Der Zauber, der uns innewohnt

Dieses Dorf beweist, dass unterschiedliche Rassen auch friedlich miteinander leben und auskommen können. Menschen und Elfen haben sich zusammengetan und dieses Dorf geschaffen. Im Einklang und friedlicher Harmonie hilft man sich gegenseitig.
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Rhuna Bláidyaét
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 2. Oktober 2022, 11:35

In dem Raum, wo vor ein paar Stunden noch ein Kampf um Leben und Tod stattgefunden hatte, herrschte nun eine angespannte Stimmung. Rhunas Worte schienen besonders die Gefühlswelten der beiden Männer aufgewühlt zu haben.
Farun schien seine Gefühle nicht länger hinter einer neutralen Miene verbergen zu können. Angestaute Wut brach immer wieder hervor, deren Kern eine entsetzliche Trauer zu sein schien. Die Vermutung lag nahe, dass der Magier der Person, die damals zu Tode gekommen war, nahegestanden hatte.
Ihr Blick verankerte sich allerdings eindringlich und bittend in dem von Yedan. Noch immer hielt er eisern an seinem Schweigen fest. Lediglich sein Blick schien zu sprechen. Und das, was die Elfe aus diesem las konnte sie nicht wortlos akzeptieren. Ein kalter Schauder lief ihr durch den Körper. Sie konnte sich nicht getäuscht haben. Hier ergab so vieles keinen Sinn!
Bitte Yedan! Nun mach endlich deinen Mund auf und erzähl, was damals passiert ist!, bat ihr Blick flehentlich, doch leider war es nicht der Halbelf, der das Wort ergriff, sondern Farun:
„Deine Worte sind gut gewählt, Rhuna aber du irrst dich! Er hat getan, was man ihm vorwarf. Und er hat es gestanden. Nur mit dem Unterschied, dass er seine Tat zu rechtfertigen versuchte als ihm klar wurde, welche Strafe ihm blühte!“ Die Worte lösten einen Widerwillen in Rhuna aus. Es war nicht die Sichtweise ihres Gastgebers, die sie gerade erneut hören wollte. Seine Position war eindeutig und klar, doch die des Mannes, für den sie sich so einsetzte, lag noch immer in undurchsichtiger Dunkelheit.
„Was hat er denn gesagt, um sich zu rechtfertigen?!“, forderte Rhuna zu wissen und ihre Worte kamen beinahe zeitgleich über ihre Lippen, wie das Schuldeingeständnis von Yedan über seine.
„Er hat Recht, Rhuna. Sie haben alle Recht. Ich habe getötet und ich habe die Verbannung dafür verdient.“ Die Elfe geriet ins Stocken und ihr Herzschlag erhöhte sich auf unangenehme Weise. Den Atem anhaltend kehrte ihr Blick wieder auf ihren Begleiter zurück, der sie kaum mehr ansehen wollte.
Das… ergibt doch keinen Sinn. Wieso…? Manthala treibt ihren Schabernack mit mir…! Sie suchte in Yedans Gesicht nach Antworten. Doch sie erhielt von ihm wieder keine. Hier kratzte jeder nur an der Oberfläche und niemand erzählte die ganze Geschichte.
„Yedan…!“, sprach sie ihn an und versuchte seinen Blick einzufangen. Noch immer rührte sie sich nicht von ihrem Platz weg, aus Sorge, dass er sofort hinausstürmen würde, wenn sie auch nur eine Lücke Platz ließ. Auch Lorna schien das Schuldeingeständnis von Yedan zu schaffen zu machen. Die Frau, die bis dahin auf ihrer Seite zu sein schien, kam ins Wanken.
„Es war meine Tochter. Meine Tochter, die er tötete!“, verkündete Farun voller Wut und Schmerz weiter und verpasste damit wohl allen Anwesenden einen mentalen Schlag. Mit einem Mal erklärte sich die Wut des Magiers und Rhuna lehnte sich noch mehr an die Türe, weil sie das Gefühl hatte, dass man ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Sich auf die Unterlippe beißend senkte die Brünette für einen Moment den Blick. Mitleid über den Verlust, den Farun eindeutig erlitten hatte, breitete sich in ihr aus. Und Schmerz über das Wissen, dass Yedan darin verwickelt war. Beging sie hier einen Fehler? Hatte sie sich wirklich so sehr in Yedan getäuscht? Kaum merklich, in einer inneren Debatte schüttelte sie ihren Kopf.
„Farun ic-“, erklang die Stimme des Halbelfen in einem Versuch etwas zu sagen oder vielleicht zu erklären, doch der Magier schnitt ihm erneut das Wort ab. Wütend spieh er ihm Worte ins Gesicht und unterband jeglichen Informationsfluss, den Rhuna so dringend für sich brauchte.
„Erzähl mir deine Lügen nicht noch einmal, Yedan! Du bist in meinem Haus, bei meiner Familie, die durch dich ein immenses Stück geschrumpft ist. Du wurdest mit dem Leben belohnt, dafür, dass du mir meine Tochter genommen hast! Ich habe dich aufgenommen, weil die Götter es wollten. Aber ich schulde dir rein gar nichts!“
Weit zurückliegende Erinnerungen brachen sich einen Weg in Rhunas Bewusstsein. Sie war selbst noch ein kleines Mädchen gewesen, das von Celest, ganz im Sinne der damaligen Mode, in Rosenblüten-geformte Kleidchen gehüllt worden war. Bruchstückhaft erschienen Bilder vor ihrem inneren Auge: Die große Wiese, auf der sie als Kinder oft gespielt hatten – ein Elfenmann, der eine in Tränen aufgelöste junge Elfenfrau anschrie – herbeieilende andere Erwachsene – Fílías, der sie feste im Arm hielt und immer wieder versuchte ihren Blick von einem am Boden liegenden Jungen abzuschirmen, um den sich die Erwachsenen scharten und der von einer anderen weinenden Elfenfrau geschüttelt und gerufen wurde.
