Schrecken und obgleich es nicht sein eigener war, kam ihm die Panik der Heilerin seltsam vertraut vor. Ganze Welten, Schluchten, Klippen und Berge trennten die beiden ungleichen Elfen auf den ersten Blick voneinander und doch führte das Unglück sie auf schicksalshafte Weise zusammen. Ein Anflug von Wärme stahl sich in seinen Blick als sich Mitgefühl in sein Herz schlich und er die Schnürung in ihrem Nacken lockerte. Er wollte ihr die Hand reichen, sie aus ihrer Hilflosigkeit ziehen. Es mussten wohl Momente wie diese sein, in denen die Zeit, die man sich kannte, keine Rolle spielte. Aber wer wusste schon, wie das Leben tatsächlich funktionierte - es war pure Ironie. War es nicht so? Manchmal kam jemand vom ersten Moment an einen ran, manchmal gelang es einem anderen erst nach Jahren. Jemand, den man seit Ewigkeiten kannte, verstand den Ort und die Situation nicht, in der man sich befand und einem selbst fehlten die erklärenden Worte, aber eine fremde Person von der Straße wusste sofort, wer man war, was man durchmachte. War es das, was hier gerade passierte? Was vielleicht auch Myniel ganz unvermittelt gespürt und ihre Abneigung gegenüber der anderen bestärkt hatte? Die Vermutung, dass Silas etwas mit der Fremden verband, an dem sie nicht teilhaben konnte? Die stille Erkenntnis geteilter Schwäche?
Als er Avalinn auf seine Arme hob und die Gassen entlang trug, hoffte er, dass Ablenkungen das Beste sein würde, um sie aus dem schwarzen Sumpf der Panik zu ziehen, dass seine Nähe sie nicht tiefer in die Verzweiflung trieb und sie aus seinem Griff flüchten würde, wie sie es zuvor getan hatte. Es fiel ihm schwer, ihrer Atmung zu lauschen, während er sich die nächstbeste Banalität über die Lippen zwang, doch er merkte an ihrem Griff um seinen Nacken und ihrem Atem an seinem Hals, dass sie sich etwas beruhigte. Parallel dazu schien auch er sich in seiner Haltung etwas zu entspannen. Er endete mit seiner kleinen Anekdote, verschloss das Guckloch zu seinem Seelenleben und setzte sie behutsam ab. Avalinn fand auf ihre Füße und als sie nicht strauchelte, zog Silas die Arme an seine Seiten zurück, wandte sich der Brunnenkurbel zu und beobachtete im Augenwinkel, wie sie sich auf dem steinernen Sitz des Brunnens niederließ. Sie schöpfte aus dem dargebotenen Eimer, während Silas den Blick über den zerfransten Zopf, die nackten Schultern und das blasse Gesicht wandern ließ. Nur langsam schien Farbe in ihre Wangen zurückzukehren. Der Mischling ließ ihr den Moment der Ruhe, in dem sie an den Brunnen gelehnt wieder zu sich finden konnte, benetzte nun selbst seine Hände und erfrischte sich anschließend Gesicht und Nacken, in welchem sich noch immer die Hitze staute, die Myniel in ihm hinterlassen hatte. „Nichts zu danken.“, erwiderte er leise und stellte den Eimer zurück an den Rand des Brunnens. Das Zittern ihrer Hand blieb nicht unbemerkt, ebenso wenig der abgewandte Blick, der von innerer Scham zeugte, doch Silas sah sowohl an dem einen wie auch dem anderen vorbei. „Es... es geht schon wieder… Verzeiht, dass Ihr das mitbekommen habt, Silas.