Der Zauber, der uns innewohnt

Dieses Dorf beweist, dass unterschiedliche Rassen auch friedlich miteinander leben und auskommen können. Menschen und Elfen haben sich zusammengetan und dieses Dorf geschaffen. Im Einklang und friedlicher Harmonie hilft man sich gegenseitig.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 20. Dezember 2022, 01:16

Es war ohnehin ein schwieriges Unterfangen, wenn man unangekündigt irgendwo auftauchte und dann auch noch ein solch deftiges Thema im Gepäck hatte, wie Rhuna. Allerdings erschwerte der Altersstarrsinn bereits die Anfänge und machten Rhuna’s Leben nicht gerade leichter. Die Shyáner hatte ohnehin kaum Erfahrungen mit anderen Individuen vorzuweisen und kannte sich bisher auch nur mit den Gepflogenheiten in Shyána Nelle aus. Hier hätte sie gewusst, wie sie ein delikates Gespräch führen müsste. Aber Kayon war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Der Mensch wies ein hohes Alter auf, was Rhuns leidlich erkennen konnte. Erst jetzt wurde sie sich bewusst, was das Alter mit einem Menschen anstellen konnte, ob er wollte oder nicht. Die ewige Jugend blieb diesem Volk verborgen, obwohl sie noch ein höheren Altersstand aufwiesen als zum Beispiel Pelgarer oder Grandessaner. Dennoch… Rhuna sah sich nicht nur einem alten Mann gegenüber, dessen Beine nicht mehr wirken wollten, ohne die Hilfe eines Stockes, sondern darüber hinaus auch jemanden, der verletzt und vereinsamt war über die Jahre. Verhärmt und glücklos blickte er ihr entgegen, sodass ihre Worte vorerst abprallten. Doch Rhuna hatte bereits eine deutliche Beharrlichkeit gezeigt und wandte sie auch jetzt wieder an. Sie streute offenbar die richtigen Informationen als Kayon bei ihr wegen Yedan nachhakte. Allerdings offenbarte der Alte auch, dass er von seinem Sohn enttäuscht war. Offenbar hatte Yedan die Besuche irgendwann eingestellt und Kayon keinen Grund dafür genannt. Was wohl geschehen war? Vielleicht war es denkbar, dass Yedan seinem Vater nicht weiter zur Last fallen wollte. Oder aber selbst sich davor zu schützen versuchte, dem Kummer jedes Mal ausgesetzt zu sein. Wie auch immer:

Kayon war nicht so nachtragend, wie es den Anschein hatte bisher. Der Alte erhob sich sogar und wollte gar Tee machen, allerdings mussten beide einsehen, dass dafür eher nicht gesorgt war. Achtlos warf der Alte die Kanne zurück in die kalte Asche, ehe er etwas pikiert Rhuna die Schuld für das Dilemma gab. Diese jedoch sprang auf das Pferd mit auf und erreichte ein zustimmendes Nicken seitens des Bogenbauers. Offenbar war das schon mal ein guter Anfang, um Kayon nicht gleich wieder zu verschrecken. Stattdessen griff sie das eigentliche Thema wieder behutsam auf „Yedan hat im eigentlichen Sinne nichts angestellt. Ich weiß, dass es für Sie schmerzhaft ist über ihn zu reden. Yedan hat mir auch lange nichts erzählen wollen, aber ich habe ihn dann… doch dazu bringen können mir zu erzählen, was damals passiert ist und wieso er aus dem Waldmenschendorf verbannt wurde.“ Er presste die Lippen aufeinander und wandte ihr den Rücken zu, warf sie aber nicht gleich wieder hinaus. Er schien etwas in den abgelegten Dingen auf dem Tisch zu suchen, auch wenn seine Finger nicht wirklich etwas taten. „Lassen Sie uns doch hinsetzen. Das ist kein Thema, das wir im Stehen besprechen sollten.“,, versucht sie, die Atmosphäre zu verbessern und am Laufen zu halten. Kayon brummelte etwas in seinen Bart und schien für einen Moment Selbstgespräche zu führen. „Sie weiß was. Aber was wenn das ein Trick ist?! Woher willst du denn das wissen? Ich bin eben misstrauisch. Hören wir uns an, was sie zu sagen hat!“, schien er das Für und Wider abzuwägen und wandte sich zu der Elfe um. „Und du versprichst, dass du dich nicht nur lustig machen willst?!“, fragte er sie streng und verlor ein wenig den alten Mann, den sie kennengelernt hatte. Er war früher sicher ein gutaussehender, pflichtbewusster Mensch gewesen. Yedan hatte offenbar viel von ihm geerbt. Wie wohl seine Mutter gewesen ist? Kayon sah auf den Sessel, auf den sie deutete und brummelte abermals, ehe er sich schlurfend in Bewegung setzte. „Nächstes Mal könntest du ruhig ein wenig Gebäck dabei haben!“, schalt er sie, als hätte er sie nicht zu aller erst der Tür verwiesen. Und nun redete er bereits von einem nächsten Mal! Sehr verwirrend.

Kayon schlurfte in seinen Sessel und ließ sich plumpsend hineinfallen, ehe er einmal durchschnaufte. Abwartend musterte er sie und blinzelte, als sie ansetze: „Es…! Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Das Ganze ist… ein wenig kompliziert und ich gebe frei zu, dass ich ein wenig unsicher bin, wie ich mit ihnen sprechen soll, weil ich weiß, wie schmerzhaft das alles für Yedan ist – und dadurch auch für Sie. Der Sturschädel hat mir auch nicht gesagt, wie sie darüber denken … nur, dass ihr Verhältnis zueinander sehr gut war! Aber Ihre Worte haben mich unsicher gemacht … er hat mir wohl noch immer nicht alles erzählt…!“, begann sie und Kayon wandte den Blick wieder aus dem Fenster. Er hörte allerdings zu, denn sie konnte kaum merklich erkennen, dass seine Mundwinkel nach oben zuckten, als sie Yedan und die Verbindung von Vater und Sohn erwähnte. „Yedan hat damals alles verloren.“, begann er krächzend und auch ihm fiel die Erinnerung an die Zeit sichtlich schwer. Auch wenn Kayon nicht direkt in das eigentliche Geschehen verwickelt war, war er dennoch Vater und es betraf immerhin seinen Sohn! „Er hat auf eine sehr schmerzhafte Weise gelernt, dass er verwundbar ist und entbehrlich. Es würde mich wundern, wenn er mit dir über dieses Thema freiwillig spricht..“, gestand er und meinte es tatsächlich nicht böse. „Er hat gelernt z misstrauen. Und das hat er offenbar bis heute verinnerlicht, wenn er nicht mal seiner Frau etwas davon erzählt!“, bekam der Alte etwas durcheinander und machte Rhuns kurzerhand zu Yedans Frau! War es das, was seine Zunge lockerte? Wie groß war die Gefahr wohl, dass er schwieg, wenn er glaubte, dass Rhuna nur eine Freundin wäre? „Habt ihr schon Kinder?“, fragte er. Dabei wirkte er fast gelöst und zeigte eine Seite, die offenbarte, wie Kayon wohl früher gewesen war. Herzlich, familiär und offen. „Ich wollte immer viele Enkelkinder…“, plapperte er plötzlich. Als hätte er Rhuna endlich Glauben geschenkt, dass sie nichts Böses vorhatte. Dann tauchte er aus diesem Sanftmut auf und wurde wieder alt, verhärmt und gnartschig: „Diese Ratte von Farun hat sich das damals alles so zurechtgelegt. Er hat meinem Yedan die schlimmste aller Sachen unterstellt. Er sagte, er hätte seine… er hätte Alyisa ermordet und… und… das Dorf sprach ihn schuldig.“, er wirkte äußerst ungehalten, hustete plötzlich wieder, da sich seine Stimme ein wenig echauffiert hatte, während er sprach. Er wurde einige Momente von dem Hustenreiz geschüttelt und sank dann zurück in den Sessel. Nun sah er erneut um Jahre gealtert aus… das Thema zehrte von den Lebenskräften des Mannes, Yedan und der Natur in diesem Dorf. Es war kaum vorstellbar, wie das alles hatte zustande kommen können.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Dienstag 20. Dezember 2022, 13:12

Es konnte so viele Gründe geben, wieso sich Yedan dafür entschieden hatte dem Dorf und somit auch Kayon fern zu bleiben. Sie wusste viel zu wenig und auch wenn die offensichtliche Enttäuschung und Einsamkeit des alten Mannes in ihr Mitleid und leichten Ärger auf Yedan auslösten, wollte sie nicht vorschnell urteilen. Das war tatsächlich etwas, mit dem sie immer wieder konfrontiert wurde. Etwas geschah, man bildete sich eine Meinung und dann erfuhr man, dass man aufgrund mangels an Informationen vorschnell geurteilt hatte.

Rhuna schien zumindest einen kleinen Erfolg verbuchen zu können, da Kayon bisher keine weiteren Anstalten machte, sie vor die Türe zu setzen. Es war neu für sie mit den kleinen Altersschrulligkeiten umzugehen, die der Bogenbauer zeigte. Dem kleinen Selbstgespräch lauschend wartete sie geduldig, bis er sich entschied ihrem Vorschlag nachzukommen und ihr wenigstens zuzuhören. Der Vorteil war wohl, dass sie seiner Entscheidungsfindung passiv hatte beiwohnen können. So war sie vorbereitet und auf seine streng formulierte Rückversicherung, schüttelte sie nur leicht mit dem Kopf.
„Und du versprichst, dass du dich nicht nur lustig machen willst?!“
„Mögen Florencia und Phaun meine Zeugen sein! Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht hier bin, um mich über Sie lustig zu machen, oder sie anzulügen.“, schwor Rhuna bereitwillig und folgte Kayon zu seinem Sessel, ehe sie sich noch einmal umsah und sich einen Stuhl näher heranzog, auf den sie sich setzen konnte.
„Nächstes Mal könntest du ruhig ein wenig Gebäck dabei haben!“, erreichte sie ein Vorwurf, der sie zum Lächeln brachte. Natürlich war das Hin und Her seiner Launen etwas verwirrend, doch gerade sprach er bereits von einem nächsten Mal und Gebäck, was in der Regel mit einem gemütlichen Zusammensein einherging.
„Das mache ich nächstes Mal sehr gerne! Haben Sie ein Lieblingsgebäck?“, fragte Rhuna im Plauderton, während sich Kayon in seinen Sessel plumpsen ließ. Sie setzte sich nun ebenfalls und verlor kurzzeitig ihre Selbstsicherheit, weil sie damit haderte, wie sie am besten beginnen sollte. Als die Elfe dann ihre Worte fand sah sie auf, um seine Reaktionen vielleicht vorher schon ablesen zu können. Sicher war sicher…!
Yedans Vater sah aus dem Fenster und als sie die Beziehung der beiden erwähnte, meinte sie ein kleines Lächeln erkennen zu können. Auf der einen Seite fiel es ihr schwer Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Sohn erkennen zu können, da Elfen eben nicht so ‚schnell‘ und stark alterten, wie Menschen. Doch auf der anderen Seite erkannte sie ähnliche Züge – wie gerade das kleine Zucken seiner Mundwinkel, die in seinen Augen einen sanfteren Blick auslösten, der sie wieder an ihren Freund erinnerte.
Zu gerne hätte sie hier einfach gesessen und Kayon von früher erzählen gehört. Von den guten Zeiten – vielleicht der ein oder anderen Kindheitsgeschichte über Yedan. Doch eben solche Gespräche erwartete Rhuna in diesem Moment nicht. Sie waren schmerzhaft, weil man die besseren Zeiten mit der aktuellen Lage verglich, die ganz offensichtlich nicht mit viel Lachen in Verbindung stand.
„Yedan hat damals alles verloren.“, begann Kayon mit krächzender Stimme und Rhuna sah ihm an, dass es ihm wehtat diese Zeiten noch einmal gedanklich wach zu rufen. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich augenblicklich, wurde ernster und befangener. Yedan hatte ihr schon von seinem Schmerz erzählt, doch auch… hier glaubte sie nur die Oberfläche sehen zu können. Er hatte sich so schwer getan ihr von damals zu erzählen, was kein Wunder war, wenn man bedachte, wie sein Leben verlaufen war.
„Er hat auf eine sehr schmerzhafte Weise gelernt, dass er verwundbar ist und entbehrlich. Es würde mich wundern, wenn er mit dir über dieses Thema freiwillig spricht.“ Anhand seiner Tonlage erkannte sie, dass Kayon diese Worte nicht im Bösen sagte. Sie nickte nur zustimmend, auch wenn sich ihr Herz bei der Vorstellung zusammenzog, wie ein viel jüngerer Yedan erkennen musste, dass er plötzlich aus seiner heilen Welt gerissen, ganz alleine und machtlos dastand, während man ihn seiner Heimat verwies.
Ihre Finger gruben sich in den Stoff ihres Kleides, das ihre Oberschenkel bedeckte.
„Er hat gelernt zu misstrauen. Und das hat er offenbar bis heute verinnerlicht, wenn er nicht mal seiner Frau etwas davon erzählt!“, sagte Kayon plötzlich und brachte die junge Elfe damit ungewollt in Verlegenheit und in eine kleine neue Bredouille. So schnell konnte es gehen und sie war plötzlich in seinen Augen die Frau seines Sohnes.
Rhuna sah ein wenig alarmiert auf und sie wusste nicht ob es besser wäre ihn in diesem Glauben zu lassen, oder das Missverständnis aufzuklären. Was wenn er sich dann wieder verschloss und jeglicher Fortschritt zerstört wurde? Tatsächlich machte es ihr nicht … wirklich etwas aus, als Yedans Frau betrachtet zu werden. Das hätte sie schon nicht bei Lorna, Farun oder den Geschwistern interessiert, die sie jedoch gar nicht erst in dieser Position gesehen hatten. Was also tun?
„Habt ihr schon Kinder?“, fragte Kayon mit plötzlicher Gelöstheit und fast einer Spur… Hoffnung? „Ich wollte immer viele Enkelkinder…“, erwähnte er noch weiter und legte damit Stein um Stein auf ihr Herz, bis sie zu einem Entschluss kam. Doch bevor sie das Missverständnis aufklären konnte brach die heitere Stimmung aus einem anderen Grund. Kayon war bei dem Teil angekommen, an dem sich sein Leben völlig verändert hatte:
„Diese Ratte von Farun hat sich das damals alles so zurechtgelegt. Er hat meinem Yedan die schlimmste aller Sachen unterstellt. Er sagte, er hätte seine… er hätte Alyisa ermordet und… und… das Dorf sprach ihn schuldig.“ Von einem plötzlichen Hustenreiz geschüttelt, der durch die Aufregung ausgelöst worden war, sah Rhuna mitleidig zu, wie er glückliche Ausdruck, den Kayon für ein paar Sekunden getragen hatte, verschwand und er wieder zu dem alten Griesgram wurde, der in seinem Leben kein Glück zu kennen schien. Sie konnte seinen Schmerz so gut nachempfinden…! Seinen Frust verstehen…!
Einen Moment herrschte Stille. Dann fasste Rhuna einen Entschluss! Sich vorbeugend und seine Hand ergreifend sah sie ihn mit einem entschuldigenden Lächeln an.
„Nein, wir haben keine Kinder.“, begann sie sanft und klang selbst bedauernd, was aber nichts mit dem fehlenden Nachwuchs zu tun hatte. „Yedan und ich sind nicht… wir sind nicht Mann und Frau. Sie haben recht, dass er gelernt hat zu misstrauen und das hat er mir gegenüber vielleicht auch noch nicht gänzlich abgelegt. Zwischen uns ist es… schwierig … nein, das ist es nicht… … es ist unbeschreiblich!“, traf sie die Wahl auf dieses etwas ungewöhnliche Wort, über das sie auch ein paar Sekunden hatte nachdenken müssen.
„Wir lernten uns im Kapayu kennen, wo er mir das Leben rettete. Seither reisen wir zusammen.“, Rhuna machte eine kurze Pause und schien selbst kurz die Erinnerungen wachrufen zu müssen. Sie hielt weiterhin Kayons Hand, doch wenn er wollen würde, könnte er diese mit einer einfachen Geste abweisen.
„Weil er sich so offen und freundlich zeigt, fällt es erst bei wirklichem Interesse auf, dass er das Thema stets geschickt von sich ablenkt. Oh und wie geschickt er dabei ist…! Gerade anfangs hat er mir kaum etwas von sich erzählen wollen, was mit seiner Herkunft zusammenhängt. Doch ich habe erst mit der Zeit verstanden, dass dies mit viel Schmerz zusammenhängt.“ Nun schien sich Rhunas Zunge gelockert zu haben. Ihre Entscheidung war einfach gewesen: Ihr Versprechen einzuhalten! Sie beschloss ihm einfach erst einmal mehr von ihrer Beziehung zu seinem Sohn zu erzählen – in der Hoffnung, dass er das gerade aufblitzende Vertrauen nicht direkt wieder verlor.
„Er hat mir viel beigebracht, damit ich nicht von einer todbringenden Entscheidung in die nächste stolpere. Und als er erfuhr, dass ich nicht mit Pfeil und Bogen umgehen kann, beschloss er mit mir hierher zu kommen.“ Rhunas Züge wurden für einen Wimpernschlag sorgenbelastet und auch in ihren Augen blitzte kurzzeitig der Schmerz auf. Diesen Ausdruck wischte sie aber schnell wieder fort, weil sie Kayon nicht in Sorge stürzen wollte.
„Ihr Sohn bringt mich manchmal an den Rand der Verzweiflung, weil er sich selbst immer zurückstellt. Er ist ein dickköpfiger Überlebenskünstler und hervorragender Jäger, der sich in den Wäldern dieser Welt behauptet und sich zu verteidigen weiß. Und er…er … ist mir sehr wichtig geworden.“ Die brünette Elfe stockte leicht, als sie die letzten Worte laut aussprach. Es vor jemand anderem zuzugeben war doch etwas anderes, auch wenn man ihr die Sorge um Yedan stets ansehen konnte.
Hatte Kayon ihre Hand nicht bereits abgewiesen, zog nun Rhuna diese langsam wieder zu sich und bereitete sich vor weiter zu erzählen.
„Die Umstände, als wir hier im Dorf ankamen waren nicht … einfach und Yedan wollte, dass ich bleibe, wo er es nicht durfte. Ich insistierte darauf, dass er mir den Grund nannte…! Weil ich nicht verstand, wieso wir uns trennen sollten, wo wir die ganze Zeit beisammen gewesen waren. Und weil ich nicht locker ließ … erzählte er mir alles. …Und dann… entschuldigte er sich bei mir.“ Den letzten Satz sprach sie aus, als würde sie es noch immer nicht glauben können.
„Yedan gab sich all die Jahre ebenfalls die Schuld und ich glaube er bestrafte sich auch all die Jahre. Er meinte stets, dass er lieber alleine unterwegs war, aber … ich glaube nicht, dass das tatsächlich stimmt. Ihm wurde… etwas Furchtbares… Furchtbares angetan. In einem Alter, in dem man den Kinderschuhen kaum entwachsen ist.“ Rhuna senkte ihr Haupt und ihre Finger griffen erneut in den Stoff ihres Kleides.
„Ich bin hier, weil wir versuchen wollen, eine neue Abstimmung …“, Rhuna stieß sich sichtlich an diesem Wort, da ihr Widerwille gegen diese Art von Rechtsprechung noch immer vorhanden war, „…zu erwirken. In der die Umstände neu untersucht werden und das damalige Urteil aufgehoben wird. Yedan hat sich nur verteidigt – er hat nicht gewollt, dass Alyisa dabei ihr Leben verliert. Er hat sich und den Wald nur beschützt…! Und dafür wurde er bestraft und verbannt. Ich… mag nur eine Fremde im Sarius sein. Aber Yedan ist mein Freund, er ist ein wundervoller Mann, der jedes Leben wertschätzt und ich finde… dass er nicht verdient hat, was man ihm angetan hat. Selbst, wenn man meint, dass er für den Tod Alyisas büßen muss, hat er dies, wenn man die Umstände mit einberechnet, doch mehr als getan. Er … hat Glück verdient.“ Rhuna hatte sich ein wenig von ihren Gefühlen mitreißen lassen, doch lag in ihren Worten wirklich nichts als die Wahrheit. Ihr tat es weh, wie man Yedan und auch Kayon behandelte. Es tat weh zu sehen, wie diese Familie litt und nicht mit diesem Kapitel ihres Lebens abschließen durfte, wo es Farun längst getan hatte, obwohl auch er sicher noch immer unter dem Schmerz der Verluste litt.
Einen Moment lang schwieg Rhuna und sammelte sich erneut. Sie strich sich die Strähnen, die ihr in die Sicht gefallen waren hinter ihr Ohr und baute langsam wieder Blickkontakt zu Kayon auf.
„Yedan … hat mir gesagt, dass es nicht einfach werden wird. Er hat mir gesagt, dass Farun das Ansehen seiner Tochter und seiner Familie unter allen Umständen schützen wird. Er und… auch ich können seine Denkweise sogar ein wenig verstehen, aber das entschuldigt nicht das Unrecht, was Farun dadurch anrichtet. Kayon ich… weiß, dass ich alte Wunden neu aufreiße. Ich will Sie nicht aufregen oder Ihnen Schmerz bringen, aber ich hoffe Sie können mir soweit vertrauen, dass Sie mir helfen. Ich brauche so viele Informationen darüber, was damals passiert ist, wie es nur geht. Und besonders Namen. Yedan erwähnte einen Fürsprecher für sich, der damals der Abstimmung beigewohnt hatte. Ich brauche die Namen und… ein wenig von ihrem Vertrauen…!“

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 21. Dezember 2022, 22:27

Das Gespräch mit Kayon nahm endlich eine bessere Richtung an. Rhuna konnte ein wenig durchatmen und sich entspannen, ohne gleich die Befürchtung haben zu müssen, dass er sie zurückstieß. Der alte Kauz entpuppte sich als Marke ‚Harte Schale- weicher Kern‘, denn sie konnte durchaus durch ihre aufmerksame Beobachtungsgabe erkennen, dass er weiche Züge besaß. Für ihn war es sogar selbstverständlich, dass Yedan und sie verheiratet waren. Er glaubte daran, dass sein Sohn ein neues Leben begonnen und es gut getroffen hatte. Offenbar war ihm Rhuna dafür gut genug, denn er sprach es frei aus und brachte die Elfe damit in eine missliche Lage. Sollte sie die Wahrheit gleich erwähnen? Oder war es besser, einen Moment auf diesem Irrtum aufzubauen und sich davon helfen zu lassen. Immerhin wollte Rhuna erfahren, was es damals mit dem Fürsprecher auf sich hatte und wer es schließlich gewesen war. Zudem hatte Kayon derweil einen echten Redefluss, sodass sie kaum dazwischenkam. Bis er klarmachte, was sie bisher in Frage hatte stellen müssen: Wusste er von der Ungerechtigkeit? Oder war er auch der Meinung, dass Yedan Recht widerfahren war? Nein. Rhuna konnte aufatmen, denn Kayon schien ganz genau zu wissen, wer dafür verantwortlich wurde. Er sprach Farun offen an und stellte ihn an den Pranger. Dabei regte er sich so sehr auf, dass er durch bitterlichen Husten geschüttelt wurde und sich einen Moment wieder einkriegen wollte. Das war eben jener Moment, in dem Rhuna entschied, ehrlich zu bleiben. Es war schon immer ihr Naturell gewesen, sich ehrlich mit sich und ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Erst jetzt, wo sie aus dem dogmatischen Leben, das ihre Mutter für sie erstellt hatte, ausgebrochen war, konnte sie diese Eigenschaft aber auch ausleben. Sie entschied für sich und wollte diesen Weg gehen, statt mit Lug und Hinterlist weiterzukommen. Sie hätte das Denken des Alten ausnutzen können. Doch so war sie nicht. Ihre Hand fand ihren Platz auf der faltigen des anderen, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten.
Das Husten wurde weniger, schüttelte ihn aber ab und an noch mal, während sie sprach: „Nein, wir haben keine Kinder. Yedan und ich sind nicht… wir sind nicht Mann und Frau. Sie haben recht, dass er gelernt hat zu misstrauen und das hat er mir gegenüber vielleicht auch noch nicht gänzlich abgelegt. Zwischen uns ist es… schwierig … nein, das ist es nicht… … es ist unbeschreiblich! Wir lernten uns im Kapayu kennen, wo er mir das Leben rettete. Seither reisen wir zusammen.“, offenbarte sie dem Alten und dieser hörte auf zu husten, während er langsam die Hand sinken ließ, die er sich vor den Mund gehalten hatte. Die dunklen Augen blickten aus dem runzeligen Gesicht zu ihr herüber und dennoch zog er seine Hand nicht zurück. Er musterte sie einen Moment schweigend, nicht offenbarend, was er darüber dachte. Rhuna nahm die Pause zum Anlass, weiterzusprechen und weiter zu erklären, wie das alles zustande kam. „Weil er sich so offen und freundlich zeigt, fällt es erst bei wirklichem Interesse auf, dass er das Thema stets geschickt von sich ablenkt. Oh und wie geschickt er dabei ist…! Gerade anfangs hat er mir kaum etwas von sich erzählen wollen, was mit seiner Herkunft zusammenhängt. Doch ich habe erst mit der Zeit verstanden, dass dies mit viel Schmerz zusammenhängt. Er hat mir viel beigebracht, damit ich nicht von einer todbringenden Entscheidung in die nächste stolpere. Und als er erfuhr, dass ich nicht mit Pfeil und Bogen umgehen kann, beschloss er mit mir hierher zu kommen. Ihr Sohn bringt mich manchmal an den Rand der Verzweiflung, weil er sich selbst immer zurückstellt. Er ist ein dickköpfiger Überlebenskünstler und hervorragender Jäger, der sich in den Wäldern dieser Welt behauptet und sich zu verteidigen weiß. Und er…er … ist mir sehr wichtig geworden.“ Offenbarte sie und spürte, wie der Klang der Worte, die sie zum ersten Mal laut aussprach, etwas mit ihr machte.

Da war ein seltsames, aber warmes Gefühl, das sie in ihrem Innern berührte. Sie wusste, dass sie aus dem Herzen sprach und offenbar konnte auch Kayon das sehen. Denn seine Hand ruhte so lange unter ihrer, bis sie die Verbindung aufhob. Der Alte war ruhiger geworden und hatte während sie sprach, den Blick nicht abgewandt. Ein sanfter Ausdruck war auf sein verhärmtes Gesicht erschienen und die dunklen Augen verloren die Bitterkeit ein wenig. War das ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel?! „Und doch ist er für dich viel mehr, nicht wahr?“, brummte seine Stimme zu ihr und in seinem Gesicht konnte sie erkennen, dass Kayon die Wahrheit bereits wusste. War es die Weisheit eines Vaters, der um die Belange seines Sohnes immer wusste oder die Weisheit des Alters, Kayon ahnte nicht nur, was Rhuna empfand, er wusste es schlicht. Nun war er es, der ihre Hand in einer neuen Vertrautheit tätschelte. Rhuna hatte es geschafft, den alten Griesgram in diesem Moment in etwas zurück zu verwandeln, das er wohl mal gewesen war. Ein liebender Familienvater mit viel Herz für seine Liebsten. Und nun war die Shyáner offenbar Teil dieses Kreises geworden. Denn bevor sie weitersprechen konnte, richtete er noch mal das Wort an sie: „Sprich es aus, Kind. Hier hört dich niemand und wenn es dir besser geht, dann bin ich für den Moment eben taub! Die Ohren sind eh nicht mehr die jüngsten.“, machte er nun sogar einen Scherz! Rhuna schien eine Begabung zu haben, die ihr bisher verborgen blieb. „Aber wenn du das Kind beim Namen nennst, wirst du gestärkt daraus hervorgehen. Drucks nicht drumherum – das führt zu Verwirrung“ – er tippte ihr gegen die Stirn – „da drin...“ – nun gegen ihre Herzgegend – „und da drin. Und dann findest du deinen Weg nicht.“, meinte er weise, ehe er sie anschmunzelte. Für einige Atemzüge blieb der Moment bestehen, dann nutzte Rhuna ihre neue Verbindung zu Kayon, um ihr eigentliches Anliegend voranzutreiben:
„Die Umstände, als wir hier im Dorf ankamen waren nicht … einfach und Yedan wollte, dass ich bleibe, wo er es nicht durfte. Ich insistierte darauf, dass er mir den Grund nannte…! Weil ich nicht verstand, wieso wir uns trennen sollten, wo wir die ganze Zeit beisammen gewesen waren. Und weil ich nicht locker ließ … erzählte er mir alles. …Und dann… entschuldigte er sich bei mir. Yedan gab sich all die Jahre ebenfalls die Schuld und ich glaube er bestrafte sich auch all die Jahre. Er meinte stets, dass er lieber alleine unterwegs war, aber … ich glaube nicht, dass das tatsächlich stimmt. Ihm wurde… etwas Furchtbares… Furchtbares angetan. In einem Alter, in dem man den Kinderschuhen kaum entwachsen ist. Ich bin hier, weil wir versuchen wollen, eine neue Abstimmung …zu erwirken. In der die Umstände neu untersucht werden und das damalige Urteil aufgehoben wird. Yedan hat sich nur verteidigt – er hat nicht gewollt, dass Alyisa dabei ihr Leben verliert. Er hat sich und den Wald nur beschützt…! Und dafür wurde er bestraft und verbannt. Ich… mag nur eine Fremde im Sarius sein. Aber Yedan ist mein Freund, er ist ein wundervoller Mann, der jedes Leben wertschätzt und ich finde… dass er nicht verdient hat, was man ihm angetan hat. Selbst, wenn man meint, dass er für den Tod Alyisas büßen muss, hat er dies, wenn man die Umstände mit einberechnet, doch mehr als getan. Er … hat Glück verdient.“.

Kayon’s Verschmitztheit gefror, während Rhuna eine Pause machte, um ihre Gefühle und ihre Leidenschaft wieder einzufangen. Er blickte sie fragend an und plötzlich brach sein Gesicht auf als ihm offenbar eine Erkenntnis kam. Seine Augen wurden glasig und er schnaufte betroffen. „Er hat… kein neues Leben begonnen?“, fragte er beinahe schon entsetzt und klammerte sich an seinem Stock mit beiden Hände fest. Er wandte das Gesicht ab und starrte wieder hinaus aus dem Fenster und vermutlich zum Waldrand. „Aber wieso… kam er nicht mehr? Er… er ist all die Zeit allein gewesen? Was… was habe ich getan?!“, japste der Alte nach Luft und plötzlich wurde er von seinen Gefühlen übermannt. Er weinte. Bitterlich. Sein alter Körper wurde regelrecht durchgeschüttelt und die Tränen durchnässten seinen Bart. Er sank nach vorn und lehnte seine Stirn auf seine Handrücken, die auf dem Stock lehnten. „Ich dachte er hätte eine liebe Frau gefunden…“, schluchzte er krächzend, nach einer kleinen Weile. Dann wurde er erneut geschüttelt. „Mein armer Yedan… er… er sollte sein Glück finden, ich wünschte es ihm so. Aber doch nicht… er sollte nicht büßen für das, was andere getan haben!“, kochte der Kummer erneut hoch und er schluchzte noch mal herzzerreißend. Rhuna musste in diesem Moment schweigen. Vermutlich hatte sie damit nicht gerechnet, sodass sie sich sammelte, um weiterzusprechen, als sich Kayon etwas beruhigt hatte. Mit tränennassem Gesicht blickte er ihr aus glänzenden Augen entgegen, immer mal schniefend.
„Yedan … hat mir gesagt, dass es nicht einfach werden wird. Er hat mir gesagt, dass Farun das Ansehen seiner Tochter und seiner Familie unter allen Umständen schützen wird. Er und… auch ich können seine Denkweise sogar ein wenig verstehen, aber das entschuldigt nicht das Unrecht, was Farun dadurch anrichtet. Kayon ich… weiß, dass ich alte Wunden neu aufreiße. Ich will Sie nicht aufregen oder Ihnen Schmerz bringen, aber ich hoffe Sie können mir soweit vertrauen, dass Sie mir helfen. Ich brauche so viele Informationen darüber, was damals passiert ist, wie es nur geht. Und besonders Namen. Yedan erwähnte einen Fürsprecher für sich, der damals der Abstimmung beigewohnt hatte. Ich brauche die Namen und… ein wenig von ihrem Vertrauen…!“, machte sie den Sack zu. Jetzt oder nie, denn Kayon schien nichts davon geahnt zu haben, dass sein Sohn sich selbst die Schuld gab und geißelte. Er dachte ja, er hätte einfach ein neues Leben begonnen… mit Frau und Kindern.