Die Türe in ihrem Rücken gab Rhuna den Halt, den sie gerade brauchte. Trotz des Schuldeingeständnisses war sie noch nicht bereit Yedan aufzugeben. Nicht solange sie nicht aus seinem Mund jegliche Einzelheiten zu diesen schrecklichen Tag gehört hatte.
„Ye-!“, begann sie, doch da wurde der Elfe ihre Stütze mit einem Mal entrissen und sie fiel nach hinten, als die Türe geöffnet wurde. Der Klang der Schritte war ihr vollends entgangen, so sehr war sie in ihrer Gedankenwelt gewesen.
Es dauerte kaum eine Sekunde, das sie glaubte gleich eine schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Boden zu machen und der Erkenntnis, dass sie jemand auffing. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie über sich in Ajaks überraschtes Gesicht.
„Hoppla, was lehnst du auch gegen die Tür?!“, erklang seine unbeschwerte Stimme und mit einem charmanten Lächeln, das sich in seinen Mundwinkeln ganz leicht zu einem Grinsen verformte, half er ihr sich aufzurichten. Der Schreck saß noch in ihren Knochen und ihren Füßen noch nicht wieder Vertrauen schenkend, hielt sich Rhuna einen Moment länger an Ajak fest, nachdem sie wieder stand.
Unter anderen Umständen hätte sie sich eigentlich gefreut den sarischen Jäger zu sehen. Doch gerade platzte er in eine Situation hinein, die drohte zu eskalieren. Und das schien Ajak auch schnell zu bemerken.
„…alle mal nach … unten gehen – was ist denn hier los?“, fragte der Elf aus dem Konzept gerissen und sah einem nach dem anderen fragend an.
Erneut brach Stille ein. Und aus Sorge, dass Farun seine Position noch weiter stärken konnte, indem er das Wort ergriff brach Rhuna das Schweigen. Sie richtete sich wieder auf und sammelte ihre Fassung.
„Farun... ich will euch nicht weiter beleidigen, indem ich fordere, dass ihr Yedans Erklärungen noch einmal anhören müsst. Doch bitte … gestattet mir ein paar Minuten mit ihm, dass ich mir anhören kann, was er sagt. Ich will aus seinem Mund hören, was genau passiert ist! Denn alles was ich erfahre ist, dass eure Tochter von ihm umgebracht wurde, doch nicht wie es dazu gekommen ist. Bitte gewährt mir diesen Wunsch. Danach werden wir Euer Haus sofort verlassen…!“
Sie wartete still auf die Entscheidung ihrer Gastgeber. Es war nicht so, dass sie die Wut auf Yedan nicht verstand, den Farun spüren musste. Doch sie konnte und wollte ihn noch nicht aufgeben.

Sollten sie beide alleine gelassen worden sein, schloss Rhuna die Türe hinter sich und sah auf den Mann, den sie noch immer versuchte zu beschützen. Für einen Moment schienen beide mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Doch die Shyáner schien schneller zu wissen was sie gerade wollte.
„Du warst nicht dort!“, zitierte Rhuna mit undurchsichtiger Stimme die vorhin gesprochenen Worte von Yedan. „Du bist ebenso blind wie stur, Farun!“, fügte sie weiter hinzu. Ihr Blick lag auf seinem Gesicht und sprach von ihrer Willensstärke ihn nicht gehen zu lassen, bevor er nicht alles erzählt hatte.
„Sieh mich an…!“, forderte sie und ihre Finger verkrallten sich in den Stoff ihres Kleides. „Ich bin nicht Farun. Und ich bin nicht einer der Dorfbewohner, die dich schuldig im Sinne der Anklage sehen. Ich bin… deine Freundin Yedan. Und ich höre dir zu! Gib mir doch bitte die Chance mein eigenes Urteil zu fällen. Was ist damals passiert? Und speise mich nicht länger mit oberflächlichen Äußerungen ab, wie dass du Faruns Tochter umgebracht hast. Ich weiß, dass sie tot ist. Aber ich weiß nicht wie es dazu kam. Was passiert ist! Was du damals, als man dich angeklagt hat, versucht hast zu erklären.“, sagte Rhuna versucht beherrscht, denn auch für sie war das alles aufwühlend. Die erhoffte Ruhephase kehrte nicht ein und natürlich gab es die Möglichkeit Yedan ziehen zu lassen und hier zu bleiben, so dass sie sich nur außerhalb des Dorfes trafen, doch was wäre sie für eine Freundin, wenn sie diesen einfachen Weg gehen würde, solange nicht alle Fakten geklärt waren?