“, er meinte beinahe, ihr versichern zu müssen, dass es nichts gab, dessen sie sich hätte entschuldigen müssen, doch sie setzte fort und so hielt er seinen Blick stattdessen wortlos auf sie gerichtet. Nach kurzer Zeit lehnte er seine Schulter an den hölzernen Steher, der das Brunnendach trug und verschränkte die Arme, während er ihr zuhörte. „Denkt nicht, dass mir das… ständig passiert. Es war nur so... ich habe nicht damit gerechnet… Er stand so unvermittelt vor mir und sah… er sah jemandem so ähnlich und ich-", sie rang um die richtigen Worte, bediente sich währenddessen ihrer rotbraunen Haare. Silas beobachtete mit schweigsamen Interesse die schlanken Finger, die den übriggebliebenen Restbestand ihres Zopfes zu lösen begann. Er sah jemanden ähnlich? Silas rief sich das Gesicht des Dunklen in Erinnerung, rotäugig bitzte das Bild vor seinem geistigen Auge auf. Avalinn, die hier vor ihm saß und in aller Unschuld die Strähnen zwischen ihren Fingern entwirrte, betonte den Kontrast, den der finstere Hüne geboten hatte. Wie klein und hilflos sie ausgesehen hatte, als der Dunkle mit ihr durch die Tür getreten war. „Im ersten Moment dachte ich, ich fantasiere… Ich war einfach unvorbereitet.“, einen Moment lang betrachtete er sie nachdenklich, doch der Ernst in seinem Gesicht ließ nichts von dem, was in seinem Innersten rotierte, nach Außen dringen. Ein wenig unerwartet fand Avalinn zu ihrem Lächeln zurück, das nichts an der Wärme, mit der sie ihn bereits des Öfteren überrumpelt hatte, vermissen ließ. Es entlockte ihm ein feines Schmunzeln, wie sie dasaß, nun halbwegs wieder hergestellt und sich ein Lächeln abrang, als wäre sie nicht so eben beinahe zusammengebrochen. Was für ein Rätsel diese Frau doch war. „Wenn Ihr nichts über mich verratet, dann sage ich niemandem, dass Ihr Angst vor einem Haufen Ratten habt…“, die Augenbrauen des Weißhaarigen spannten überrascht einen Bogen, ehe er amüsiert die Lippen verzog, fast so, als wolle er ihr einen Punktesieg zugestehen. „Dutzende. Dutzende Ratten.“, korrigierte er trocken zur Antwort, doch einen Augenblick lang stimmte er mit einem Grinsen in ihr Lachen ein und nickte darauffolgend. „Meine Lippen sind versiegelt.“, murmelte er schließlich. In seiner Stimme klang das vorhergehende Grinsen noch etwas nach, während er selbiges auf seinen Lippen bereits wieder gezügelt hatte und sich erneut in einer etwas reservierten Haltung zeigte.
Er zupfte sich die Hemdärmel gerade ein wenig zurecht, in Gedanken bereits wieder bei der ernüchternden Sorge angelangt, was für die Reise noch alles benötigt wurde, als Avalinn mit abgewandten Blick die Stimme erhob. „Wisst Ihr, Silas... ich bin froh, dass Ihr es seid, der mich begleitet.“. Silas blinzelte etwas überrascht über die Offenbarung hinweg. „Nun, versteht mich nicht falsch, es... es ist schrecklich, dass Eure Familie solchen Schmerz erleidet und gäbe es eine Möglichkeit, ich würde sie Euch schenken. Doch... Amenion wird noch jemanden mitschicken, jedenfalls sagte er das, nachdem Ihr gegangen seid, gestern. Und... meist sind seine Bekanntschaften... naja, zwielichtig, Ihr wisst schon “, der Mischling ließ von seinen Ärmeln ab, ruckte sie achtlos über seine Ellenbogen und entblößte die aschgrau schimmernde Haut seiner Unterarme, ehe er jene erneut vor der Brust verschränkte. „Noch… jemanden?“, echote er fragend. In seinem Inneren wallte Unmut auf. Amenion. Diese stinkende Ratte. „Ich nehme nicht an, dass Ihr wisst, wen Amenion dabei im Sinn hatte?“, nachdem sie bereits verkündet hatte, dass die meisten Bekanntschaften des Kräuterherren zwielichtige Gestalten waren, ging Silas nicht davon aus, dass Avalinn genauere Informationen diesbezüglich zur Verfügung standen. Eine kurz andauernde Stille entstand, in der er versuchte, die Neuigkeit gedanklich einzuordnen. Mit einem Blick auf Avalinn stellte er fest, dass er die Erleichterung über ihre Anwesenheit während der Reise nach jener Offenbarung mehr denn je teilte. „Jedenfalls habt Ihr das Herz am rechten Fleck und ich verspreche Euch, Ihr seid so schnell wie möglich wieder bei Eurer Familie.