Nichts davon war eingetreten. Stattdessen hätte er dieses einsame Leben auch noch beinahe verloren, wäre Rhuna nicht gewesen. Der Alte starrte einen Moment durch Rhuna hindurch. Ihre Worte hatten ihn sichtlich mitgenommen und doch blitzte da etwas in seinem Blick auf, das man vorsichtig als Kampfgeist bezeichnen konnte. Plötzlich ging ein Ruck durch den Alten, sodass er mit dem Stock auf den staubigen Boden aufstampfte. „Oh und wie wir eine neue Abstimmung erwirken werden! Mein Yedan hat sämtliches Glück verdient! Und er wird nicht für den Rest seines oder besser meines Lebens dafür büßen, wenn ich etwas daran ändern kann!“, fauchte er und zeigte wieder diese Griesgrämigkeit, die nun aber anders wirkte als noch zuvor. „Farun soll sich warm anziehen!“, echauffierte er sich und sprang sogar aus dem Sessel auf, bevor er hustend und prustend wieder hineinsank. Er lehnte sich, die Augen geschlossen und die Hand an seinem Herz, zurück und schnaufte ordentlich. Es war ein wenig viel für die alte Pumpe, sodass er einen Moment ausruhen musste. Zeit verstrich, in der sich Kayon weiter ausruhte und dann die Augen wieder öffnete. Er seufzte gedehnt. „Ich fürchte der Kampf ist euch jungen Leuten vorbehalten…“, keuchte er und sah dann mit einer erhobenen Augenbraue zu Rhuna. „Wie alt bist du eigentlich, Kind?“, wollte er wissen, denn schließlich konnte sie so jung dasitzen und trotzdem älter als er sein. Doch dann wandte Kayon sich ab und deutete auf die kleine Leiter, die zum oberen Bereich führte.
„Rhuna, geh da hinauf und hole ein blaues Säckchen aus Samt aus einer Holztruhe, sei so gut.“, bat er sie plötzlich und fügte an: „Pass bei den Stufen auf, die könnten etwas morsch sein.“, warnte er und scheuchte sie mit einem Wedeln der Hand. „Geh schon, keine Scheu. Hol mir das Säckchen hinunter, bring Mörser und Stößel mit. Draußen im Hof gibt es einen kleinen Brunnen, der noch ein wenig Wasser hat. Such dir ein Gefäß und bring mir etwas davon. Und dann müssen wir den vermaledeiten Kamin in Gang kriegen. Aber erstmal… leeren.“, brummelte er und schien ganz erpicht darauf zu sein, zur Tat zu schreiten. „Wir haben viel zu tun!“, bellte er energisch und rappelte sich klapprig aus seinem Sessel auf. Täuschte sich Rhuna, oder war er ein paar Jahre verjüngt? Jedenfalls gab es da einen Lebensfunken in ihm, den sie beim Betreten des Hauses definitiv nicht gesehen hatte… „Steh nicht rum, mach dich an die Arbeit!“, wies er sie erneut an und klatschte sogar einmal in die Hände dabei.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Donnerstag 22. Dezember 2022, 02:11

Vielleicht lag es an Kayons Lebenserfahrung und der dabei gewonnenen Weisheit, vielleicht daran, dass es um seinen Sohn ging – oder er las in Rhunas Augen, die vielleicht mehr verrieten, als sie selbst ahnte: Er wusste, wie es um das Herz der jungen Elfe bestellt war.
Rhunas zögerliche Art ihre Gefühle das erste Mal in Worte zu fassen, ohne gleichzeitig zu viel zu sagen, hatten etwas in ihr ausgelöst. Ihr Blick war für einen Moment abwesend, in sich und auf ihre Gefühle für den Halbelfen gekehrt, den sie gedanklich so klar vor Augen hatte, dass ihr Herz drohte alleine bei dieser Erinnerung etwas schneller zu schlagen.
Vielleicht war Kayon die sanfte Röte auf ihren Wangen aufgefallen, auf jeden Fall wurde sein Blick um einiges sanfter, als er erkannte, dass sein Yedan einen Platz im Herzen dieser jungen Frau gewonnen hatte.
„Und doch ist er für dich viel mehr, nicht wahr?“, fragte er sie brummend und brachte sie dazu den Blick wieder zu heben. Ihr Violett huschte forschend über sein Gesicht und zu seinen Augen, in denen sie erkannte, dass er vielleicht mehr über ihre Gefühle herausgefunden hatte, als ihr selbst klar gewesen war. Doch konnte sie es so einfach bestätigen und damit zugeben? Unsicherheit befiel sie und verlegen strich sie sich erneut – obwohl es nicht nötig gewesen wäre - ihre Strähnen hinterm Ohr zurecht, ehe Kayons Hand sich auf ihre andere legte und diese liebevoll tätschelte.
Glücklicherweise schien er mit ihrer Ehrlichkeit umgehen und das Missverständnis akzeptieren zu können. Es schien ihm eigentlich nicht mal etwas auszumachen und in seinem Blick lag auch kein neu erwachtes Misstrauen. Eher das Gegenteil war der Fall: Er sah sie an, als würde bereits seit Langem Vertrauen zwischen ihnen herrschen. Fast so als wäre sie ein Teil dieser Familie, die zu ihm gekommen war, um einen Rat zu erbitten. Einen Rat hatte sie nicht direkt erfragt, doch er gab ihr dennoch eine:
„Sprich es aus, Kind. Hier hört dich niemand und wenn es dir besser geht, dann bin ich für den Moment eben taub! Die Ohren sind eh nicht mehr die jüngsten. Aber wenn du das Kind beim Namen nennst, wirst du gestärkt daraus hervorgehen. Drucks nicht drumherum – das führt zu Verwirrung“, sagte er und tippte ihr gegen die Stirn „da drin...“ – und gegen ihre Herzgegend – und da drin. Und dann findest du deinen Weg nicht.“.
Die kleine Weisheit brachte Rhuna für einen Moment aus dem Konzept. Sie schwieg und schien über seine Worte nachzudenken und für sich abzuwägen. So lange, bis sich ein schmales, aber dankbares Lächeln auf ihre Lippen schlich, das schnell wuchs, ehe sie in ein kleines Lachen verfiel.
„Yedan hat scheinbar viel mehr von euch gelernt und übernommen, als nur seine Bogenkünste. Er hat eine ähnlich weise Art die Dinge zu betrachten nur…“ und hier wurde Rhunas Lächeln wieder schmaler „… weiß ich wirklich nicht, wie er …über mich denkt.“, gab sie leise zu, während ihr Blick ein wenig zur Seite und aus dem Fenster wanderte.
„Er ist was seine Gefühle angeht sehr undurchsichtig. Nach außen hin zeigt er sich in der Regel fröhlich, gut gelaunt … er macht Scherze und neckt mich. Und wenn er mir etwas beibringt scheint es ihm nichts auszumachen, wenn er mir sehr nahe kommt… wie als er angefangen hat mir das Angeln oder… eben das Bogenschießen beizubringen.“ Bei der Erinnerung errötete Rhuna ein wenig. Als würde sie ihn wieder spüren spannte sie kurzzeitig ihre Muskeln leicht an, ließ sie allerdings schnell wieder ruhen, als sie weitersprach.
„Mir … geistert ständig der Gedanke durch den Kopf, dass ich ihn mag. Sehr…mag! Aber er … ich glaube er sieht in mir nur eine … Freundin.“, sagte sie und sah mit einem Lächeln auf, das schwer zu deuten war. „Ich kann gerade nicht wirklich in Worte fassen, was ich für ihn empfinde. Wie gesagt ist es zwischen uns … unbeschreiblich. Ich habe so noch nie zuvor für jemanden empfunden. Yedan er… verwirrt mich, macht mich glücklich, traurig, bringt mein Herz zum Schlagen und vor allem dazu, dass ich über mich selbst hinauswachse…! Und das alles, obwohl wir voneinander noch gar nicht alles wissen. Nein … eigentlich wissen wir kaum etwas voneinander.“ Es war für Rhuna fremd sich jemandem auf dieser Ebene soweit zu öffnen. Aber es tat auch gut es laut auszusprechen. Denn sie hatte begonnen ihre Beziehung mit Yedan so zu akzeptieren, wie sie gerade war.
„Für die Zeit, die wir uns kennen haben wir in meinen Augen etwas Besonderes. Wir sind uns auf der einen Seite so nah, als würden wir uns schon Jahre kennen. Doch auf der anderen Seite tasten wir uns noch immer zueinander vor und versuchen den anderen kennen, - einschätzen und durchschauen zu lernen. Vertrauen ist da – doch muss es auch noch wachsen. Besonders auf seiner Seite! Yedan … fällt es nach alldem, was ihm widerfahren ist viel schwerer als mir sich jemandem zu öffnen. Deshalb ist die Freundschaft, die wir gerade haben auch genau richtig. Vielleicht wird er nie mehr in mir sehen, aber das … ist derzeit wirklich zweitrangig.“, sagte Rhuna und atmete tief durch, als sie auf das eigentliche Thema zurückschwenkte: (spoiler nur, weil schon im letzten Post geschrieben)
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„Die Umstände, als wir hier im Dorf ankamen waren nicht … einfach und Yedan wollte, dass ich bleibe, wo er es nicht durfte. Ich insistierte darauf, dass er mir den Grund nannte…! Weil ich nicht verstand, wieso wir uns trennen sollten, wo wir die ganze Zeit beisammen gewesen waren. Und weil ich nicht locker ließ … erzählte er mir alles. …Und dann… entschuldigte er sich bei mir. Yedan gab sich all die Jahre ebenfalls die Schuld und ich glaube er bestrafte sich auch all die Jahre. Er meinte stets, dass er lieber alleine unterwegs war, aber … ich glaube nicht, dass das tatsächlich stimmt. Ihm wurde… etwas Furchtbares… Furchtbares angetan. In einem Alter, in dem man den Kinderschuhen kaum entwachsen ist. Ich bin hier, weil wir versuchen wollen, eine neue Abstimmung …zu erwirken. In der die Umstände neu untersucht werden und das damalige Urteil aufgehoben wird. Yedan hat sich nur verteidigt – er hat nicht gewollt, dass Alyisa dabei ihr Leben verliert. Er hat sich und den Wald nur beschützt…! Und dafür wurde er bestraft und verbannt. Ich… mag nur eine Fremde im Sarius sein. Aber Yedan ist mein Freund, er ist ein wundervoller Mann, der jedes Leben wertschätzt und ich finde… dass er nicht verdient hat, was man ihm angetan hat. Selbst, wenn man meint, dass er für den Tod Alyisas büßen muss, hat er dies, wenn man die Umstände mit einberechnet, doch mehr als getan. Er … hat Glück verdient.“

Bereits während sie sprach, bemerkte Rhuna den Wandel auf Kayons Gesicht. Seine gerade gewonnene Verschmitztheit gefror und nach einem Moment des Unverständnisses, brach sein Weltbild, das er sich von Yedans Leben gebildet hatte, in sich zusammen, was ihn eindeutig tief traf und bewegte.
„Er hat… kein neues Leben begonnen?“, fragte er mit tiefem Entsetzen und klammerte sich an seinen Stock, während Rhuna mit wachsender Sorge und aufkeimender Betroffenheit, beinahe hilflos zusah, wie der alte Mann über das Leid seines Sohnes erneut in Schmerz geriet.
„Aber wieso… kam er nicht mehr? Er… er ist all die Zeit allein gewesen? Was… was habe ich getan?!“ Als Kayon bitterlich anfing zu weinen und sein alter Körper regelrecht geschüttelt wurde, spürte die Elfe einen Kloß im Hals und bemerkte, wie auch ihre Augen zu brennen begannen. Hatte sie zu viel gesagt? Oh, wieso hatte sie nicht auf ihre Zunge geachtet?
Schuldgefühle und Sorge brachten Rhuna dazu aufzustehen und sich vor dem alten Mann auf die Knie zu begeben. Sein Gesicht war in seinen Händen vergraben und Tränen suchten sich einen Weg über seine faltige Haut und zwischen die Haare seines weißen Bartes.
Sachte stahl sich ihre Hand auf seinen rechten Unterarm. Es war nicht mehr als eine kleine Geste, aber sie konnte gerade nicht mehr tun, als stumm für ihn da zu sein. Wie hätte sie wissen sollen, dass er eine gänzlich andere Vorstellung von Yedans Leben gehabt hatte?
„Ich dachte er hätte eine liebe Frau gefunden…Mein armer Yedan… er… er sollte sein Glück finden, ich wünschte es ihm so. Aber doch nicht… er sollte nicht büßen für das, was andere getan haben!“ Rhuna hörte zu und ihre Hand löste sich kurz, nur um auf Kayons von Sorge gebeugten Rücken zu wechseln, über den sie tröstend strich.
Vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn Kayon die Wahrheit erfuhr. So schmerzhaft sie auch war – er hatte die Wahrheit verdient und vielleicht würden sie zusammen alles zum Besseren bewegen können.
Dennoch wuchs ihre Sorge, dass die Aufregung zu viel für den alten Mann sein könnte. So behielt sie ihn mit aufmerksamen Augen im Blick, ehe sie vorsichtig weitererzählte – und zum wahren Grund ihres Besuches kam. Ein Grund, der ihm vielleicht auch ein wenig Hoffnung geben würde.
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„Yedan … hat mir gesagt, dass es nicht einfach werden wird. Er hat mir gesagt, dass Farun das Ansehen seiner Tochter und seiner Familie unter allen Umständen schützen wird. Er und… auch ich können seine Denkweise sogar ein wenig verstehen, aber das entschuldigt nicht das Unrecht, was Farun dadurch anrichtet. Kayon ich… weiß, dass ich alte Wunden neu aufreiße. Ich will Sie nicht aufregen oder Ihnen Schmerz bringen, aber ich hoffe Sie können mir soweit vertrauen, dass Sie mir helfen. Ich brauche so viele Informationen darüber, was damals passiert ist, wie es nur geht. Und besonders Namen. Yedan erwähnte einen Fürsprecher für sich, der damals der Abstimmung beigewohnt hatte. Ich brauche die Namen und… ein wenig von ihrem Vertrauen…!“
Rhuna endete und sah Kayon abwartend an. Ihr Blick huschte weiterhin aufmerksam über sein Gesicht, um ja jegliche Anzeichen einer Überforderung und darauf körperlichen Reaktion rechtzeitig zu erkennen.
Für einen Moment sahen sie einander an, doch die Elfe hatte das Gefühl, als würde er sie gar nicht wirklich wahrnehmen und in seinen Gedanken zu verharren. Doch dann blitzte etwas in seinen Augen auf! Entschlossenheit und … Kampfgeist?
Ein Knall ertönte, als Kayon mit seinem Stock auf dem Boden aufstampfte, ehe er sich mit entschlossenen Worten an sie wandte:
„Oh und wie wir eine neue Abstimmung erwirken werden! Mein Yedan hat sämtliches Glück verdient! Und er wird nicht für den Rest seines oder besser meines Lebens dafür büßen, wenn ich etwas daran ändern kann! Farun soll sich warm anziehen!“ Rhuna sah mit gemischten Gefühlen diesem Ausbruch zu. Natürlich freute sie sich, dass Yedans Vater ihnen dadurch quasi seine Unterstützung zusagte und dass er dadurch etwas bekam, auf das er noch hinarbeiten konnte. Anders als wohl die letzten Jahre, in denen er scheinbar kein größeres Ziel vor Augen gehabt hatte. Doch gleichzeitig machte sie sich Sorgen – Sorgen, die, als der alte Mann plötzlich aus dem Sessel sprang, nur um hustend und prustend wieder hinein zu sinken, nur noch größer wurde.
„Kayon! Bitte machen Sie langsam…!“, bat sie vorsichtig, aber in sichtbar ehrlicher Sorge. Und glücklicherweise schien der alte Mann selbst einzusehen und zu erkennen, dass er sich für den Augenblick zu viel zugemutet hatte. Das alles war eben aufwühlend und aufregend. Rhuna konnte es durchaus nachvollziehen.
„Ich fürchte der Kampf ist euch jungen Leuten vorbehalten…“, gab er zu Rhunas Erleichterung von sich, woraufhin sie erleichtert aufatmete. Sie wandte sich wieder ihrem Stuhl zu, auf dem sie erneut Platz nahm, als ihr plötzlich eine ganz andere Frage gestellt wurde. „Wie alt bist du eigentlich, Kind?“, fragte Kayon völlig aus dem Zusammenhang gegriffen und sah sie mit gelüfteter Augenbraue an.
„Ich bin 51 Jahre alt. Also etwas jünger, als Yedan.“, antwortete die Elfe bereitwillig. Ihr Alter war für einen Menschen bereits fortgeschritten. Doch für eine Shyáner Elfe war sie noch sehr jung. Und doch war sie froh nach all diesen Jahren endlich den sich stetig wiederholenden Abläufen und dem, für sie fremdbestimmten Leben ausgebrochen zu sein. Hier draußen war das Leben nicht einfach. Es forderte sie, ließ sie hadern, zögern und stolpern. Aber es … fühlte sich so an, als wäre sie hier und gerade jetzt, mit dem was sie tat, an genau der richtigen Stelle.
Noch ehe Rhuna eine ihrer vielen, vielleicht unwichtigeren Fragen, loswerden konnte, deutete Kayon plötzlich auf die kleine Leiter, die in einen oberen Bereich des Hauses führte. Ihr Blick folgte dem Fingerzeig und besah sich die mit Spinnweben und Staub bedeckten Stufen.
„Rhuna, geh da hinauf und hole ein blaues Säckchen aus Samt aus einer Holztruhe, sei so gut. Pass bei den Stufen auf, die könnten etwas morsch sein.“, bat er sie und warte vor eventuellen Gefahren. Wie lange wohl niemand mehr dort oben gewesen war?
„In Ordnung…!“, begann die Elfe und erhob sich augenblicklich, sah dann aber doch ein wenig zögerlich aus, dass sie einfach in einem ihr fremden Haushalt eine Kiste durchwühlen sollte. Doch Kayon ließ kein weiteres Hadern zu.
„Geh schon, keine Scheu. Hol mir das Säckchen hinunter, bring Mörser und Stößel mit. Draußen im Hof gibt es einen kleinen Brunnen, der noch ein wenig Wasser hat. Such dir ein Gefäß und bring mir etwas davon. Und dann müssen wir den vermaledeiten Kamin in Gang kriegen. Aber erstmal… leeren.“ Überrascht versuchte sich Rhuna die kleine Liste an Aufgaben zu merken und spähte suchend durch das Fenster, um dem Anblick des vorhin erwähnten Brunnens gewahr zu werden.
„Wir haben viel zu tun!“, erklang die, so lange ungenutzte Stimme, plötzlich voller Tatkraft. Kayon rappelte sich auf und als er bemerkte, dass sich Rhuna gerade mit etwas ganz anderem beschäftigte – nämlich der Freude über seine plötzlich verjüngend auswirkende Entschlusskraft – klatschte er in die Hände und scheuchte sie an die Arbeit. „Steh nicht rum, mach dich an die Arbeit!“, wies er sie an woraufhin sie nur „Bin schon unterwegs!“, rief und sich daran machte die Stufen zum oberen Stockwerk zu erklimmen.

Oben angekommen bemerkte sie als erstes die feinen, im hereinbrechenden Licht, glitzernden Staubpartikel, die durch die Luft wirbelten. Auf dem Holzboden hatte sich ihr Handabdruck abgezeichnet und wenn sie ihren Blick zu den Dachbalken wandern ließ, erkannte sie das feine Spinnengeweb der achtbeinigen Tierchen.
Alles deutete darauf hin, dass Kayon schon recht lange nicht mehr das obere Stockwerk aufgesucht hatte. Und wenn Rhuna sich genauer umsah, konnte sie auch verstehen, wieso.
Nahe des Fensters, das beinahe vollständig von Ranken überwuchert war, stand ein Bett, das von einem großen Laken bedeckt wurde. Rhuna klatschte sich kurz den Staub von den Fingern und trat langsam näher. Hatte hier oben Yedan gewohnt, als er noch bei seinen Eltern gelebt hatte?
Die muffige Luft hatte sich besonders hier oben angesammelt, doch schien es der Elfe gar nicht aufzufallen. Sie sah weiter über die Möbelstücke, von denen einige ebenfalls mit Tüchern vor Staub geschützt wurden.
Nahe des Fußende des Bettes stand eine hölzerne Truhe. Dieser gegenüber lehnte an der Wand ein Bogen, der eindeutig einem Kind gehört haben muss. Rhunas Blick wurde weich und gleichzeitig ein wenig von Schmerz beseelt. Ihre Füße trugen sie zögernd näher. Der Bogen war eindeutig ein zu Übungszwecken hergestellt worden - eine art Lehrspielzeug, mit dem man aber zweifelsfrei auch Pfeile schießen konnte.
Ob Yedan damit als Kind geübt hat?, fragte sie sich und zwang sich seufzend der Truhe entgegen, wegen der sie eigentlich hier hoch gekommen war.
Sie öffnete sie, was ein Quietschen verursachte, das man sicher auch noch unten hören konnte.
Säckchen…. Säckchen… ah! Dort! Achtsam durchsuchte sie die Gegenstände, bis sie auf ein, für das Alter überraschend gut erhaltenes Samtsäckchen stieß. Sie entnahm es und verschloss die Truhe wieder, sah sich dann um und entdeckte glücklicherweise recht schnell den Stößel und Mörser – beides Teile, die nicht wirklich hier oben hinpassten. Vielleicht waren sie irgendwann einmal zum Lagern hier hochgebracht worden.
Mit ihren Fundstücken kehrte Rhuna zurück zu Kayon, stellte sie vor ihm auf den Tisch, an dem derzeit nur zwei der drei Stühle standen.
Wozu er das wohl braucht?
„Ich hole schnell das Wasser und kümmere mich dann um den Kamin!“, sagte sie eilig, aber mit einem Lächeln, ehe sie – einen Krug greifend, durch den hinteren Ausgang ins Freie verschwand. Die Türe ließ die Elfe offen – einerseits, weil sie gleich wieder hineingehen wollte – andererseits, weil sie der stillen Meinung war, dass ein wenig Frischluft im Haus nicht schaden würde.

Draußen angekommen sah sie sich als erstes mit dem wilden Gewächs konfrontiert, das sich bereits von der Wand aus, seine Wege über den Boden gearbeitet hatte. Das Efeu war bereits so fest verwurzelt, dass Rhuna es nicht ohne große Mühen für einen barrierefreien Durchgang hätte ausreißen können. Etwas, für das sie gerade weder Zeit noch Kopf hatte, doch befeuerte es natürlich ihre Sorge. Hier gab es einige Stolperfallen für einen Mann in seinem Alter…!
Kayons körperlicher Zustand war eine Erklärung für die Verwilderung des Grundstücks und auch für den Zustand des Hauses. Er bräuchte Hilfe, um es wieder in Stand zu setzen, doch das war ein Projekt, auf das man noch warten müsste.
Zurück im Haus stellte sie den Krug ebenfalls auf den Tisch und sah dann zum Kamin.
„Was… habt Ihr vor Kayon?“, fragte Rhuna dann doch, weil ihr der Sinn der ganzen Dinge verschlossen blieb. Sollten sie nicht über Yedans damaligen Fürsprecher reden? Über die nächsten Schritte?
Rhuna hatte noch lange nicht alles erzählt, was es zu erzählen gab, doch glaubte sie, dass es gut war, wenn sie die fehlenden Informationen auf später schob und wenn … dosiert erzählte. Immerhin wusste die Elfe selbst nicht, wie es genau weitergehen würde. Und was ihre Nachforschungen … auch für sie bedeuten könnten.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. Dezember 2022, 23:04

Es war sicherlich nicht so einfach, wenn beinahe jeder Außenstehende scheinbar mehr über einen wusste als man selbst. Rhuna lernte sich selbst erst kennen und legte die jahrelang getragene Hülle ab. Für sie war das alles neu, doch jeder der ihr begegnete, sah diese alte Hülle nicht. Sie alle konnten sie erkennen, sie und nicht das, was ihre Mutter ihr jahrelang auferlegt hatte. Das lebte nur in ihrem Innern weiter, weil sie darum wusste. Yedan sah ihre Stärke, ihre Herzlichkeit und ihren Mut. Avalinn erkannte ihr Potenzial und ihre Begabung. Ajak sah ihre Schönheit und ihre Lieblichkeit, die ihn zu verzaubern wussten. Und Kayon? Kayon sah in ihr Herz und erkannte ihre Gefühle, noch bevor sie es wusste. Der Mann musste selbst diese Gefühle erfahren haben, wenn er sich so sicher bei seinen Worten war. Es wirkte zumindest so und würde erklären, wieso er all seinen Lebensmut verloren hatte, nachdem man ihm erst den Sohn und dann die Frau nahm. Jetzt aber hatte sich das Triste in diesen vier Wänden gewandelt: Der alte Mann wirkte regelrecht euphorisch und voller Tatendrang, sodass er der Elfe einige Aufgabe zuteilte. Rhuna amüsierte sich ein wenig über die neue Richtung, die es scheinbar geschafft hatte aufzuleben. Es freute sie, dass sie es geschafft hatte, die alten Lebensgeister ein wenig zu entfachen und als er in die Hände klatschte, wusste sie auch, dass er offenbar einen Plan hatte. Rhuna folgte dem Weg der Aufgaben und kletterte als erstes die knarzende Leiter nach oben empor. Hier bildeten sich die feinen Staubkörnchen schon in der Luft und die glitzerten wie tausende Sterne im kargen Licht.
Die staubhaltige Luft kitzelte ein wenig die Nase und reizte die Augen, doch das hinderte Rhuna nicht daran, sich genauer umzusehen. Das, was sie vorfand, war scheinbar mal ein Schlafplatz gewesen. Allerdings fanden sich inzwischen auch andere Dinge hier, sodass man davon ausgehen konnte, dass dieser Raum länger bereits als Lager genutzt wurde. Trotz allem fiel der Shyáner die Linie auf: Das Bett, der Übungsbogen, der kleine Kerben aufwies die fein säuberlich gezogen worden waren als hätte jemand seine Erfolge eingraviert, eine kleine Kommode und teilweise offen herumliegendes Spielzeug. In einer Kiste stapelten sich allerhand Pergamentblätter, die allesamt mal mehr mal weniger bunt bemalt waren. Offenbar war das mal Yedan’s Reich gewesen und Rhuna erlebte ein kleines Stück Geschichte. Alles hier erzählte ihr einen kleinen Teil davon, während sie den Raum nach der Holztruhe absuchte. Diese befand sich am Fußende des Bettes und war nicht mehr verhangen worden. Sie musste kürzer hier stehen, sodass nur eine feine Staubschicht hinabrieselte, als Rhuna sie öffnete. Darin befanden sich allerhand Dinge. Rhuna konnte erkennen, dass es hier Kristalle gab, kleine Gläser und Fläschchen mit undefiniertem Inhalt. Mal waren es getrocknete Beeren, mal Kräuter oder auch kleinere Insektenteile. Alles war feinsäuberlich beschriftet und die Handschrift wirkte weiblich. Geschwungene Bögen und leichte Schräglage machten diese Schrift besonders. Teilweise waren die Etiketten nicht mehr entzifferbar, manchmal konnte sie nur Teile lesen. Rhuna wühlte sich ein wenig durch die Truhe und räumte Anis, Fenchel und Glühwürmchen-Flügel beiseite. Sie fand Rinde von verschiedenen Bäumen, Abriebe von Erzen oder die krausen Gräser von Moos. In anderen Flaschen schwamm braune Flüssigkeit, die Rückstände an den Wänden der Gläser hinterlassen hatten. Und sie räumte Bücher und handgeschriebene Notizen beiseite. Dieselbe Handschrift, wie auf den Gläsern. Es gab Notizen über Zauber der Naturmagie, mit Anmerkungen, die hier und dort durchgestrichen waren und erneuert wurden. Es gab aber auch einige Blätter mit Fragen, die sich die Schreiberin offenbar gestellt haben musste. Fragen zu Mischverhältnissen oder Wirkungsweisen verschiedenster Tinkturen. Alles in allem hatte Rhuna offenbar die Truhe einer Naturmagierin gefunden, die sich ausgiebig mit dem Studium beschäftigt hatte. Bis ihr plötzlich eine Notiz ins Auge stach, weil dort in dem ersten Satz ein Wort auftauchte, das ihre Sinne kitzelte: Yedan. Das Papier war leicht vergilbt und fiel immer wieder zu einer Rolle zusammen. Es hatte an den Rändern Knicke und war an den Seiten etwas verschmiert, doch Rhuna konnte es gut lesen:

„Heute hat Yedan (3 Jahre alt) mich gefragt, ob ich seinen Vater liebe. Ich habe gelächelt und geantwortet, dass ich das natürlich tue. Er fragte, woher ich wüsste, dass es Liebe ist und ob er das auch eines Tages spüren würde. Ich nahm Yedan auf meinen Schoß und umarmte ihn. Ich fragte, ob er etwas dabei spüren würde und er nickte. Er sagte, dass es sich ganz warm und kribbelig anfühlte, wenn ich ihn umarmte. Ich strich ihm über den Kopf und küsste seine Stirn. Siehst du…, sagte ich, das ist Liebe.“
Schriftrolle Fuss
Offenbar hatte Liabell hier und dort kleine Erinnerungen notiert und sicher verwahrt. So verführerisch es war, sich in dieser Erinnerung zu verlieren, Rhuna fand das Säckchen. Es war aus blauem Samt und nicht schwer. Darin raschelte es etwas, wenn man es in der Hand trug, allerdings war es sonst eher unauffällig. Mit ihrer Ausbeute verließ die Elfe die obere Etage und kehrte zurück. Nun fehlte noch das Wasser, welches sich von draußen holte. Mit einem Krug trat sie durch die Tür, die etwas fester betätigt werden musste, da sie klemmte. Das Haus war von dieser Seite ordentlich mit Efeu berankt, sodass die Fassade bereits litt. Hier und dort konnte Rhuna Risse erkennen. Auch war die Unwegsamkeit für den alten Mann ein echtes Problem. Die Natur hatte hier bereits große Sprünge nach vorn gemacht, wenn es darum ging, sich das Territorium zurückzuerobern. Hier war über Monate, wenn nicht sogar schon ein paar Jahre, nichts mehr gemacht worden. Rhuna erkannte dennoch, neben dem Brunnen in der Mitte der kleinen Einfriedung, dass hier mal ein kleines Labor gestanden hatte. Es lagen noch einige Kolben und Gerätschaften herum. Die Kräuter und Zutaten waren lange bereits zu Staub geworden, doch offenbar hatte hier Liabell ihr kleines Reich gehabt. Scheinbar war auch sie eine Magierin der Natur gewesen und hatte Zeit damit verbracht, ihrer Magie auf den Grund zu gehen. Ansonsten befand sich auf der anderen Seite des Labors, quasi gegenüber, eine kleine Werkbank und ein abgenutzter Schleifstein, der schief in den Angeln hing. Rhuna entdeckte Rückstände des Bogenbauers. Es war leicht sich vorzustellen, wie Liabell ihrer Forschung nachging, während Kayon Bögen erschuf und Yedan nebendran spielte oder durch den Wald hinterm Haus tobte. Das Wasser zu fördern war nicht schwer, auch wenn der Brunnen nicht mehr viel Wasser führte. Dennoch kehrte Rhuna mit dem Krug zurück und widmete sich den Kamin.

Der musste erstmal ordentlich gesäubert werden, bevor man ihn neu hätte nutzen können. Beim Reinkommen hatte Rhuna noch einen Blick auf einen kleinen Verschlag werfen können, der noch ein paar gestapelte Holzblöcke hatte. Allerdings musste die Elfe vorerst erfahren, was das ganze Prozedere sollte und wandte sich somit an den Alten: „Was… habt Ihr vor Kayon?“ Er sah zu ihr auf, nachdem er, während sie draußen gewesen war, angefangen hatte, den Tisch ein wenig freizuräumen, damit sie Platz hatten. Einen Moment schwieg er, dann deutete er auf das blaue Säckchen. „Weißt du Kind, meine Erinnerungen sind einfach nicht mehr die besten. Ich bin alt und kriege hier und dort etwas durcheinander. Wenn wir wissen wollen, was damals geschah… dann sollten wir kein Detail auslassen.“, begann er und räumte weiter etwas Platz frei. „Li… Liabell – meine Frau und Yedan’s Mutter – Florencia und Phaun heißen dich Willkommen, meine Liebe…-“, sprach er offenbar kurz zu seiner Frau, ehe er wieder Rhuna ansah: „Sie hatte sich viel mit ihrer Magie beschäftigt. Sie hat an der Zusammensetzung und Wirkungsweise von Kräutern gearbeitet. Hat verschiedenste Varianten ausprobiert und getestet und entwickelte dann eine Mischung, die es bewerkstelligte, Erinnerungen so zu durchleben, wie es tatsächlich stattgefunden hatte.“, erklärte er und sah Rhuna richtiggehend aufgeregt an. „Wir müssen aus dieser Mischung nur einen… besonderen Tee kochen. Dann siehst du selbst, was wir vor knapp 25 Jahren erlebt haben…“, meinte er und nickte ihr zu als wäre das der Erklärung genug. Er hinkte zum Kamin und sah dem Schlamassel ins Gesicht. Das würden sie nicht ohne ordentlich viel Dreck zu machen beseitigen können, soviel stand fest.
Allerdings half Kayon voller Tatendrang mit und offenbar schien ihm Rhuna’s Besuch wahrhaftig eine neue Aufgabe zu geben, der er sich widmen konnte. Die Lethargie war vorbei und auch wenn er zeitweise wankte, hustete oder sich ausruhen musste, half er ihr stetig den Kamin zu säubern, sodass sie nach einer guten Stunde Arbeit ein Feuer entzünden konnten. Endlich erhellte ein gemütlicheres Licht die Wände und gleich wurde einem etwas wohler ums Herz. Ein heimeliges Feuer wärmte eben nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Kayon starrte einen Moment auf das lodernde Feuer und schien einigen Gedanken nachzuhängen. Bis er auf einen Kessel deutete, den man über dem Feuer anhängen konnte. Er goss das Wasser hinein und wartete, bis es kochte. Dann bat er Rhuna, das Säckchen darüber zu entleeren, ehe sie umrühren sollte. Es war nicht erkennbar, welche Kräuter darin enthalten waren. Einige Blüten konnte Rhuna nicht erkennen, denn sie hatte nicht alle gesehen bisher. Andere waren eher banale wie Pfefferminz und Verbene. Das Aroma entfaltete sich, je länger das Wasser kochte. Kayon hatte sich für den Moment in seinen Sessel zurückgezogen und war leise schnarchend eingeschlafen. Der Mann hatte seit Monaten keine solche Aufregung mehr gehabt…Er war erledigt. Er hatte ihr noch gesagt, sie solle zusehen, dass das Wasser beinahe verkocht wäre, aber nicht anbrannte. Dann sollte sie zwei Becher damit füllen und ihm Bescheid sagen, wenn sie soweit wäre. Bis dahin hatte Rhuna aber ein wenig Zeit… Zeit zu überlegen, ob sie noch mal das kleine Zimmer ansehen wollte, oder sich so im Haus umschauen mochte. Sie konnte aber auch am Kamin auf dem steinernen Vorsprung Platz nehmen und einen Moment Ruhe für ihre Gedanken finden. Oder sie krempelte die Ärmel hoch und schuf etwas Ordnung, was sicher ihre innere Hausfrau freute. Nach einer guten Stunde war das Wasser dann soweit verkocht, dass es gerade noch für zwei halbvolle Becher reichte. Der Geruch war inzwischen eher bitter und nicht recht definierbar. Es roch jedenfalls nicht so lecker als noch am Anfang. Kayon war in der Zeit nicht einmal aufgewacht, sondern schlief noch immer den Schlaf der Gerechten.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Donnerstag 29. Dezember 2022, 17:44

Rhuna konnte nur ahnen wie viele Geschichten in diesem Haus für unwissende Augen verbogen lagen. Wie viele Erinnerungen die Bewohner gesammelt und über all die Jahre gepflegt pflegten. Kayon schien aufgrund des tragischen Schicksals, das seiner Familie wiederfahren war, noch mehr in der Vergangenheit gefangen zu sein, als manch anderer. Verständlich, wie Rhuna fand. Denn die Erinnerungen waren wie ein Schatz und manchmal das Einzige, was man noch besaß.
Sie selbst hatte diese Zeit nicht aktiv miterlebt. Sie war in Shyána Nelle aufgewachsen und Yedan, hier im Sarius im Waldmenschendorf. Wären ihre Leben verlaufen, wie sie es sich in ihrer Kindheit vorgestellt hatten, wären sie einander wohl niemals begegnet. Doch das Leben selbst hatte anderes für sie geplant. Ereignisse und Entscheidungen – Freude wie auch Trauer hatten sie schließlich auf einen gemeinsamen Weg geführt. Zu Beginn hatten sich ihre Lebensfäden nur sachte berührt, waren nebeneinander hergeflossen, bis sie begonnen hatten sich umeinander zu wickeln und zu verflechten. Untrennbar – vielleicht nur für einen gewissen Abschnitt, vielleicht für deutlich länger…
Die brünette Elfe saß vor der hölzernen Kiste und berührte durch die vielen kleinen Gegenstände, die Liabell in dieser verwahrt hatte, ein Stück jener Vergangenheit, die sie nie aktiv miterlebt hatte. Die vielen Fläschchen und Inhalte darin deuteten darauf hin, dass Yedans Mutter eine Naturmagierin gewesen war.
Sie hatte eine wirklich schöne Handschrift, bemerkte Rhuna, als sie die feinen Letter auf den Emblems und Etiketten betrachtete. Wofür Liabell wohl all diese Dinge gebraucht hatte? Einige der Inhalte waren ihr völlig unbekannt und über einige wusste sie um keinen medizinischen Zweck.
Vielleicht lag es an ihrer Neugierde, doch sie begann einige der Notizen zu lesen und erfuhr so den ein oder anderen Verwendungszweck. Und dass sich Liabell offenbar über viele Jahre mit der Naturmagie beschäftigt hatte.
Mein Vater wäre begeistert über all solche Aufzeichnungen, dachte sie sich und sah kurz auf ihre Hände. Auch Rhuna wohnte Naturmagie inne. Eine Magie, die sich ihr bewusst noch nie erschlossen hatte und von der sie nicht wusste, ob sie sie jemals bewusst anwenden könnte. Ebenso wie ihre Lichtmagie. Sie konnte nicht einmal behaupten sich einer der beiden Magiearten näher zu fühlen. Lag es vielleicht daran?
Das Problem ihrer Magie lastete auf ihrem Herzen, doch momentan schob sie jeden Gedanken darüber beiseite, um sich noch nicht damit beschäftigen zu müssen.
Beim durchstöbern und Suchen nach dem Samtsäckchen fiel ihr plötzlich Yedans Name auf, der ein Schriftstück zierte. Zögernd nahm Rhuna die kleine Schriftrolle und entfaltete sie, so dass sie alles lesen konnte, was auf dieser stand.
Ihr Gesicht spiegelte die Betroffenheit wieder, die sie empfand, als sie verstand, dass sie niedergeschriebene Erinnerungen in den Händen hielt. Momente, die so kostbar für die andere Elfe gewesen waren, dass sie sie auf diesem Papierstück bewahrt hielt.
Ein sanfter Ausdruck lag in ihrem Blick und ihre Finger strichen beinahe liebevoll über die Worte, die ein kleines Lachen in ihr auslösten. Die Erinnerungen waren nicht die ihren und doch hatte sie das Gefühl sich den Moment ganz genau vorstellen zu können.
Yedan war sicher ein niedlicher Junge. Ich wünschte…. Rhuna unterbrach in Gedanken ihren Satz und seufzte. Den kleinen Yedan würde sie nie kennenlernen.
Hatte Alyisa Yedan damals bereits gekannt? Waren die Beiden Freunde gewesen und hatten auf den Wiesen und in den Waldgrenzen gespielt? Ein leichter Stich zog durch das Herz der Shyáner, ohne dass sie das Gefühl verstand, das dieses ausgelöst hatte.