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Montag 3. Oktober 2022, 16:43

Es war einfach nur frustrierend. Ein jeder in diesem Raum, schien mehr zu wissen als die Shyáner und trotzdem klärte sie niemand auf. Wie sollte sie, Rhuna, denn eine Bewertung vornehmen, wenn sie nicht alle Fakten kannte? Und wie war sie überhaupt in diese Lage geraten, sich nun gut überlegen zu müssen, wem sie was glaubte? Die Offenbarung Farun’s wog Tonnen. Seine Tochter, aus dem Leben gerissen von ihrem Yedan. Und der Halbelf? Er leugnete nicht mal! Wie sollte sie das bloß alles verstehen? Rhuna wurde klar, dass sie die Antworten so nicht bekommen würde. Sie musste mit Yedan allein reden und wenn sie wirklich eine Zukunft in diesem Dorf haben wollten, dann musste dieser Konflikt, sofern möglich, vorab gelöst werden. Ansonsten würde Farun gewiss alles dafür tun, dass Yedan hier nicht bleiben könnte. Und das würde wiederum bedeuten… dass sie auch nicht blieb. Wieder hinaus in die Welt, deren Schrecken sie doch gerade erst entkommen war. Nein. So nicht. Doch ehe sie zur Tat schreiten konnte, wurde sie in ihre Vergangenheit geführt und überhörte die mahnenden Schritte gänzlich. Sich einer schrecklichen Erinnerung gegenübersehend, wurde sie plötzlich von den Füßen gerissen und schon binnen kürzester Zeit gehalten. Ein Lächeln begegnete ihr und wärmte ein wenig ihre Seele. Ajak hielt sie, solange sie es benötigte, bis ihm klar wurde, dass er gänzlich unpassend kam. Noch ehe Farun endgültig die Tür zuschlagen konnte, startete Rhuna einen letzten Versuch „Farun... ich will euch nicht weiter beleidigen, indem ich fordere, dass ihr Yedans Erklärungen noch einmal anhören müsst. Doch bitte … gestattet mir ein paar Minuten mit ihm, dass ich mir anhören kann, was er sagt. Ich will aus seinem Mund hören, was genau passiert ist! Denn alles was ich erfahre ist, dass eure Tochter von ihm umgebracht wurde, doch nicht wie es dazu gekommen ist. Bitte gewährt mir diesen Wunsch. Danach werden wir Euer Haus sofort verlassen…!“, sprach sie offen aus und es war Ajak, der plötzlich sprach: „Warte, warte, warte – er hat was?! Wahnsinn, deshalb ist er so… wieso zum Unkraut… ich meine, was?!“, sprudelten die Worte seinen Gedanken hinterher und er verstummte erst, als Lorna ihm einen bösen Blick zuwarf. Er biss sich auf die Zunge und verstummte augenblicklich. Erneut herrschte eine Stille, die kaum aushaltbar wurde, je länger sie dauerte. Dann bewegte sich Farun mit einem Mal auf die Tür zu. „Macht was ihr wollt. In einer Stunde seid ihr hier raus!“, damit war er an Rhuna vorbeigetreten und aus dem Zimmer gerauscht. Lorna stand betreten an Ort und Stelle. Sie hatte dieses Ausmaß auch nicht gewusst. Doch die Menschenfrau besaß Güte, sodass sie bei Rhuna stehen blieb, ihre Hand drückte und ihr einen Blick schenkte, dass alles gut werden würde. Dann griff sie energischer nach Ajaks Arm, der so gar nicht gehen wollte. Wurde doch gerade so spannend! Doch die strenge Hausherrin komplementierte den Jäger hinaus und mit einem leisen Klick, verschloss sich die Tür in Rhuna's Rücken. Sie waren allein.

Die Schritte entfernten sich und gaben ihnen Raum. Yedan stand am Bett und hatte sich auf das Fußende gestützt. Er sah sie nicht an, als sie zu sprechen begann. Erst bei ihrem Appell, hob er den Kopf und tastete sich mit seinem Braun in ihr Violett vor. . „Ich bin nicht Farun. Und ich bin nicht einer der Dorfbewohner, die dich schuldig im Sinne der Anklage sehen. Ich bin… deine Freundin Yedan. Und ich höre dir zu! Gib mir doch bitte die Chance mein eigenes Urteil zu fällen. Was ist damals passiert? Und speise mich nicht länger mit oberflächlichen Äußerungen ab, wie dass du Faruns Tochter umgebracht hast. Ich weiß, dass sie tot ist. Aber ich weiß nicht wie es dazu kam. Was passiert ist! Was du damals, als man dich angeklagt hat, versucht hast zu erklären.“ Der Halbelf wirkte angespannt und schien nicht zu wissen, was er von ihrer Forderung halten sollte. Er haderte mit sich und grub seine Hände in das Holz des Bettes. Dann entspannte sich seine Haltung plötzlich und er atmete lange aus. Er richtete sich auf und trat zum Fenster zurück. Yedan signalisierte Rhuna, dass sie neben ihn treten sollte, dann sah er hinaus und begann zu erzählen:

“Alyisa. Sie war die Tochter von Farun und seiner ersten Frau, Malyna. Wir wuchsen zusammen auf, waren ungefähr im gleichen Alter. Sie war ein wenig voraus, ungefähr 1,5 Jahre müssen es gewesen sein. Jedenfalls… unsere Eltern verstanden sich gut, Farun kennt meine Mutter und meinen Vater gut. Oder kannte. Wie auch immer. Alyisa und ich wurden unzertrennliche Freunde und später… da wurden wir mehr. Je älter wir wurden, je mehr wir uns veränderten, fühlten wir uns zueinander hingezogen.“ Er machte eine Pause und atmete tief durch. Die Erinnerungen schmerzten, das konnte Rhuna erkennen. Dennoch ließ er sie endlich teilhaben, hielt den Blick aber weiter nach draußen gerichtet. Zu erkennen war das Dorf und die verschlungenen Baumpfade zu den höhergelegenen Wohnstätten. Weiter zum Rand des Dorfes, wo der Wald dichter wurde, hin, konnte man einen kleinen, dicken und eher knorrigen Baum erkennen. Er hatte eine seltsame Form und stach optisch auch aufgrund seiner äußerst dunklen Rinde heraus. “Wir verliebten uns ineinander und waren mehr als nur Freunde. Keiner unserer Eltern wusste es. Sie hielten uns einfach für Freunde. Wir begannen uns mehr und mehr heimlich zu treffen, vorzugsweise nachts. Farun wollte für seine Tochter etwas anderes. Sie war magiebegabt und sollte nach Zyranus an eine der Akademien gehen. Und sich nicht hier aufhalten. Zudem stamme ich nicht von besonderen Wert ab. Meine Mutter war Kräuterkundige. Mein Vater… er war Bogenbauer. Oder ist es noch, ich weiß es nicht. Jedenfalls… irgendwann kristallisierte sich bei Alyisa eine Magierichtung heraus. Die Farun nicht gefiel. Alyisa zeigte Potenzial in der Schattenmagie. Er versuchte sie auf einen, wie er es nannte, ‚tugendhaften Weg‘ zurück zu führen. Er versuchte es mit Erd-, Licht-, Natur-, Wassermagie. Selbst Feuer hätte er akzeptiert, doch auch wenn sie zeigte, dass sie ein hohes Potenzial und eine große Affinität hatte, fand sie in keiner anderen Magieart eine solche Leidenschaft. Ihre Mutter, Malyna, war Händlerin. Irgendwann wurde sie Opfer eines Überfalls von Strauchdieben. Malyna schaffte es nur mit letzter Kraft zurück ins Dorf und verstarb an ihren Wunden. Alyisa hat das nicht verkraftet und sich immer mehr zurückgezogen. Auch Farun trauerte und entfremdete sich von seiner Tochter. Ich erreichte sie irgendwann nicht mehr…“ Endlich wandte sich Yedan Rhuna zu. Sein Blick war schmerzgeplagt aber dennoch streichelte sie eine sanfte Wärme. Seine Mauer brach auf, er konnte es spüren und sie an ihm erkennen. Ihre Beharrlichkeit zahlte sich nicht nur für sie aus, sondern auch für ihn. Es war heilsam, darüber zu reden.