“, Silas konnte spüren, wie ihre Worte sich einer Messerspitze gleich in sein Herz bohrten. Jemand, der das Herz am rechten Fleck hat, würde wohl kaum planen, das Heiligtum eines Volkes zu entehren, dachte er bitter und schluckte schwer. Er bemerkte kaum, dass sie nach seiner Hand gegriffen hatte, um erneut ein wenig Wasser zu schöpfen. Etwas, das sich anfühlte wie Schuld, drückte seine Schultern etwas herab. „Ihr solltet einen Nachtelfen niemals vorschnell loben. Komplimente verträgt Unsereins schlecht.“, gab er zu bedenken und lächelte säuerlich. „Vielleicht werde ich noch faul, wenn Ihr mich weiterhin mit Eurer Freundlichkeit umschmeichelt.“, er spielte gekonnt über seine finsteren Gedanken hinweg und krönte den Schalk aus seinem Mund mit einem kleinen Augenzwinkern, ehe er sich in Bewegung setzte. „Habt Ihr Lust, auf ein... Nachtwölkchen?“, die bernsteinfarbenen Augen funkelten und Silas schürzte amüsiert die Lippen. Süß. An der Aussprache müssen wir noch arbeiten, dachte er und hielt das Grinsen unter zusammengepressten Lippen und einer leicht angehobenen Augenbraue zurück. „Ein kleines Dankeschön… Auch ein Blech, falls Euch danach ist.“, meinte sie und lachte leise. „Ich sehe schon“, erwiderte der Mischling daraufhin. Einen Moment lang ließ er das Gold seiner Augen spitzbübisch aufblitzen. „Ihr wollt nicht nur einen faulen Begleiter, sondern auch einen fetten.“, theatralisch schüttelte der Weißhaarige den Kopf und seufzte leise auf. „Na schön, es wäre fast eine Straftat, Euch die Nachtwölkchen vorzuenthalten. Ich zahle. Ihr bestellt. Auf Herendia. Das wäre als Dankeschön mehr als genug. Einverstanden?“, natürlich blieb zu hoffen, dass ihn der Bäcker nach all den Jahren und der Rattengeschichte nicht länger mit dem Nudelholz zu Faldor schicken wollte. Seine kleinen Sünden hatte er immerhin tapfer abbezahlt. Ach was, für ein paar Nachtwölkchen würde er den Krieg mit dem Bäcker allemal auf sich nehmen. Vielleicht war es genau diese Art der Leichtlebigkeit, die ihnen für die bevorstehende Reise Kraft verleihen würde.
Silas trat an seine Begleitung heran und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aus dem Sitz zu helfen. „Dann wollen wir mal.“, schmunzelte er. Mit einer sanften Berührung am Rücken führte er die Elfe an die Bäckerei heran. Als sie schließlich vor dem Laden hielten und er nach seinem Münzbeutel angelte, trat er ihr vor die Nase und sah vieldeutig auf sie hinab. Seinem Blick haftete hierbei unverkennbar ein gewisser Schalk an. „Bereit?“, er griff mit warmen Fingern nach ihrem Handgelenk und legte ihr die benötigten Münzen in die Handfläche, dann grinste er ihr kurz ins Gesicht. „Vier Nachtwölkchen, bitte.“, er löste die Hand um ihr Gelenk und legte den Kopf schief. „Nicht so schwer, oder? Vier. Nachtwölkchen. Bitte.“, er wiederholte die Bestellung, um eine möglichst deutliche Aussprache bemüht. Ganz der Nachtelf, der er zumindest der Hälfte nach war, entsprang dem tiefen Klang seiner Stimme dabei etwas Dunkles. Es ähnelte schwarzem, kühlem Samt, der weich und finster die Ohren umspielte. Es war keine freundliche Sprache, einige Reisenden hatten ihm bereits erklärt, dass es ihnen oft eine Gänsehaut bescherte, Gespräche unter Nacht- oder Dunkelelfen zu lauschen. Und obgleich sich Herendia im Klang nicht wesentlich vom Lerium der Dunkelelfen zu unterscheiden schien, so waren es doch gänzlich unterschiedliche Sprachen… und es bereitete Silas ganz offensichtlich Vergnügen, der eldarischen Elfe mit ihrer liebreizenden Aussprache ein paar herendische Brocken zu entlocken.