Zurück bei Kayon übergab sie ihm das Säckchen und lauschte seinen Worten, auf ihre Frage, was dieser nun vorhatte?
„Weißt du Kind, meine Erinnerungen sind einfach nicht mehr die besten. Ich bin alt und kriege hier und dort etwas durcheinander. Wenn wir wissen wollen, was damals geschah… dann sollten wir kein Detail auslassen.“, begann er, während er für sein Vorhaben etwas Platz schaffte. „Li… Liabell – meine Frau und Yedan’s Mutter – Florencia und Phaun heißen dich Willkommen, meine Liebe…- Sie hatte sich viel mit ihrer Magie beschäftigt. Sie hat an der Zusammensetzung und Wirkungsweise von Kräutern gearbeitet. Hat verschiedenste Varianten ausprobiert und getestet und entwickelte dann eine Mischung, die es bewerkstelligte, Erinnerungen so zu durchleben, wie es tatsächlich stattgefunden hatte.“ Während sie zugehört hatte, lag ihr Blick auf seinen Händen. Doch als Kayon erklärte, was der Inhalt des Säckchens auslösen konnte, hob sich eine ihrer schmalen Brauen. Von solch einem Trank hatte sie noch nie etwas gehört!
„Kayon du meinst … oh ich meine Ihr meint diese Mischung weckt erlebte Erinnerungen, die man vielleicht vergessen hat?“ Sollte dies der Fall sein, würde die Mischung wohl nur Kayon etwas bringen. Doch offenbar schien er anderer Meinung zu sein:
„Wir müssen aus dieser Mischung nur einen… besonderen Tee kochen. Dann siehst du selbst, was wir vor knapp 25 Jahren erlebt haben…“, korrigierte er sie und schien an der Wirkung auch keinerlei Zweifel zu haben. Doch… konnte das stimmen? Oder brachte der alte Herr etwas durcheinander?
„Kann … ich durch den Tee wirklich … selbst sehen, was damals passiert ist?“, fragte sie ohne böse Absicht noch ein wenig skeptisch, aber ihr Blick verriet, dass sie innigst hoffte, dass die Wirkung genau den eben beschriebenen Effekt haben würde.
Zusammen reinigten die beiden den Kamin, so dass der Tee zubereitet werden konnte. Und währenddessen konnte sie Yedans Vater noch ein wenig besser kennenlernen. Tatsächlich hätte sie ihn gerne mehr zu Yedans Kindheit ausgefragt, doch noch zögerte die Elfe solch persönliche Informationen zu erbitten. So sprachen sie ein wenig über dies und das.
Zumindest bis alles soweit erledigt war, dass sie nur noch darauf warten mussten, dass der Tee fertig gezogen war. Kayon hatte es sich in der Zeit in seinem Sessel gemütlich gemacht und war ein wenig eingeschlafen.
Da sich Rhuna die Aufregung und die dadurch entstandene Anstrengung vorstellen konnte, ließ sie Yedans Vater ruhen und sah sich noch ein wenig im Haus um, ehe sie beschloss sich ein wenig nützlich zu machen. Sie wusch das dreckige Geschirr auf der Küchenzeile ab und sorgte so bereits für zwei Tassen, in die sie den, mittlerweile unangenehm duftenden Tee schüttete, als dieser fertig war.
Noch immer ein wenig skeptisch sah sie die feinen Partikel der Kräuter in der dunklen Flüssigkeit tanzen, als sie eine der Tassen sanft schwenkte. Sollte sie Kayon davon wirklich trinken lassen? Was, wenn es nicht funktionierte und es ihm nicht bekam? Oder was, wenn es funktionierte – das Erlebte ihn aber zu sehr aufwühlen und aufregen würde?
Ich mache mir doch ein wenig Sorgen…, gab Rhuna in Gedanken zu und seufzte.
„Kayon? Kayon! Der Tee ist fertig…!“, sagte sie sanft und weckte den alten Herrn vorsichtig. Lächelnd sah sie ihn an und ließ ihm Zeit wach zu werden, ehe sie auf die Tassen sah.
„Ich mache mir Sorgen Kayon…! Das alles… muss für Euch sehr schmerzhaft sein. Ihr habt es bereits einmal durchlebt. Sollte es... nicht ausreichen, wenn ich den Tee trinke und das Erlebte sehe?“, fragte sie unsicher und hoffte ihn dadurch nicht zu verärgern. In ihrem Blick lag ehrliche Sorge, die entstanden war, weil sie den brummigen, alten Herrn wirklich zu mögen begann.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Sonntag 1. Januar 2023, 13:40

Die Zeit, die sie mit dem Vater ihres Freunde gemeinsam verbrachte, schaffte auf beiden Seiten Vertrauen und das Gefühl, dass der alte Griesgram vom Anfang ihres Kennenlernens, Stück um Stück verschwand. Rhuna durfte sich zunehmend freier bewegen und auch der Gesprächston wurde lockerer. Rhuna konnte deutlich merken, dass ihre Anwesenheit immer weniger abgelehnt wurde und zum Schluss ihrer Aufgaben sogar begrüßt wurde. Kayon schien sich sogar soweit entspannen zu können, dass er Rhuna die Arbeit überließ und sie nicht mal korrigierte. Er setzte sich in seinen Sessel und brummte seine Anweisung, den Tee zuzubereiten. „Er muss lange köcheln. Bis er stinkt.“, wählte er präzise und irgendwie nicht, die Worte. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Rhuna ein leises schnarchen vernehmen konnte. Der Alte hatte vermutlich so viel Betriebsamkeit seit Langem nicht mehr erlebt. Er musste erschöpft sein, sodass Rhuna die Zeit des Tee-Brühens nutzte und ihren eigenen Gedanken nachhing. Bis sich ein ekliger und bitterer Geruch entfaltete und Rhuna instinktiv wusste, dass die Ziehzeit vorbei war. Der Alte schlief immer noch und bekam von der verstrichenen Zeit nichts mit. Rhuna schob ihre Sorgen für einen Moment beiseite und weckte Kayon behutsam. Erst bei der zweiten Ansprache, unterbrach er seinen Schnarcher und schmatzte. Blinzelnd und gähnend öffnete er die Augen und wirkte einen Moment sichtlich verwirrt. Er blickte Rhuna verständnislos ins Gesicht als hätte er vergessen, wer sie war. Rhuna konnte deutlich im Mienenspiel erkennen, dass er zwischen Fragen und Panik stand. Er wusste nicht mehr, wer sie war! „W.. was?, fragte er unsicher, bis dann endlich die Erkenntnis erlösend auf seine Züge trat. „Rhuna!“, seufzte er erleichtert aus. Offenbar baute der Mann nicht nur körperlich ab. Kayons Augen fanden weitere Hinweise im Haus, die ihm halfen, das Geschehen wieder zu rekonstruieren und er entspannte sich wieder. Rhuna aber war in Sorge. Sie konnte nicht anders und schlug ihm vor, dass sie die Strapazen auf sich nahm, um ihn zu schonen. Kayon nickte leicht, wog aber den Kopf hin und her. „Es funktioniert leider nur, wenn wir ihn gemeinsam trinken. Meine Erinnerung, du willst sie sehen.“, berichtete er und deutete auf einen der beiden Becher. Er roch daran und verzog das Gesicht. „Ich habe immer das Haus verlassen, wenn sie den gebraut hat.“ Er blickte auf Rhuna und nickte dann aber bereit. „Wir trinken ihn gemeinsam, vorher aber müssen wir noch die Verbindung schaffen, damit wir sie selbe Erinnerung sehen.“, erklärte er ihr und rutschte in seinem Sessel zurück. „Erstmal brauchst du einen stabilen Sitz, nicht, dass du umfällst. Dann musst du dir bitte dieses Haus vorstellen. Das ist unser Treffpunkt, falls wir uns verlieren – denk daran, das ist sehr wichtig!“, behauptete er und musste damit in Rätseln sprechen. Aber er ließ sich nicht beirren. „Denk an den Tag, an dem Yedan’s Schicksal sich änderte. Es war tagsüber, soweit ich mich erinnere. Wir waren alle am großen Baum, aber du stellst dir das Haus von uns vor. Alles verstanden? Dann los. Stells dir vor, dann trinke drei Schlucke.“, wies er sie an und hielt selbst noch mal inne, bevor er den Becher an die Lippen hob. Rhuna konnte zusehen, dass Kayon den Tee wegstellte und sich in seinem Sessel abermals zurücklehnte. Erst geschah nichts, dann schloss er träge die Augen, holte noch mal tief Luft und seufzte lange aus, als würde er seinen letzten Atemzug tun. „Yedaaaan…“, hauchte er dabei, dann blieb er ruhig.

Sobald Rhuna sich gewappnet hatte und fest an den Alten, Yedan und das Haus dachte, konnte sie den Tee schmecken. Er schmeckte tatsächlich um Längen besser als er roch. Erst passierte gar nichts, dann begann alles in ihrem Mund zu kribbeln als hätte sie eine Allergie. Es kribbelte den Weg des Tees durch ihren Körper und kurz darauf spürte Rhuna eine immense Schläfrigkeit. Rhuna sah ihren Blick verschwimmen und konnte sich nicht gegen die Müdigkeit wehren. Ihre Glieder wurden schwer und ihr Herzschlag wurde verlangsamt. Als hätte jemand die Zeit angehalten, wurde alles unvorstellbar langsam, dann sah sie Dunkelheit. Es fühlte sich an, als wäre sie im einen traumlosen Schlaf gefallen und doch auch wieder nicht. Irgendwie hatte sie ihre Körperlichkeit behalten und stand in einem Raum, der jegliches Licht verschluckt hatte. Ein paar Augenblicke waberte sie in dieser Orientierungslosigkeit und musste sich an Kayon’s Worte erinnern, dass sie an das Haus, Yedans Tag und ihn, Kayon, denken sollte. Sobald sie sich ein wenig darauf konzentrierte, erschuf eine körperlose Macht um sie herum kleine Fragmente. Erst war da nur ein Grashalm, dann eine Steinplatte, ein Stück Holz… doch je mehr sich Rhuna konzentrierte, desto detaillierter wurde ihre Umgebung. Dort kam der Weg zum Vorschein, den sie vom großen Baum gegangen war. Dann ein Haus, das sie im zerstörten Zustand gesehen hatte. Jetzt war es intakt und sogar nach und nach mit Leben gefüllt. Immer mehr glich die anfängliche Dunkelheit dem Dorf der Waldmenschen und mehr noch: Rhuna konnte erkennen, dass es Details gab, die sie gar nicht wissen konnte, wie dieses zerstörte Haus, das nun eine eher rundliche Familie beherbergte, während die rothaarigen Kinder im Garten Fangen spielten. Rhuna fand sich alsbald in dem Dorf wieder. Sie erkannte den großen Baum, konnte einige Gesichter halbwegs erkennen, auch wenn sie etwas jünger aussahen. Sobald sie sich umwandte, konnte sie tatsächlich auch den Weg sehen, der sie schon einmal auf Kayon's Haus zugeführt hatte. Selbst den Wind spürte sie auf ihrer Haut, als wäre das alles echt und nicht einer Magie entsprungen, die in einer Teetasse zusammengebraut wurde.
Rhuna konnte sich normal bewegen, musste aber zügig feststellen, dass sie körperlos war. Niemand rempelte sie an, wenn sie im Weg stand, sondern ging durch sie hindurch. Auch konnte sie keinen Stein aufheben oder eine Blume pflücken. Laufen fühlte sich indes normal an. Wenn sie dem Weg folgte und das Haus aufsuchte, stellte sie bereits von weitem fest, dass sie definitiv in einer anderen Zeit im Dorf war. Die Farben hier wirkten zudem wärmer. Als hätte jemand Sepia über ihre Augen gekippt. Es war warm und angenehm. Das Haus des Bogenbauers war genau das: Ein Schild hing über der Tür und klapperte etwas im lauen Wind. Darauf stand schnörkellos wie der Mann selbst: „Kayon. Bogenbauer.“ Die Tür stand offen und von drinnen konnte Rhuna Tellergeklapper hören. Geschäftig wurde darin gearbeitet, während ein gleichmäßiges Sägen vom Garten hinter dem Haus herrührte. Rhuna konnte unbehelligt hinein und fand die selbe Hütte vor, doch war hier das Leben explodiert: Überall konnte sie erkennen, dass eine weibliche Hand diesen Haushalt führte. Die triste Atmosphäre war verschwunden. Frische Blumen standen hübsch drapiert auf Fenstersims und Tischen. Der Kamin hielt ein kleines Feuer bereit, über dem eine Suppe brodelte. Die kleine erhöhte Nische beherbergte nun ein großes Bett für zwei, während es den Sessel, der Kayon als Heim diente in der Gegenwart, in einer gemütlichen Leseecke stand.

Dort saß Kayon. Der echte, der alte Kayon mit Stock und weißen Haaren, wie sie ihn kennengelernt hatte. Seine Augen waren tränennass und er betrachtete die Elfe, die gerade dabei war, summend ein paar Teller auf dem Tisch zu verteilen. Die Elfe musste Liabell sein. Sie hatte lange, glatte, braune Haare, liebliche Züge und die selben hellen Augen, wie ihr Sohn. Ihre Wangen waren rosig und strotzten vor Jugendlichkeit und Leben. Im Haar hatte sie einen selbstgemachten Blumenkranz eingeflochten. Liabell deckte den Tisch fertig ein, tänzelte zum Feuer und probierte vorsichtig die Suppe. Dann nickte sie. „Kayon! Würdest du bitte den Kessel vom Feuer nehmen? Und sag Yedan, er soll etwas Petersilie mit reinbringen.“, rief sie. Dann begann sie das Brot zu schneiden, während sich der Alte aus dem Sessel bemühte, bis ihm offenbar einfiel, dass er nicht gemeint gewesen war. Denn schon schob eine deutlich jüngere Version ihren Kopf durch den Hintereingang ins Haus und wischte sich die kräftigen Hände an einem Tuch ab. Unverkennbar Kayon aber mit braunem Haar, muskulös und tatsächlich konnte Rhuna Yedan in seinem bartlosen Gesicht erkennen. Er wirkte auch etwas größer, sodass Rhuna erkennen konnte, dass Menschen im Alter offenbar etwas kleiner wurden. Gerade jetzt, wo der Gegenwart-Kayon aufgestanden war, sich auf seinem Stock abstützte und mit tränennassen Augen der Szenerie beiwohnte. Seine jüngere Version trat soeben an Liabell heran und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Rhuna würde an die Geste vielleicht erinnert werden, hatte sie selbst bereits diese erfahren.
Dabei zeigte das Bild so viel Zuneigung, wie man bei dem Alten kaum vermutet hätte. Der junge Kayon prustete neckend etwas Späne in Richtung Liabell, die kicherte und sich wieder um das Brot kümmerte. Kayon hib indes den Kessel vom Feuer und trug ihn auf ein anderes Gestell, aus dem man dann bequem den Eintopf schöpfen konnte. Liabell tat jedem etwas auf und lutschte gerade den Zeigefinger ab als eine mehr als vertraute Stimme von draußen drang: „Ich bin gleich da!“, rief eindeutig Yedan. Er klang deutlich jünger und auch ausgelassener. Sorgenfrei, möchte man sagen… doch noch konnte sie keinen Blick auf ihn erhaschen..
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 1. Januar 2023, 16:40

Nachdem Kayon aufwachte schien er im ersten Moment Rhuna nicht zu erkennen. Sein Blick zeigte die Verwirrung und keimende Aufregung, die die Elfe mit Sorge betrachtete. Sie versuchte ihr sanftes Lächeln aufrechtzuerhalten und ihm die Zeit zu geben, sich vielleicht an sie zu erinnern, was er zu ihrem Glück tat.
„Rhuna!“, sprach er im Zuge der Erkenntnis mit einem erleichterten Seufzen auf, das die Elfe verborgen spiegelte. Erneut lernte sie einen Unterschied zwischen Elfen und Menschen kennen, mit dem sie so nicht gerechnet hatte. Das Schicksals der Vergesslichkeit befiel natürlich auch Mitglieder ihres Volkes, doch war sie bisher nie damit konfrontiert worden. Das Gedächtnis der Alten, die sie kannte, war nach wie vor hervorragend und war wie ein Schatz an Weisheit und Erfahrung zu betrachten. Bei Menschen schien die Vergesslichkeit im Alter stärker durchzugreifen – besonders, wenn sie über so viele Jahre zurückgezogen und alleine lebten. Zumindest vermutete Rhuna dies. Auch, dass es eher neue und ungewohnte Belange oder Personen betraf. Wäre Kayons Leben anders verlaufen, würde er vielleicht noch deutlich fitter sein.
Ich kann es nicht verstehen…! Wie kann Farun so nah bei Kayon leben, miterleben, was ihn quält, sehen, wie er abbaut… und seine Augen davor so verschließen, wie er es tut. Er hat in Lorna doch auch eine menschliche Partnerin gefunden. Für Rhuna stellten sich so viele Fragen. Es gab noch so viel herauszufinden und sie spürte, dass es ihr immer schwerer fiel, objektiv zu bleiben. Als würde es ihre Familie betreffen – was nicht der Fall war.
„Habt Ihr ein wenig ruhen können?“, fragte sie lächelnd, als Kayon sie glücklicherweise wiedererkannte. Doch lange konnte sie ihre sorgenvollen Gedanken nicht zurückhalten und versuchte den älteren Herrn dazu zu bewegen, diese Mission alleine angehen zu lassen.
„Es funktioniert leider nur, wenn wir ihn gemeinsam trinken. Meine Erinnerung, du willst sie sehen.“, erklärte Kayon und brachte ihre Hoffnung dadurch zum platzen. Verstehend nickte sie und betrachtete ihn stirnrunzelnd dabei, wie er an dem Gebräu roch und beim wahrnehmen des Gestanks die Nase rümpfte. Es roch aber auch wirklich schrecklich!
„Wir trinken ihn gemeinsam, vorher aber müssen wir noch die Verbindung schaffen, damit wir die selbe Erinnerung sehen. Erstmal brauchst du einen stabilen Sitz, nicht, dass du umfällst. Dann musst du dir bitte dieses Haus vorstellen. Das ist unser Treffpunkt, falls wir uns verlieren – denk daran, das ist sehr wichtig!
Denk an den Tag, an dem Yedan’s Schicksal sich änderte. Es war tagsüber, soweit ich mich erinnere. Wir waren alle am großen Baum, aber du stellst dir das Haus von uns vor. Alles verstanden? Dann los. Stells dir vor, dann trinke drei Schlucke.“
. Noch während Rhuna Kayons Erklärungen lauschte, begann sie diese bereits umzusetzen. Sie brachte sich in entsprechende Position, indem sie sich einfach auf den Boden setzte und für einen sicheren Halt, seitlich an den Sessel lehnte. In der Hand der Elfe befand sich bereits der Becher mit der stinkenden Essenz, doch bevor sie diesen zu sich nahm, beobachtete sie Kayon, wie er den Tee zu sich nahm und den Becher anschließend abstellte, nur um bereits wenige Sekunden später in eine Art Schlaf zu fallen.
„Yedaaaan…“, hörte Rhuna ihn noch hauchen, ehe sie ihren Becher nun selbst an die Lippen hob und, wie angeordnet, drei Schlucke zu sich nahm, während sie an den Tag dachte, an dem sich Yedans Leben für immer verändert hatte.
Der Sud schmeckte nicht, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Sie hatte mit einem bitteren und beißenden Geschmack gerechnet, doch er war erstaunlich süß – was sie bereits ein wenig von ihren Gedanken ablenkte. Wie auch die auftretende Wirkung.
Soll… das so sein? Oh Florencia, was wenn ich zu unvorsichtig gewesen war und der Trank uns beiden schadet?, fragte sie sich in Gedanken, weniger um sich, als um Kayon besorgt. Doch nun war die Entscheidung bereits gefallen und sie musste versuchen das Beste daraus zu machen. Etwas, was lediglich in Rhunas geistigen Fähigkeiten lag, denn sie spürte, wie ihre Sinne zu schwinden begannen und sich ihre Lider langsam senkten.
Yedan… , dachte sie und erinnerte sich an seine Erzählung, die es ihr ermöglichte sich besser auf besagten Tag zu konzentrieren. Doch auch ihre Gedanken wurden immer schwerer, bis für einen Moment nur noch Stille und Dunkelheit herrschte.
Der Becher fiel ihr aus der Hand und rollte auf den Boden, wo der letzte Rest Flüssigkeit sich netzartig verteilte. Ihr Kopf sank zu ihrer linken Schulter und für einen Moment schien die Zeit vollständig stillzustehen. Nichts geschah – und doch war da ein Funke ihres Bewusstseins, der sich an die Anweisungen erinnerte und sich so einen Weg hinauskämpfte.
Rhuna hatte das Gefühl aus einem tiefen und stillen Gewässer aufzutauchen und sich plötzlich in einem dunklen Raum wiederfinden. Sie stand dort, sah an sich hinab zu ihren Händen und obwohl sie ihren Körper spüren konnte, fühlte sie sich doch ein wenig so an, als würde sie schweben.
Wo… bin ich hier?, fragte sich die Elfe verunsichert und orientierungslos – erhielt jedoch keine Antwort. Es war beinahe so, als hätte sie in diesem Moment selbst alles vergessen. Doch beim Durchforsten ihrer Gedanken stahl sich Yedans Anblick in ihre Gedanken, wie ein Anker der sie an ihren Zielen festhalten ließ.
Yedan! Ich … muss mich konzentrierten. Das Haus, Kayon… Yedan, an dem Tag wo er alles verlor…
Rhuna schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich. Und als sie sie wieder öffnete, veränderte sich Stück für Stück die Dunkelheit um sie herum. Das Waldmenschendorf wuchs aus ihrer Erinnerung und nahm Form und Farbe an, so dass sie bald auf dem Pfad nahe des Baumes stand, der die schon einmal an diesem Tag zu Kayons Haus geführt hatte.
Doch nicht alles glich ihren Erinnerungen. Das Dorf sah verändert aus und nichts ließ auf ein vergangenes Gefecht schließen. Einige Bewohner, die sich nahe ihr bewegten kamen der Elfe bekannt vor – doch auch diese wirkten verändert. Jünger und…!
Ich bin in Kayons Erinnerung!, traf sie die Erkenntnis, während ihr Blick sich hastiger umwandte. Es hatte funktioniert! Das hieß...!
Als Rhuna sich umdrehte, um in die Richtung von Kayons Haus zu sehen, stieß sie plötzlich mit einem Elfenmann zusammen. Doch der erwartete Zusammenprall fand nicht statt. Der Mann ging einfach durch sie hindurch und hinterließ, bis auf den Schrecken, nichts als ein merkwürdiges Gefühl in Rhuna.
Etwas aus dem Konzept gebracht sah sie dem Mann nach, dann auf ihre Hände, mit denen sie ihren Körper abtastete. Spüren konnte sich Rhuna, doch war sie für die anderen weder sichtbar, noch besaß sie eine körperliche Präsenz.
Das… ist anders, als ich es mir vorgestellt habe…, gab sie zu, wandte sich dann aber ab und lief eilig zum Heim des Bogenbauers. Angekommen stand sie vor dem Haus, in dem sich ihr Körper eigentlich bereits befand. Ihr Blick weitete sich leicht, als sie die Unterschiede wahrnahm. Ein Schild mit der Aufschrift „Kayon. Bogenbauer“ klapperte fröhlich in einer aufkeimenden Briese hin und her. Die Hauswände waren intakt und gut sichtbar – nicht länger von Efeu und anderen Ranken überwuchert. Auf den Fensterbrettern standen kleine Schalten mit wunderschönen Blumen und durch die geöffneten Fenster stahl sich ein angenehmer Geruch nach Essen, wie ein klarer Gesang, der sich an ihre Ohren schlich.
„So… war es damals hier?“, flüsterte Rhuna mit einem erneuten Stich im Herzen. So sah das Haus aus, als Yedans Welt noch intakt gewesen war.
Ihre Lippe färbte sich unter dem Druck ihrer Zähne weißlich. Sie biss sich leicht auf die Unterlippe, als ihr die Schwere der Unterschiede bewusst wurde. Dann... zwang sie sich weiter. Einerseits freudig aufgeregt – ihr Herz flatterte wie die Flügel eines Schmetterlings – doch auf der anderen Seite schlich sich eine feine Angst durch ihren Körper. Rhuna wusste plötzlich, dass sie durch diese Erinnerung alles sehen würde, als wäre sie damals tatsächlich… dabei gewesen. Und das ging unausweichlich mit dem Schmerz einher, den sie selbst erlebt natürlich stärker spüren würde, als wenn sie von den Erlebnissen nur hörte.
Zögernd drückte sie die Türe auf und betrat den Wohnraum, über den ihr Blick glitt. Die Zeit, die in Kayons gegenwärtigem Haus zum Stehen gekommen war, schien hier munter zu laufen. Der Raum wirkte lebendig, belebt, gepflegt und zeugte von … Glück! Einer Familie, die hier von einem Tag in den nächsten lebte, ihrer Arbeit nachging und das Leben im Kreise ihrer Liebsten … genoss.
Überall standen Blumen, weiße, transparente Gardinen flatterten im Wind der leicht geöffneten Fenster und über dem Feuer des sauberen Kamins brodelte ein leckeres Essen.
Plötzlich hielt Rhuna in ihrer Bewegung inne. Dort nahe des Kamins stand der Sessel, in dem Kayon die meiste Zeit der vergangen Jahre verbracht zu haben schien. Und dort saß Kayon – der Kayon der mit ihr diese Erinnerungen teilte.
Ihr Herz zog sich bei seinem Anblick zusammen. Mit tränennassem Gesicht sah er zu einer Elfe, die den Tisch deckte.
Liabell…! Rhuna warf nur einen Moment einen Blick auf sie und wusste, wer sie war. Kayons Frau, seine Liebe und Yedans Mutter. Ihr Herz machte einen Satz. Diese Frau würde Rhuna im Leben niemals wirklich begegnen. Sie hier nun zu sehen, lebendig und voller Tatendrang … brachte sie ihr auf eine merkwürdige Art näher. Und wieder ein Stück näher zu Yedan. Liabell war wirklich schön! Und Rhuna erkannte viel von ihr in Yedan. Nicht alleine der warme Blick dieses schönen, hellen, Brauns. Die Art und Weise wie sie sich beim Lächeln ein wenig verzogen, war beinahe ein und dieselbe.
„Kayon! Würdest du bitte den Kessel vom Feuer nehmen? Und sag Yedan, er soll etwas Petersilie mit reinbringen.“ Rhuna stand als stumme Beobachterin im Raum und wagte sich kaum sich zu rühren. Hier zu sein … bewegte sie sehr. Erst recht, als der alte Kayon versuchte sich mühsam zu erheben, um dem Wunsch seiner Frau zu entsprechen. Ehe dieser erkannte, dass sein jüngeres Ich gemeint war. Und eben dieser betrat nun das Haus.
So sah er also früher aus…! Kayon war ein gut aussehender und vitaler Mann gewesen. Und in dieser jüngeren Version konnte sie auch mehr von Yedan erkennen, als das Alter in der Gegenwart zu verbergen wusste. Ein Blinder hätte sehen können, wie stark Liabel und Kayon einander zugetan waren. Alleine die Blicke, die sie miteinander austauschten, sagten bereits alles und brachten Rhuna selbst zum Lächeln. Doch es war etwas anderes, was Rhunas Blick sich aufmerksamer weiten ließ:
Kayons jüngere Version trat soeben an Liabell heran und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe, bevor die beiden in verliebter Zweisamkeit einander ein wenig neckten.
Rhunas Hand wanderte zu ihrem Herz und in ihren Augen brannte eine Erkenntnis, die sie schimmern ließen.
„Du bist wertvoll, Rhuna. Vergiss das nicht!“, erklangen erneut Yedans Worte in ihren Ohren, gefolgt von der Erinnerung an das Gefühl, das seine Lippen auf ihrer Schläfe hinterlassen hatten. Sie erinnerte sich an das ernüchterte Gefühl, das sie in Verbindung mit ihrer Interpretation dieses Kusses empfunden hatte. Und mit einem Mal fühlte sie sich furchtbar schlecht.
Hat diese Geste für ihn… vielleicht mehr bedeutet, als ich es sehen konnte? Ihre Wangen wurden warm und am liebsten hätte sich die Elfe geohrfeigt. Rhuna wusste, dass sie manchmal dazu neigte zu viel über etwas nachzudenken. Sie hatte sich ihr Leben lang mehr von ihrem Kopf, als von ihrem Herzen leiten lassen und nun schien es so, als würde sie es nicht abstellen können. War sie blind für die Bedeutung dieser Geste gewesen? Oder zerdachte sie gerade schon wieder etwas?
Liabell und Kayon zuzusehen war so anders und schön. Die Ehe ihrer Eltern hatte nie so sorglos, heiter und verbunden gewirkt. Dabei war die Liebe für Shyáner Elfen durchaus etwas Wichtiges und Erstrebenswertes. Doch im Falle ihrer Eltern ….
Dabei fällt mir ein… Mutter und Vater haben nie groß über ihre Gefühle zueinander gesprochen! Papa war nie viel daheim und… Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Doch bevor sie den Gedanken weiterfolgen konnte, lenkte sie der Klang einer ihr wohlbekannten Stimme ab. Die Stimme klang ein wenig verändert, aber sie gehörte eindeutig nur ihm!
„Ich bin gleich da!“, rief Yedan von draußen und schien auch auf den Gesichtern seiner Eltern ein Lächeln auszulösen.
Rhuna sah zur Türe, aus der die Stimme ihnen getragen worden war und ihr Herz machte erneut einen kleinen Satz. Eine merkwürdige Nervosität ergriff von ihr besitz und als hätte sie ihren Halbelfen schon Monate nicht mehr gesehen, löste sich die Brünette und lief zur geöffneten Türe.
„Yedan!“, entwich Rhuna der Name des Sariers, den sie, vergessend wo sie sich gerade befand, unbedingt sehen musste. Sie hielt sich am Türrahmen fest und ihr Haar flog im plötzlichen Stop zur Seite, bevor es wieder auf ihren Rücken und über ihren Schultern zum liegen kam. Ihr Blick glitt suchend um die Ecke, ehe sie ihn entdeckte…

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Montag 2. Januar 2023, 13:46

Es fühlte sich seltsam an. Rhuna war sich ihrer völlig bewusst und doch hatte sie in dieser Erinnerung keinen Körper. Laufen funktionierte einwandfrei und sie spürte sogar etwas, wenn sie auf Stein oder Gras trat. Darüber hinaus aber konnte sie durchaus durch die Haustür zum Innern des Bogenbauer-Hauses hindurchtreten, ohne sie zu öffnen. Einzig ein kleines Gefühl von Druck blieb ihr, um sich nicht gänzlich wie ein Geist zu fühlen. Rhuna war erstaunt, dass der Trank wirklich Wirkung zeigte. Es war erstaunlich, was die richtige Kräuterzusammensetzung bewerkstelligen konnte. Jetzt aber hielt sie sich nicht länger damit auf, sich alles genau anzusehen. Sie wusste, wohin ihr Weg führen würde und folgte den Absprachen, die sie mit dem alten Kayon in ihrer Gegenwart getroffen hatte. Das Haus fand sie zügig, war sie den Weg doch gerade erst gegangen. Die Veränderungen fielen der Brünetten sofort ins Auge: Hier gab es Leben. Ein Familienleben, das es bald nicht mehr geben würde. Es war wundervoll und beklemmend gleichermaßen. Als wäre man in einer Vision gefangen, die einem zeigte, was das Schicksal bereithielt. Im Innern ahnte niemand von dem anstehenden Unheil. Niemand, außer dem alten Kayon im Sessel. Rhuna erkannte ihn schnell und doch blieb sie an Ort und Stelle, denn die Szene bannte ihren Blick. Sie entdeckte Liabell. Eine wunderschöne Elfe, die die Wärme ausstrahlte, die sie ihr auch zugeschrieben hatte. Die begreiflich machte, warum das Beet ihres Grabes so wunderschön aussah und liebevoll gepflegt wurde. Allerdings fiel es doch schwer zu glauben, dass Kayon dieses Grab pflegte. Vielleicht hatte er einen Bekannten beauftragt. Jetzt jedoch war für derlei Gedanken nicht viel Zeit. Das Leben dieser Familie lief voran und Rhuna blieb nicht viel als zuzuhören. Es war wundervoll dabei zuzusehen, wie diese Familie funktionierte. Es rührte das Herz der Shyáner und in einer einfachen Geste, erkannte sie etwas, was ihr bis dahin verborgen geblieben war. Vielleicht war der Kuss auf ihre Schläfe gar nicht so… freundschaftlich gewesen, wie sie geglaubt hatte. Vielleicht war es einfach eine ganz besondere Art der Wertschätzung. Begleitet mit seinen Worten, hatte Rhuna vielleicht etwas missinterpretiert und leise füllte sich ihr Herz mit neuer Hoffnung an. Allerdings führte diese Erkenntnis auch dazu, dass sie die Beziehung ihrer Eltern durchdachte. Konnte es denn sein, dass sich ihre Eltern gar nicht wirklich geliebt hatten? Wie sah denn Liebe aus? So, wie sie sie gerade in den Erinnerungen eines anderen beobachtete? Oder wie ihre Eltern, die zwar nie viel Zärtlichkeit gezeigt hatten, aber dennoch alles gaben, um ihren Kindern ein schönes Heim und eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Ihre Gedanken wurden jäh in eine andere Richtung gelenkt als sie eine wohlvertraute Stimme hörte. Sie konnte es nicht abwarten, den Sarier zu sehen und überbrückte den Weg zur Tür. Allerdings musste Rhuna erkennen, dass sie nicht wie erwartet, den Halbelfen erblickte. Rhuna schaute durch die Tür in den Garten, den sie bereits verwuchert und verlassen kennengelernt hatte. Jetzt aber war er mehr ein Schemen und nicht wirklich greifbar. Die Ränder verschwammen in einen Schatten und dort, wo der Waldrand war, sah sie nichts außer Dunkelheit. Sie erkannte gerade noch einen beugten, schleierhaften Schatten, der sich zu bewegen schien, aber Yedan konnte sie nicht erkennen. Hier war die Erinnerung zu ende, denn Kayon befand sich zu diesem Zeitpunkt im Haus. Sein Gehirn verknüpfte zwar Yedan’s rufende Stimme mit seiner Position, aber was sein Sohn wirklich tat, konnte er nicht wissen. Noch während der Erkenntnis aber in ihren Verstand tauchte, wurde sie plötzlich wieder von diesem leichten Druck erfüllt. „Ich habe hier die Petersilie.“, hörte sie nun hinter sich Yedan’s Stimme. Er war durch sie hindurchgetreten und erst jetzt, wenn sie sich umdrehte, konnte sie ihren Freund und Mann des Herzens sehen. Jetzt betrat er Kayon’s Erinnerung. Yedan sah… gut aus. Er war deutlich jünger und noch nicht so muskulös, wie sie ihn kannte. Rhuna konnte sehr gut sehen, dass das Leben im Wald einen starken Mann aus ihm gemacht hatte, der kein Gramm Fett zu viel auf den Hüften hatte und sich zu wehren wusste. Dieser Yedan aus der Erinnerung seines Vaters, war noch nicht ganz so imposant. Er trug ein weißes Hemd das locker seine Hüften umwehte. Er trug seine Haare länger und hatte ähnlich wie die Elfen, einige geflochtene Zöpfe darin, bevor er sie sich zum Halbzopf zusammengebunden hatte. Seine Hände wiesen noch keine wirklichen Spuren harter Arbeit auf. Und sein Blick aus den hellen Augen hatte noch etwas Jungenhaftes. Zwar besaß er bereits diesen intensiven Blick, doch war es eher das Leuchten der Sonne darin als die Lebenserfahrung.
Wenn der ‚echte‘ Yedan Rhuna ansah, war da stehts ein Geheimnis, eine Tiefe seiner Seele, die ihm etwas Anziehendes verliehen. Allerdings war der Erinnerungs-Yedan durchaus auch sehr hübsch anzusehen. Auch das Sorglose stand ihm gewissermaßen. Yedan überreichte seiner Mutter die Zweige, damit sie den Eintopf garnieren konnte und setzte sich daraufhin auf den Platz in der Mitte seiner Eltern. „Hände waschen!“, befahl Liabell streng und Yedan schnaufte. Er war kein Kind mehr – doch er gehorchte brav. Sich die Hände ausschüttelnd und abtrockend, setzte er sich eilig hin und begann damit, seine Portion hinunterzuschlingen. „Mach langsam!“, lachte sein Vater und beobachtete ihn fragend. Yedan aber schüttelte den Kopf. „Kann nicht – ich treffe mich gleich mit Alyisa.“, nuschelte er mit Brot und Eintopf im Mund. Liabell’s Ausdruck wurde etwas kühler. „Willst du mit ihr reden?“, fragte sie nach und aß ebenfalls. Der Alte Kayon trat an Rhuna heran, ohne etwas zu sagen. Er beobachtete die Szene wie gebannt. „Ja, ich muss ihr endlich sagen, dass sie so nicht weitermachen kann. Ich mache mir Sorgen – sie verändert sich seit…“, er brach ab und nahm sich noch ein Brot. Kayon am Tisch seufzte. „Verstehen kann ich sie. Sie leidet furchtbar unter dem Tod ihrer Mutter. Schrecklich, was da passiert ist.“, schüttelte er mitfühlend den Kopf und Liabell nickte knapp. „Bring sie doch einfach nachher mit. Vielleicht muntert sie ein wenig Gesellschaft auf und wir haben sie lange nicht mehr gesehen.“, sie schmunzelte mit einem wissenden Ausdruck um ihren Mund.