“Sie zog sich mehr und mehr zurück und sie wollte nichts mehr wissen. Ihr Geist war getrieben von Rache an den Dieben. Immer öfter verließ sie unser Dorf, um Spuren zu verfolgen… ich… ich sah ihre Veränderung mit Sorge. Sie war nicht nur verschlossen, sie schien sich auch körperlich zu verändern. Ich glaube, nein… ich fand irgendwann heraus, dass Alyisa sich vollkommen den dunklen Künsten verschrieben hatte. Nicht nur Schattenmagie, auch Nekromantie, Assasinenmagie lagen in ihrem Fokus. Und ihre Seele wurde zunehmend korrumpiert. Alyisa verlor den Bezug zu den Werten unseres Volkes. Und ihre Magie begann unsere Heimat zu bedrohen.“, er nickte aus dem Fenster, damit sie seinem Blick folgte. Er deutete auf den Baum, der so seltsam aussah.

“Ich habe sie irgendwann zur Rede gestellt. Immer wieder habe ich sie nachts wegschleichen sehen. Und … eines Nachts, folgte ich ihr. Alyisa kniete dort an diesem Baum, die Hände auf dem Boden ausgestreckt, seltsame Worte murmelnd. Von ihren Händen gingen schwarze… Schlieren in den Boden und den Baum hinauf. Er veränderte seine Farbe, ließ die Zweige hängen, die Blätter fielen… er starb. Ich stellte Alyisa zur Rede und als sie aufsah, waren ihre Augen schwarz wie die Finsternis selbst und ihr Gesicht fahl wie der Tod. Dass ich sie in ihrem Tun unterbrach, schürte ihre Wut.“, erzählte er weiter und starrte den toten Baum am Waldrand an. Er erlebte es mit.
“Sie bezog ihre Kraft aus dem Leben. Sie hatte sich inzwischen vollständig der Nekromantie verschrieben und nährte sich am Wald… Ich wollte sie aufwecken, ihr Einhalt gebieten. Ich flehte sie an, sich doch endlich loszusagen und zurückzukehren, doch sie hörte nicht. Zu tief war sie der Macht verfallen. Ich sagte ihr, dass ihre Rache das nicht wert wäre… da lachte sie emotionslos und gestand, dass sie längst Rache verübt habe. Und dass es ihr nicht mehr darum ging. Dass ihre Eltern schwach wären… wir alle. Sie war vollkommen wahnsinnig. Und dann griff sie mich an. Sie sagte, sie würde sich nicht aufhalten lassen, dass sie aber um der alten Zeiten willen, einen Sklaven aus meinem Körper machen würde. Wir rangelten… und dann… stieß ich sie von mir, sodass sie gegen den toten Baum stolperte… und in einen abgebrochenen Zweig. Überraschung zeugte sich auf ihrem Gesicht, dann lächelte sie. Blut lief ihr aus dem Mund und gurgelnd versuchte sie etwas zu sagen. Ich war wie paralysiert… konnte mich nicht bewegen. Ich wollte sie nicht töten… ich wollte sie aufhalten. Dann wurde alles schwarz und als ich zu mir kam, war sie weg und ich fand mich in Erklärungsnot. Ich hatte das Blut an meinen Händen und ich habe gestanden. Getötet hatte ich sie. Und als sie dafür meinen Tod forderten… versuchte ich sie davon zu überzeugen, dass sie längst nicht mehr die Alyisa war, die wir alle kannten… und liebten. Keiner glaubte mir. Ich tat es selbst nicht. Vielleicht wollte ich sie doch töten… vielleicht war es nur vorgeschoben, dass ich ihre Machenschaften aufhalten wollte. Ich weiß es nicht mehr… ich wurde verbannt, weil man nicht zweifelsfrei das hinterrückse Motiv nachweisen konnte. Und seit dem, lebe ich allein und denke immer und immer wieder über diese Nacht nach… und daran, wer Alyisa einmal gewesen war und wer sie hätte sein können…“, schloss er und lehnte seine Stirn gegen den Rahmen des Fensters. Er griff, ohne aufzusehen, nach Rhuna’s Hand und hielt sie stumm fest. Bis er die Augen schloss und ein leises „Es tut mir so leid…“, hauchte.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Dienstag 4. Oktober 2022, 00:31

Nach Rhunas Bitte breitete sich einen Moment lang wieder Schweigen aus. Ajaks kurzer Ausruf des Erstaunens wurde direkt von Lorna unterbunden. Und der Hausherr, der sich zweifellos auch von Rhuna auf den Schuh getreten fühlte, wandte sich zum Gehen.