Als er Avalinn auf seine Arme hob und die Gassen entlang trug, hoffte er, dass Ablenkungen das Beste sein würde, um sie aus dem schwarzen Sumpf der Panik zu ziehen, dass seine Nähe sie nicht tiefer in die Verzweiflung trieb und sie aus seinem Griff flüchten würde, wie sie es zuvor getan hatte. Es fiel ihm schwer, ihrer Atmung zu lauschen, während er sich die nächstbeste Banalität über die Lippen zwang, doch er merkte an ihrem Griff um seinen Nacken und ihrem Atem an seinem Hals, dass sie sich etwas beruhigte. Parallel dazu schien auch er sich in seiner Haltung etwas zu entspannen. Er endete mit seiner kleinen Anekdote, verschloss das Guckloch zu seinem Seelenleben und setzte sie behutsam ab. Avalinn fand auf ihre Füße und als sie nicht strauchelte, zog Silas die Arme an seine Seiten zurück, wandte sich der Brunnenkurbel zu und beobachtete im Augenwinkel, wie sie sich auf dem steinernen Sitz des Brunnens niederließ. Sie schöpfte aus dem dargebotenen Eimer, während Silas den Blick über den zerfransten Zopf, die nackten Schultern und das blasse Gesicht wandern ließ. Nur langsam schien Farbe in ihre Wangen zurückzukehren. Der Mischling ließ ihr den Moment der Ruhe, in dem sie an den Brunnen gelehnt wieder zu sich finden konnte, benetzte nun selbst seine Hände und erfrischte sich anschließend Gesicht und Nacken, in welchem sich noch immer die Hitze staute, die Myniel in ihm hinterlassen hatte. „Nichts zu danken.“, erwiderte er leise und stellte den Eimer zurück an den Rand des Brunnens. Das Zittern ihrer Hand blieb nicht unbemerkt, ebenso wenig der abgewandte Blick, der von innerer Scham zeugte, doch Silas sah sowohl an dem einen wie auch dem anderen vorbei. „Es... es geht schon wieder… Verzeiht, dass Ihr das mitbekommen habt, Silas.“, er meinte beinahe, ihr versichern zu müssen, dass es nichts gab, dessen sie sich hätte entschuldigen müssen, doch sie setzte fort und so hielt er seinen Blick stattdessen wortlos auf sie gerichtet. Nach kurzer Zeit lehnte er seine Schulter an den hölzernen Steher, der das Brunnendach trug und verschränkte die Arme, während er ihr zuhörte. „Denkt nicht, dass mir das… ständig passiert. Es war nur so... ich habe nicht damit gerechnet… Er stand so unvermittelt vor mir und sah… er sah jemandem so ähnlich und ich-", sie rang um die richtigen Worte, bediente sich währenddessen ihrer rotbraunen Haare. Silas beobachtete mit schweigsamen Interesse die schlanken Finger, die den übriggebliebenen Restbestand ihres Zopfes zu lösen begann. Er sah jemanden ähnlich? Silas rief sich das Gesicht des Dunklen in Erinnerung, rotäugig bitzte das Bild vor seinem geistigen Auge auf. Avalinn, die hier vor ihm saß und in aller Unschuld die Strähnen zwischen ihren Fingern entwirrte, betonte den Kontrast, den der finstere Hüne geboten hatte. Wie klein und hilflos sie ausgesehen hatte, als der Dunkle mit ihr durch die Tür getreten war. „Im ersten Moment dachte ich, ich fantasiere… Ich war einfach unvorbereitet.