Yedan sah zu seiner Mutter und grinste leicht. „Verpasse ich was?“, fragte der Erinnerungs-Kayon und der Alte schnaubte. „Ich habe erst viel zu spät erfahren, dass sie sich liebten. Und dass es Yedan nicht darum ging, einer Freundin zu helfen. Sondern seiner Freundin…“, erklärte er Rhuna und hatte einen sehnsüchtigen Ausdruck auf den Augen, während er seine Familie nicht aus den Augen ließ. „So, ich bin dann los. Ich frage sie, ob sie kommen will.“, erhob sich Yedan, küsste seine Mutter schnell auf den Kopf und drückte sie „Danke, war lecker!“, ehe er seinen Vater umarmte, der aufgestanden war und sich eine neue Portion holte. Rhuna konnte Yedan noch zur Tür hinaus verschwinden sehen, dann war er weg. Die Erinnerung verblasste langsam, das Haus begann sich aufzulösen. „Ich hoffe, er kann sie zur Vernunft bringen.“, murmelte Liabell und sah Yedan nach. Sie wusste, was er für Farun’s Tochter empfand. „Wird er mit Sicherheit. Sie kennen sich schon so lange!“, erwiderte Kayon. Die Erinnerung lief noch einen kleinen Moment weiter, bis Kayon das Haus wieder verließ, um zu arbeiten. Dann löste sie sich auf und tauchte Rhuna und den Alten in Dunkelheit zurück.

Kayon wandte sich ihr zu und hatte noch immer dieses nassen Glanz in seinen Augen. „Entschuldige.“, begann er und wischte sich den Augenwinkel. „Ich habe diese Erinnerung gewählt weil… weil sie die letzte schöne war. Wir alle … zusammen und zufrieden.“, offenbarte er Rhuna, denn wirklich weit hatte sie diese Szene nicht gebracht. Dann fasste der Alte sie bei der Hand und erstaunlicherweise gelang es ihm. Sie teilten offenbar die gleiche Körperlichkeit, sodass es gelang. Kayon schloss die Augen: „Komm mit, Rhuna.“, sagte er noch, dann baute sich das Bild wieder um sie herum auf. Dieses Mal war es dunkel. Sie befanden sich vor dem Haus des Bogenbauers und konnten gerade den jüngeren Kayon sehen, der vor einem kleinen Jungen stand. Der Junge mochte gerade mal 10 sein. „Schnell, sie wollen ihn lynchen!“, rief er aus und versetzte damit Kayon in beiden Zeitlinien in Entsetzen. „Was ist passiert?!“, rief der jüngere Kayon und zog sich im Gehen eine wärmende Jacke an. Kalt oder warm empfand Rhuna nicht wirklich, lediglich ihre Erinnerungen konnten ihr ein Gefühl für Temperatur geben. Der Junge deutete zum großen Baum. Er hatte blonde Haare und irgendwie kam er Rhuna bekannt vor. Der alte Kayon löste das Rätsel: „Das ist Ajak.“, nickte er und sah weiter schweigend zu. „Weiß ich nicht. Aber sie müssen sich beeilen!“, rief der junge Ajak und rannte dann selbst weiter. Offenbar war er nur der Bote gewesen, kannte Kayon aber nicht weiter. Rhuna konnte am Rande noch erkennen, wie sich Ajak mit einem kleinen, rothaarigen Mädchen und weiteren Kindern sammelte. Sie verschwanden dann vermutlich im Wald für Schabernack und hatten nichts mehr damit zu tun. „Liabell, irgendetwas ist mit Yedan! Ich muss zum großen Baum!“, rief er ins Haus und seine Frau trat in die Erinnerung. Sie wirkte alarmiert. „Ich begleite dich!“, kam es gleich von ihr und gemeinsam konnten sie den beiden folgen, um zu großen Baum zu gelangen. Hier konnte man schon vom Weiten eine große Traube erkennen. Fackeln beleuchteten die Szenerie gespenstisch. Aufgeregt murmelten die Umstehenden durcheinander und in ihrer Mitte kniete Yedan. Er war leichenblass, benommen und sein weißes Hemd hatte blutige Flecken. Über ihm stand Farun.
Ebenfalls jünger, wobei man das bei ihm als Elfen kaum wahrnahm. Er trug allerdings noch keinen Kopfschmuck. Kayon schob sich durch den Kreis der Gaffer. „Was hat das zu bedeuten Farun?!“, tönte seine feste Stimme und sofort war er neben seinem Sohn. Rhuna konnte erkennen, dass Farun geweint hatte. „Kayon! Dein wildgewordener Sohn hat … er hat…“, die Erinnerung brach mit einem Mal ab. Der Alte lehnte schnaufend und sich die Brust haltend auf seinem Stock und presste die Augen zusammen. Alles stand still. Nichts bewegte sich mehr, keine Fackel züngelte, kein Wind wehte. Rhuna konnte sich bewegen und auch der Alte rührte sich. „Kind..“, presste Kayon hervor und streckte eine Hand zitternd nach ihr aus. „Ich glaube ich schaffe das nicht noch mal…“, wimmerte er schmerzerfüllt und suchte Halt bei ihr. "Sag mir noch mal, wieso wir das tun?!", bat er sie leidend.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 2. Januar 2023, 16:07

In Erwartung nun die jüngere Gestalt ihres Freundes zu sehen, war Rhuna losgelaufen. Ihre Gedanken hatten sie vergessen lassen, wo sie war und dass sie hier im eigentlichen Sinne keine wahre Gestalt besaß. Und so war es nicht verwunderlich, als sie nach dem Türrahmen griff, diesen aber nicht wirklich fassen konnte und ein paar Schritte seitlich hinaus stolperte.
Etwas erschrocken fing sie sich ab und sah sich um. Kayons Erinnerung hielt den Anblick auf den deutlich gepflegteren Garten aufrecht, doch bereits am Waldrand brach die schattenartige Dunkelheit das idyllische Bild.
Sich ihres Fehlers bewusstwerdend ging sie unsicheren Schrittes zurück. Ihr Blick suchte dabei noch immer Yedans Gestalt, doch mehr als eine schattenartige Gestalt, die langsam näherkam, konnte sie nicht entdecken.
Die Elfe trat wieder durch die Türe und sah für einen Moment ein wenig blass aus. Tatsächlich hatte sie einen Schrecken bekommen, als sie die sichtbare Erinnerung Kayons verlassen hatte und die Dunkelheit schien sie an ihre Erfahrungen am Baum erinnert zu haben.
Erneut durchfuhr Rhuna dieses merkwürdige Gefühl, das sie empfunden hatte, als der Elfenmann im Dorf einfach durch sie hindurchgelaufen war. Dieses Mal jedoch…
„Ich habe hier die Petersilie.“ Rhuna versteifte sich einen Moment, als sie hinter sich Yedans Stimme hörte. In der Erinnerung Kayons war er in diesem Moment zur Türe hineingekommen und war so durch die Elfe getreten.
Mit nervösem Herzen drehte sich Rhuna um und sah nun einen ganz anderen Yedan vor sich bei seiner Mutter stehen, als sie kennengelernt hatte. Ihr Blick weitete sich überrascht und mit einem entzückten Lächeln betrachtete sie die deutlich jungenhaftere Gestalt des Sariers.
Bei Florencia…! Würde der alte Kayon zu der brünetten Elfe sehen, würde er in ihrem Ausdruck wahrscheinlich wieder viel mehr von ihren Gefühlen lesen können, als sie sich selbst bewusst war. Yedan sah in beiden Varianten gut aus – doch dieser hier war einfach … entzückend. Mit ungläubigen Lächeln wanderte ihr Violett über den Körper des Halbelfen, der kaum größer war, als sie selbst. Sie schien jedes noch so kleine Detail aufmerksam in sich verschließen zu wollen, doch nach ein paar Sekunden wurde ihr Lächeln merklich schwächer.
Er ist nicht nur erwachsen geworden…! Ihr Yedan hatte nicht nur an Größe und Kraft gewonnen. Und bei dem Gedanken daran was er alles in so einem jungen Alter alleine durchlebt hatte – wie er zu all den Narben gekommen war – stach etwas schmerzhaft in ihr Herz. Für einen kurzen Moment standen sich Rhuna und der jüngere Yedan gegenüber und sahen sich an. Sie zumindest ihn, doch er sah nur durch sie hindurch zu seinem Vater.
Rhuna betrachtete das ihr so vertraute Braun, das fast noch eine Spur heller wirkte, als sie es gewohnt war.
Yedan hatte also schon damals diesen Blick!, dachte sie und ihr Blick wurde weicher und ließ eine Spur Trauer erkennen. Aber sie haben noch nicht diese unglaubliche Tiefe und Intensität von meinem Yedan. Rhuna wusste nicht, ob das etwas Gutes, oder Schlechtes war. Denn sie wusste um einen Teil seiner Erfahrungen, die seinen Blick so verändert hatten und von denen sie sich gewünscht hätte, dass er sie nie hätte durchleben müssen.
Der Moment verflog wie mit einem Wimpernschlag und Yedan riss Rhuna aus ihren Gedanken, als er sich bewegte und auf seinen Platz am Tisch niederließ. Als würde Rhuna aufwachen klimperte sie ein paar Mal mit den Augen, ehe sie aus ihrer Position und einen Schritt zurück, näher zum alten Kayon trat. Still beobachtete sie nun die gemütliche Familienszene am Esstisch. Und als sie der Unterhaltung lauschte, merkte die Elfe, dass sie dem eigentlichen Thema näherkamen.
Dieser Yedan hatte es offenbar eilig sein Essen zu verspeisen, denn er schlang wie ein Ausgehungerte das Brot hinunter und löffelte den Eintopf in beeindruckender Geschwindigkeit.
„Mach langsam!“, mahnte lachend der junge Kayon, doch Yedan schüttelte nur mit dem Kopf. „Kann nicht – ich treffe mich gleich mit Alyisa.“, erklärte er zwischen Brot und Eintopf, was nicht nur Rhunas, sondern auch Liabells Ausdruck ernster werden ließ.
Was hast du denn erwartet zu hören?, schalt sich Rhuna in Gedanken, als sie den Widerwillen, der Alyisas Name in ihr auslöste, erkannte. Sie hörte weiter zu und entdeckte, dass Liabell über die Beziehung ihres Sohnes Bescheid zu wissen schien – ganz im Gegensatz zu Kayon.
„Verpasse ich was?“, fragte sein jüngeres Ich, woraufhin die Elfe ein Schnauben des Alten hörte. „Ich habe erst viel zu spät erfahren, dass sie sich liebten. Und dass es Yedan nicht darum ging, einer Freundin zu helfen. Sondern seiner Freundin…“, erklärte er Rhuna mit dehnsüchtigem Blick auf seine heile Familie. Rhuna kam noch etwas näher und legte tröstend eine Hand auf seine Schulter. Wie schwer musste diese Erinnerung für Kayon nur sein? Schön… und traurig zugleich.
Das Besteck klapperte, als es in die geleerte Schüssel fiel und der Klang, wie ein Stuhl am Boden entlangschob war zu hören.
„So, ich bin dann los. Ich frage sie, ob sie kommen will. Danke, war lecker!“ Rhuna sah zurück zu Yedan, der aufgestanden war und sich eilig bei seinen Eltern bedankte und verabschiedete, ehe er durch die Tür hinaus verschwand. Rhuna ertappte sich in der Bewegung einer Geste, mit der sie ihn hätte aufhalten wollen. Doch ihre Hand sank wieder neben sich und mit einem aufkeimenden schlechten Gefühl, sah sie zu Liabell, die das Wort ergriff.
„Ich hoffe, er kann sie zur Vernunft bringen.“, murmelte sie, während sie ihrem Sohn mit Sorge nachsah. „Wird er mit Sicherheit. Sie kennen sich schon so lange!“, erwiderte Kayon nur darauf und mit einem Mal löste sich die Umgebung um sie und den alten Kayon auf und ließ sie in der vorherrschenden Erinnerung zurück.
In diesem Moment fühlte sich wohl keiner der beiden besonders gut. Eine beklommene Schwere ergriff von ihnen Besitz und für eine Weile sprach niemand ein Wort. Die Erinnerung hatte wenig neue Erkenntnisse geliefert. Doch hatte sie auf einer anderer Ebene der Elfe so viel geschenkt.
„Entschuldige. Ich habe diese Erinnerung gewählt weil… weil sie die letzte schöne war. Wir alle … zusammen und zufrieden.“, erklärte Kayon und wischte sich die Tränen aus den Augen. Verstehend nickte Rhuna und lächelte mitfühlend.
„Das kann ich gut verstehen…! Ihr wart eine wundervolle Familie.“, sagte sie leise und drückte sanft seine Schulter, ehe er ihre Hand ergriff und mit erstaunlicher Entschlossenheit den nächsten Schritt gehen wollte.
„Komm mit, Rhuna.“, sagte er noch, ehe sich die Dunkelheit um sie herum Stück für Stück auflöste und sich erneut ein Bild zusammensetzte.
Dunkel blieb es, denn die Nacht war im Dorf eingebrochen. Doch sah Rhuna die sanften Lichter, die die Häuser erkennbar machten und auch das Antlitz eines etwa 10-Jährigen Jungen beleuchtete, der bei dem jüngeren Kayon vor dem Haus stand.
„Schnell, sie wollen ihn lynchen!“, rief der kleine blonde Elf, der ziemlich aufgeregt zu sein schien. Rhuna spürte am Druck ihrer Hand, dass bei diesen Worten nicht nur der junge Kayon ins Entsetzen ausbrach. Sanft legte sich ihre zweite Hand auf Kayons Oberarm, um ihm zu signalisieren, dass sie da war. Die Sorge, dass diese Erinnerung zu viel für das alte Herz sein würde, brach erneut in ihr hervor. Ihr Herz schlug ihr ja schon bis zum Hals und zog sich unangenehm zusammen.
„Was ist passiert?!“, rief der jüngere Kayon, der sich rasch eine wärmere Jacke überwarf und alarmiert den Weg hinabsah. Der Bursche drehte sich leicht und überrascht bemerkte Rhuna eine frappierende Ähnlichkeit zu einem großgewachsenen sarischen Jäger.
Ist das… Der Junge deutete zum großen Baum. „Weiß ich nicht. Aber sie müssen sich beeilen!“, rief der junge Ajak, ehe er selbst davonlief. Rhuna streckte sich leicht, um dem Jungen genauer nachsehen zu können, doch ihre Vermutung wurde vom ergrauten Bogenbauer unbewusst bestätigt.
„Das ist Ajak.“, sagte er und zog den Blick der Brünetten wieder auf sich. „Ich kenne ihn. Er hilft mir und Yedan…!“, erzählte sie und sah noch, wie der kleine Ajak zu einer kleineren Kaja lief, ehe sie zusammen zwischen den Bäumen verschwanden.
Er war damals also noch so klein?, huschte ihr die Erkenntnis durch den Kopf und zeigte ihr noch einmal auf, dass sie selbst ein paar Jahre älter war, als der blonde Jäger. Doch für Elfen machten diese paar Jahre kaum einen Unterschied. Weshalb Rhuna den Yedan aus dieser Erinnerung ja selbst noch fast als Kind betrachtete.
Die aufgeregte Stimme des jungen Kayons schallte zum Haus hinüber und erregte wohl nicht alleine ihre Aufmerksamkeit. „Liabell, irgendetwas ist mit Yedan! Ich muss zum großen Baum!“, rief er ins Haus, aus der die hübsche Elfe trat und ebenfalls alarmiert erwiderte: „Ich begleite dich!“ Zusammen liefen sie davon und auch Rhuna und Kayon folgten ihnen zum großen Baum, um den sich bereits eine Menschentraube gebildet hatte.
Mit jeden Schritt, den sie näher kamen, spürte Rhuna eine steife Kälte der Angst, die sich in ihr hervorarbeitete. Und der Anblick des Baums verbesserte die Lage nicht unbedingt.
Ich bilde mir das nur ein… in der Erinnerung kann ich ihre Magie nicht spüren…, versuchte sich Rhuna zu beruhigen, die das Gefühl hatte, dass die Dunkelheit der Nacht sich plötzlich mit einer ganz anderen Dunkelheit vermischte.
Doch hier ging es nicht um sie! Rhuna schalt sich und suchte aufmerksam die Gesichter der Umherstehenden ab, ehe ihr Blick auf Yedan fiel, der leichenblass und benommen auf dem Boden kniete und die Welt nicht mehr zu verstehen schien. In seinem sonst so warmen Braun glomm eine entsetzliche Angst und das Suchen nach einer Antwort, die er nie erhalten würde.
Der Anblick löste in Rhuna einen noch nie so stark empfundenen Beschützerinstinkt aus und hätte Kayon sie nicht gehalten, wäre sie wohl erneut losgestürmt.
Ein Mann trat beiseite als der junge Kayon sich einen Weg durch die Menge suchte und gab so für Rhuna den Blick auf einen deutlich jüngeren Farun frei, der über Yedan stand.
„Was hat das zu bedeuten Farun?!“, tönte seine feste Stimme und sofort war er neben seinem Sohn, dessen Anblick Rhunas Herz beinahe zerriss. In ihren Augen brannten die Tränen. Sie wollte das nicht sehen. Sie wollte nicht, dass er das erlebte. Aber es war bereits geschehen und erlebt worden. Die Elfe befand sich in einer Erinnerung, was die Situation für sie nicht wirklich besserte.
Yedan…! Wieso hilft ihm keiner…???, fragte sie sich gequält, obwohl sie die Antwort wusste. Aus der Sicht eines Gaffers sah der Elfenjunge mit dem blutigen Hemd schuldig aus.
Wo… ist Alyisa? Rhuna streckte sich erneut und versuchte einen Blick zum Baum zu erhaschen, an dem die Elfe zu Tode gekommen sein sollte. Doch die Schaulustigen versperrten Rhuna die Sicht und sie wagte es gerade nicht Kayon loszulassen, der ihre Hand drückte, als würde er gleich zusammensinken.
„Kayon! Dein wildgewordener Sohn hat … er hat…“, durchschnitt Faruns Stimme das Gemurmel der Stimme, doch bevor mehr geschehen konnte brach die Erinnerung plötzlich ab. Um sie herum blieb alles stehen, als wäre die Zeit angehalten worden. Nur sie beide waren in der Lage sich zu rühren.
Besorgt sah Rhuna zu Kayon, der sich schnaufend die Brust hielt und sich auf seinen Stock stützte. „Kind... Ich glaube ich schaffe das nicht noch mal…“, wimmerte Kayon schmerzerfüllt und suchte Halt bei ihr, die Rhuna ihm sofort gab.
„Kayon! Es… es ist in Ordnung, ich meine wir...!“, stotterte sie und sah sich nun mit ihrer größten Sorge konfrontiert: Dass diese Erinnerung zu viel für Yedans alten Vater war. "Sag mir noch mal, wieso wir das tun?!", bat er sie leidend und Rhuna führte ihn zu einem großen Stein, an den er sein Gewicht entlasten konnte. Ihr Blick lag besorgt auf seinem Gesicht und ihre Hände hielten die seinen. Sie hatte leider noch nicht viel Neues herausgefunden. Doch so wichtig eine Spur auch war, das Leben von Kayon war noch viel bedeutender.
„Kayon, lasst uns hier abbrechen! Yedan würde es sich und mir nie verzeihen, wenn Euch hier durch diese Erinnerung etwas zustoßen würde. Und macht euch keine Sorgen, ich finde einen anderen Weg die Namen seiner Verurteiler herauszufinden.“, sagte sie mit einem zuversichtlichen Lächeln.
„Ich habe mir ein paar der Gesichter der Umherstehenden gemerkt. Ich kann auf jeden Fall weitermachen…! Bitte, lasst uns hier abbrechen.“ Sanft drückte sie seine Hände. Über ihre Wange lief eine Träne, die sie selbst nicht bemerkte. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sie der Szene weiter hätte beiwohnen können, doch Rhuna war entschlossen einen Weg zu finden. Sie würde nicht aufgeben seinen Namen reinzuwaschen und die wahren Umstände von Alyisas Tod aufzudecken! Yedan und Kayon würden einander wiedersehen können…!
„Vertraut mir! Ich… finde einen Weg!“

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Montag 2. Januar 2023, 23:22

Es war so furchtbar intim, was Rhuna da erleben durfte. Sie wurde Teil von etwas, was einer Familie gehörte und lernte Dinge kennen, die sie sonst niemals zu Gesicht bekommen hätte. Nicht nur eine Erinnerung zu hören, wenn sie freiwillig erzählt wurde, sondern wahrhaftig mitzuerleben, war eine völlig neue Erfahrung für die Elfe. Doch sie wusste damit umzugehen und mehr noch: Sie spürte, dass es das Band zu Yedan nur noch mehr stärkte. Es war beinahe so als musste das alles geschehen. Als musste sie ihn kennenlernen und sich klarer über ihre Gefühle werden. Jeder der ihr ins Gesicht blickte wusste, was da in ihrem Innern schlummerte. Sie war ein offenes Buch für jene, die sich mit den Gefühlen auskannten. Doch Rhuna wusste es nicht, woher denn auch? Sie hatte in ihrem Leben noch nie dieses Gefühl gehabt und erst Pharus schaffte es, dass ihre Empfindungen erwachen wollten. Ihr Bruder Fillias hatte die Veränderung bei ihr bemerkt. Doch erst der sarische Halbelf war in der Lage gewesen, sie wirklich zu wecken. Nun aber fühlte sich Rhuna damit konfrontiert, dass sich ein Beschützerinstinkt entwickelte, der es ihr unmöglich machte objektiv zu bleiben. Sie fühlte sich für den Halbelfen, für seine Familie verantwortlich und spürte einen zunehmenden Druck auf ihren Schultern, es auch schaffen zu können. Dabei gab es noch so viele ungeklärte Fragen und Dinge, die sie ganz persönlich betrafen. Von denen Yedan nichts wusste. Die sie ihm vorenthielt, weil sie ahnte, wie er reagieren würde. Und dass er sich und sein Leben hintenanstellen würde, damit ihr nichts geschah. Rhuna aber wusste, während sie die idyllische Familienszene betrachtete, dass sie helfen musste. Sie schloss dabei nicht nur Yedan in ihr Herz, sondern auch Kayon. Der alte Mann bewies eine gewisse Griesgrämigkeit, doch mit ihrem Wissen, um die Situation war es ihr möglich gewesen, sich davon nicht verschrecken zu lassen. Wärme durchflutete sie, während sie Yedan’s früheres Ich kennenlernte. Damals hätte sie ihn vermutlich auch mögen können. Wenn sie einander nur früher begegnet wären… Doch zu dieser Zeit, während sich hier ein Schicksal für immer ändern sollte, wuchs Rhuna weiterhin wohlbehütet und umsorgt unter den Argusaugen ihrer Mutter auf. Während Yedan sich auf den Weg machen wollte und Rhuna’s Wissen, um seinen Ausgang sie dazu verleitete, ihn aufhalten zu wollen, erkannte sie, dass das nutzlos wäre. Es war bereits geschehen und sie nicht in der Vergangenheit. Zeitreisen… wäre so etwas möglich? Es war reine Utopie.
Das Leben wurde so gelebt und sie konnte nichts daran ändern. Aber an der Zukunft. Das Bild veränderte sich um sie herum und sie stand mit dem Alten wieder in der Dunkelheit. Er offenbarte ihr seine wahren Beweggründe, diese Erinnerung erneut erleben zu wollen. Er hätte auch gleich den Abend wählen können, doch Rhuna verurteilte ihn nicht dafür. Ob er sich manchmal selbst in diese Erinnerungen flüchtete? Er wusste ja um die Wirkung des Tees… Nun aber wurde Rhuna zu eben jener Erinnerung geführt, die sie sehen musste. Auch wenn sie nicht wollte. Sie ahnte, dass sie schmerzhaft werden würde. Dass das was sie bislang nur gehört hatte, jetzt erlebbar wäre. Und sie fürchtete sich vor dem Schmerz, der sie unweigerlich ereilen würde.

Die Umgebung wurde wieder erkennbar und sie wusste, wo sie sich befand. Viel mehr Aufmerksamkeit bekam der kleine, blonde Junge, der soeben das Unheil einleitete. Er aber interessierte sich nicht für die Belange der Erwachsenen. Ajak – den Kinderschuhen noch nicht entwachsen, spielte also auch eine gewisse Rolle. Deutlich war zu erkennen, dass er knapp 15 Jahre jünger als Rhuna war. Doch was waren schon anderthalb Jahrzehnte in einem Elfenleben? Vielleicht erklärte es aber, wieso der Blonde so ungestüm war. Jetzt aber ging es nicht um den Kuss mit Ajak und seine Beweggründe. Hier kam Rhuna nun zur alles entscheidenden Erinnerung, sie musste sich beeilen, wenn sie Kayon und Liabell folgen wollte. Die Umstehenden waren zahlreich. Es waren bestimmt 20 oder 25 Gesichter, die Rhuna erkennen konnte. Keines von ihnen kam ihr im ersten Moment bekannt vor. Ohnehin wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt, denn sie hatte nur Augen für den Mann in der Mitte der Meute. Yedan. Vollkommen aufgelöst, erschreckt und unfähig zu verstehen, was vor sich ging. Sie befanden sich an dem großen Baum in der Mitte des Dorfes. Hier ging es zu den oberen Hütten der Elfen. Von ihrer Position aus konnte Rhuna den Baum erkennen, der sie bisher nur erschreckt hatte. Er war bereits hier knorrig, unheimlich und wirkte tot. Ihre Position verhinderte aber, dass sie Alyisa sehen konnte. Sie war auf der anderen Seite des Baumes zu Tode gekommen und einige wenige Zentimeter dahinter setzte bereits wieder das Ende der Erinnerung ein. Laut Yedans Erzählung habe man ihn an dem toten Baum gefunden, nachdem er Alyisa umbrachte. Danach verwischte seine Erinnerung, denn er befand sich in einem Tunnel, desorientiert, erschrocken über die Tat und den Ausgang seines Versuchs, seine Liebe zu retten.
Kayon kam erst später hinzu als man Yedan bereits an den großen Baum, die Mitte des Dorfes, geführt hatte und umzingelte. Nun stand der junge Kayon neben seinem Sohn und wollte ihm gerade eine Hand auf die Schulter legen, zum Zeichen, dass er da wäre, als das Bild gefror. Der Alte war daran ‚schuld‘, sodass Rhuna’s Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt wurde. Aus dem Augenwinkel hatte sie das Gefühl, ein Gesicht zu kennen, doch das Ächzen des Mannes lenkte sie ab. „Kayon! Es… es ist in Ordnung, ich meine wir...!“, sie stützte ihn und er nahm ihre Hilfe dankbar an. Er ließ sich mühelos führen und lehnte sich gegen den großen Stein, der ihm tatsächlich auch als Stütze diente und ihn nicht durch sich hindurchfallen ließ. „Kayon, lasst uns hier abbrechen! Yedan würde es sich und mir nie verzeihen, wenn Euch hier durch diese Erinnerung etwas zustoßen würde. Und macht euch keine Sorgen, ich finde einen anderen Weg die Namen seiner Verurteiler herauszufinden.“, lenkte Rhuna ein. Sie würde das Leben des alten Mannes nicht riskieren. Auch wenn das die alles entscheidende Szene war… Sie hätten vielleicht doch gleich herkommen sollen, statt noch einmal in Erinnerungen zu schwelgen. Kayon keuchte einige Male tief und verzog das Gesicht. Dann schüttelte er aber den Kopf. „Nein… nein… es ist zu wichtig!“, begehrte er auf und hustete. „Ich habe mir ein paar der Gesichter der Umherstehenden gemerkt. Ich kann auf jeden Fall weitermachen…! Bitte, lasst uns hier abbrechen. Vertraut mir! Ich… finde einen Weg!“ Der alte Mann öffnete die Augen und sah Rhuna an. Er hob eine Hand und wischte ihr die Träne aus dem Gesicht. Er lächelte sie traurig an. „Nein, Rhuna… Wir hören nicht auf. Ich… ich schaffe das! Es ist doch für ihn…“, murmelte er und schnaufte noch mal ordentlich durch. „Dein Mut ist bemerkenswert, Rhuna.“, er lächelte und schaute zu der gefrorenen Szenerie. „Er hat Glück, eine Freundin wie dich zu haben…“, murmelte er und schüttelte langsam den Kopf. "Er hätte dich damals gut gebrauchen können..."

Der Alte erhob sich zittrig und suchte ihren Halt erneut. Er ließ sich von ihr stützen und führte Rhuna zurück zu dem Pulk, der sich um Yedan scharrte. Ihre körperlosen Seelen konnten durch die Menge hindurch, sodass sie neben Yedan standen und auf ihn niederblicken konnten. Dann holte Kayon tief Luft und… ließ die Szene weiterlaufen. „…hat meine… Alyisa – sie ist… sie ist tot! ER hat sie getötet!!“, klagte er an und seine Stimme überschlug sich beinahe vor Wut und Trauer. Farun war ebenfalls blass, seine Augen funkelten. Der junge Kayon starrte Farun entsetzt an. „Wa…was?!“, stammelte er und blickte auf Yedan hinunter. „Was ist denn passiert?!“, wollte er wissen, doch ehe die Frage Yedan erreichte, trat Farun vor. „Er hat sie am toten Baum getötet! Heimtückisch! Hinterrücks! Weil sie ihn ablehnte und sich lieber anderen Dingen widmen wollte. Sie verfielen in einen Streit und er… er tötete sie!“, keifte Farun in Rage. Er hatte wenig von dem kühlen Kopf aus der Gegenwart. Kayon schüttelte heftig den Kopf. „Das ist nicht wahr!“, beschwor er Farun und sah erneut auf Yedan herab. Er ging vor ihm in die Knie, um ihn zu erreichen, doch er blickte scheinbar durch ihn hindurch. „Das Urteil ist bereits gefallen.“, schnitt Farun‘s Stimme durch die Nacht. „Es konnte nicht einstimmig sein Tod festgelegt werden. Aber er wird verbannt – auf Lebzeit mit sofortiger Wirkung!“, vollstreckte er und Rhuna konnte feststellen, dass sich viele der Umstehenden bereits aufgelöst hatten.
Doch ein Gesicht erregte Aufmerksamkeit: Lorna stand da. Und neben ihr ein junger Mann mit schlohweißem Haar und hellblauen Augen. Er starrte auf die Szene und es war klar, dass er nicht hierhergehörte. „Wir haben zwei Stimmen dagegen. 20 dafür.“, meinte Farun und Kayon’s Gesicht wirkte entgeistert. „So… so schnell?“, er wandte sich an die Umstehenden und auch Liabell starrte die Gaffenden an. „Mein Sohn… er hat…seht ihn euch an! Er ist kaum in der Lage sich zu verteidigen! Habt ihr ihn überhaupt angehört?!“, rief sie in die Runde und erntete nur betretende Gesichter. „Wie könnt ihr es wagen!“, klagte sie und Tränen standen in ihren Augen. Sie suchte Schutz in Kayon’s Armen. Yedan aber starrte die ganze Zeit nur vor sich hin. Er rührte sich nicht, er konnte einfach nicht glauben, was geschehen war. Dann richtete er seinen Blick auf den toten Baum.