„Macht was ihr wollt. In einer Stunde seid ihr hier raus!“, sprach er und stürmte aus dem Zimmer. Rhuna konnte es ihm nicht verdenken. Jedes Elternteil würde wohl so oder ähnlich reagieren, wenn der vermeidliche Mörder mit ihm Raum stand. Wahrscheinlich hatte sich Farun sogar noch sehr gut unter Kontrolle, was anderen nicht gelingen würde.
Auf der Miene der Elfe lag Sorge, vielleicht auch ein wenig Angst. Doch in ihren Augen blitzte die Sturheit, mit der sie eisern an dem Vertrauen in Yedan festhielt. Sie würde nicht lockerlassen, bis sie nicht erfahren hatte, was damals aus seiner Sicht passiert war.
Als Lorna sich regte sah sie von Yedan zu der herzensguten Menschenfrau, die kurz bei ihr stehen blieb und ihre Hand drückte. In ihren blauen Augen las Rhuna, dass auch sie noch nicht völlig den Glauben an den Halbelfen aufgegeben hatte. Das war etwas, was der Brünetten große Hoffnung machte. Voller Dankbarkeit lächelte sie sie an und griff mit ihrer freien Hand nach Lornas, die sie ebenfalls sanft drückte, bevor sie einander freigaben.
Ajak schien nicht gehen zu wollen und Lorna musste ihre energische Seite auspacken, um den großgewachsenen Elfen mit sich aus dem Zimmer zu ziehen.
„Ajak!“, warf Rhuna noch kurz ein, bevor die beiden gänzlich aus der Türe traten. „Bitte urteile nicht überstürzt über das, was du eben gehört hast! Ich… bitte dich…!“ Sie sah ihn nicht an, doch ihre Stimme ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie ihn innigst um diesen Gefallen bat. Die starke Ansicht und Überzeugung, die der Jäger vertrat hatte ihr erstes Kennenlernen ein wenig holprig gestaltet und obgleich die darauf folgenden Momente ihr gezeigt hatten, dass Ajak ein lieber Kerl war, wollte sie möglichst vermeiden, dass das Gerede neu erwachte.
Das Klacken der Türe, die ins Schloss fiel war ein Zeichen, dass Rhuna nun mit Yedan alleine war. Und erneut kehrte für einen Moment Stille ein. Sie hatte Yedan in diese Situation genötigt und er erweckte noch nicht den Anschein, dass er sich auf die folgenden Sekunden einlassen würde.
Versucht lautlos atmete die Elfe einmal tief ein und entließ ihren Atem langsam und langgezogen. Dann begann sie zu sprechen. Erneut bat sie ihn um Aufklärung und versuchte ihm gleichzeitig eine metaphorische Hand zu reichen. Doch erreichten ihn ihre Worte? Bisher hatte sich seine Mauer als unüberwindbar herausgestellt.
Rhuna nestelte nervös mit ihren Fingern. Sie versuchte nicht die Unruhe zu zeigen, die in ihr tobte, doch ob ihr dies gelang? Es war ihr eindeutig anzusehen, dass sie mittlerweile Yedans Belange auch ein wenig als die ihren ansah.
Die angespannte Haltung die den Halbelfen steif und unzugänglich hatte wirken lassen, zerfiel mit einem Mal, als würde er resignieren und ihr gegenüber den Eintritt durch seine Mauer gewähren.
Er winkte sie an seine Seite und sie merkte auf, als sie die Geste bemerkte. Mit nervösem Herzen trat sie neben ihn ans Fenster. Ihre violetten Augen betrachteten aufmerksam und prüfend sein Gesicht, als er endlich begann zu sprechen. Sie atmete innerlich auf, als würde ihr dadurch eine Last genommen werden und gleichzeitig spannte sich in ihr alles an, weil sie nicht wissen konnte, was sie erfahren würde. Doch eines wusste sie – sah sie! Er war verletzt und diesen Schritt zu gehen kostete ihn große Überwindung.
„Alyisa. Sie war die Tochter von Farun und seiner ersten Frau, Malyna. Wir wuchsen zusammen auf, waren ungefähr im gleichen Alter. Sie war ein wenig voraus, ungefähr 1,5 Jahre müssen es gewesen sein. Jedenfalls… unsere Eltern verstanden sich gut, Farun kennt meine Mutter und meinen Vater gut. Oder kannte. Wie auch immer. Alyisa und ich wurden unzertrennliche Freunde und später… da wurden wir mehr. Je älter wir wurden, je mehr wir uns veränderten, fühlten wir uns zueinander hingezogen.“, begann er mit dem Blick nach draußen zu erzählen. Rhuna hörte ihm schweigend zu und obgleich das Gehörte ihr direkt Stoff gab sich Gedanken darüber zu machen, hielt sie ihren Geist offen und still für das, was noch kommen würde. Irgendwann folgte ihr Blick dem seinen hinaus, doch noch schien er der eigenartige Baum noch nicht aufzufallen, auch wenn er sich optisch von den anderen unterschied.