“, einen Moment lang betrachtete er sie nachdenklich, doch der Ernst in seinem Gesicht ließ nichts von dem, was in seinem Innersten rotierte, nach Außen dringen. Ein wenig unerwartet fand Avalinn zu ihrem Lächeln zurück, das nichts an der Wärme, mit der sie ihn bereits des Öfteren überrumpelt hatte, vermissen ließ. Es entlockte ihm ein feines Schmunzeln, wie sie dasaß, nun halbwegs wieder hergestellt und sich ein Lächeln abrang, als wäre sie nicht so eben beinahe zusammengebrochen. Was für ein Rätsel diese Frau doch war. „Wenn Ihr nichts über mich verratet, dann sage ich niemandem, dass Ihr Angst vor einem Haufen Ratten habt…“, die Augenbrauen des Weißhaarigen spannten überrascht einen Bogen, ehe er amüsiert die Lippen verzog, fast so, als wolle er ihr einen Punktesieg zugestehen. „Dutzende. Dutzende Ratten.“, korrigierte er trocken zur Antwort, doch einen Augenblick lang stimmte er mit einem Grinsen in ihr Lachen ein und nickte darauffolgend. „Meine Lippen sind versiegelt.“, murmelte er schließlich. In seiner Stimme klang das vorhergehende Grinsen noch etwas nach, während er selbiges auf seinen Lippen bereits wieder gezügelt hatte und sich erneut in einer etwas reservierten Haltung zeigte.
Er zupfte sich die Hemdärmel gerade ein wenig zurecht, in Gedanken bereits wieder bei der ernüchternden Sorge angelangt, was für die Reise noch alles benötigt wurde, als Avalinn mit abgewandten Blick die Stimme erhob. „Wisst Ihr, Silas... ich bin froh, dass Ihr es seid, der mich begleitet.“. Silas blinzelte etwas überrascht über die Offenbarung hinweg. „Nun, versteht mich nicht falsch, es... es ist schrecklich, dass Eure Familie solchen Schmerz erleidet und gäbe es eine Möglichkeit, ich würde sie Euch schenken. Doch... Amenion wird noch jemanden mitschicken, jedenfalls sagte er das, nachdem Ihr gegangen seid, gestern. Und... meist sind seine Bekanntschaften... naja, zwielichtig, Ihr wisst schon “, der Mischling ließ von seinen Ärmeln ab, ruckte sie achtlos über seine Ellenbogen und entblößte die aschgrau schimmernde Haut seiner Unterarme, ehe er jene erneut vor der Brust verschränkte. „Noch… jemanden?“, echote er fragend. In seinem Inneren wallte Unmut auf. Amenion. Diese stinkende Ratte. „Ich nehme nicht an, dass Ihr wisst, wen Amenion dabei im Sinn hatte?“, nachdem sie bereits verkündet hatte, dass die meisten Bekanntschaften des Kräuterherren zwielichtige Gestalten waren, ging Silas nicht davon aus, dass Avalinn genauere Informationen diesbezüglich zur Verfügung standen. Eine kurz andauernde Stille entstand, in der er versuchte, die Neuigkeit gedanklich einzuordnen. Mit einem Blick auf Avalinn stellte er fest, dass er die Erleichterung über ihre Anwesenheit während der Reise nach jener Offenbarung mehr denn je teilte. „Jedenfalls habt Ihr das Herz am rechten Fleck und ich verspreche Euch, Ihr seid so schnell wie möglich wieder bei Eurer Familie.“, Silas konnte spüren, wie ihre Worte sich einer Messerspitze gleich in sein Herz bohrten. Jemand, der das Herz am rechten Fleck hat, würde wohl kaum planen, das Heiligtum eines Volkes zu entehren, dachte er bitter und schluckte schwer. Er bemerkte kaum, dass sie nach seiner Hand gegriffen hatte, um erneut ein wenig Wasser zu schöpfen. Etwas, das sich anfühlte wie Schuld, drückte seine Schultern etwas herab. „Ihr solltet einen Nachtelfen niemals vorschnell loben. Komplimente verträgt Unsereins schlecht.