Kayon folgte seinem Blick, sodass die Erinnerung weiterlief. Dort am Baum konnte Rhuna eine Hand erkennen, die leblos am Baum hing. Ihre Fingerspitzen waren schwarz, während der Boden am Stamm, unterhalb des vermutlichen Körpers, sich dunkel vom Blut verfärbte. Schwarze Haarsträhnen wehten vereinzelt am Baumstamm vorbei, doch rührte sich die Person an dem Baum nicht. Rhuna konnte nur das sehen. Dann wandte sich der junge Kayon wieder seinem Sohn zu und schien nicht glauben zu können, was passiert war. „Oh Yedan!“, klagte Liabell und sank auf die Knie, um ihren Sohn in die Arme zu schließen. Die Erinnerung begann sich allmählig aufzulösen. Rhuna konnte noch mal Lorna und den Weißhaarigen sehen, ehe auch sie die Bildfläche verließen. Immer weiter tauchte sie ins Dunkel ab. „Hier endet es… wir wachen gleich auf.“, erklärte der Alte und drückte ihre Hand, bevor er auch vor ihren Augen im dunklen Nichts verschwand. Auch Rhuna löste sich langsam auf, sie spürte, wie sie sich langsam wieder in ihren Körper zurückzog. Doch bevor sie gänzlich zurückkehrte, wurde sie von einer Hand gepackt und festgehalten. Sie konnte nichts weiter erkennen, doch da war etwas, was verhindern wollte, dass sie zurück in ihren Körper kehrte. Und dann hörte sie die körperlose Stimme. „Du wirst bereuen, was du angefangen hast. Du wirst es nicht schaffen…“, hauchte sie wie ein Kuss des Todes. Dann drang ein schrilles Pfeifen an ihre Ohren und schien sie betäuben zu wollen, so laut war dieser langegezogene Ton. Sie wurde zurückgestoßen und schien zu fallen, immer weiter zu fallen, bis sie in ihrem Körper im Haus von dem alten Kayon und seinen Staubschichten wieder erwachte… An ihrem Handgelenk aber konnte sie schwarze Fingerabdrücke erkennen, die sich um ihren Arm geschlungen hatten…
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Dienstag 3. Januar 2023, 20:00

Die Zeit um sie herum stand still. Jeder Umherstehende, bis auf Rhuna und den alten Kayon, war in seiner Bewegung erstarrt und nicht ein Windhauch bewegte mehr die Blätter in den Baumkronen. Es wäre ein perfekter Augenblick gewesen, um sich die Schaulustigen genauer anzusehen und sich ihre Gesichter besser zu merken, doch die junge Elfe war zu sehr um Kayons Wohlbefinden besorgt, als dass sie sich von ihm gelöst hätte.
Hätte sie eingreifen können – wäre dies nicht nur eine Erinnerung, sondern eine Art Zeitreise gewesen – hätte Rhuna sich sicher schon längst zu Yedan begeben und ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt. Doch dies war nur das Spiegelbild eines in der Vergangenheit geschehenen Ereignis. Nichts würde sich in der Gegenwart ändern, wenn sie hier, als körperloses Wesen aufbegehren würde. Nichts würde ihrem Yedan den Schmerz nehmen und die Zeit zurückgeben können, die er mit seinen Liebsten verloren hatte.
So schwer es der Elfe auch fiel, die sinnestäuschenden Erinnerungen nicht als aktuelle Realität zu sehen, konzentrierte sie sich auf das Wertvollste, was es hier gerade gab. Und das war der Vater ihres Freundes! Denn egal wie wichtig die Informationen waren – Rhuna wusste wie wichtig die Zeit war, die Yedan und Kayon vielleicht noch miteinander haben konnten. Und diese Zeit aufs Spiel zu setzen, war für sie undenkbar.
Doch obwohl es Kayon gewesen war, der die Erinnerung im Zuge seines Schmerzes gestoppt hatte, war er es auch, der nicht abbrechen konnte.
„Nein… nein… es ist zu wichtig!“, widersprach er, bevor ihn ein angestrengtes Husten schüttelte, das den sorgenumwobenen Ausdruck der Brünetten nur noch verstärkte.
Florencia bitte steh mir bei…!, sprach sie in Gedanken, als sie die sarische Sturheit im Blick Kayons entdeckte, als er jegliches ihrer Argumente abschmetterte und sie entschlossen ansah. Zumindest bis er ihre Träne entdeckte, die er achtsam fortwischte. Sein Blick wurde wieder weicher und ein trauriges Lächeln zog an seinen faltigen Zügen.
„Nein, Rhuna… Wir hören nicht auf. Ich… ich schaffe das! Es ist doch für ihn…“, murmelte er, ehe er einen tiefen Atemzug nahm, als wolle er sich auf das Bevorstehende vorbereiten.
„Das weiß ich doch! Aber das Wichtigste für ihn ist euch doch wiederzusehen!“, startete Rhuna noch einen letzten Versuch, der jedoch zum Scheitern verurteilt war. Für einen Moment sahen sie einander in die Augen, bis Kayon plötzlich etwas völlig Unerwartetes sagte.
„Dein Mut ist bemerkenswert, Rhuna. Er hat Glück, eine Freundin wie dich zu haben…Er hätte dich damals gut gebrauchen können...“, sagte er und trieb der jungen Elfe mit diesen Worten erneut ein paar Tränen in die Augen. Es war ein Kompliment, das ihr mehr bedeutete, als Kayon vielleicht denken mochte. Und er sprach aus, was sie sich innig wünschen würde, hätte sie die Chance den Fluss der Zeit und vergangene Ereignisse zu verändern.
Natürlich wusste Rhuna nicht, wie sie tatsächlich damals gehandelt hätte. Doch sie war sich sicher, dass sie für ihn da gewesen wäre. Ihr damaliges Ich war noch nicht so stark dem Alltagstrott und den Vorstellungen ihrer Mutter hörig gewesen, wie sie es noch vor ein paar Wochen gewesen war. Sie hatte sich noch Fantasien hingegeben, hatte in den Wolken Bilder von Abenteuer entdeckt und war ihrer kindlichen Neugierde einfach der Nase lang gefolgt. Und sie wusste, dass der Yedan, der dort in der Zeit eingefroren auf dem Boden kniete und noch eine Erinnerung zuvor schnaubend seine Lippen verzogen hatte, weil seine Mutter ihn vor dem Essen zum Händewaschen aufforderte – dass dieser Yedan ihr, damals noch nicht so stark vom Kopf beeinflusste Herz, wie ein Sturm erobert hätte. So wie es ihr Yedan längst getan hatte, obwohl sich ihre Gefühle über die Jahre hinweg immer tauber angefühlt hatten.
Rhuna sagte nichts auf die Worte, aber ein leises Aufschluchzen war von ihr zu hören. Die Erinnerung anzusehen und zu wissen, dass ihm, all dies wirklich widerfahren war, tat weh. Und sie konnte nichts tun, um dem jungen Yedan zu helfen, in dessen Blick sie das Grauen und den Unglauben an das lesen konnte, was ihm gerade wiederfuhr.
Schniefend nickte sie leicht, als wolle sie Kayon auf diese Weise stumm danken und wischte sich die Tränen fort, bevor sie den Blick wieder hob. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Züge und in ihren Augen konnte man die Entschlossenheit lesen.
Die Vergangenheit war bereits geschrieben. Nicht so die Zukunft und Rhuna würde Yedan die Hand reichen, die ihm damals gefehlt hatte. Ja, vielleicht war das alles tatsächlich irgendwo ihr Schicksal, denn ohne all den Schmerz und die Trauer, wären sich diese beiden Elfen niemals begegnet.

Kayon erhob sich zittrig und zusammen ging er mit Rhuna, die ihn bereitwillig stützte, durch die eingefrorene Menge von Schaulustigen, bis sie neben dem verurteilten Yedan stehen blieben. Ihr Blick lag für einen Moment auf seinem Gesicht, ehe sie den Blick abwandte und zu Farun sah, dessen eingefrorene Bewegungen sich plötzlich lösten und seine Stimme lauthals die eben gestoppte Anklage vortrugen.
„…hat meine… Alyisa – sie ist… sie ist tot! ER hat sie getötet!!“, schall seine Stimme über den Platz und brach das Entsetzen im jungen Kayon aus.
„Wa…was?! Was ist denn passiert?!“, forderte er mit Schock in Stimme und Ausdruck zu wissen. Man sah deutlich wie auch seine Welt Risse bekam.
Rhuna hatte die Brauen bei Faruns Ausruf zusammengezogen und musterte sein tränenüberströmtes Gesicht. Die Trauer war ihm anzusehen und doch… war da noch etwas anderes. Etwas was ihr Mitgefühl ausbremste. War es ihre Voreingenommenheit? Oder meinte sie etwas in der Art und Weise wie er sprach zu erkennen, was sich einfach nicht richtig anfühlte?
„Er hat sie am toten Baum getötet! Heimtückisch! Hinterrücks! Weil sie ihn ablehnte und sich lieber anderen Dingen widmen wollte. Sie verfielen in einen Streit und er… er tötete sie!“, keifte Farun weiter in Rage und der Blick der Elfe, der noch eine Spur düsterer geworden war, wanderte zu Yedan, der aussah, als hätte man ihm die Seele entrissen. Ihr Herz zog sich bei dem Anblick zusammen und die Tränen wollten erneut aufsteigen.
Zweifelt er etwa an sich? Glaubt er Faruns anklagenden Worten…?, fragte sich die Elfe, als sie versuchte den leeren Blick ihres verjüngten Freundes zu deuten. Sein Kopf schien das alles nicht begreifen zu können und die Gedächtnislücken schienen ihn zusätzlich zu verunsichern, so dass er wohl nur zu dem Schluss kommen konnte, dass Farun recht hatte?!
„Das ist nicht wahr!“ – „Das ist nicht wahr!“, sprachen Kayon und Rhuna zeitgleich – er laut – sie in fester Überzeugung gemurmelt.
„Das Urteil ist bereits gefallen.“, sprach Farun lauthals weiter, woraufhin sich die Elfe vom Anblick der beiden losriss. Sie sah zu der Menge der Schaulustigen und versuchte sich die Gesichter zu merken – oder in ihnen ein bekanntes zu finden. Und tatsächlich erfasste ihr Blick die jüngere Gestalt von Lorna, die erschrocken und fassungslos das Geschehen zu beobachten schien.
Farun meinte sie war damals noch neu…! Aber sie scheint nicht an Yedans Schuld geglaubt zu haben. Aber so wie es aussieht hatte sie noch keine Stimme unter den Waldmenschen…, dachte Rhuna und ihr Blick wanderte zu Lornas Seite, wo ein junger Mann mit schlohweißen Haaren und hellblauen Augen stand. Seine Optik fiel auf und es war unmöglich ihn nicht zu bemerken.
„Wir haben zwei Stimmen dagegen. 20 dafür.“, hörte sie Faruns abschließende Worte sprechen, die einige aus der Menge dazu bewegte, sich von der Versammlung zu lösen. Die Worte lösten eine Woge der Wut in ihr aus, die sie nur mit Mühen unterdrücken konnte. In diesem Moment konnte Rhuna Farun kaum Mitleid entgegenbringen. Sie glaubte zu spüren, wie er die Worte und die Wahrheit bog.
20 gegen 2?, wiederholte sie in Gedanken und sah nun von Gesicht zu Gesicht. Waren all diese Schaulustigen die Verurteiler von Yedan? Und wer waren seine Fürsprecher?
Ich muss mir die Gesichter merken!!!, dachte sie, während ihr Blick erneut auf dem Fremden zu liegen kam, der aussah, als wäre er einem kalten Wintermorgen entsprungen.
In weiterer Ferne hörte Rhuna nun Liabell klagen und weinen, doch als würde die Zeit wieder beginnen langsamer zu laufen, verzerrte sich alles um sie herum. Sie sah noch, wie sich Lorna und der Weißhaarige zusammen abwendeten, ehe sich das Bild erneute in Dunkelheit auflöste und nichts als Leere und Stille hinterließ.
Stumm liefen Rhuna die Tränen die Wangen hinab. Sie spürte ein sanftes Drücken ihrer Hand und hob den Blick zu Kayon, der einen der schlimmsten Momente seines Lebens erneut durchlebt hatte.
„Hier endet es… wir wachen gleich auf.“, erklärte er plötzlich und so schnell wie sich auch seine Gestalt auflöste, konnte Rhuna gar nicht verstehen, dass alles vorbei war. Wie ein Kartenhaus zerfiel sein Anblick in hunderte von kleinen dunklen Teilen und löste sich in Schwärze auf, bis sie auch seine Hand nicht mehr spüren konnte. Erschöpft schloss auch sie die Augen und erwartete sich aufzulösen und in ihren Körper zurückzukehren.
Rhuna fühlte sich erschöpft – aufgewühlt – aber auch zufrieden, weil sie dank Kayon diesen wertvollen Einblick gewinnen konnte, der sie Yedans Reputation einen Schritt näherbringen würde.
Doch bevor sie sich dem schwerelosen Gefühl hingeben konnte, das sie aus dieser Erinnerung in ihren Körper führen würde, packte sie plötzlich eine Hand am Oberarm und riss sie ein Stück zurück. Obwohl ihre Augen sofort aufsprangen konnte sie nichts und niemanden erkennen. Alles um sie herum war Schwarz, voller Dunkelheit.
Was passiert hier?, rief Rhuna in Gedanken und spürte wie ihr Herz alarmiert schneller zu schlagen begann. Der körperlose Griff um ihren Arm war schraubstockartig, fest, kalt und schmerzhaft!
„Du wirst bereuen, was du angefangen hast. Du wirst es nicht schaffen…“, hauchte ihr plötzlich die Stimme der Dunkelheit entgegen, die sie bereits am toten Baum versucht hatte zu verführen.
Wie… wie kann das sein? Ich bin doch in Kayons Erinnerung! Nur einer Erinnerung!!!, dachte die Elfe vom plötzlichen Angriff erschrocken. Ein schrilles Pfeifen drängte sich in ihre Ohren und als hätte man eine Klangschale geschlagen hallte der Ton unaufhörlich, langgezogen und unerbittlich wieder und zerrte an ihrem Bewusstsein, das es zu betäuben versuchte.
Das bereits am Baum aufgetauchte Gefühl der Hilflosigkeit keimte erneut auf und Rhuna spürte, wie ihr schlecht wurde. Sie hatte das Gefühl nicht mehr atmen und sich nicht rühren zu können. Als würde sie in die Tiefe eines Sees gerissen werden und Stück für Stück in der Stille untergehen.
Nein! Doch das Gefühl blieb nicht und Wut überwalzte das Gefühl ihrer Angst, so dass sie ihre Stimme wiederfand und dadurch das Gefühl nicht weiter in die falsche Richtung gerissen zu werden.
„Du legst dich mit der falschen Elfe an – denn ich gebe nicht auf! Also Verschwinde!!!“, rief Rhuna in der Hand einer Wut, die geschürt von ihren eben erlebten Beobachtungen, noch nie so groß gewesen war, wie in eben diesem Moment. Doch zu mehr kam die junge Elfe nicht mehr, denn sie fühlte einen plötzlichen Ruck und spürte langsam wieder die schwere ihres Körpers.
Ihre Lider öffneten sich träge, als wäre sie in einem stundenlangen Tiefschlaf gewesen. Und erst Stück für Stück schafften es ihre Augen sich wieder anständig zu fokussieren, so dass sie die staubigen Dielen des Bodens wahrnahm, auf dem sie lag. In ihrem Sichtfeld lag der Becher, aus dem sie den Tee getrunken hatte und davor schimmerten die Reste der dunklen, flüssigen Essenz im Licht, das durchs Fenster hineinbrach.
Was… war das…?, fragte sich Rhuna noch immer träge und richtete sich schwerfällig auf. Noch nie im Leben hatte sie sich so schwer in ihrem Körper gefühlt, wie zu diesem Moment. Als hätte man ihr eins übergebraten, schall noch immer ein hoher Ton in ihren Ohren wider und scherzhaft verzog sie das Gesicht, als sie ihre Stirn mit den Fingern berührte. Ein brennender Schmerz breitete sich von ihrem Arm aus, zu dem sie nun sah. Schwarze Fingerabdrücke klebten auf ihrer Haut, wie Pech. Der Anblick brachte ihr einen Schreck ein, der ihren Geist wieder wachrief. Sie hob den Arm näher um sich die Abdrücke näher anzusehen und erinnerte sich an die eiskaltgehauchten Worte
„Du wirst bereuen, was du angefangen hast. Du wirst es nicht schaffen…“ Eine Gänsehaut zog sich über ihre Haut. Wie nur hatte sie diese Stimme hören können? Und wie nur … war dieser Handabdruck auf ihre Haut gekommen? Auf die Haut ihres realen Körpers – nicht nur der ihrer Erinnerungsversion?
Rhuna konnte noch immer die Stärke des Griffs unter ihrer Haut pochen spüren. Sie war eindeutig verwirrt doch…! Ein Keuchen erregte ihre Aufmerksamkeit und als sie Kayon in seinem Sessel entdeckte war die Elfe sofort auf ihren Beinen und untersuchte ihn besorgt.
„Kayon! Kayon komm zu dir! Ich bins – Rhuna!“, sagte sie und versuchte ihre Stimme zu kontrollieren, in der sich eindeutig Sorge bemerkbar machte.
An seinem blassen Gesicht und seiner angestrengten Atmung konnte sie ablesen, dass diese Erfahrung für seinen Körper viel gewesen war. Der ganze Tag war für ihn bisher voller Aufregung gewesen – Aufregung die teils nicht angenehm und für sein Herz nicht gut gewesen waren.
Hastig löste sie sich und füllte aus dem Krug ein Glas mit Wasser, das sie ihm reichte.
„Kann ich etwas tun…?“, fragte sie mit sorgenvoller Miene. Jetzt musste sie erst einmal dafür sorgen, dass sich Kayon ausruhen und erholen konnte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. Januar 2023, 09:14

Natürlich war das, was Kayon erlebte viel zu viel. Der alte Mann hatte Jahre der Verdrängung, des Wälzens von Ursache und Wirkung und des Leids verbracht. All das, was ihn zu einem alten, verbitterten Mann gemacht hatte, wurde durch Rhuna aufgebrochen. Die junge Elfe mit dem sanften Herzen wollte helfen. Manchmal aber ging das nicht, ohne vorher etwas zu zerbrechen oder Schmerz zuzufügen. Allerdings war der Weg, den Rhuna gehen musste kein einfacher und dennoch nahm sie sich dem Schicksal eines ganzen Dorfes an. Während die Umstehenden in ihren Haltungen und Bewegungen eingefroren waren, hatte Rhuna nur mäßig Zeit in ihre Gesichter zu blicken. Die meisten von ihnen unterschieden sich kaum, denn sie alle hatten irgendwie braune Haare und braune Augen. Das war den Menschen und Elfen im Dorf eigen. Doch während sich ihre Aufmerksamkeit aufzudröseln versuchte, denn Kayon schien es überhaupt nicht gut zu gehen, fiel ihr Blick auf Lorna. Die Menschenfrau war deutlich jünger und stand ein wenig abseits, doch ihr Gesicht drückte Zweifel aus. Sie beobachtete die Szenerie mit Sorge, schien nicht so überzeugt zu sein, wie viele andere. Für die war Yedan schuldig. Ebenso wie für Farun. Er schürte in seinem Zorn eine Wahrheit, die er so kurz nach dem Unglück gar nicht hätte herausfinden können. Es sei denn, er besaß Informationen, die ihn zum Handeln zwangen. Yedan sagte kein einziges Wort, sodass man den Angeklagten überhaupt nicht befragen konnte. Aber seine Version war nicht wichtig in einem Prozess, der bereits entschieden worden war. Das Dorf der Waldmenschen stimmte ab. Immer. Und die, die vor Ort waren, hörten sich eine Seite des Vorfalls an, mit Chance auch beide und stimmten dann ab. Hier aber schien die Sache so klar auf der Hand zu liegen… Und während Alyisa’s Leichnam noch am Baum hing, weil sich der Ast durch ihren Körper gebohrt hatte, nachdem Yedan sie von sich stieß… wurden drei weitere Leben mit einem Fingerschnippen ausgelöscht. Blinde Wut, bittere Erkenntnis und Charisma waren ein ungesundes Gemisch, das keinen Platz für die Wahrheit ließ. Farun hatte seine Stimmen für sich gewonnen. Und Yedan? Er musste gehen. Wie gut, dass Farun keine Todesstrafe zur Abstimmung hatte bringen können. Denn diese war vorher schon gescheitert, sodass er sein gefordertes Urteil abmildern musste.

Die Erinnerung begann sich aufzulösen, doch Rhuna schaffte es noch einen Blick auf einen Mann zu erhaschen, der unter all dem Braun hervorstach: Weiße Haare, eine helle Haut und unglaublich blaue Augen stachen ihr ins Auge. Er stand nahe bei Lorna, sah aber ebenso wie sie aus, als gehöre er nicht hierher. In seinem Gesicht hatte Rhuna nichts lesen können. Es wirkte glatt, kühl und unnahbar. Sie wusste nicht, ob er zu den zwei Stimmen gehörte, die sich dagegen ausgesprochen hatten. Doch war der Fokus auf Lorna und diesem Mann hoch, sodass es zumindest ein Anhaltspunkt wäre. Kayon, schwer geschafft aber außer Gefahr vorerst, löste die Erinnerung auf, die so schmerzhaft für ihn war, dass selbst sein Geist darunter Schmerz empfand. Das Bild des Dorfes, das Bild von Yedan, dem man soeben alles genommen hatte, löste sich im dunklen Nichts auf und ließen Rhuna fröstelnd zurück. Die Elfe wollte zurückkehren, sich wieder ganz fühlen und das Gesehene verarbeiten. Doch bevor es dazukommen konnte, wurde sie von der körperlosen Kraft erneut heimgesucht. Dieses Mal jedoch, zischte die Stimme hasserfüllt, warnend und lauernd. Sie sagte Rhuna klar und deutlich, dass sie einen Kampf führte, den sie nie gewinnen würde. „Du legst dich mit der falschen Elfe an – denn ich gebe nicht auf! Also Verschwinde!!!“, trat Rhuna ihr mutig entgegen, sodass ein schauderhaftes Lachen erklang, dass sich mal weiblich, mal männlich und mal so gar nicht weltlich anhörte…Und dann… dann packte die Stimme zu und hinterließ pechschwarze, klebrige Abdrücke auf ihrem Handgelenk, bevor Rhuna endlich die Augen in ihrem Körper aufschlug und sich wieder im Haus von Kayon und ihrer Zeitlinie wiederfand. Ihr Handgelenk schmerzte unter dem Griff, der eigentlich nicht hätte stattfinden sollen. Es ließ sie verwirrt zurück, sie konnte nicht verstehen, wie es überhaupt möglich war. Was zum Harax ging nur vor sich?! Avalinn hatte in dieser Beziehung aber Recht: Es wurde gefährlich für Rhuna, wenn selbst in einer Erinnerung körperlich auf sie zugegriffen werden konnte. Andererseits – war sie nicht dann auf dem richtigen Weg? Wenn man versuchte sie von weiterem abzuhalten? Ein Keuchen durchbrach ihre Gedanken, sodass sie sich Kayon’s Anwesenheit bewusstwurde.
Der Mann saß mit leidender Miene in seinem Sessel, krampfte links und rechts beide Hände in das abgenutzte Polster und hatte Schweißperlen auf der Stirn. „Oh mein Yedan… wieso habe ich damals nicht anders gehandelt.. ich habe es hingenommen. Wir haben es hingenommen… wir hätten kämpfen sollen, hätten eine neue Abstimmung verlangen sollen… aber die Lage sah so… so aussichtslos aus, oh was haben wir getan?!“, litt der Alte und Tränen rollten erneut über seine Wangen. Er wusste gar nicht wohin mit sich, wollte sich verkriechen und sich vor seinen Gefühlen verstecken. „Wir haben nicht gut auf ihn aufgepasst…. Was waren wir für Eltern…“, zweifelte er an sich und seiner verstorbenen Frau. Kayon regte sich zu sehr auf. Erneut glitt seine Hand an sein Herz und er beugte sich nach vorn. „Rh…Rhuna…“, keuchte er und verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Rhuna… hol… Hilfe.“, keuchte er und ließ sich wieder nach hinten in seinen Sessel fallen. Seine Rechte presste sich an sein Herz, während seine Finger sich in sein Hemd bohrten. Er hatte Schmerzen, das konnte sie sehen. Die Aufregung war viel zu viel gewesen, auch wenn er es hatte für Yedan tun wollen, war ihr Gefühl richtig gewesen. Sein altes Herz verkraftete diese Welle an Schmerz und Schuld nicht recht. Er brauchte Hilfe. Rhuna wusste, sie könnte zum Baum laufen und nach Avalinn rufen. Die Heilerin wäre gewiss sofort da, doch würde die Zeit reichen? Wie schnell konnte sie rennen und den Baum erklimmen? Oder erinnerte sie sich vielleicht an ihre Zeit in der Klinik in Shyáná Nelle? Welche Kräuter mischten sie damals zusammen, als jemand ähnliche Beschwerden gezeigt hatte? Er war Reisender gewesen, es lag lange zurück. Würde sie in Liabell’s Kiste die Dinge finden, die sie brauchte? Oder war es doch sehr viel sicherer, Avalinn zu holen? Konnte sie jemanden schicken? Vielleicht kam jemand vorbei, den sie bitten konnte, zu helfen… Wie auch immer sie sich entschied – es sollte schnell gehen, denn gerade wich dem Alten die Farbe aus dem Gesicht und sein Atem kam gepresst über die spröden Lippen.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Samstag 14. Januar 2023, 15:13

Es war ein herzzerreißender Anblick, den Kayon der Elfe gerade bot. Der, von Faruns Intrigen gebeutelte Mann hatte in seinem Leben so viel Kummer und Sorgen durchlebt, dass man meinen sollte, er hätte wenigstens auf seine alten Tage ein wenig Freude und Frieden verdient. Doch nun saß er hier, zusammengesunken in seinem Sessel und übte zu Rhunas Schrecken auch noch starke Selbstkritik an sich aus. Erneut stellte sich ihr das Rätsel, wie Farun im Bewusstsein des unverdienten Leides der Bogenbauerfamilie nur ein paar Häuser weiter friedlich seine Tage verbringen konnte.
„Oh mein Yedan… wieso habe ich damals nicht anders gehandelt.. ich habe es hingenommen. Wir haben es hingenommen… wir hätten kämpfen sollen, hätten eine neue Abstimmung verlangen sollen… aber die Lage sah so… so aussichtslos aus, oh was haben wir getan?!“, klagte er über seine vergangenen Entscheidungen, während Rhuna zu ihm ging und ihre Hände auf seinen Arm legte. Ihren Schrecken über den ‚Angriff‘ der körperlosen Stimme vergaß sie für den Augenblick über die Sorge, dass das alte Herz Kayons den Schmerz und die Aufregung nicht aushalten konnte. Man sah ihm bereits an, dass er Schmerzen hatte und wenn sich Kayon weiter in seinem Leid verlor, war sein Leben in großer Gefahr.
„Bitte beruhige dich! Kayon, wir können die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Wir…müssen nach vorne schauen. Keiner von euch hatte Schuld!“, versuchte sie beruhigend auf ihn einzureden. Ihre Sorge wuchs, als sie den Schweiß auf seiner Stirn und die steigende Atmung bemerkte. Kayons seelisches Leid schien zu viel für seinen Körper zu werden.
„Wir haben nicht gut auf ihn aufgepasst…. Was waren wir für Eltern…“, zweifelte er weiter an sich und seiner verstorbenen Frau, während er nicht fähig zu sein schien, sich von Rhuna beruhigen zu lassen. Sie hockte sich vor ihn und versuchte seinen Blick auf sich zu ziehen, doch er schien wie in sich gefangen zu sein.
„Kayon! Sieh mich bitte an. Du musst dich beruhigen. Versuch ruhiger zu atmen!“, startete die Brünette alarmiert noch einen letzten Versuch, der jedoch zu spät kam. Die faltige Hand griff zum geplagten Herz und vor Schmerz krümmte sich der Bogenbauer nach vorne.
Rhunas Blick weitete sich und ihr Puls schoss in die Höhe.
Nein! Oh Florencia bitte nicht!!!, dachte sie, während sie auf die Füße sprang.
„Rh…Rhuna…“, drang seine angestrengte Stimme an ihr Ohr. „Rhuna… hol… Hilfe.“, presste Kayon zwischen den Zähnen hervor und ließ sich zurück in den Sessel fallen.
Für Rhuna war klar, was gerade passierte. Sie hatte in der Klinik in Shyána Nelle gearbeitet und aufmerksam studiert. Sie wusste, dass bei einem Anfall des Herzens sofort und schnell gehandelt werden musste.
Die Brünette verlor keine Sekunde und stürmte aus dem Haus, lief aus dem Garten und um die Ecke auf den Pfad zum belebteren Teil des Dorfes. Kayon wohnte etwas abseits, doch es dauerte glücklicherweise nur ein paar Sekunden, bis sie den ersten Passanten erblickte.
„Ich brauche Hilfe!“, rief sie aufgebracht und stoppte vor zwei Elfenmännern, die auf ihr Rufen hin stehengeblieben waren und sie mit großen Augen betrachteten.
„Kayon! Er hat einen Herzanfall! Bitte helft mir! Holt Avalinn!!! Holt Hilfe!!! Er ist in seinem Haus!!!“, sagte sie eilig, woraufhin einer der beiden Elfenmänner bereits losstürmte, während der andere an ihr vorbei in die Richtung sah, aus der sie gekommen war.
„Bitte macht schnell!!! Sagt anderen Bescheid, die auch nach Avalinn suchen! Jede Sekunde zählt!“ Normalerweise hätte Rhuna auf ihre Art geachtet, wie sie mit Fremden sprach, doch nun gab sie einfach nur Anweisungen, die den anderen Elfenmann glücklicherweise ebenfalls dazu brachten zu spuren.
„Kayon sagst du? Der alte Bogenbauer?, fragte er noch mal nach, was Rhuna bestätigte und keinen Moment mehr verlor, um zum Haus zurückzulaufen.
Ich wünschte Kaja oder Ajak wären hier!!!, wünschte sie sich, denn auf die Hilfe der beiden wusste sie bereits zu vertrauen.
Zurück stolperte sie beinahe ins Haus und war sofort wieder bei Kayon. Rhunas Gedanken rasten. Was war nun zu tun? Wirklich viel Erfahrung und Handlungsmöglichkeiten bei einem Infarkt hatte sie nicht.
„Kayon, ich bin da! Hilfe ist unterwegs. Versuch dich zu beruhigen und ruhig zu atmen!“, wies sie ihn etwas außer Atem, so ruhig wie möglich an, während sie darauf achtete, dass sein Oberkörper möglichste stabil und hochgelagert an der Lehne ruhte. Von den geöffneten Fenstern und der noch offenstehenden Haustüre strömte glücklicherweise frische Luft hinein.
Rhuna versuchte ihre Ruhe zu bewahren, was ihr aber nur teilweise gelang. Innerlich rieb sie Kayons Zustand enorm auf. Was, wenn Avalinn nicht rechtzeitig kam? Sie konnte im Grunde überall im Dorf sein, wenn sie bereits zu jemand anderem gerufen worden war.
Denk nach…! Was kannst du tun?, fragte sie sich selbst, während ihre Hände über Kayons Oberarme strichen. Ihr fielen durchaus einige Kräuter und Pflanzen ein, die ihr helfen könnten, doch hatte sie keines dieser bei sich und selbst wenn, müsste sie eine Art Absud herstellen, den sie Kayon einflößen müsste. Und dafür hatte sie keine Zeit.
„Spürst du die frische Luft? Atme ganz ruhig. Ich bin bei dir…!“, sprach sie weiter, doch der schmerzhafte Ausdruck in seinem Gesicht zeigte keine Besserung. Auch der kalte Schweiß auf seiner Stirn sprach nicht davon, dass es ihm besser zu gehen schien.
Avalinn...! Avalinn…! Bitte beeil dich! Verdammt, wieso bin ich so unnütz?!, dachte sie verzweifelt. Laut der Heilerin war sie ebenfalls dazu fähig Lichtmagie anzuwenden, doch sie spürte nichts außer ihrer Verzweiflung und wusste auch nicht, wie Lichtmagie richtig einzusetzen war. Oder…
Ein Blick in Kayons Gesicht ließ sie den Entschluss treffen. Sie musste es wenigstens versuchen. Wie sonst sollte sie Yedan je wieder unter die Augen treten können?
Und so nahm Rhuna ihre Hände von seinen Armen und legte sie, nachdem sie Kayons Griff sanft entfernt hatte, auf eben jene Stelle seiner Brust. Sein Herz hämmerte deutlich spürbar gegen ihre Finger und sie schloss ihre Augen.
Rhuna versuchte sich zu konzentrieren und ihre Magie zu finden. Irgendwo in ihr schlummerte eine Kraft, die sie sich nur zu Nutze machen musste – wenn sie denn herausfand, wie sie es zu tun hatte.
Sein Herz schlägt nicht im richtigen Rhythmus! Wenn das so weitergeht versagt es! Ich muss… Ihre Miene spannte sich an. Die junge Frau wusste nicht nach was sie in sich suchen sollte. Einem Gefühl? Einem Licht? Wie hatte sie es laut den anderen geschafft ihre Magie einzusetzen? Was hatte sie damals getan oder empfunden?
Ihre Gedanken wanderten zurück zum Baum und dem Gefühl, wie die körperlose Stimme sich ihrer hatte bemächtigen wollen. Wie sie sich bereits einmal hatte leiten lassen.

Der schwarze Abdruck an ihrem Handgelenk begann zu brennen, als würde sie gefrorenes Eisen berühren, dessen Kälte begann sich über ihrem ganzen Körper auszubreiten. Eine Gänsehaut überzon ihren Körper und ihr Herz begann nervöser zu schlagen.
Ich… muss es finden. Ich kann das! Oder sollte ich doch besser… nach Kräutern suchen? In Liabells Kiste waren getrocknete Tollkirschen. Mit denen… oder mit Weißdorn – Yedan, was soll ich tun? Bitte hilf mir!
Ohne es selbst mitzubekommen glomm unter Rhunas Händen ein Licht auf, das jedoch immer wieder flackerte. Zeitgleich brachen aus den schmalen Ritzen des Fußbodens um sie herum, viele kleine Pflanzen, suchten sich ihren Weg in den Raum und wuchsen rasch heran – zu kleinen Trieben von Tollkirsche, Weißdorn und anderen Heilpflanzen, die der Elfe als Heilmethoden durch den Kopf schossen. Auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißtropfen und ihre Lippen wurden immer blasser und blauer, während ihre Hände leicht zu zittern anfingen.
Rhuna fror, doch neben dem Gefühl, dass etwas in ihrem inneren sie zerriss, spürte sie eine Wärme in sich, der sie versuchte zu folgen – nach ihr zu greifen und diese intuitiv zu nutzen und in Kayons Brust zu lenken. Das Licht unter ihren Handflächen wurde heller und sie keuchte angestrengt auf. Während sie das Gefühl hatte, dass ihre Sinne begannen zu schwinden, schien sie jedoch noch etwas anderes wahrzunehmen.
Bilde ich mir das ein, oder … normalisiert sich sein Herzschlag…?, fragte sich Rhuna noch, ehe sie das Gefühl hatte, dass ihre Beine seitlich wegkippten und sie gleich fallen würde.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 17. Januar 2023, 09:07

So sehr Rhuna auch versuchte, den einstigen Bogenbauer zu besänftigen, er war in seinem Leid gefangen. Es klaffte wie eine offene Wunde in ihm, die durch Schorf bedeckt gewesen war, jetzt wieder aufriss und wohl nie mehr zu heilen. Wie schwer die Last des Lebens werden konnte, musste Rhuna nun am Beispiel von Kayon erkennen. All der gesammelte Ballast, die Schmerzen, die verdrängten Gedanken, die Eingeständnisse und Schuldzuweisungen prasselten ungefiltert auf den Mann ein. Das konnte ein alterndes Herz nicht ohne Weiteres ertragen… es musste darunter zerspringen, bei all den Rissen, die es angesammelt hatte. Und Kayon ließ sich nicht mehr helfen. Er spürte die volle Last des Drucks auf sein schlagendes Organ und spürte nur kurzdarauf, wie es ihm in der Brust zu eng wurde. Alarmiert flehte er um Hilfe, sein Atem ging beschwerlich, während ihm die Farbe aus dem Körper wich und Schweißtropfen sich formten. Rhuna erkannte die schreckliche Not und handelte instinktiv. Sie rannte, so schnell sie es konnte, hinaus und flehte die erstbesten Elfen an, ihr sofort Avalinn zu schicken. Einer der Männer erkannte die Dringlichkeit und wetzte los, während der andere noch ein wenig mehr Information brauchte. Rhuna aber hatte wahrlich keine Zeit dafür. Sie herrschte ihn an, ohne Rücksicht auf unangebrachte Etikette und floh zurück zum Haus des Vaters ihres Freundes. Dort saß der Alte zusammengekrümmt und leichenblass in seinem Sessel. Er reagierte kaum noch, konzentrierte sich auf seinen Atem und auf den immensen Druck in seinem Brustkorb. Rhuna half ihm, sich etwas anzulehnen, während ihre Gedanken fieberhaft nach einer Lösung suchten. Sie kramte in ihren Gedanken, ob es etwas gäbe, womit sie ihm zügig helfen konnte, etwas das sie im Hospital in Shyána Nelle gesehen hatte… doch ihr fiel nichts ein. Ihr Verstand war vernebelt, verängstigt und ergriffen von der Möglichkeit, dass Yedan’s Vater hier in ihrem Beisein versterben könnte. Wie bei allen Göttern, sollte sie jemals wieder unter die tiefbraunen Augen des Sariers treten?