“Wir verliebten uns ineinander und waren mehr als nur Freunde. Keiner unserer Eltern wusste es. Sie hielten uns einfach für Freunde. Wir begannen uns mehr und mehr heimlich zu treffen, vorzugsweise nachts. Farun wollte für seine Tochter etwas anderes. Sie war magiebegabt und sollte nach Zyranus an eine der Akademien gehen. Und sich nicht hier aufhalten. Zudem stamme ich nicht von besonderen Wert ab. Meine Mutter war Kräuterkundige. Mein Vater… er war Bogenbauer. Oder ist es noch, ich weiß es nicht. Jedenfalls… irgendwann kristallisierte sich bei Alyisa eine Magierichtung heraus. Die Farun nicht gefiel. Alyisa zeigte Potenzial in der Schattenmagie. Er versuchte sie auf einen, wie er es nannte, ‚tugendhaften Weg‘ zurück zu führen. Er versuchte es mit Erd-, Licht-, Natur-, Wassermagie. Selbst Feuer hätte er akzeptiert, doch auch wenn sie zeigte, dass sie ein hohes Potenzial und eine große Affinität hatte, fand sie in keiner anderen Magieart eine solche Leidenschaft. Ihre Mutter, Malyna, war Händlerin. Irgendwann wurde sie Opfer eines Überfalls von Strauchdieben. Malyna schaffte es nur mit letzter Kraft zurück ins Dorf und verstarb an ihren Wunden. Alyisa hat das nicht verkraftet und sich immer mehr zurückgezogen. Auch Farun trauerte und entfremdete sich von seiner Tochter. Ich erreichte sie irgendwann nicht mehr…“
Yedan gewährte ihr tiefe und private Einblicke. Auch in die Vergangenheit Faruns, die noch ein weiteres schmerzhaftes Ereignis verbarg. Seine erste Frau war ums Leben gekommen und der Verlust hatte die Familie auseinandergerissen. Es waren keine schönen Informationen, doch Rhuna war dankbar, dass Yedan nicht mit diesen hinterm Berg hielt. So konnte sie alles nachvollziehen und vor allem … die Art wie er erzählte, sein mitleidender und schmerzerfüllter Blick, dem sie sich immer wieder kurz zuwandte, ließen sie keine Lüge erkennen. Das war etwas, was ihr eigenes Seelenheil wie eine schützende Schicht ummantelte und sie in ihrem Vertrauen ihm gegenüber noch stärkte. Doch sein Anblick stach ihr ins Herz. Als sich ihre Blicke trafen konnte die junge Elfe sehen, dass er seine Seele – vielleicht sein behütetstes Geheimnis vor ihr freilegte, bar jeglichen Schutzes, das ihn die letzten Jahre begleitet und von weiteren Schmerz versucht hatte abzuschirmen. Doch lag darin nicht auch etwas Heilendes?
Noch immer versuchte sie sich über das Gehörte noch keine allzu großen Gedanken zu machen. Ihr Blick streichelte über seinen und ein kleines Nicken sprach ihm Mut zu weiter zu sprechen, was er dann auch tat.
„Sie zog sich mehr und mehr zurück und sie wollte nichts mehr wissen. Ihr Geist war getrieben von Rache an den Dieben. Immer öfter verließ sie unser Dorf, um Spuren zu verfolgen… ich… ich sah ihre Veränderung mit Sorge. Sie war nicht nur verschlossen, sie schien sich auch körperlich zu verändern. Ich glaube, nein… ich fand irgendwann heraus, dass Alyisa sich vollkommen den dunklen Künsten verschrieben hatte. Nicht nur Schattenmagie, auch Nekromantie, Assasinenmagie lagen in ihrem Fokus. Und ihre Seele wurde zunehmend korrumpiert. Alyisa verlor den Bezug zu den Werten unseres Volkes. Und ihre Magie begann unsere Heimat zu bedrohen.“
Nekromantie… Assasinenmagie…! Das was Rhuna erfuhr schnitt ihr die Luft zum Atmen ab. Sie hielt diese unbewusst an und langsam gelang es ihr nicht mehr ihre Gedanken ruhig zu halten. Zu hören, das Alyisa, zu Faruns Entsetzen, ein Talent für Schattenmagie entwickelt hatte, war für die Shyánerin noch nicht so schockierend gewesen, wenngleich ihr Volk diese Magie keineswegs guthieß. Doch nun zu hören, welchem Wahn die Sarierin, geboren aus ihrer Trauer und Wut, verfallen war, war nicht einfach zu verstehen. Es schockierte sie, auch wenn sie es in diesem Moment verstand ihre Gefühle nicht nach außen zu tragen. Sie fühlte eine Angst erwachen, die ihr wohlbekannt war. Rhuna trug diese seit Jahren mit sich herum. Doch die aufkeimenden Gefühle, schob die Elfe eisern beiseite. Denn Yedan hatte noch nicht alles erzählt. Sie folgte seinem Blick und wurde aufmerksam auf den knorrigen Baum, dessen Rinde sich deutlich dunkler von der anderer Bäume abhob. Und bei einem weiteren Blick erkannte sie, dass dieser Baum kein Leben mehr in sich trug.
„Ich habe sie irgendwann zur Rede gestellt. Immer wieder habe ich sie nachts wegschleichen sehen. Und … eines Nachts, folgte ich ihr. Alyisa kniete dort an diesem Baum, die Hände auf dem Boden ausgestreckt, seltsame Worte murmelnd. Von ihren Händen gingen schwarze… Schlieren in den Boden und den Baum hinauf. Er veränderte seine Farbe, ließ die Zweige hängen, die Blätter fielen… er starb. Ich stellte Alyisa zur Rede und als sie aufsah, waren ihre Augen schwarz wie die Finsternis selbst und ihr Gesicht fahl wie der Tod. Dass ich sie in ihrem Tun unterbrach, schürte ihre Wut.“ Das Pochen ihres Herzschlages nahm zu. Mit solch einer Geschichte hatte Rhuna nicht gerechnet.