“, gab er zu bedenken und lächelte säuerlich. „Vielleicht werde ich noch faul, wenn Ihr mich weiterhin mit Eurer Freundlichkeit umschmeichelt.“, er spielte gekonnt über seine finsteren Gedanken hinweg und krönte den Schalk aus seinem Mund mit einem kleinen Augenzwinkern, ehe er sich in Bewegung setzte. „Habt Ihr Lust, auf ein... Nachtwölkchen?“, die bernsteinfarbenen Augen funkelten und Silas schürzte amüsiert die Lippen. Süß. An der Aussprache müssen wir noch arbeiten, dachte er und hielt das Grinsen unter zusammengepressten Lippen und einer leicht angehobenen Augenbraue zurück. „Ein kleines Dankeschön… Auch ein Blech, falls Euch danach ist.“, meinte sie und lachte leise. „Ich sehe schon“, erwiderte der Mischling daraufhin. Einen Moment lang ließ er das Gold seiner Augen spitzbübisch aufblitzen. „Ihr wollt nicht nur einen faulen Begleiter, sondern auch einen fetten.“, theatralisch schüttelte der Weißhaarige den Kopf und seufzte leise auf. „Na schön, es wäre fast eine Straftat, Euch die Nachtwölkchen vorzuenthalten. Ich zahle. Ihr bestellt. Auf Herendia. Das wäre als Dankeschön mehr als genug. Einverstanden?“, natürlich blieb zu hoffen, dass ihn der Bäcker nach all den Jahren und der Rattengeschichte nicht länger mit dem Nudelholz zu Faldor schicken wollte. Seine kleinen Sünden hatte er immerhin tapfer abbezahlt. Ach was, für ein paar Nachtwölkchen würde er den Krieg mit dem Bäcker allemal auf sich nehmen. Vielleicht war es genau diese Art der Leichtlebigkeit, die ihnen für die bevorstehende Reise Kraft verleihen würde.
Silas trat an seine Begleitung heran und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aus dem Sitz zu helfen. „Dann wollen wir mal.“, schmunzelte er. Mit einer sanften Berührung am Rücken führte er die Elfe an die Bäckerei heran. Als sie schließlich vor dem Laden hielten und er nach seinem Münzbeutel angelte, trat er ihr vor die Nase und sah vieldeutig auf sie hinab. Seinem Blick haftete hierbei unverkennbar ein gewisser Schalk an. „Bereit?“, er griff mit warmen Fingern nach ihrem Handgelenk und legte ihr die benötigten Münzen in die Handfläche, dann grinste er ihr kurz ins Gesicht. „Vier Nachtwölkchen, bitte.“, er löste die Hand um ihr Gelenk und legte den Kopf schief. „Nicht so schwer, oder? Vier. Nachtwölkchen. Bitte.“, er wiederholte die Bestellung, um eine möglichst deutliche Aussprache bemüht. Ganz der Nachtelf, der er zumindest der Hälfte nach war, entsprang dem tiefen Klang seiner Stimme dabei etwas Dunkles. Es ähnelte schwarzem, kühlem Samt, der weich und finster die Ohren umspielte. Es war keine freundliche Sprache, einige Reisenden hatten ihm bereits erklärt, dass es ihnen oft eine Gänsehaut bescherte, Gespräche unter Nacht- oder Dunkelelfen zu lauschen. Und obgleich sich Herendia im Klang nicht wesentlich vom Lerium der Dunkelelfen zu unterscheiden schien, so waren es doch gänzlich unterschiedliche Sprachen… und es bereitete Silas ganz offensichtlich Vergnügen, der eldarischen Elfe mit ihrer liebreizenden Aussprache ein paar herendische Brocken zu entlocken.