Ihre Gedanken huschten von der einen Ecke ihres Geistes, zur anderen und griffen dennoch nur nach losen Gedankenfetzen, die ihr nicht helfen konnten. In all dem Wirrwarr und der Hektik aber, formte sich mit einem Mal eine Stimme, die ihr sagte dass sie fähig wäre, Lichtmagie zu erschaffen. Avalinn hatte davon gesprochen. Allerdings war das Aufleuchten eines Fingers etwas ganz anderes als jemanden zu heilen. Diese hohe Kunst brauchte Zeit, Studium und Praxis. All das besaß Rhuna nicht, sodass sie, ob der Verzweiflung im Innern auf dieses furchtbare Gefühl zurückgriff, dass die Magie in ihr hervorbrachte. Die kalte Schwärze, die ihr durch die Venen kroch, während eine Stimme sie zu verführen suchte. Das Gefühl der Machtlosigkeit, welches sie ob der Situation verspürte, vereinte sich mit der Erinnerung an das Erlebte vom toten Baum. Während Rhuna in einer Art Tunnelblick gefangen war, um die klamme Kälte heraufzubeschwören, die ihr hoffentlich die nötige Magie entlockte, schloss sie die Augen. Der klebrige Abdruck brannte, während sie dem ungewissen Pfad durch sich selbst folgte. Rhuna konnte spüren, dass sie durch sich selbst wandelte. Sie folgte der Kälte, bis in ihrem Kopf ein feines Zischeln entstand. „Komm…“, flüsterte es und führte sie weiter durch sich, um ein Bisschen Wärme zu finden, die Heilung versprach. „Ich zeige sie dir..“, drangen nicht ihre eigenen Gedanken in ihr Bewusstsein. Rhuna war wie versteinert.
Gefangen in sich selbst, die Hoffnung nicht aufgebend, dass sie fand wonach sie dringend suchte. So folgte sie dieser leisen Stimme und schritt weiter durch eine klebrige Finsternis. Es war, als würde sie sich selbst dabei beobachten, wie sie auf ihren Nervenbahnen und Blutgefäßen umher kletterte, stets begleitet von einer körperlosen Stimme. „Ja… so ist es gut… komm näher, du findest wonach du suchst“, säuselte die Stimme und mit einem Mal spürte Rhuna Wärme. Da war etwas in unmittelbarer Nähe, dem sie folgen wollte. Während Rhuna hinter ihrer Stirn gefangen war, um nach dem magischen Licht, der heilenden Wärme, zu suchen, veränderte sich die Außenwelt.

Die Schatten nahmen zu, wurden größer, vereinten sich und verdunkelten nach und nach das Haus von Kayon. Überall krochen verzerrte Schattenfratzen aus den Ecken des alten Hauses und stoben auf Rhuna und Kayon zu. Dieser keuchte vor Schmerzen, während Rhuna sich nicht regte. Aus den Ritzen der Dielenböden krochen knorrige , dunkle Äste und Zweige, die aus einer klebrigen, schwarzen Masse bestanden. Sie trugen unnatürlich leuchtende Beeren, die jedoch im Innern faulig und ungenießbar waren. Die Dunkel wurde größer, je näher Rhuna ihrem Licht kam. Inzwischen waren die Schatten überall und aus ihnen streckte sich eine klebrige Hand, die sich nach Rhuna’s gezeichnetem Arm ausstreckte. In dem Moment, in dem Rhuna’s Hände ein wenig zu leuchten begannen, packte die Hand zu und umschloss ihr Handgelenk mit brennendem Griff. Während das Licht ihrer Finger pulsierte, pulsierte auch die schwarze Hand. Mit jeder Welle wurde sie größer oder besser: volkständiger. Während es erst nur die Hand samt Gelenk war, war da im nächsten Moment bereits ein Unterarm zu sehen. Dann ein Oberarm und schließlich ein schlanker Hals. Plötzlich glitt die Tür zum Haus auf und Licht flutete die Schatten. Kreischend, was auch Rhuna in ihrem Kopf hören konnte, zogen sie sich zurück. Rhuna konnte sich von ihrer Suche lösen und schaffte es noch die Augen soweit zu öffnen als dass sie erkennen konnte, wie eine teerartige Gestalt in Form eines Arms von ihr abließ. Sie erkannte deutlich die Schulter, den Hals und schließlich ein dämonisches Grinsen, ohne Augen oder gar einem Gesicht. Da war nur ein Mund in der klebrigen Masse, eines formlosen Gesichts, der sie… angrinste. Dann gellte ein gleißender Blitz durch die Hütte und zerfetzte das klebrige Schattenmonster.
Das Haus erhellte sich schlagartig wieder. Rhuna erkannte um sich herum noch die klebrigen Triebe, die sich durch die Dielenritzen geschoben hatten, jetzt aber wieder verschwanden. Dann sah sie einen weiteren Schemen, verschwommen doch so hell strahlend, dass sie keinen Zweifel haben musste, wer dort stand. „Rhuna?“, drang die warme Stimme in ihren Geist ehe die Shyáner bewusstlos wurde. Es dauerte, bis sich endlich etwas regte. Rhuna spürte, dass ihr Geist langsam wieder fähig war, sich mit mehr als der Dunkelheit zu beschäftigen, die ihren Verstand umgab. Da waren Geräusche, die zu Beginn furchtbar laut wirkten und nicht angenehm. Dann blitzte hier und dort ein diffuses Licht auf, während ihre Augenlider sich heben wollten. Dann wieder Dunkelheit. Diese war aber nicht beklemmend, sie war heilsam. Lange hatte sie keine Gedanken formen können, sodass ihr Verstand sich ausruhte. Irgendwann konnte Rhuna spüren, dass sie auf etwas lag. Ihre Glieder blieben schwerfällig, während ihr Kopf langsam vermeldete, dass er schmerzte. „Ich glaube, sie wacht auf…“, hörte sie eine vertraute Stimme, die sie aber noch nicht zuzuordnen vermochte.
Sie hörte Schritte, dann eine Hand, die sich warm und schützend auf ihre legte. Oberhalb dieser Berührung schmerzte ihre Haut und fühlte sich gespannt an, als hätte sie sich tatsächlich verbrannt. „Rhuna..“, drang eine tiefe Stimme zu ihr vor und versuchte sie aus ihrer Starre zu leiten. Sie spürte ein zärtliches Streicheln über ihren Handrücken. Allerdings fühlte sich alles auch noch reichlich schwerfällig an. Was war nur geschehen? Ihre Gedanken nahmen Stück um Stück die Arbeit wieder auf. Was wäre das erste, was ihr wieder einfallen würde?
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 18. Januar 2023, 20:14

Wollten die Götter sie auf die Probe stellen? Noch nie zuvor war Rhuna in so wenig Tagen so häufig an ihre Grenzen gestoßen, die sie dank ihrer vorherigen Lebensweise ungewollt errichtet hatte. Sie war alleine nichts und erreichte nichts, ohne dass sie jemanden um Hilfe bitten musste. Sie hatte Pharus nicht helfen können, doch um wenigstens seinen letzten Wunsch zu erfüllen, war die Elfe hinaus in die weite Welt gezogen – nur um bereits wenige Stunden später herauszufinden, dass sie ohne Yedan den Kapayu niemals lebendig verlassen hätte. Ohne den Sarier wäre sie gefressen worden oder hätte sich sicher in eine andere lebensgefährliche Situation manövriert. Und während sie die Fehler ihres übereilten Aufbruchs einsah und lernen wollte außerhalb der schützenden Mauern von Shyána Nelle zu überleben, hätte sie Yedan beinahe an den Tod verloren, weil er durch ihre Bitte zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Sein Leben hatte sie nur dank der Hilfe von Ajak, Kaya, Farun und vor allem wegen Avalinn retten können.
Nun stand erneut ein Leben auf dem Spiel und erneut war es die Zeit, die gegen sie arbeitete. Was nutzte es, wenn sie Natur- und oder Lichtmagie besaß, wenn sie keine der beiden Kräfte anwenden und nutzten konnte? Kayon rang nach Luft und sein Gesicht verlor jegliche Farbe, als sein altes Herz den Kummer und Schmerz nicht länger aushalten konnte und nun drohte für immer stehen zu bleiben.
Wie bei Yedan waren ihre Kräfte zum Helfen begrenzt und wie damals, musste sie versuchen den Tod, um die ablaufende Zeit so lange zu betrügen, bis fachkundigere Hilfe eintraf.
Aus ihrer Verzweiflung heraus versuchte die Elfe alles, um ihre Magie, die angeblich in ihr schlummerte zu wecken. Dass sie Kayon alleine retten konnte, erwartete Rhuna gar nicht. Aber sie musste es wenigstens schaffen Avalinn Zeit zu verschaffen, bis sie eintraf.
Man konnte nicht sagen, dass Rhuna selbstbewusst an die Sache heranging. Sie reagierte einfach - handelte und folgte dem einzigen Weg, den sie kannte, der ihre Magie einmal zum Aufleuchten bewegt hatte.
Ihre Erinnerungen und Empfindungen abrufend, die sie am toten Baum erlebt hatte versank Rhuna immer mehr in sich, so dass sie bereits nach kurzer Zeit nicht länger mitbekam, was um sie herum geschah. Trotz des Tages wurde das Licht im Haus des Bogenbauers immer schwächer. Die Schatten dunkler, die aus jeder Ecke und hinter jedem Gegenstand hervorkrochen, wuchsen und sich ausbreiteten. Anstatt heilender Pflanzen brachen dunkle Triebe durch den Boden, die sich rasch vergrößerten und wie die Gitterstäbe eines Käfigs sich um sie und den in Lebensnot geratenen Kayon aufbauten.
Ich muss es schaffen…! Es muss nur ein wenig helfen, bis Avalinn kommt!!!, flehte die Elfe verzweifelt in ihren Gedanken, während sie verbissen die Kraft in sich suchte, der man heilende Fähigkeiten zusprach. Immer tiefer geriet sie in einen Zustand, der sie den irdischen Sinnen immer weiter entriss. Die lockende Stimme hörte sich in ihren Ohren dumpf und dadurch unbekannt an. Und obwohl die Temperatur um ihren Körper zu fallen schien, glaubte sie eine Wärme zu finden, in der Rhuna hoffte ihre Lichtmagie zu entdecken.
Sie konnte Kayon nicht auf diese Weise gehen lassen. Er, wie auch Yedan hatten ein Wiedersehen verdient. Ein wenig Zeit zusammen, um die man sie Jahrzehnte lang betrogen hatte. Doch die Elfe schien sich mehr zu verlieren, als zu sammeln. Sie erkannte nicht einmal, dass ihre eigenen Kräfte immer mehr schwanden, als würde man sie ihr entziehen.
Eine schwarze Gestalt baute sich aus der klebrigen Masse aus Dunkelheit vor Rhuna auf, streckte seine Klauen nach ihr und packte zu. Ohne es selbst zu registrieren, oder gar bewusst den brennenden Schmerz, den der Griff verursachte, zu bemerken, rang nun auch Shyáner nach Luft. Ihre Finger und Handflächen begannen zu kribbeln und in einem sanften Leuchten flackerte ihre Lichtmagie auf. Doch entgegen ihr trügerisches Gefühl, schien sie lediglich das Produkt einer Reaktio zu sein, als das aktive Hervorrufen einer heilenden Kraft.
Bilde ich mir das… nur ein?, dachte sie noch, in der Hoffnung etwas erreicht zu haben, als es hinter ihren Augenlidern immer heller wurde. Während ihr Bewusstsein zu kippen drohte öffnete sie ihre violetten Augen mit viel Kraftaufwand, nur um blinzelnd in einer Flut aus warmen Licht, das groteske Antlitz ein teerartiges Schattenmonster zu erkennen. Ein Schreck durchfuhr die Brünette, doch ihr Körper versagte ihr jeglichen weiteren Dienst. In ihrer Brust schlug schmerzhaft ihr Herz und die Erkenntnis, dass es dies nicht erst seit ein paar Sekunden tat, drang in ihr Bewusstsein vor. Alarmiert weitete sich ihr Blick. Ein dumpfer hallender Laut baute sich immer stärker und lauter zu einem schrillen Schreien auf, das schmerzhaft in ihren Ohren und in ihrem Kopf hallte und ihr das Gefühl gab, als würde dieser gleich platzen. Ihr blieb die Luft weg und ein wimmernder Laut entfloh den bläulich anlaufenden Lippen.
Dann … fiel Rhuna. Ihr Körper kippte seitlich um und ihr Bewusstsein drang in eine tiefe Dunkelheit aus einem erfüllenden Nichts. Diesen schwerelosen Zustand hatte sie bereits einmal erfahren. Als würde sie in einem tiefen und ruhigen Gewässer schweben verlor sie das Gefühl für Zeit und Raum und fand für ein paar Augenblicke eine erlösende Ruhe für Körper und Geist.

Nur langsam drangen äußere Reize zu ihr durch. Vereinzelte Geräusche, die immer lauter und unangenehmer wurden. Und trotz ihrer geschlossenen Augen blitzte immer wieder ein diffuses Licht auf, das in ihren Augen brannte, bis sich Tränen bildeten.
Was… ist passiert…?, fragte sie sich mit trägen Gedanken und versuchte ihre Erinnerungen zu ordnen. Wo war sie? Lag sie auf dem Boden? Rhuna konnte sich nicht daran erinnern eingeschlafen zu sein.
Eingeschlafen…! Lag sie noch bei Kaya im Bett? Hatte sie nur einfach schlecht geträumt? Ein unruhiges Gefühl begann sich langsam in ihr Bewusstsein zu kämpfen.
Ich war doch schon auf…?! Und bin zu… Kayon!!!
Mit einem Mal spürte die Elfe die ganze Schwere ihres Körpers, als wäre ihre Seele in diesen zurückgerissen worden. Doch obwohl ihr Bewusstsein zurückgekehrt war, dauerte es noch ein wenig länger, bis sie das Gefühl für ihren Körper zurückerlangte.
„Ich glaube, sie wacht auf…“, drang eine vertraute Stimme zu ihr durch, die sie aber noch niemandem zuordnen konnte. Sie spürte eine warme Hand, die sich auf ihre legte und versuchte ihre Finger zu bewegen, was ihr nur mit Mühen gelang, so dass sie leicht zuckten.
Ihre Haut brannte unangenehm und der plötzlich auftauchende Schmerz sorgte dafür, dass sie ihre Augen langsam öffnen konnte.
„Rhuna..“, sagte jemand mit tiefer Stimme ihren Namen, während der Besitzer der Stimme ihr sanft über den Handrücken streichelte.
„… ayon….!“, brachte sie leise und kaum hörbar über die Lippen und fragte somit augenblicklich nach dem Bogenbauer, um den sie sich große Sorgen machte. Ihr Blick wollte sich noch nicht fokussieren und auch die Tränen, die nun ihre Schläfen hinabliefen, trübten ein wenig ihren Blick.
„… was… ist mit Kayon?“, wagte die Elfe einen neuen beherzten Versuch ihrer Stimme etwas mehr Kraft zu verleihen. Was war nur geschehen? Ihre Erinnerungen kehrten Bruchstückhaft zurück, doch das Bild des pechartigen Schattenmonsters, wollten nicht so recht zu dem passen, was sie meinte, was passiert war. Vermischte Rhuna gerade Traum und Realität?

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 19. Januar 2023, 17:34

War sie es, die Leid und Dunkelheit erschuf, wo sie doch nur heilen und helfen wollte? War sie denn selbst in ihrer Intention, etwas Gutes zu tun, so unnütz, dass sich alles ins Gegenteil kehrte? Reichlich verwirrt erwachte Rhuna aus ihrem Zwangsschlaf. Alles fühlte sich bleiern an und reagierte nur verzögert auf ihre Versuche, sich zu rühren. Sie nahm hier und dort Fetzen der Umgebung wahr, konnte sie aber nicht zuordnen. Was war nur geschehen? Was bei all den Göttern war nur passiert, dass sie diese schrecklichen Bilder im Kopf hatte? Waren es Hirngespinste, die Manthala ihr aus Schabernack geschickt hatte? Oder waren sie etwa Realität? Es dauerte, bis die Elfe sich soweit regen konnte, dass ihre Finger auf ihren Impuls reagierten und zuckten. Die Folge war, dass ihre Hand umschlossen und warmgehalten wurde. Sie konnte irgendwo undefiniert im ‚Raum‘ Gemurmel ausmachen, verstand aber nicht was gesprochen wurde. Je länger sie jedoch ihr Bewusstsein festhielt, damit sie endlich aufwachen konnte, desto mehr nahm sie auch wahr. Zuerst: Es war hell. Offenbar lag sie, das Gesicht zur Sonne, denn die Wärme war tatsächlich angenehm und prickelnd auf ihrer Haut. Hatte es sie je so angefühlt, wenn sie die Sonne begrüßt hatte? Dann nahm sie ein feines Sirren wahr, das auf Insekten schließen ließ. Friedlich fühlte es sich an. Sie roch die frische Luft und eine sanfte Brise fuhr ihr über die nackten Stellen, die ihr Kleid zuließen. Rhuna spürte, dass sie auf einem weichen Untergrund lag, der nach Erde und Moos roch. Ein Vogel zwitscherte.

Die Stimmen um sie herum wurden etwas klarer und langsam gelang es ihr, auch die Augen zu öffnen, sowie die Stimmen in der näheren Umgebung zu lokalisieren. Wasser plätscherte irgendwo in der Nähe. „Rhuna?“, ertönte abermals eine warme Stimme, begleitet von einem Streicheln ihrer Hand. Die Stimme war so… vertraut. Sie löste Gefühle in ihr aus, die sie noch nicht klar benennen wollte. „Gib ihr einen Moment, Yedan“, ertönte eine zweite, sehr viel liebreizendere Stimme. Das war Avalinn. Die Heilerin hatte es wohl geschafft, zu ihr zu gelangen. Rhuna aber bemühte sich noch, die Augen zu öffnen und nach und nach gelang es ihr. Auch wenn Kopfschmerzen nicht ausblieben. Die Shyáner erhielt endlich den Blick auf das Gesicht des Sariers, der neben ihr kniete und ihre Hand hielt. Besorgt ruhten die hellbraunen Augen auf ihr und warteten geduldig, bis sie sich besserfühlte. "…was…ist mit Kayon?“, wollte sie krächzend wissen und selbst das Sprechen fiel ihr sehr schwer.
Der Druck, um ihre Finger verstärkte sich plötzlich. Dann war Yedans Geruch so nahe, dass er ihre Nase kitzelte, ehe er leise raunte: „Du hast ihm das Leben gerettet, Rhuna. Ihm geht’s gut, er ist hier. Wir alle.“, berichtete er und nahm seine Nähe und seinen Geruch wieder mit sich als er sich aufrichtete. Ihre Hand ließ er jedoch nicht los. „Wie fühlst du dich denn?“, kam die besorgte Nachfrage von Yedan und erneut streichelte er ihre Hand. Die Informationen waren reichhaltig und vielleicht noch etwas überfordernd. Aber Rhuna konnte spüren, dass sie nichts zu befürchten hatte. Zumindest so lange, bis ihr wieder der albtraumhafte Schatten ins Gedächtnis schoss. Diese dunkle, klebrige Figur mit dem Grinsen, hell und Zähne zeigend. Reißend waren die spitzen Zähne und es war beinahe klar, dass sie mühelos Fleisch von Knochen oder gar die Seele vom Körper trennen konnte. „Yedan, gib ihr das.“, hörte sie erneut die Stimme der Heilerin.

Eine Bewegung erschütterte ihre Hand, dann verlor sich die Wärme seiner Finger. Einen Moment war alles ruhig, dann kam der Geruch wieder hervor. „Rhuna?“, erklang Yedan’s Stimme erneut, „trink das. Ich helfe dir, dann wird es dir gleich besser gehen.“, versicherte er ihr und schon spürte sie, während sich noch immer alles reichlich träge anfühlte, wie er behutsam einen Arm unter ihren Kopf schob und sie etwas aufsetzte. Dann spürte sie vorsichtig die Kante eines Bechers an ihren Lippen. Die Flüssigkeit darin roch zuckerig und leicht nach Zitrone. Sobald Rhuna davon trank, würde sie einen angenehmen, fruchtigen Geschmack ausmachen, der es ihr kaum erschwerte, auszutrinken. Danach blieb Yedan so sitzen und bettete ihren Kopf auf seinen Schoß. „Es dauert einen kleinen Moment, dann wirst du merken, dass es dir besser geht.“, versprach Avalinn abermals. Und tatsächlich ein sanftes Kribbeln breitete sich überall in ihrem Körper aus und belebte diesen erheblich. Sie war nun in der Lage sich mehr zu rühren, die Augen zu öffnen und klar zu sehen.
Als hätte man ihr einen Energieschub verabreicht, spürte Rhuna nur noch leichte Kopfschmerzen und eine unterschwellige Müdigkeit. Nach weiteren Augenblicken, konnte sie erkennen, dass sie nicht mehr im Dorf war. Um sie herum herrschte die friedliche Idylle eines im Sonnenlicht getauchten Sarius. Hinter ihr und einigen Schritten Entfernung, befand sich ein kleiner See, an dem sich Ajak und Kaja aufhielten und die Füße ins kühlende Nass hielten. Alles wirkte so friedlich. Dann aber trat jemand anderes in ihr Blickfeld: Kayon! Er stand da vor ihr und lächelte leicht. Seine Augen wirkten ergriffen. „Du hast ihn mir zurückgebracht, Rhuna. Und mir das Leben gerettet. Danke..“, nickte er ihr zu und stützte sich auf einen Stock. Avalinn gesellte sich lächelnd neben ihn. „Dein Eingreifen hat den Herzinfarkt aufgehalten. Ich hatte nur noch wenig zu tun.“, versicherte sie der Elfe, ehe ihr Blick aber besorgter wurde. „Willst du uns erzählen, was passiert ist?“, fragte sie vorsichtig. Yedan hatte seine Hände an ihren Schultern und drückte sie kurz. „„Avalinn hat dich gefunden. Die Hände an die Brust meines Vaters gepresst und kreidebleich. Als wäre jedes Leben aus dir gewichen. Um dich herum hätten rankenähnliche Pflanzen aus dem Boden gekrochen.. Und dann…“, sein Blick wanderte über ihr Gesicht. Er war besorgt. Dann fiel er auf ihren Arm, an dessen unterem Ende deutlich Fingerabdrücke waren. Sie hatten eine hässliche, rote Farbe angenommen und sobald sie sich dieser bewusstwurde, spürte sie ein schmerzhaftes Jucken. Es war unangenehm. „War da ein…“, sein Blick suchte fragend den von Avalinn, die dann übernahm: „Es war ein Schattenwesen… nicht vollständig, aber eindeutig mit menschlichen Zügen.“ Auch die eldorische Heilerin wirkte ein wenig beunruhigt, ob dessen, was sie hatte sehen müssen. Es war also kein Traum. Es war echt, und es verletzte sie, saugte ihr sogar die Energie ab, so wie sie sich fühlte…
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Freitag 20. Januar 2023, 21:57

Zu Beginn gelang es Rhuna noch nicht die Stimmen zu erkennen. Alles was sie wusste war, dass sie vertraut klangen, doch erst nach ein paar Sekunden Verzögerung schaffte ihr Verstand die Verknüpfung zu den passenden Personen herzustellen.
Ihr Blick schärfte sich zunehmend und als sie in das warme Braun von Yedans Augen blickte, befiel sie das Gefühl von großer Erleichterung. Er war hier – und das verband die Shyáner beinahe instinktiv mit einem Gefühl von Sicherheit. Wenn Yedan hier war, würde alles irgendwie in Ordnung werden…
„…Yedan.“, sprach Rhuna ihn erleichtert an, als wäre sein Name eine Art Zauberformel. Ihre Gesichtszüge entspannten sich und ein kleines Lächeln zog an ihren Mundwinkeln.
Die Erleichterung wuchs noch stärker an, als sie sich auch der Gegenwart von Avalinn bewusstwurde. Doch zeitgleich nagte sich die Erinnerung und die Sorge um den Bogenbauer in ihr Bewusstsein, so dass sie ihre Frage nach seinem Zustand noch einmal wiederholte.
„Geht es Kayon gut?“, fragte sie mit dem Versuch sich ein wenig aufzurichten, der jedoch misslang. Ihre Glieder fühlten sich nach wie vor schwer an und ihre Haut war kalt, so dass sie Yedans warme Hände nur umso präsenter spürte, als sich diese noch ein wenig stärker um ihre schlossen.
„Du hast ihm das Leben gerettet, Rhuna. Ihm geht’s gut, er ist hier. Wir alle.“, berichtete er und nahm mit diesen Worten den großen Stein von ihrem Herzen, der sich mit krallenartiger Angst in diesem festgegriffen hatte. War… wirklich alles gut gegangen? Der Drang sich dieser Erleichterung hinzugeben war groß. Nun konnte doch nichts Schlechtes mehr geschehen?!
So langsam wurde sie sich ihrer Umgebung immer bewusster. Sie erkannte die großen Bäume um sich herum, die jedoch nicht so eng und ineinander übergreifend gewachsen waren, wie im Waldmenschendorf. In dem sie sich nicht länger zu befinden schien, was sie in diesem Moment jedoch noch nicht begriff.
Ein blauer Himmel war zu sehen und die Sonne schickte mit ihren heilsamen Strahlen Licht und Wärme. Insekten musizierten in den saftigen Gräsern und etwas entfernt hörte sie das plätschernde Geräusch von Wasser, dessen Herkunft sich ihr jedoch noch nicht erschloss.
„Wie fühlst du dich denn?“, fragte Yedan sichtlich besorgt nach und streichelte weiter ihre Hand. In ihrem Unterbewusstsein meldete sich die Stimme ihres Vorhabens dem Sarier keine unnötigen und weiteren Sorgen zu machen. Zumindest nicht was ihre Person betraf, weshalb sie lächelnd seinen Blick suchte, um die Sorgen zu zerstreuen.
„Es geht schon. Mir ist… etwas kalt und mein Kopf tut weh…!“, gab sie vage an und schien auch nicht näher ins Detail gehen zu wollen. Es fiel ihr noch immer schwer sich anständig zu konzentrieren, alles zu begreifen und mehr als nur eine Sache gleichzeitig wahrzunehmen. Alles war noch etwas … verschwommen – als wäre ihr Kopf noch in Watte gepackt.
Als sie darüber nachdachte, was sie ihm eigentlich verheimlichen wollte, erschien in ihren Erinnerungen erneut die Fratze des albtraumartigen Schattenwesens. Die unvollständige, klebrige Gestalt hatte mit brennend kalten Händen nach ihr gegriffen – das unheimliche Grinsen hatte Zähne entblößt, die jeder Elfe Angst eingejagt hätten. Und hätte sich Rhuna ein wenig mehr auf sich konzentriert, wäre ihr der Schauder aufgefallen, der wegen der Erinnerung durch ihren Körper zog.
„Yedan, gib ihr das.“, hörte sie Avalinn sprechen, deren feines Antlitz in ihr Sichtfeld schob. Mit einem dankbaren Lächeln betrachtete sie die Heilerin, die Yedan einen Becher reichte. Rhuna glaubte, dass die Heilerin es gewesen war, die sie vor dem angsteinflößenden Wesen gerettet hatte. Sie wollte etwas zu ihr sagen, doch als würde ihre Reaktionszeit noch um einiges langsamer verstreichen, hatte die hübsche Elfe bereits wieder ihr Sichtfeld verlassen, so dass nun wieder Yedan ihre Aufmerksamkeit bekam. Sein angenehmer Geruch umschwirrte ihre Nase und schmeichelte ihren Sinnen. Wie könnte sich Rhuna da nicht immer besser fühlen?
„Rhuna, trink das. Ich helfe dir, dann wird es dir gleich besser gehen.“, sagte Yedan, während er ihr einen Arm unter den Kopf schob und sie etwas aufsetzte. Endlich erweiterte sich ihre Umgebung ein Stück weiter. Und dank ihrer Nähe zu Yedan hatte sie das Gefühl, dass nun endlich noch etwas mehr Wärme zu ihr durchdrang.
Der Rand des Bechers, den Avalinn dem Sarier gereicht hatte, berührte ihre Lippen, die sich leicht spalteten, um die darin enthaltene Flüssigkeit aufzunehmen. Sie war süß und fruchtig und schmeckte ein wenig nach Zitrone, was das Schlucken erheblich vereinfachte. Ganz anders als der Tee, der …
Der Rest der Erinnerung lag noch immer in einem dunklen Schatten, auf den ihr Verstand noch nicht wieder zugreifen wollte. Warum hatte sie noch mal diesen bitteren Tee getrunken?
Es wird mir… schon wieder einfallen., schloss sie und leerte den Becher, den Yedan daraufhin wieder wegstellte und ihren Kopf auf seinen Schoß bettete. In einem wacheren Zustand hätte sie diese Art von Nähe sicher ein wenig … in Verlegenheit gebracht.
Wie von Avalinn angekündigt dauerte es ein wenig, doch dann entfaltete der Trank seine Wirkung und mit einem sanften Kribbeln breitete sich das Gefühl von neuer Kraft in ihr aus, die sie endlich wieder aus diesem schwerfälligen Zustand holte. Es war doch stets wieder erstaunlich, was in Avalinns Fähigkeiten lag.
Rhuna richtete sich wieder etwas mehr auf, auch wenn sie – vielelicht ein klein wenig bewusst – darauf achtete nicht zu weit von Yedans Seite zu weichen. Seine Nähe war das, was sie gerade brauchte. Sie hätte ihn am liebsten umarmt und einen Moment länger als um sie herum vergessen, doch irgendetwas in ihr erlaubte ihr nicht sich in diesem Maße gehen zu lassen.
Ihr Violett wanderte nun wacher umher und nach einigen Augenblicken erkannte sie, dass sie sich wirklich nicht mehr im Dorf der Waldmenschen befand. Alles um die kleine Gruppe herum wirkte friedlich und beinahe sorglos und idyllisch. Und genau das war es, was Rhuna unheimlich verwirrte.
Sie entdeckte den kleinen See und zu ihrer Überraschung auch Kaja und Ajak, die ihre Füße im kühlen Nass erfrischten. Der Trank erlaubte ihr wieder schneller zu denken, doch gerade prallten alle Eindrücke auf einmal auf sie herein. War Kaja nicht jagen gewesen und Ajak bei Farun? Am Schluss war es Kayons Anblick, der ihrer Verwirrung über ihren Aufenthaltsort und die Anwesenheit der Geschwister, vorläufig unterbrach.
„Kayon!“, rief sie und ein unglaublich erleichterter Ausdruck schlich sich, wie auch ein paar Tränen, in ihre Augen. Dem alten Bogenbauer ging es gut! Er hatte wieder Farbe im Gesicht und sah von seinen Sorgen ein wenig losgelöst aus.
„Florencia sei Dank!“, murmelte sie leise und die Tränen schlichen sich nun aus ihren Augen. Sie wollte aufstehen und zu ihm eilen, doch irgendwie gelang ihr dies noch nicht so recht, so dass sie wieder zurück und gegen Yedans Arm wankte.
„Du hast ihn mir zurückgebracht, Rhuna. Und mir das Leben gerettet. Danke..“ Kayon bedankte sich bei ihr und als sie den Kopf schüttelte, weil er sich ihrer Meinung nach für nichts zu bedanken brauchte, schlich sich ein merkwürdiges Gefühl in ihr Bewusstsein.
„Ich… bin einfach froh, dass es dir gut geht!“, gab sie wieder, bevor sie sich dann doch wagte eine Frage zu stellen. „Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte sie Yedan und man konnte ihr ansehen, dass sie über etwas verwirrt war.
Wieso… sind wir eigentlich im Wald bei … Yedan?, fragte sie sich weiter verwundert, doch da Avalinn nun zu ihr kam, verfolgte sie nicht weiter die gedankliche Frage. Sie würde sicher Antworten bekommen,
„Dein Eingreifen hat den Herzinfarkt aufgehalten. Ich hatte nur noch wenig zu tun.“, erzählte ihr die Heilerin mit ihrem warmen Lächeln, das Rhuna jedoch nicht im selben Maße erwidern konnte. Ihre Verwirrung nahm nur noch mehr zu. Was… war noch mal alles passiert? Sie war bei Kaja und Ajak aufgewacht und war zu Kayon gegangen…
„Willst du uns erzählen, was passiert ist?“, fragte nun auch Avalinn und unterbrach kurz ihre Erinnerungssuche, die ihren Kopf wieder schmerzen ließ. Sie fasste sich an die Stirn und rieb sich über die Stelle, in der der Schmerz am prägnantesten pochte. Doch bevor die Elfe weiter versuchte ihr Erlebtes Revue passieren zu lassen und den Anwesenden davon zu erzählen, spürte sie einen sanften Druck auf ihren Schultern und Yedan ergriff das Wort. Vielleicht, um ihr zu Helfen und einen Anfang zu bieten.
„Avalinn hat dich gefunden. Die Hände an die Brust meines Vaters gepresst und kreidebleich. Als wäre jedes Leben aus dir gewichen. Um dich herum wären rankenähnliche Pflanzen aus dem Boden gekrochen.. Und dann…“ Rhunas Blick wurde ernster, als sie in Yedans sorgenvollen Ausdruck blickte. Sie folgte seinen Augen und sah nun selbst auf ihren Arm, auf dem sich ein deutlicher Abdruck erkennen konnte. Die Fingerabdrücke waren zu einem hässlichen Rot in ihre Haut gebrannt und die klebrig teerartige Masse, aus der ihr Angreifer bestanden hatte, war noch leicht an den Rändern sichtbar. Verschmiert, als hätte jemand versucht die Stelle zu reinigen.
Hastig versuchte Rhuna den Abdruck zu bedecken, sah zur Seite und wich eindeutig Yedans Blick aus. Ihre Lippen spannten sich ein wenig an, als sie die Zähne aufeinanderbiss.
Ich wollte doch nicht, dass er davon erfährt! Er sollte von alldem doch… gar nichts mitbekommen! Frustriert über den unerwünschten Verlauf versuchte sie das brennende Gefühl einfach zu ignorieren, das noch von den Abdrücken ausging.
„Das ist nicht so schlimm, wie es aussieht!“, gab sie leise von sich und sah nun zu Avalinn, in deren Blick sie nach Antworten suchte und ihr stumm die Frage stellte, wieso sie hier waren.
Ich war doch bei Kayon und wir… haben von dem Tee getrunken!!! Ich habe seine Erinnerungen an damals gesehen und danach…. Plötzlich kamen alle Erinnerungen zurück und Rhunas Herzschlag beschleunigte sich. Die Masse an Informationen, die mit den Erinnerungen zurückkamen, stachen in ihrem Kopf, so dass sie zusammenzuckte und sich erneut an den Kopf fasste.
„Es war ein Schattenwesen… nicht vollständig, aber eindeutig mit menschlichen Zügen.“, hörte die Brünette Avalinn erklären. Doch das Wesen … was es war interessierte Rhuna gerade nicht vorrangig. Sie sah wieder Yedan an und sah zeitgleich seine jüngere Version vor Augen, die so viel Leid hatte erfahren müssen. Ihre Hand schlich sich in seine und der Drang ihm einfach um den Hals zu fallen, wuchs beinahe ins Unerträgliche.
„Es tut mir leid…!“, verließen die Worte leise und etwas zittrig ihren Mund. Ihr war zum Heulen zumute, doch sie riss sich zusammen. Erinnerungen, wie auch Schuldgefühle prasselten auf die Elfe ein. Wegen ihr wäre Kayon beinahe gestorben und er… bedankte sich auch noch bei ihr, dass sie ihn gerettet und ihm Yedan zurückgebracht hatte. Nichts von alldem hatte sie getan. Sie hatte leichtsinnig Kayons Vorhaben unterstützt, weil sie Antworten hatte haben wollen. Doch unterm Strich hatte sie sein Leben dadurch in große Gefahr gebracht, denn anders als Avalinn hatte sie ihre Magie nicht unter Kontrolle. Und bisher hatte sie es noch nicht geschafft Yedan seinem Vater wieder zurückzubringen. Nicht im erweiterten Sinne zumindest.
Das Zirpen der Insekten und die warme Sonne wurden plötzlich unerträglich. Um sie herum herrschte eine sonderbare Idylle, die … einfach nicht passte. Nicht zu dem passen wollte, wie sie die Lage betrachtete.
Je mehr sie darüber nachdachte, je unwahrscheinlicher erschien es ihr, dass sie Kayon tatsächlich hatte heilen können. Sie war so verbissen auf der Suche nach ihrer Magie gewesen, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie sich um sie herum Ranken gebildet hatten und ein Schattenwesen aufgetaucht war, das nach ihr hatte greifen wollen.
„Es… tut mir leid!“, sagte Rhuna erneut und entzog ihm ihre Hand. Für sie ergab langsam nichts mehr einen Sinn. Das Schattenwesen war sogar in Kayons ‚Erinnerung‘ aufgetaucht und hatte sie bedroht. Wieso zog sie diese Kreatur nur so an?
„Ich habe deinen Vater in Gefahr gebracht. Und am Schluss musste Avalinn kommen, um ihn und auch mich zu retten…! Ich… habe nicht einmal mitbekommen, dass das Schattenwesen da war!“, beichtete sie und sank etwas mehr in sich zusammen.
„Was ist passiert nachdem ich das Bewusstsein verloren habe? Ich erinnere mich nur noch an ein gleißendes Licht. Das warst du Avalinn, habe ich recht?“, fragte sie und sah nun wieder zur Heilerin. Ihr Blick suchte eindeutig nach Antworten. „Deine Magie hat das Schattenwesen in die Flucht geschlagen, nicht wahr!? Was... ist dann passiert? Wieso sind wir hier ...?“ Ihr Blick huschte zu Kaja und Ajak. Waren die beiden ihr ebenfalls zur Hilfe gekommen? Es hätte durchaus sein können, dass Ajak, der in der Nähe bei Farun gewesen war, von Kayons Anfall gehört hatte.
Rhuna konnte es nicht so recht benennen und es war nicht so, dass es sie bewusst störte... aber, dass Ajak nach dem gestrigen Abend dort am See saß und seine Füße ins Wasser hielt, wo sie noch bewusstlos bei Yedan lag, kam ihr irgendwie merkwürdig vor. Der Trank half eben nur bis zu einem gewissen Maß und sie war vielleicht angegriffener, als sie es selbst registrierte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 25. Januar 2023, 20:20