Wie… muss das für Yedan gewesen sein, das alles zu entdecken? Er war doch noch so viel jünger und… verliebt….!“ Ihre Gefühle für Yedan waren noch nicht alt. Sie kannte ihn noch nicht lange. Im Vergleich zwischen Alyisa und Yedans gemeinsamer Zeit war die ihre nur ein Wimpernschlag. Und doch konnte Rhuna die Angst und den Schmerz erahnen, die der Halbelf damals verspürt haben musste. Denn auch sie trug die Angst in sich sich in ihm getäuscht zu haben – wonach es momentan nicht aussah. Und in Rhunas Fall ging es nur um ihr eigenes Seelenheil. Yedan hat nicht nur seine Liebe in Gefahr gesehen, sondern musste auch dem entsetzlichen Fakt in die Augen sehen, dass seine Geliebte seine Heimat und den Wald in Gefahr brachte – all ihre Werte, die sie tief in ihr Herz gemeißelt fühlten und lebten.
„Sie bezog ihre Kraft aus dem Leben. Sie hatte sich inzwischen vollständig der Nekromantie verschrieben und nährte sich am Wald… Ich wollte sie aufwecken, ihr Einhalt gebieten. Ich flehte sie an, sich doch endlich loszusagen und zurückzukehren, doch sie hörte nicht. Zu tief war sie der Macht verfallen. Ich sagte ihr, dass ihre Rache das nicht wert wäre… da lachte sie emotionslos und gestand, dass sie längst Rache verübt habe. Und dass es ihr nicht mehr darum ging. Dass ihre Eltern schwach wären… wir alle. Sie war vollkommen wahnsinnig. Und dann griff sie mich an. Sie sagte, sie würde sich nicht aufhalten lassen, dass sie aber um der alten Zeiten willen, einen Sklaven aus meinem Körper machen würde. Wir rangelten… und dann… stieß ich sie von mir, sodass sie gegen den toten Baum stolperte… und in einen abgebrochenen Zweig. Überraschung zeugte sich auf ihrem Gesicht, dann lächelte sie. Blut lief ihr aus dem Mund und gurgelnd versuchte sie etwas zu sagen. Ich war wie paralysiert… konnte mich nicht bewegen. Ich wollte sie nicht töten… ich wollte sie aufhalten. Dann wurde alles schwarz und als ich zu mir kam, war sie weg und ich fand mich in Erklärungsnot. Ich hatte das Blut an meinen Händen und ich habe gestanden. Getötet hatte ich sie. Und als sie dafür meinen Tod forderten… versuchte ich sie davon zu überzeugen, dass sie längst nicht mehr die Alyisa war, die wir alle kannten… und liebten. Keiner glaubte mir. Ich tat es selbst nicht. Vielleicht wollte ich sie doch töten… vielleicht war es nur vorgeschoben, dass ich ihre Machenschaften aufhalten wollte. Ich weiß es nicht mehr… ich wurde verbannt, weil man nicht zweifelsfrei das hinterrückse Motiv nachweisen konnte. Und seit dem, lebe ich allein und denke immer und immer wieder über diese Nacht nach… und daran, wer Alyisa einmal gewesen war und wer sie hätte sein können…“ Dem letzten Teil seiner Erzählung zu lauschen war schwer. Sein Schmerz war für sie greifbar, sein Leiden spürbar und bereits nach den ersten Sätzen, die für sie so viel erklärten, brachen sich ihre Emotionen einen Weg nach außen. Der Körper der Elfe wurde immer wieder leicht geschüttelt. Sie versuchte es anfangs noch zu unterdrücken, doch bereits nach kurzer Zeit liefen ihr Tränen über ihr Gesicht. Verbissen hielt sie jegliches Aufschluchzen, das einen Laut ergeben hätte in sich. Die Vorstellung seines Schocks, seines Schmerzes, würde nie an das herankommen, was er tatsächlich durchlitten hatte. Und anstatt, dass das, was er mit Alyisa erlebt hatte nicht genug war, wurde ihm eine noch viel größere Last aufgebürdet. Er wahrte das Ansehen Faruns Tochter auf seine Kosten, beraubt von seiner Familie und Heimat.
Als Yedan nach ihrer Hand griff und diese festhielt, erwiderte sie augenblicklich den Druck. Rhuna rang um Fassung, die sie jedoch nicht halten konnte, als ihr Halbelf „Es tut mir so leid…“, hauchte.
Die brünette Elfe fuhr herum und entwand ihm ihre Hand, was Yedan dazu brachte seinen Kopf vom Fensterrahmen zu heben. Sogleich legten sich ihre schmalen Finger auf seine Wangen und mit sanfter Kontrolle zwang sie ihn etwas zu sich herunter.
„Wag es nicht dich zu entschuldigen!“, brachen die Worte aus ihr heraus – ihr tränenerfüllter Blick in seinem gefesselt. Die Worte hatten sie verletzt und doch war es Yedans Schmerz, den sie nur im Ansatz zu spüren bekam und der sie zum Weinen brachte. Doch ihre Tränen wurden durch ein ganz anderes Gefühl noch stärker hervorgerufen. Rhuna war wütend. Unendlich wütend auf all diejenigen, die ihn verletzten und ihm die Last einer Lüge, die lediglich den Schmerz anderer schmälern sollten, alleine aufbürdeten.
„Wag es… nicht!“, erklangen ihre Worte erneut, nur deutlich kraftloser und ihre Stimme, wie auch Miene brachen. Sie zog ihn an sich und umarmte ihn so feste sie konnte.
„Du hast dich verteidigt! Du sagst selbst du wolltest sie nicht töten, aber sie ließ dir doch gar keine Wahl, als dich zu verteidigen! Sie hat dich angegriffen! Sie hat den Baum getötet, um ihre Kräfte zu stärken, die dir, Farun… allen Sariern und dem Wald geschadet hätten! Das ist nicht deine Schuld! Es war ein Unfall. Ein Unfall, hörst du?!“ Ihre Stimme gewann wieder an Kraft und ihr war deutlich anzuhören, dass sie sein Schuldeingeständnis nicht teilte. Sie lockerte die Umarmung etwas und sah ihn wieder an. Die violetten Augen blitzten nicht länger nur von den Tränen – in ihnen glomm die Wut.