Ihre Umgebung war mit einem einzigen Wort zu beschreiben: Friedlich. Nichts konnte an die bisherigen Schrecken ihrer Erlebnisse erinnern, denn Rhuna spürte in diesem Moment nur Geborgenheit und Wärme. Alle waren da: Yedan, Kayon, Avalinn und selbst Ajak und Kaja waren in ihrer Nähe. Es war gut gegangen, das konnte sie deutlich spüren. Die Umgebung barg so viel Freundlichkeit in sich, dass auch hier nichts darauf zu lauern schien, sich von hinten an sie anzuschleichen, um sie im nächsten Moment wieder zu erschrecken. Das, was sie gesehen hatte, hatte sehen müssen, war Vergangenheit, zumindest für den Moment. Die Sonnenstrahlen brachen hier und dort durch das sich sanft wiegende Blätterdach der hohen Bäume und kitzelte sie auf der Gesichtshaut. Rhuna wurde umfangen von ehrlicher Sorge und der Liebe ihrer neuen Bekanntschaften und Freunde. Allen voran war da Yedan, der nicht einen Moment von ihrer Seite wich. Immer behielt er die Verbindung zu ihr, berührte sie am Arm oder schenkte ihr einen warmen Blick. So nickte er auf ihre Antwort hin und lächelte kurz. Schon tauchte Avalinn auf und reichte eine wohltuende Flüssigkeit weiter, die Yedan hilfsbereit an Rhuna weitergab. Alles war… so schön! Die Nähe zum Sarier erfüllte Rhuna mit neuer Stärke und so schaffte sie es, sich nach und nach aus dem Gefühl von wattierten Gliedern und pochenden Kopfschmerzen emporzukämpfen. Die Flüssigkeit benetzte ihren Hals, sodass sich dieser nicht mehr so rau und trocken anfühlte. Auch das half ihren Sinnen und schuf eine wohlige Atmosphäre. Hier wollte man bleiben. Hier konnte einem nichts geschehen. Und so verdrängte Rhuna auch die Erinnerung an einen bitteren Geschmack, der noch bittere Gedanken ausgelöst hätte. Sie konnte nicht ergründen, woran sie erinnert wurde, während sie den Becher leerte. Da war nur ein Gefühl, dass sie etwas vergessen hätte, aber sobald sie danach greifen wollte, entrann es ihren Fingern. So ließ sie den Gedankenfaden ziehen und würde ihn vielleicht später noch mal aufgreifen.
Rhuna genoss nun erstmal die Nähe zu ihrem Sarier, der gar keine Anstalten machte, sich von ihr zu lösen. Je weiter sie das Bewusstsein wieder erleben konnte, desto klarer wurden auch ihre Gedanken zu der Situation. Es wunderte sie, dass die Geschwister so weit ab saßen und doch hier waren. Sie schienen sich zu unterhalten und spendeten sanftes Plätschern, während ihre Füße im klaren Wasser badeten. Alles wirkte so … entspannt. Ganz so, als gäbe es keine toten Bäume, keine falschen Schuldigen und zu Unrecht gesprochene Urteile. Und dann konnte sie erleben, dass ihre Bemühungen wahre Früchte trugen: Kayon tauchte vor ihr auf. Fidel und munter und er bedankte sich bei ihr. Es war ein eigenartiges Gefühl, welches Rhuna beschlich. Das alles war so… plötzlich und surreal, wenn man bedachte, wo sie noch vor ihrem neuen Zusammenbruch gestanden hatte. Fiel es ihr wieder ein? Es war immer noch schwer zu greifen. Irgendwie fühlte sich es an als wäre da eine Blockade, als könnte sie nicht hinter diese schauen und erkennen, was ihre Gefühle so… stutzig werden ließ. „Rhuna?“, lenkte Yedan sie ab und lächelte sie an. Er legte einen Arm um die Shyánerin und hielt sie, während sie zusammen auf dem Erdboden saßen. Kalt war es tatsächlich nicht, obwohl eine feine Brise wehte und mit ihren Haaren spielte. „Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte sie und der Sarier zuckte die Schultern. „Ich weiß gar nicht so genau. Eine ganze Weile tatsächlich.“, antwortete er ungenau und sah zu Avalinn. Diese lächelte Rhuna ebenfalls an. „Es ist schwer zu sagen, ein paar Stunden glaube ich?“, antwortete auch sie wenig präzise.

Ihre Gedanken wollten wieder eigene Fragen stellen, doch erneut endeten diese vor einer Barriere. Und erneut war es Yedan, der sie mit einem sanften Druck an ihren Schultern ablenkte und ihr ein wenig Hilfestellung gab, die richtigen Worte zu finden. Doch etwas anderes hielt sie davon ab, zu antworten, denn nun war die Katze aus dem Sack und Rhuna hatte ihre Verletzung deutlich offenbart. Sie versuchte sie zu verstecken, was Yedan dazu veranlasste ihre Hand zu ergreifen und diese sanft wegzuschieben, damit sie den Abdruck nicht verbarg. „Schon gut, Rhuna. Du kannst es mir sagen…“, beschwichtigte er sie und lächelte abermals. Plötzlich tauchte Ajak neben ihnen auf. Man hatte gar nicht gehört, wie er sich zu ihnen bewegt hatte. „Darf ich?“, bat er Yedan und dieser nickte ganz selbstverständlich. Sie tauschten die Plätze, sodass nun Ajak die Elfe stützte und Yedan auf sie hinabblickte. Er lächelte, dann wandte er sich um und ging zu Avalinn. Noch bevor Rhuna’s Gedanken aufwirbeln und sie einen Einwand erheben konnte, legten sich beide Arme von Ajak um ihre und spendeten ihr Wärme und Halt. Es war eine andere Art, auch wenn es nicht unangenehm wirkte. Irgendwie… vertraut. Aber auch seltsam, dass diese Situation so entstand. Ein Blick auf Yedan würde zeigen, dass er sie direkt ansah aber sie nicht deuten konnte, was er dachte. Es war als würde sie in eine Maske schauen, die keinen Hinweis auf die Gedanken erlaubte. „Rhuna…“, säuselte Ajak’s Stimme an ihrem Ohr und plötzlich spürte sie Küsse darauf. Sie waren sanft aber doch auch leicht unangebracht. Es war alles so… diffus, verwirrend. „Ich möchte, dass es dir besser geht. Was kann ich tun?“, flüsterte er und schickte langsam seine Hände auf Wanderschaft. Niemand von den anderen nahm Notiz von ihr und Ajak, denn auch Yedan hatte sich nun abgewandt. Ajak berührte Rhuna sanft an ihren Armen, ließ die Fingerspitzen Gänsehauterzeugend über sie wandern, ehe er ihren Nacken erreichte.
Dort strich er ihre Haare beiseite und küsste ihren Nacken, ehe seine Hände langsam über ihre Schlüsselbeine fuhren und in tiefere Gefilde wollten. Irgendwie war es ungehörig, aber gleichzeitig fühlte es sich auch normal an. Es war verrückt! Das alles war hier verrückt. Dann, plötzlich waren die sanften Geräusche vorbei. Keine Vögel, keine Insekten, kein Rauschen des Windes. Das Licht wurde dunkler, so als hätte es jemand gedimmt. Die sanfte Brise wurde kühler und mit einem Mal huschte ein Schatten in ihrem Augenwinkel vorbei. Mit einem Wimpernschlag war alles wieder vorbei und Rhuna fand sich in der selben Idylle wieder, wie sie sie vorher erlebt und empfunden hatte. Auch Ajak war noch da und hielt sie beschützend in seinen starken Armen. Dann stand Yedan wieder vor ihnen und schaute auf Rhuna hinab. Dieses Mal aber hatte er kein Hemd an und präsentierte ihr, wie bereits zuvor, wie gut gebaut er war. „Kommst du mit, schwimmen? Wir können nachher über deine Erlebnisse sprechen. Jetzt sollten wir uns allen eine Pause gönnen und uns etwas ausruhen, was meinst du?“, er lächelte entwaffnend und reichte ihr eine Hand. Ajak würde sie lassen, wenn sie wollte. „Ein wenig Frieden… ein wenig Erholung. Ein wenig Freude… nach all dem Ballast.“, schlug er vor und seine Augen funkelten. Dann beugte sich Ajak doch noch mal vor und raunte in ihr Ohr: „Er hat Recht… wir sollten uns eine Auszeit gönnen, bevor der nächste Stress losgeht. Komm mit…“, lockte auch seine warme Stimme.
Dann erhob er sich und lachte ausgelassen. „Wer als erster im See ist!“, rief er und entledigte sich im Rennen seiner Sachen. Komplett. Splitterfasernackt sprang der blonde Sarier ins kühlende Nass. Kaja lachte und auch sie zog sich aus, um mitzumachen. Avalinn lachte entzückt und nickte Rhuna zu. „Los!“, meinte auch sie tatsächlich, ehe auch die Elfe sich ihrer Kleider entledigte und makellos wie eh und je elegant in das kalte Wasser hüpfte. Nur Yedan stand noch vor Rhuna und schaute leuchtend auf sie hinab. Seine Wangen hatten einen leichten Rotschimmer angenommen. „Kommst du?“, bat er sie beinahe und beließ die Hand dort, damit sie sie ergreifen konnte.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 25. Januar 2023, 22:48

Es war eigentlich genau das, wonach sich Rhuna sehnte. Ein wenig Frieden… ein wenig Ruhe… und keine Herausforderungen, die ihren Geist belasteten. Die letzten Tage waren nervenaufreibend und kräftezehrend gewesen. Und sie hatte das Gefühl dauerhaft zu stolpern. Nicht alleine, weil sie an einem neuen Ort war, der seine eigene Geschichte, andere Sitten und ganz eigene Probleme besaß. Sie war neuen Leuten begegnet, deren Lebensweg sich mit dem ihren verband. Und das wiederum beeinflusste ihre Gefühle und brachte sie ebenfalls ins straucheln.
Die Elfe war ein einfaches Leben gewohnt, in dem keine größeren Katastrophen gelauert hatten. Die letzten Tage hatten sie so stark gefordert und teils überfordert, dass sich Rhuna in mancher Hinsicht ein kleines Stück Idylle zurückwünschte, doch nun…?
Im Blick ihrer Augen spiegelte sich Verunsicherung. Es fiel ihr schwer herauszufinden, was sie eigentlich störte, denn alles … ja alles schien in Ordnung zu sein. Mehr als das – jeder, der ihr etwas bedeutete war hier. Kayon lebte, Yedan hielt sie im Arm und selbst Avalinn versuchte ihr jegliche Sorge nehmen zu wollen. Sogar Kaja und Ajak waren hier und schienen sich keiner Bedrohung und Sorgen bewusst zu sein.
„Ein paar Stunden?“, wiederholte Rhuna fragend und spürte an ihrer Wange die Wärme von Yedans Hals, an dem ihr Gesicht sanft lehnte. Wenn sie ein paar Stunden bewusstlos gewesen war, hätte man sie durchaus hier her in den Wald bringen können. Doch… irgendwie wollte das alles nicht so recht in ihr Bild passen.
Was ist passiert, nachdem ich bewusstlos wurde? Diese Frage wollte niemand so recht beantworten. War Avalinn zusammen mit Ajak und Kaja gekommen? Hatten sie sie hier her zu Yedan gebracht? Und hatten sich Vater und Sohn bereits aussprechen können?
Selbst wenn Rhuna ein paar Stunden bewusstlos gewesen war, in dem viel hatte passieren können, erschien ihr die Stimmung doch… zu merkwürdig… zu friedlich und bereinigt.
Ihr Gedankengang wurde abgebrochen, als Yedan den Abdruck auf ihrer Haut entdeckte, den sie daraufhin gleich zu verstecken versuchte. Was er jedoch nicht zuließ.
„Schon gut, Rhuna. Du kannst es mir sagen…“, sagte der Brünette mit einem beruhigenden Lächeln. Ihre Augenbrauen zogen sich leicht zusammen, als sie sein gesicht betrachtete.
Nein, es ist nicht gut! Ich… wollte nicht, dass er hiervon erfährt. Er würde sich Sorgen machen und nicht wollen, dass ich weiter für ihn kämpfe…, dachte sie, als sich plötzlich ein Schatten über sie legte. Ajak war zu ihnen gekommen und sah auf sie und Yedan hinab. Ein merkwürdiges Gefühl ließ ihr Herz sich beschleunigen. War sie etwa nervös?
Erst am vergangenen Abend hatte sie ihn zuletzt gesehen. Ihr Gesicht in seinen Händen und seine Lippen… so nah…! Instinktiv kam ihr der Gedanke, dass Ajak nach seiner gestrigen Liebeserklärung vermutlich ein Problem damit haben würde, dass Yedan sie so eng bei sich im Arm hielt.
„Darf ich?“, hörte sie den blinden Elfen plötzlich fragend, woraufhin Yedan nickte und wie selbstverständlich seinen Platz mit Ajak tauschte, so dass sie nun in den Armen des blonden Jägers lehnte.
Was…? In Rhunas Blick schlich sich erneut eine große Verwirrung. Ihr Blick huschte von Ajak zu Yedan, der sie ihm ohne zu zögern überlassen hatte.
Und obwohl Rhuna nicht wusste, was Yedan für sie empfand, schien sie mit diesem Ablauf ganz und gar nicht gerechnet zu haben. Eine Mischung aus Unverständnis und Enttäuschung befiel sie, doch ihr fragender Blick schien den Halbelfen nicht mal im Ansatz zu erreichen. Er wandte sich ab, zu Avalinn und der Griff von Ajak wurde noch ein wenig stärker.
„Rhuna…“, säuselte Ajak’s Stimme an ihrem Ohr und verschaffte ihr dadurch ein kleines Déjà-vu- Erlebnis, das sie an die Ereignisse des vergangenen Abends erinnerte.
Hitze stieg der jungen Elfe ins Gesicht, doch gleichzeitig versteifte sie sich auch und legte ihre Hände auf Ajaks Arme, als würde sie die Umarmung schnell wieder lösen wollen.
Es war nicht so, dass ihr Ajaks Wärme und Nähe nicht irgendwo gefiel. Sie mochte den blonden Sarier, der mit seiner Art, einem kleine Sturm gleich, ihre Gefühle ebenfalls aufzuwirbeln vermochte. Doch als sie seine Küsse auf ihrem Ohr spürte, schlug ihr Herz nicht nur wegen der verfänglichen Situation schneller. Irgendwie hatte sie das Gefühl neben sich zu stehen und gar nicht schnell genug reagieren zu können.
„Ajak… nicht!“, gab sie leise von sich und drückte gegen seine Arme, während sie beinahe besorgt zu Yedan sah. Doch weder schienen ihre Hände genug Kraft aufbringen zu können, noch schien der Halbelf überhaupt Notiz von ihnen beiden zu nehmen.
„Ich möchte, dass es dir besser geht. Was kann ich tun?“, fragte Ajak im Flüsterton an ihrem Ohr und schickte seine Hände langsam auf Wanderschaft. Auf der Haut der Elfe bildete sich eine Gänsehaut und an jeder Stelle, die Ajak mit seinen Fingern berührte, hinterließ er ein warmes Kribbeln, das nicht unbedingt von Abneigung herrührte.
Rhunas Herzschlag erhöhte sich ein wenig und das Kribbeln breitete sich in ganz andere Gegenden aus, als sie spürte, wie der Elf ihre Haare beiseite strich und ihren Nacken küsste, während seine Finger über ihr Schlüsselbein strichen. Irgendetwas in ihr schien alarmiert – gar empört zu sein und dem ein Ende setzen zu wollen. Doch zeitgleich fühlte es sich auch … merkwürdig normal und … angenehm an.
Das ist verrückt! Was ist hier los?, dachte sie und doch lehnte sie ihren Kopf nach hinten gegen Ajaks Schulter und sie schloss die Augen. Die Elfe war dank des Tranks wach, doch etwas in ihr wollte sich dieser Situation einfach hingeben, als wäre sie noch immer unsagbar müde.
Ihre Augen öffneten sich noch einmal halb und es war vielleicht mehr ein Zufall, dass sie bemerkte, dass um die herum kurzzeitig nichts mehr zu hören war. Weder das Zirpen der Insekten, das Zwitschern der Vögel, noch das sanfte schwappende Geräusch des Wassers oder das Rauschen der Blätter im Geäst der Bäume.
Im Augenwinkel nahm sie eine dunkle Bewegung wahr, doch als sie ihren Kopf drehte, war doch nichts mehr zu sehen. Und als wollten ihre Sinne ihr einen Streich spielen, nahm sie nun auch all die Umgebungsgeräusche wieder wahr. Und glücklicherweise ließ sich ihr Argwohn nicht länger unterdrücken und rief ihren Verstand zur Wachsamkeit.
Ich… weiß nicht was los ist aber… hier stimmt irgendetwas nicht., dachte die Elfe und drückte nun mit deutlich mehr Willen gegen Ajaks Arm, der sie in der Umarmung gefangen hielt.
„Lass mich bitte los Ajak…!“, forderte sie zwar ruhig, aber in ihrer Stimmlage lag keine Entspanntheit. Sie suchte in stiller Hoffnung nach Hilfe Kaja, doch als wäre sie gerade vom Erdboden verschluckt worden, konnte sie die rothaarige Elfe nicht ausfindig machen. Dafür stand nun wieder Yedan vor ihr und sah auf sie und Ajak hinab.
Rhunas Blick hob sich und erneut zogen sich ihre Augenbrauen verwirrt zusammen, als sie entdeckte, dass der Halbelf plötzlich kein Hemd mehr anhatte. Der Anblick seiner nackten Brust war für die Brünette mittlerweile kein allzu neuartiger und besonderer Anblick mehr, doch gerade schien er die Situation noch merkwürdiger zu machen, als sie sowieso schon war.
„Kommst du mit, schwimmen? Wir können nachher über deine Erlebnisse sprechen. Jetzt sollten wir uns allen eine Pause gönnen und uns etwas ausruhen, was meinst du?“, fragte Yedan mit seinem entwaffnensten Lächeln und hielt ihr die Hand entgegen.
„Ein wenig Frieden… ein wenig Erholung. Ein wenig Freude… nach all dem Ballast.“, fügte er weiter hinzu und sprach damit ihre geheimen kleine Wünsche aus, die sie die letzten Stunden gehegt hatte. Unbewusst begann Rhuna bereits leicht mit dem Kopf zu schütteln. Und noch nie zuvor hatte sie einen solchen Widerwillen empfunden, nach der Hand des Halbelfen zu greifen.
„Yedan...! Was ist hier los…?“, fragte sie, weil sie den Sarier in diesem Moment nicht wiedererkannte. Sie sollte den Bericht über die neuesten Erkenntnisse verschieben, die vielleicht dabei halfen ihm sein Leben zurückzugeben, das man ihm vor Jahren brutal entrissen hatte?!
„Er hat Recht… wir sollten uns eine Auszeit gönnen, bevor der nächste Stress losgeht. Komm mit…“, waberte nun auch Ajaks Stimme zustimmend an ihr Bewusstsein, ehe er sie langsam … und endlich losließ.
Rhuna merkte erst in dem Moment, als sich der blonde Jäger erhob, wie eingeengt sie sich tatsächlich gefühlt hatte, obwohl sich die Umarmung auf schizophrene Weise auch unsagbar angenehm angefühlt hatte.
„Wer als erster im See ist!“ Ajak rannte los und Rhuna machte den Fehler ihm nachzusehen. Der Sarier entledigte sich all seiner Sachen und sprach nackt, wie Florencia und Phaun ihn geschaffen hatten, in das erfrischende Nass. Normal hätte die junge Elfe ihren Blick sicher sofort abgewandt und wäre peinlich berührt gewesen. Doch gerade sah sie ihm einfach nur ungläubig nach und störte sich nicht an der überraschend intimen Aussicht.
Ein ungutes Gefühl beschlich Rhuna, auch wenn es ihr noch immer schwerfiel herauszufinden, was sie gerade störte.
Kaja und selbst Avalinn schlossen sich plötzlich Ajak an. So dass sie am Schluss mit Yedan alleine am Ufer zurückblieb.
„Kommst du?“, fragte der Halbelf sie ein wenig verlegen und hielt ihr weiterhin die Hand entgegen, auf die Rhuna nun blickte. Die Sonne schien noch immer warm und hell auf sie herab. Nichts hatte sich an der ruhigen und idyllischen Umgebung geändert. Nichts sprach eigentlich dagegen, dass sie sich ein wenig Frohsinn gönnte und die Sorgen für einen Moment beiseiteschob. Doch das hier…
… das… kann nur ein irrer Traum sein! Rhunas Blick wurde ernst und sie tat etwas, was ihr bisher niemals ins den Sinn gekommen wäre. Yedans Hand wegschlagend rappelte sie sich auf und wich ein paar Schritte vor dem Mann zurück, dem sie normalerweise nicht nah genug sein konnte.
„Was soll das hier?“, fragte sie bitterernst und in ihrem Blick lag abgrundtiefes Misstrauen. Um sie herum war alles noch viel zu… perfekt und friedlich. So sehr, dass es sich immer falscher anfühlte, auch wenn sich Rhuna nichts von alldem erklären konnte, was gerade passierte. Seit sie wieder zu sich gekommen war wirkte alles falsch! Alleine dass sie alle zusammen hier bei Yedan waren wirkte falsch. Dass Ajak so unbeschwert mit ihm umging und niemand groß über das reden wollte, was ihr mit Kayon passiert war.
Ihr Blick huschte zu von den Badenden zu Yedan und keinen der Anwesenden schien sie als die Personen wiederzuerkennen, die sie kennengelernt hatte.
„Wer… bist du…?“, fragte sie plötzlich und durchaus zögernd, weil ihr der Gedanke noch immer schwer fiel zu glauben, dass das alles um sie herum nicht die Wirklichkeit war. Einerseits verhielten sich alle irgendwo wie sie selbst. Und doch wollte nichts zusammenpassen. War das hier wirklich ein Traum? Ein Alptraum? Konnte er sich so echt anfühlen?
Andererseits hat der Trank von Liabell sich auch so angefühlt, als wäre ich tatsächlich anwesend gewesen… Und in dieser Erinnerung hatte sie eine schattenähnliche Gestalt angegriffen!
Der Gedanke traf Rhuna wie ein Schlag. Konnte es sein, dass eben jede Gestalt hier seine Klauen im Spiel hatte? Sie wich noch ein paar Schritte weiter zurück.
„Du bist nicht Yedan!“, sprach sie bestimmt und in ihre Augen trat Abscheu. „Das hier ist nicht echt. Niemand von euch ist echt! Yedan würde so ein wichtiges Thema und seine Sorgen niemals so leicht beiseite schieben. Er hätte Ajak nicht einfach so … so nah an mich herangelassen. Die beiden stehen sich dafür zu argwöhnisch gegenüber! Und davon abgesehen hätte Kaja ihm ebenfalls längst eins übergebraten!“
Was auch immer hier vor sich ging... hier passierte zu viel, was einfach nicht passen wollte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Freitag 27. Januar 2023, 11:29

Es war schon beinahe gemein, wenn man sich nach Ruhe sehnte und sie dann nicht recht genießen konnte, obwohl sie einem schon so aufdringlich in die Nase biss. Die Idylle schien sich mehr und mehr zu einer erdrückenden Umklammerung zu wandeln und Rhuna’s Sinne sprangen auf die vielen kleinen Untertöne an. So viele Fragen blieben ungeklärt, teilweise die Antworten gar verschwiegen, sodass sich die Elfe nicht richtig entspannen konnte. Zudem gab es ein Gefühlschaos, das sich bisher weder aufdröseln noch klären ließ. Rhuna strauchelte von einem ins nächste, ohne die echte Chance aufs Durchatmen. Und als hätte man ihre Gedanken erkannt, tauschten Yedan und Ajak plötzlich wie selbstverständlich die Plätze. Widersprüchlichkeit fand sich überall und so auch in Rhuna selbst. Zum Einen war der Halt des blonden Sariers eine echte Wohltat und seine Berührungen waren nervenaufreibend, doch genießen konnte sie auch das nicht. Wieso legte Yedan kein Veto ein? Wieso gingen sich die beiden nicht an die Gurgel? Oder wollte sie das nur, damit sie bei dem Braunhaarigen eine gewünschte Reaktion erkennen konnte? War es vielleicht einfach ihrem Herzen so wichtig, weil sie Gefühle für Yedan hegte und sie erwidert wissen wollte? Zu erkennen, dass es ihm scheinbar nichts ausmachte, war nicht das, was sich Rhuna insgeheim erhoffte. Allerdings ließ man ihr auch jetzt keine Zeit, ausführlicher darüber nachzudenken, was in ihrem Innern eigentlich Wahrheit und was Wunsch wäre. Denn schon veränderte sich die Szenerie auf eine kurze aber nicht minder seltsame Weise, die ihre Zweifel noch mehr anheizten. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, einen Atemzug lang, dann wirkte alles wieder vollkommen normal. Nun, so normal es eben gewesen war. Allerdings reichte das, damit Rhuna sich nicht länger blenden ließ. Oder zumindest glaubte sie, es nicht mehr zu tun. Unwirsch schlug sie die dargebotene Hand des Sariers weg, sodass dieser verwundert die Stirn runzelte. Er wich sogar einen Schritt zurück, während sie sich aufrappelte. „Was soll das hier?“ Einige Sekunden verstrichen und Verständnislosigkeit machte sich auf seinem Gesicht breit. „Rh..Rhuna?“, fragte er perplex und musterte ihren ersten Ausdruck. „Wer… bist du…?“, wollte sie anklagend wissen und der Sarier hob beide Augenbrauen. „Rhuna, ich bin’s Yed-“ „Du bist nicht Yedan! Das hier ist nicht echt. Niemand von euch ist echt! Yedan würde so ein wichtiges Thema und seine Sorgen niemals so leicht beiseiteschieben. Er hätte Ajak nicht einfach so … so nah an mich herangelassen. Die beiden stehen sich dafür zu argwöhnisch gegenüber! Und davon abgesehen hätte Kaja ihm ebenfalls längst eins übergebraten!“, grätschte sie dazwischen und sprach endlich ihre Gedanken aus. Die Anschuldigungen ließen den Sarier weiter ratlos zurück.

Er sah sogar etwas hilflos aus und blickte zum See, in dem die anderen ausgelassen badeten und nichts mitbekamen. „Rhuna, beruhige dich bitte. Du… du bist in Sicherheit! Glaub‘ mir doch, ich… ich BIN Yedan. Wer sollte ich denn sonst sein? Du… du kennst mich doch und…“, er sah wieder die Elfe an und schüttelte langsam den Kopf. „Warum sollte ich Ajak abhalten? Du kannst zusammen sein mit wem du willst. Ich… ich habe keinen Anspruch auf dich, oder? Und Kaja? Kaja hängt ihr Fähnchen so, wie sie es möchte. Verlässlichkeit ist kein Attribut, das auf sie passt!“, verteidigte er sich und seine Absichten. Es war schlicht und ergreifend verwirrend. Das was er sagte machte sogar Sinn, denn eigentlich wollte Rhuna schließlich bloß, dass Yedan sich für sie interessierte und Ajak klarmachte, dass er der Mann an ihrer Seite war. Allerdings war der Sarier bisher auch immer recht vorsichtig mit ihr gewesen. Er war niemand, so wie Ajak, der sich einfach offen zu seinen Empfindungen bekennt. Es wurde nicht besser und Rhuna erreichte nur noch mehr Verwirrung. Lachen erfüllte diese angespannte Situation, während die anderen Gefährten sich im See eine Wasserschlacht lieferten und Kayon vom Rand aus lachend zusah. Skurril blieb es weiterhin, denn Rhuna konnte sich noch immer nicht sicher sein, ob sie sich nur irrte oder hier tatsächlich etwas nicht stimmte. Plötzlich aber seufzte Yedan aus als hätte er einen großen Stein von seinen Schultern nehmen können. Er trat auf Rhuna zu und näherte sich ihr vorsichtig. Sein Blick blieb warm und mitfühlend. „Hör mir zu… ich weiß, dass dich das alles verängstigt…“, er griff vorsichtig nach ihrem Arm, der die Abdrücke aufwies und strich mit sanften Fingern darüber. Sein Blick legte sich darauf. „Deshalb wollten wir dir etwas Gutes tun… etwas… anderes. Ich mache mir Sorgen um dich und ich will nicht, das…“, er hob den Blick in ihre Augen und trat noch dichter. Die Wärme war gleich. Der Geruch war gleich. Yedan wirkte gleich. „…Verlass mich nicht, Rhuna. Ich würde es nicht ertragen können, wenn du meinetwegen zu Schaden kommen würdest.“, er griff nach ihrem Kinn und hob es behutsam an. „Lass uns herausfinden, was da… ist…. Zwischen uns…“, raunte er und neigte sich ihr zögernd entgegen. Sie brauchte nur ein wenig den Kopf zu recken, um ihm entgegenzukommen. Fragend war sein Blick und Rhuna wusste instinktiv, dass er um Erlaubnis bat, sie zu küssen. Konnte es schöner sein? Die Nähe zu ihrem Sarier war echt, das spürte sie, denn er strahlte wie eh und je die Wärme aus. Auch lag der feine, ihm eigene Geruch in ihrer Nase, ganz so wie im Wald auf der Jagd, nachdem sie sich hatte hinreißen lassen, ihn zu küssen. Wieder schien die Welt den Atem anzuhalten, doch dieses Mal war es nur dem intimen Moment zwischen ihr und Yedan geschuldet. Er war so… nah. Seine Berührungen so zärtlich und Schauer auslösend. Konnte es denn wirklich nicht echt sein? Was wenn sie sich irrte? Was wenn sie einen Fehler beging? Nun stand Yedan vor ihr und fragte nonverbal um ihre Erlaubnis, sie zu küssen… Was wenn er einfach nur Zeit gebraucht hatte? Wenn die Sorge um Rhuna in ihm etwas gelöst hatte? So viele Fragen... aber nur eine war wichtig in diesem Moment: Wollte sie Yedan küssen?
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Samstag 28. Januar 2023, 22:18

Es war absolut kein schönes Gefühl zu glauben, dass nichts und niemand um sie herum echt war, obwohl es sich nicht natürlicher hätte anfühlen können. Sie spürte den Wind auf ihrer Haut und nahm sogar Yedans vertraute Wärme und seinen Geruch wahr. Nicht wirklich viel deutete darauf hin, dass hier etwas nicht stimmte. Man bot ihr endlich einen kleinen und idyllischen Moment der Ruhe – doch eben das war es, was Rhunas Argwohn im erhöhten Maße hervorrief.
Hilflosigkeit befiel sie, als das Gefühl der Sicherheit gänzlich mit dieser Vermutung zusammenbrach und selbst Yedans Anblick nichts als Misstrauen in ihr hervorrief. Der Sarier wiederum wirkte aufgrund ihrer ablehnenden Reaktion völlig verwirrt.
„Rhuna, beruhige dich bitte. Du… du bist in Sicherheit! Glaub‘ mir doch, ich… ich BIN Yedan. Wer sollte ich denn sonst sein? Du… du kennst mich doch und…“, versuchte er sie zu beruhigen, doch Rhunas Blick wurde nur noch ungnädiger.
Natürlich war sie verwirrt. Natürlich war sie nicht 100%ig davon überzeugt, dass ihre Zweifel berechtigt waren, doch ihr Gefühl schrie geradezu danach, dass hier etwas nicht stimmte. Alle… verhielten sich normal. Und gleichzeitig so anders und unerwartet, dass sie glaubte sie nicht wiederzuerkennen.
Schweigend wich Rhuna noch einen Schritt zurück. Sie ließ Yedan nicht aus den Augen aber gerade seine Reaktion nagte an ihren Zweifeln. Er schien … ehrlich verwirrt und bemüht ihr alle Sorgen zu nehmen. Und dennoch...
„Warum sollte ich Ajak abhalten? Du kannst zusammen sein mit wem du willst. Ich… ich habe keinen Anspruch auf dich, oder? Und Kaja? Kaja hängt ihr Fähnchen so, wie sie es möchte. Verlässlichkeit ist kein Attribut, das auf sie passt!“ Yedans Worte ergaben Sinn und doch wollten sie nicht passen. Er kannte Ajak und Kaja kaum. Und er wusste nicht, wie Rhuna zu den Geschwistern stand. Dass der blonde Elf ihr seine ‚Liebe‘ erklärt hatte war nach ihrem letzten Treffen passiert. Wieso also sollte er glauben, dass Ajak und sie nach so kurzer Zeit … bereits so vertraut miteinander waren, dass die Küsse gerechtfertigt waren?
Sie versuchte in seinen Worten ihren Yedan wiederzuerkennen, doch sie konnte es nicht. Als würde sie ihre Gedanken spiegeln begann sie leicht mit dem Kopf zu schütteln. Es war egal, ob er für Rhuna romantische Gefühle hegte oder nicht. Yedan hätte seinen Platz nicht einfach wortlos für Ajak geräumt. Der Halbelf war feinfühlig und aufmerksam. Und sie standen sich zumindest so nah, dass er anhand ihres Blickes gesehen hätte, dass ihr diese Art Nähe zu Ajak und die Küsse nicht wirklich angenehm gewesen waren.
Es war, als wäre sie in einem Alptraum gefangen, der der Elfe ihre Unentschlossenheit und Unsicherheit mit ihren Gefühlen vorhielt. Ajak hatte eine gewisse Wirkung auf sie. Das war Rhuna irgendwo bewusst. Sie mochte ihn und wahrscheinlich wäre er auch mit der Zeit fähig dazu, ihr Herz für sich zu gewinnen. Doch obwohl er es schaffte sie in Verlegenheit zu bringen, gab es jemanden in Rhunas Leben, der ihren Blick stetig auf sich zu ziehen vermochte. Und dieser jemand war Yedan. Jedes neue und noch so kleine Detail, welches sie über ihn erfuhr, schien diese Gefühle nur noch zu festigen.
Rhunas Blick lag auf dem Yedan, der vor ihr stand und der seine Gedanken nach einer Lösung wälzte, die die Elfe von seinen guten Absichten überzeugen würde. Seine Frage traf natürlich einen kleinen Nerv in ihr, weil sie sich wirklich wünschte, ein Zeichen an ihm zu entdecken, das darauf hinwies, dass auch er in ihr mehr sah, als eine einfache Freundin. Doch darum ging es hier gar nicht. Sie war noch immer überzeugt davon, dass ‚der echte Yedan‘ anders reagiert hätte, als dieser hier.
„Ajak und Yedan stehen sich nicht wegen mir argwöhnisch gegenüber!“, korrigierte sie seine Annahme – auch wenn sie sich in Ajaks Fall nicht ganz sicher sein konnte, dass seine Gefühle nicht ein klein wenig mit hineinmischten.
„Und Kaja mag in gewisser Weise sprunghaft sein, aber sie hätte ihre Meinung nach gestern Abend niemals so stark verändert.“, beharrte Rhuna weiter. Sie konnte sich einfach nicht irren! Oder…?
Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen und nur das muntere Geschrei und Lachen der anderen erfüllte die Luft mit Klängen. Die Stimmung war angespannt. Doch plötzlich seufzte Yedan und kam der Elfe entgegen.
„Hör mir zu… ich weiß, dass dich das alles verängstigt…“, erklärte er und der Blick seiner braunen Augen wirkte so vertraut, dass ihr der Gedanke, dass er wirklich nicht Yedan war, beinahe weh tat. Konnte man… seine Gestalt so realistisch kopieren, dass selbst sein Geruch derselbe war?
Ihr Herz stolperte beim Schlagen, als er seine warmen Finger auf ihrem Arm spürte, die vorsichtig und sanft über den Abdruck strichen. Konnte man diese Wärme… wirklich fälschen?
„Deshalb wollten wir dir etwas Gutes tun… etwas… anderes. Ich mache mir Sorgen um dich und ich will nicht, das…“ Für einen Moment unterbrach er sich und Rhunas Blick lag unsicher auf seiner Hand, die ihn festhielt. Er tat ihr nicht weh, oder hielt sie fest, als wolle er sie zu etwas zwingen. Und seine Worte gaben… ihr wieder einen kleinen Grund dem anders erwarteten Ablauf Vertrauen zu schenken.
Nein…! Nein ich kann mich nicht irren. Oder drehe ich gerade völlig durch? Wie finde ich heraus, was echt ist? Ob das hier echt ist? Ihr Gefühl zerriss sie innerlich. Wie konnte man gleichzeitig überzeugt sein und zweifeln?
Ihr aufgewühlter Blick traf auf sein Braun.
„…Verlass mich nicht, Rhuna. Ich würde es nicht ertragen können, wenn du meinetwegen zu Schaden kommen würdest.“ Diese Worte waren … typisch für den Sarier. Zumindest der letzte Teil davon. Yedan stellte sich immer hintenan. Und sie hatte nicht umsonst die Gefahren vor ihm verschweigen wollen!
Ihr Puls raste, ebenso wie ihre Gedanken. Täuschte sie sich doch? Oder drohte sie auf die Tricks der Schattengestalt hereinzufallen?
Rhuna sah sich unsicher um und wirkte orientierungslos. Noch immer wirkte um sie herum alles zu… ruhig, zu perfekt und zu harmonisch. Ihre Welt war gerade nicht so – es passte einfach nicht!
Warme Finger griffen plötzlich nach ihrem Kinn und zwangen sie sanft zum Aufblicken. Sie bekam beinahe einen kleinen Schreck, als sie bemerkte, wie nah Yedan ihr war und… wie nah er ihr kam, indem er seinen Kopf zögerlich ihrem entgegen neigte.
Ihr Herz konnte die Wahrheit nicht verbergen und machte wieder einen Satz.
„Lass uns herausfinden, was da… ist…. Zwischen uns…“, raunte er, während er ihr immer näherkam. Gleichzeitig suchte sein Blick in ihrem nach der Erlaubnis die letzte Barriere fallen zu lassen.
Ihr Blick lag auf seinem Mund und sie traute sich kaum richtig zu atmen. Sein Atem streichelte über ihre Lippen und ein warmes Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Eine süße Nervosität ergriff von ihr besitz, denn plötzlich schien ihr größter Wunsch bezüglich Yedan in Erfüllung zu gehen. Ihn zu küssen war… wirklich ihr Wunsch. Doch würde alles plötzlich so einfach sein?
„Yedan...“, sprach sie leise seinen Namen aus und legte ihre freie Hand auf seine nackte Brust. Dann drückte sie ihn jedoch von sich und ihr Blick gewann erneut an Distanz. Sie entzog ihm rigoros ihren Arm und ging erneut ein paar Schritte zurück. Sie spürte, wie sich Übelkeit in ihr aufbaute. Alles wirkte real und doch konnte sie dem Frieden nicht vertrauen. Vor ihr stand Yedan, doch etwas in ihr erkannte ihn nicht.
„Ich gehe zurück ins Dorf!“, sagte sie entschlossen und mit leicht verengtem Blick. „Ich beweise, dass Yedan kein Mörder ist! Dass Alyisa den dunklen Künsten verfiel und dem Dorf dabei schadete… und es vielleicht noch immer tut.“ Ohne Yedans Angebot zu erwähnen, wendete sich die brünette Elfe von ihm ab und ging.
Was war hier nur los? Sie wollte einfach nur aufwachen, aus dieser Einbildung, diesem Traum, oder was auch immer es war – wo sie hier war! Ihre Schritte wurden immer schneller, während sich das Gefühl aufbaute, als würde sie sich gleich übergeben müssen. So nah all dies an ihre Wünsche heranreichte – es war eher wie ein Alptraum.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Sonntag 29. Januar 2023, 15:31

Rhuna konnte einfach nicht anders. Es war wie eine falsche Farbe in einem ansonsten intaktem Gemälde. Es war nicht weiter schlimm, aber es störte die Gesamtästhetik des gemalten Bildes. Ein Fleck, auf den man immerzu starren wollte oder musste. Die Idylle war zu perfekt. Sie schmeckte zu süß, um echt sein zu können. Die Elfe traute nichts und niemandem mehr. Zu viel hatte ihr reines Herz nun schon korrumpiert, um jetzt noch leichtes Spiel mit ihr zu haben. Da nutzten keine bekannten Gesichter, keine Idylle und beruhigendes Flügelschlagen kleiner Insekten. Es nützten keine Küsse von falschen Lippen, um sie in Sicherheit zu wiegen. Die Farbe auf diesem Gemälde störte und sie tat es nachhaltig. Nicht mal das Lieblingsmotiv konnte darüber hinwegtäuschen, dass etwas an diesem Ort nicht stimmen konnte. Yedan… er stand direkt vor ihr und doch erkannte sie ihn nicht. Sie musste nur einen halben Schritt machen und fände sich in der Erfüllung ihrer Träume wieder. Aber sie konnte nicht. Ihre innere Stimme gebot ihr Einhalt, mahnte sie und ließ sie rückwärts, statt vorwärts gehen. Yedan sah ihr nach und seine Brauen zogen sich leidvoll zusammen. Verschmähte sie ihren Sarier gerade? Beging sie einen erheblichen Fehler? So wie er aussah, tat sie das. Yedan scheute sich nicht, seine empfangene Zurückweisung offen in sein Gesicht zu legen. „Rhuna..“, murmelte er und kam ihr dennoch nicht nach. „Bleib hier, ich bitte dich. Verlass mich nicht..“, wiederholte er seine Worte, die sie schon einmal stutzig hatten werden lassen. „Ich brauche dich doch!“, säuselte er wie ein geschlagener Hund und schüttelte den Kopf. Er litt, das konnte sie sehen. Es war zum Herzerweichen, dass ausgerechnet Yedan nun die Auswirkungen ihrer empfundenen Distanz zu spüren bekam. Der Sarier verbarg sein Gesicht in seiner Hand, die eben noch ihren Arm und dann ihr Kinn berührt hatte. „Ich gehe zurück ins Dorf! Ich beweise, dass Yedan kein Mörder ist! Dass Alyisa den dunklen Künsten verfiel und dem Dorf dabei schadete… und es vielleicht noch immer tut.“ „Das kannst du nicht!“, zischte er auf einmal hinter seiner Hand hervor und Rhuna spürte augenblicklich eine Kälte, die vorher definitiv nicht dagewesen war. Das Lachen am Rande ihrer Aufmerksamkeit erstarb. Die Sonne verschwand und die Umgebung verdunkelte sich. Yedan stand noch immer vor ihr, veränderte seine Haltung aber nicht. „Du kannst nicht zurück.“, knurrte er mit einem Mal und seine Stimme bekam einen veränderten Klang. Dann wischten die Finger seiner Hand über sein Gesicht und Rhuna erkannte eine weitere Veränderung: Da war ein seltsamer Glanz in den sonst so warmen Augen. Auch seine Mundpartie ließ sie ein neuerliches Lächeln erkennen. Es wirkte hämisch oder… böse. Ja, es war böse. „Du hast bereits genug angerichtet. Sieh dir doch deinen Arm an! Willst du sterben, du dummes Ding?“, fauchte eine kalte Stimme über sie hinweg und kam dennoch aus Yedan’s Mund. „Du bringst alles durcheinander, aber ich weiß mich zu wehren!“, zischte seine Stimme und verlor mehr und mehr den melodischen Klang des Sariers. Es klang nun mehr wie ein blechernes Gemisch aus Männlich und Weiblich, nichts recht greifbares aber Rhuna’s Erinnerung wurde durchaus dadurch angeregt.

Ein Blick zum See würde zeigen, dass niemand mehr da war. Alle anderen waren einfach so im Nichts verschwunden, nur noch Yedan stand vor ihr. Dieser aber machte zwei schnelle Schritte vor und packte die zierliche Shyáner an beiden Schultern. Energisch und mit festem Griff klammerten sich die Pranken um ihre Gelenke. Sein Gesicht kam ihrem erneut erheblich nahe, doch dieses Mal fehlte die liebevolle Möglichkeit einer Verbindung dabei. „Ich lasse dich nicht gehen, Rhuna aus Shyána Nelle!“, zischte ihr diese seltsame Stimme entgegen und nach und nach veränderte sich auch Yedan’s Äußeres. Die Haut des Sariers bekam schwarze Striemen, die sich überall entlangzogen. Ob Hals, Gesicht, Arme oder Brust. Rhuna konnte überall erkennen, dass er sich veränderte. Seine Augen verloren das Hellbraun, welches sie stets warm zu mustern wussten. Jetzt trat ein Schwarz darin hervor und schien sie mit Kälte und Dunkelheit regelrecht verbrennen zu wollen. Ihr Abdruck am Unterarm begann gemein zu brennen und zu zwicken als reagierte er auf das, was sich da vor ihren Augen entwickelte. Seine Kraft blieb aber unbenommen und mit eben jener stieß er sie von sich, sodass sie zumindest taumelte, wenn nicht sogar fiel. So oder so streckte der falsche Yedan seinen Rücken durch, überragte sie auf mehreren Ebenen und lächelte mit einem breiten Grinsen, dessen Existenz sie bereits bei dem Versuch, Kayon zu helfen entdeckt hatte auf sie herab. Dann fiel auch das letzte Bisschen Hülle von ihm ab, sodass Yedan gänzlich verschwand und vor ihr die klebrige, schwarze Figur stand. Dieses Mal jedoch war sie vollständig.
Sie besaß schmale Arme, lange Beine, einen tatsächlich wohlgeformten Körper und sogar Andeutungen von Brüsten! Dazu ein gänzlich schwarz-klebriges Gesicht, das dieses haraxische Lächeln zierte. Die Augen waren schwarze, glühende Kohlen, während sie jedoch keine weiteren Gesichtszüge erkennen konnte. Das Ding schwebte einen halben Zentimeter über dem Boden und es tropfte unablässig schwarze Masse von seinem Körper. Als würde der Leib darauf warten, endlich wiedergeboren zu werden, bis es sich aus dem teerigen Kokon schälen und mit all dem Unheil, das es verströmte, auf die Welt kommen würde.

„Rhuna…“, krächzte die altbekannte Stimme, die ihr diverse Male Angstschauer über den Körper gejagt hatte. Die Umgebung veränderte sich ebenfalls. Nichts war mehr idyllisch oder schön. Keine Wärme, keine Insekten, kein Wald… Jedenfalls keiner, den man als schön und beruhigend erachten könnte. Stattdessen befanden sich um Rhuna herum die schwarzen, knöchernen Ranken, triefende Bäume, tote Bäume, dem im Waldmenschendorf nicht unähnlich. Der Boden bestand aus demselben, klebrigen Material, wie das Wesen. Der Himmel war rot und grelle Blitze zuckten über ihren Köpfen hinweg. Es breitete die Arme aus und grinste. Es grinste immer. „Willkommen in meiner Welt, Rhuna. Mach es dir bequem, denn dieses Mal… gehörst du mir.“, zischte es und lachte dann mit so viel Häme, dass sein Körper mehr und mehr tropfte, als würde es tatsächlich vor Wonne triefen. Rhuna aber spürte, dass sich die Spielregeln gänzlich geändert hatten. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht in einer Erinnerung gefangen war. Dass sie aber auch nicht mehr im Wald Sarius war. Wie war das möglich? Wo war sie dann? Oder war sie doch nur zu spät und das Wesen hatte bereits das Dorf der Waldmenschen unterjocht? Sobald sie daran dachte, änderte sich hinter dem Wesen erneut die Szenerie. Sie erkannte den großen Baum des Dorfes, doch er trug ebenso tote Äste zur Schau, wie der tote Baum im Dorf. Die Hütten brachen immer mal wieder weg, wenn die Last die toten Äste zerstörten.
Sie sah Menschen wie Elfen in Ketten, unterjocht und in Reih und Glied. Mit hängenden Köpfen standen sie Spalier für jemanden, auf den sie warteten. Für wen, konnte Rhuna nicht erkennen. Sie entdeckte aber durchaus bekannte Gesichter: Ajak, Kaja… Kayon. Dann fielen mit einem Mal Körper von einem der Zweige und hingen an Stricken befestigt hinunter. Sie zappelten kurz, ehe sie sich tot hin und herdrehte. Eines der Gesichter kam Rhuna gleich bekannt vor: Avalinn. Sie war tot. Nichts erinnerte noch an die helle Strahlkraft der Elfe. Und dann, dann trat Yedan auf den Plan und war… nicht in Ketten. Und Farun trat an seine Seite, während Lorna aber ebenfalls in Ketten stand. Die Männer aber standen zwischen den Spalier-stehenden Sklaven ihres Volkes, die Hände auf dem unteren Rücken gekreuzt und abwartend in die Richtung des toten Baumes blickend. Sie erwarteten jemanden…
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 29. Januar 2023, 19:14

Der verletzte Ausdruck, den Rhuna auf Yedans Zügen sah, stach ihr ins Herz. Es wirkte so echt, als würde ihn ihre Zurückweisung tatsächlich tief treffen. Doch obwohl sein Antlitz etwas in ihr regte, verhärtete sich ihr Ausdruck immer weiter. Die Shyáner-Elfe war schnell ins Zweifeln zu bringen. Doch Zweifel brachten nichts und hielten nur auf. Es waren die Entscheidungen, die eine Änderung hervorrufen konnten. Und dieses Mal war sie entschlossen sich nicht davor zu scheuen eine zu treffen. Ihr Gefühl sagte ihr bereits, dass sie die richtige Antwort gefunden hatte, wo ihr Verstand noch versuchte die vermeidlichen Täuschungsversuche als Einbildung zu erkennen.
Würde sich Yedan wirklich so verhalten? Rhuna schüttelte leicht mit dem Kopf und wich weiter zurück. Nein – so wie er sich gerade zeigte war er ihr fremder als je zuvor. Und damit besiegelte sie ihren Entschluss.
„Ich gehe zurück ins Dorf! Ich beweise, dass Yedan kein Mörder ist! Dass Alyisa den dunklen Künsten verfiel und dem Dorf dabei schadete… und es vielleicht noch immer tut.“, sagte sie und wandte sich ab.
„Das kannst du nicht!“, zischte Yedan zwischen seiner Hand hervor und mit einem Mal, als hätte sich ein Schalter umgelegt, veränderte sich die idyllische Umgebung um sie herum. Die Laute erstarben und der Himmel verdunkelte sich. Und bald schon, waren weder der See, noch die darin badenden Kameraden mehr zu sehen.
Mit beschleunigtem Puls blieb Rhuna stehen und wandte sich zu Yedan um, dessen Stimme einen bedrohlichen Ton angenommen hatte. Seine Stimme veränderte sich, wie auch der Ausdruck in seinem Gesicht. So sehr, dass sie erkannte, dass ihr Instinkt sie nicht getäuscht hatte. Nichts um sie herum… war echt! Und der Yedan vor ihr war nicht ihr Yedan.
„Du kannst nicht zurück!“, erklang die Stimme drohend, die sich immer stärker veränderte. Den Sarier vermochte sie darin nicht länger zu erkennen. Dafür aber … die körperlose Stimme. „Du hast bereits genug angerichtet. Sieh dir doch deinen Arm an! Willst du sterben, du dummes Ding? Du bringst alles durcheinander, aber ich weiß mich zu wehren!“
Rhuna stolperte zurück, als sie sah, wie sich die schälende Gestalt, in der man bald nichts mehr vom Sarier entdecken konnte, auf die zubewegte. Angst kroch in ihr hervor, denn nur, weil sie die Situation durchschaut hatte, wusste sie nicht, wie sie dieser nun entkommen konnte. Rhuna wusste ja noch nicht einmal, wo sie hier war. Träumte sie? Lag sie vielleicht immer noch in Kayons Haus und wurde in ihrem bewusstlosen Zustand von dem Schattenwesen heimgesucht? Spielte sich das alles hier vielleicht nur in ihrem Kopf ab?
„Bleib mir vom Leib!“, fuhr sie das Wesen mit keinem großen Erfolg an. Denn ihre Schultern wurden mit festem Griff gepackt und zwangen sie an Ort und Stelle zu bleiben. Was sollte sie nur tun? Wie konnte sie diesem Etwas entkommen? Wo waren nur die anderen? Ihre echten Freunde?
„Ich lasse dich nicht gehen, Rhuna aus Shyána Nelle!“ In Yedans braune Augen kroch ein kaltes Schwarz, das der Elfe für eine Sekunde die Luft raubte. Auf negative Art und Weise. Ihr Körper sendete an ihren Kopf ein Schmerzsignal, doch bevor sie sich noch an den Versuch machen konnte, sich dem festen Griff zu entwinden, wurde Rhuna plötzlich geschubst und kam unsanft und mit leichter Unwucht auf den Boden auf.
Was… was soll ich nur tun? Hilflosigkeit breitete sich in ihr aus, als sie ihre Arme am Boden abstützte, um sich aufzurappeln. Ihr Kopf wandte sich zu dem falschen Yedan um, dessen Tarnhülle immer weiter in sich zusammenschmolz, bis vor ihr die klebrige und teerartige Gestalt aufragte. Anders als letztes Mal, vervollständigte sich jedoch der Körper und nahm sogar weibliche Züge an.
Als sich Rhuna aufrichtete bemerkte sie erst, dass ihr Körper zitterte. Angst schien immer mehr von ihr Besitz zu ergreifen, dicht gefolgt von einer quälenden Rat- und Hilflosigkeit.
Mir… fällt nichts ein, was ich tun kann...! Anders als die letzten Male, als sie diesem Alptraum begegnet war, war die Elfe in diesem Moment völlig alleine. Orientierungslos wusste sie nicht einmal wo sie oder ihr Körper sich gerade befanden. Um sie herum wuchs eine Umgebung aus toten Sarinnenbäumen, von deren Geäst teils eine schwarze und zähflüssige Masse herabtropfte. Aus dem Boden, der kaum mehr einen grünen und nicht verdorrten Grashalm beherbergte, brachten die knöchernen Ranken hervor, die sich wie ein kreisförmiges Gitter aufbauten und keinen Ausweg zuzulassen schienen. Gleichzeitig waberte dieselbe klebrige Masse, aus dem auch das Wesen zu bestehen schien, aus den Löchern der Ranken hervor – überzog Grund wie auch Rhunas Füße.
„Willkommen in meiner Welt, Rhuna. Mach es dir bequem, denn dieses Mal… gehörst du mir.“, schallte die blecherne Stimme des Wesens zu ihr und hallte unangenehm in den Ohren der Gefangenen.
Die Elfe versuchte weiter zurückzuweichen. Ihr Blick huschte umher und suchte nach einem Ausweg, während ihr Verstand versuchte herauszufinden, was hier vor sich ging.
Wo bin ich nur? Ist das hier noch der Sarius? Wo waren nur die anderen? Ging es ihnen gut?
Mit der Sorge um ihre Freunde veränderte sich plötzlich erneut die Umgebung hinter dem Wesen und nahm immer mehr Züge vom Waldmenschendorf an. Vor ihr baute sich der tote Baum auf, der ihr nicht zum ersten Mal einen unangenehmen Schauder bescherte. Hütten erschienen und brachen gleich darauf knarrend zusammen, weil die toten Äste die Last nicht länger zu tragen vermochten. Erschrocken machte sie einen Satz zur Seite. Egal wo sie hinsah, alles veränderte sich und mit jedem neuen Eindruck wuchs die Überforderung. Was sollte sie auch tun? Sie war noch immer so hilflos wie eh und je.
Bleib… bleib ruhig! Ich darf jetzt nicht die Nerven verlieren! Das hier ist nicht echt! Es ist nicht… Rhunas Gedanke kam ins stolpern, als sie sich umwandte und plötzlich die Gestalten ihrer Freunde ausfindig machen konnte. Zusammen mit anderen Menschen und Elfen standen sie aufgereiht und angekettet da, als würden sie zu einer Hinrichtung geführt werden. Und als würden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden, fielen Körper von den Ästen, die mit einem widerlichen und knarzenden Ton abrupt in der Luft aufgehalten wurden. Leblos wankten die gehängten Körper herum, die sich in den geweiteten Augen der Elfe spiegelten.
Die Übelkeit wuchs ins unerträgliche und doch hatte Rhuna das Gefühl sich nicht erbrechen zu können. Ihr blieb die Luft weg – ob nun, weil die Luft dünn wurde, oder sie den Atem anhielt, konnte sie nicht sagen.
„Hör auf...!“, schlichen sich leise Worte über ihre Lippen. Doch dass sie Gehör fanden war kaum zu hoffen. Gesicht für Gesicht wanderte sie die Reihen der Gehängten mit ihrem Blick ab. Bis sie erstarrte und einen erstickten und schmerzerfüllten Laut ausstieß.
„N-nein!!!“ Rhunas Knie gaben nach. Avalinns toter Körper schaukelte, vom Wind in Bewegung geraten, am Baum hin und her. Und das einzige Strahlen, das ihre Haut noch zeigte, bildeten die Blitze, die über den Himmel jagten.
Für einen Augenblick verlor sich Rhuna und die Zeit schien anzuhalten. Ihr Herz fühlte sich an, als würde ein Dolch in diesen gejagt werden. Das alles konnte nicht wahr sein! Avalinn war nicht … man konnte sie nicht…!
Der Schmerz wuchs qualvoll an. Doch zeitgleich begann sich ein zweites Gefühl in ihr aufzubauen.
Ihre Finger krallten sich in die dunkle Masse, die zusammengedrückt zwischen ihren Fingergliedern hervorquollen. Ihr Blick hob sich, doch der Funke, der in ihnen kurzzeitig aufgeglommen war, erlosch gleich wieder, als sie plötzlich Yedan und Farun sah, die zwischen den Versklavten in die Reihe traten. Unangekettet und…
Jeder schien auf etwas oder jemanden zu warten. Und momentan wirkte es so, als wäre Yedan nicht gegen seinen Willen hier. Selbst das Wesen hielt still und als sie in das widerlich grinsende Gesicht sah, das sie gerade auch kaum zu beachten schien, schallten ihr erneut die vorhin ausgesprochenen Worte durch den Kopf: „Willkommen in meiner Welt, Rhuna. Mach es dir bequem, denn dieses Mal… gehörst du mir.“
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht gefror langsam. Ihr Atem schlupfte zittrig über ihre Lippen und langsam erhob sie sich.
Es hat es selbst gesagt. Ich bin in seiner Welt! Und in dieser Welt würde es sie immer weiter quälen. So lange, bis sie seinem Vorhaben nicht länger im Weg stehen würde.
Mit einem Mal war das Gefühl der Schwere verschwunden das ihre Beine an den Boden gefesselt zu haben schien. In ihr baute sich eine noch nie gekannte Wut auf. All das hier… alles was sie zu sehen bekam… schürte diese, wie Öl eine Flamme.
Und ohne es selbst groß zu registrieren oder gar zu überdenken, ging Rhuna auf das Schattenwesen zu.
„Du hast Angst vor mir!“, sagte sie mit einer Überzeugung, die ihrem vorhin noch verängstigten Zustand in keiner Weise mehr entsprach. „Wieso sonst solltest du dir solch eine Mühe geben mich zu täuschen?“ Rhuna blieb vor dem Wesen stehen, ihre Hände ballten sich zusammen. War dieses Wesen nur ein Produkt aus dunkler Magie? War es das, was von Alyisa noch übrig war? Sie konnte sich nicht sicher sein, aber sie war davon überzeugt, dass Yedans ehemalige Liebe noch immer ihre Finger im Spiel hatte. Weshalb sonst sollte sie den Halbelfen sonst noch immer ... quälen und ihn benutzen.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 31. Januar 2023, 13:23

Es war auch zu schön, um wirklich wahr zu sein. Natürlich hatten ihre Instinkte sie nicht getäuscht und das ganze, fehlerhafte Konstrukt fiel in sich zusammen. Rhuna musste erkennen, dass sie leider nicht in einer geborgenen Umgebung war. Dass es kein Entrinnen, keine Verschnaufpause gab. Nichts von all dem war echt und auch wenn es sie zeitweise sogar mehr erschreckt hatte, wie sehr idyllisch es doch gewesen war, war die Enttäuschung gewiss nicht unerheblich. Immerhin sehnte sich jeder, egal ob aus Shyána Nelle oder anderswo her, nach Frieden und Sicherheit. Diese konnte Rhuna derzeit aber nicht erwarten. Sie war in ein Netz aus Lügen, Trugbildern und Gefahr geraten. Wenn sie noch vor wenigen Tagen geglaubt hatte, dass ein Tiger oder Unwetter ihre größten Sorgen gewesen waren, so wurde sie nun eines Besseren belehrt. Die Welt um sie herum verlor an Zuversicht, an Freundlichkeit und wich stattdessen einem Albtraum, der kaum erdacht werden könnte. Die Umgebung wurde so feindlich, wie ihr geliebter Sarier, der sich in eine schwarze Kreatur verwandelte. Alles um sie herum wurde von dieser Finsternis überzogen und tropfte hier und dort von knorrigen, toten Ästen. Die Verzweiflung, die Rhuna erfahren musste, war kaum aushaltbar. Denn wie um alles in der Welt, sollte sie diesem Albtraum entkommen? Einen Ausweg konnte sie nicht erkennen, sie wusste ja nicht mal, wo sie sich genau befand. War sie nun körperlich woanders? Spielte sich das ganze in ihrem Kopf ab? Die Kehle schnürte sich ihr zu und das fühlte sich verdammt real an! Und dann tauchten die vernichtenden Bilder auf, die ihre Freunde zeigten, die sich einem Schicksal fügen mussten. Rhuna wurde klar, dass es hier nicht länger nur um Yedan ging. Nein, es betraf das gesamte Dorf. Schon mal hegte sie diesen Gedanken und tat gut daran. Es mochte direkt mit Yedan und seinem Schicksal zusammenhängen, doch offenbar griff dieses Schicksal nun auch auf das ihrer Freunde zurück und… und auf ihr eigenes. Rhuna war längst keine Außenstehende mehr. Nein, dieses Wesen hatte ganz persönliches Interesse an ihr. Und während sie den toten Körper der Lichtmagierin betrachtete, wurde sie mit einem mal ganz ruhig. Ihr kamen die Worte der Abscheulichkeit in den Sinn und mit einem Mal wurde ihr etwas klar: Die Bestie hatte Angst vor IHR! Ihr Rhuna, die unbescholtene Elfe aus Shyána Nelle. Die, die sich von Regen und Matsch noch hatte kleinkriegen lassen wollen. Und die in kürzester Zeit erkannte, dass sie so viel stärker war, als sie geahnt hatte. Die ihre Stärke mehr und mehr befreite, nachdem die Ketten ihrer Kindheit sich Glied um Glied lösten. Nein. Mit ihr nicht!

So wählte Rhuna nicht den Pfad der Angst und des Entsetzens, sondern den der… Konfrontation: „Du hast Angst vor mir!“, hörte sie sich sagen und es fühlte sich närrisch an, jetzt und hier aufzubegehren. Doch was blieb ihr noch? Sollte sie sich etwa geschlagen geben und vor allem… aufgeben? Nein… „Wieso sonst solltest du dir solch eine Mühe geben mich zu täuschen?“ „Dich zu… täuschen?“, wiederholte das Wesen mit schneidender Stimme und der Mund verbreiterte sich noch mehr. Es lachte plötzlich. Lachte kalt und ohne eine Spur von Humor. „Wieso denkst du, dass ich dich täuschen will?“, mit einem Blinzeln war es bei Rhuna und das Gesicht so dicht vor ihrem, wie es eben noch Yedan’s gewesen war. „Du hast dich eingemischt, du kleine Elfe. Das ist deine Schuld und…“, es deutete auf die Gefangenen, „sie leiden nur wegen dir. Ich täusche dich nicht. Ich zeige dir die Zukunft.“, es richtete sich wieder auf und überragte Rhuna um einen halben Kopf. Es blickte auf sie herab und grinste weiterhin. Dann nickte es mit dem Kopf in Richtung von Yedan und Farun. „Sie sie dir an, kleine Rhuna. Sie warten. Und sie warteten schon immer.“, meinte es und ging einige Schritte, bei denen es noch mehr triefendes Schwarz verlor. „Sie warten auf sie, all die Zeit.“, bemerkte es kryptisch und doch wusste Rhuna gewiss, über wen es sprach. Die beiden Männer verband nicht nur das Schicksal, sondern auch die eine Person, weswegen sie überhaupt alle in diese Situation geraten waren. Alyisa. Und dieses Wesen? Es wanderte weiter, den Blick auf die Gesichter der Gefangenen gerichtet. Er ging vor ihnen auf und ab und neigte sich mal vor oder strich über die Köpfe, als wären es seine Kinder. Es war wirklich ein seltsames Bild. Dann wandte es sich ruckartig wieder zu der Elfe um. Es bewegte sich irgendwie anders, sodass es kurzerhand wieder hinter ihr stand und die klauenartigen Hände auf ihre Schultern legte. Es Gefühl von Trostlosigkeit und Kummer erfasste Rhuna dabei.
Sein breiter Mund neigte sich ihrem Ohr entgegen, doch wo Ajak noch wohlige Schauer versprochen hatte, gab es jetzt nur Häme und Kälte. „Du störst den Plan, Rhuna. Du bist ein lästiges Insekt, das keine Einladung erhalten hat von meiner Herrin.“, offenbarte es neue Informationen und schien dies nicht bedacht zu haben. „Du solltest nicht hier sein und jetzt musst du zusehen, wie es vollendet wird. Du wirst hierbleiben und ich werde danach dafür sorgen, dass du jeden Tod deiner Freunde auskosten darfst.“, es ließ sie los und kicherte markerschütternd. „Ohh… vielleicht erlaubt mir meine Herrin ja, dass ich dich behalten darf?“, es klatschte in seine Klauenhände und spritzte etwas von der Masse umher. „Es wäre nur gerecht, ein Spielzeug zu erhalten.“, sinnierte es offenbar laut nach, ohne Rhuna direkt anzusprechen. Es wirkte ein wenig wahnsinnig… „Die Herrin kann mit mir zufrieden sein und ich will etwas haben für meine Leistung.“, nuschelte es noch, ehe es sich plötzlich wieder zu Rhuna umdrehte. „Du! Ja du wirst für mich das Tor sein. Ich will es so!“, keifte es lautstark und breitete mit einem Mal die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und der Himmel blitzte unter dem Gebrüll des Wesens energisch auf: „Hörst du Herrin?! Ich will das Elfenmädchen haben! Sie wird mir dienen und ich will mit ihrem Leib auf der Welt wandeln!“, rief es und senkte langsam, unheilvoll den grinsenden Kopf. Dann zuckte es vor und griff ihren Arm genau dort, wo sie die Abdrücke hatte. „Ich habe sie schließlich schon markiert!“, grollte es böse und das Grinsen offenbarte einmal mehr eine spitze Zahnreihe.
Geifer tropfte aus seinem Mund, als wäre Rhuna appetitanregend. Dann ließ das Monster sie los und schlenderte regelrecht durch sein finsteres Reich, während eine neue Riege Körper von dem großen Baum baumelte. Die Gefangenen dezimierten sich und wurden einer nach dem anderen gehängt. Yedan und Farun standen unverändert da und hatten die Blicke auf den toten Baum gerichtet. Und ganz plötzlich regte sich etwas anderes an Rhuna’s Sichtfeldrand. Es war nur winzig klein, aber so… anders, dass es Aufmerksamkeit erregen musste: Ein kleiner Funkenfreund schwirrte mit einem Mal durch ihr Sichtfeld, ohne von der Bestie bemerkt zu werden. Bildete sie sich das ein oder winkte dieser kleine Funkenfreund, den sie zusammen mit Yedan im Kapayu entdeckt hatte, ihr zu? Yedan hatte mal erwähnt, dass es zahlreiche dieser kleinen Freunde gab und sie ähnlich der Glühwürmchen waren, aber doch eine ganz eigene Art. War das ein Zeichen? Sollte sie ihm folgen? Konnte sie das? Was war mit der Bestie?
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