„Was wäre passiert, wenn du sie nicht aufgehalten hättest? Was wäre aus dir geworden, aus Farun, aus anderen Dorfbewohnern? Sie war eine Gefahr Yedan, die jeglichen Bezug zur Realität und jegliche Moral verloren hatte. Und dass du… dass du für ihren Tod verantwortlich gemacht und auf solche Weise bestraft wurdest, kann nicht im Sinne der Götter gewesen sein! Du sagst sie verschwand spurlos. Wohin soll sie denn verschwunden sein? Wäre sie gestorben hätte sie sich nicht bewegen können. Ihre Leiche hätte da bei dir gelegen. Und sollte sie sich schwer verletzt fortbewegt haben und wäre dann ihren Verletzungen erlegen hättet ihr sie ebenfalls gefunden. Faruns Magie wäre dazu fähig gewesen!!! Das… das alles ist nicht gerecht! Wenn du mich nicht anlügst und… ich glaube dir du Dummkopf… dann hat man dir übel mitgespielt. Farun wusste doch um Alyisas Magie. Ist der Baum dort denn kein Beweis? Wie sollte er über Nacht plötzlich sterben, wenn nicht Schattenmagie angewendet wurde?“ Ihre Gedanken kannten kein Halten mehr und aus ihrem Mund sprudelten diese hervor. Ihre Tränen versiegten langsam und obgleich sie noch aufgewühlt war, schien es Rhuna gut zu tun ihren Gedanken Luft zu machen.
„Selbst wenn sie tot ist… war es ein Unfall, Yedan. Getötet hat sich Alyisa selbst – denn wie du es erzählt hast war sie nicht mehr die, die sie einst gewesen war. Die ein Teil von diesem Dorf war, das es beschützen wollte. In ihr war eine Dunkelheit herangewachsen, die sie getötet und euch allen entrissen hat. Du… hast nichts getan, dass die Verbannung rechtfertigen würde. Dafür, dass Farun… seine Tochter in guter Erinnerung halten kann, bezahlst du mit der Zeit mit deiner Familie. Du beschützt sie noch immer… und es … es ist grausam, dass sie dir das alles alleine aufbürden.“
Für die junge Elfe war es tatsächlich nicht zu verstehen, wie man Yedan zu solch einem Sündenbock machen konnte. Ihr Ausbruch war für sie nicht besonders typisch, aber sie schämte sich weder für ihre Tränen, noch für ihre Worte oder die Wut, die sie verspürte. Niemand schien an Yedans Seite gestanden zu haben - niemand hatte für ihn gekämpft und alle schienen seine Verbannung stillschweigend als Lösung anerkannt zu haben.
Rhuna lockerte noch einmal etwas mehr ihre Umarmung und strich sich mit dem Handrücken der rechten Hand die Tränen von den Wangen. Ihre linke Hand umfasste feste den Stoff seines rechten Hemdärmels. Sie versuchte sich wieder etwas zu beruhigen. Schniefend hob sie ihren Blick, der einen Moment lang auf seiner Brust geruht hatte. Violett, das ein wenig röter durch die Tränen wirkte, als es sonst war, traf erneut auf die braunen Seelenspiegel, in der sie stets Wärme finden konnte.
„Du hast mittlerweile akzeptiert, dass du verstoßen wurdest. Du hast aufgehört für dich zu kämpfen, weil du dir die Schuld am Tod von Alyisa gibst und weil man dich alleine gelassen hat mit der Schuld. Aber das ist nicht richtig. Und ich werde es dir immer wieder sagen, bis du es einsieht! Ich... bin für dich da..., verstehst du?"

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Samstag 8. Oktober 2022, 23:27

Rhuna hatte sich dazu entschieden, dem Weg ihres Herzens zu folgen. Sie hatte Yedan nach allem, was sie erfahren hatte, fallenlassen können. Sie hätte sicher im Dorf jede Menge Unterstützung erfahren, wenn sie nur danach gegriffen hätte. Doch sie konnte nicht. Die letzten Tage waren prägend gewesen und hatten Yedan zum festen Teil ihrer Welt etabliert. Wie lange kannte sie ihn? Tage. Und es spielte absolut keine Rolle für die Elfe, die doch eigentlich die Welt entdecken wollte. Nun allerdings entdeckte sie die eines ihr vollkommen Fremden. Ihre Hartnäckigkeit gab ihr endlich die nötige Erlösung. Yedan redete. Gedankenversunken ließ er sie teilhaben an einer Wahrheit, die er so tief in sich verborgen hatte, dass er Jahrzehnte damit allein verbrachte. Er hatte sein Schicksal angenommen, hatte akzeptiert, dass er für etwas bestraft wurde, was reine Notwehr gewesen war. Doch was zählte so etwas schon? Jemand war gestorben. Und es war seine Schuld gewesen. Rhuna konnte kaum ertragen, was man ihm aufbürdete. Ihre empfindsame Seele und die Zuneigung, die sich zu dem Jäger entwickelte, schafften es in Kombination, dass sich ihre Emotionen Bahnen brachen. Seine Entschuldigung war einfach zu viel. Zu viel der Last, sodass sie sich ihm entzog. Yedan hob den Kopf und kurz glaubte er, sie würde ihn nun ebenso verstoßen, jetzt da sie es wusste. Doch er hatte die Geste missverstanden. Nur wenige Sekunden später, hatte sie ihre Hände an seine Wangen gelegt, um ihn unmissverständlich sagen zu können, was sie im Grunde ihres Herzens tatsächlich glaubte. „Wag es nicht dich zu entschuldigen! Wag es… nicht!“, appellierte sie an ihm und zog ihn mit erstaunlicher Kraft in ihre Arme. Yedan folgte ihrem Zug und spürte augenblicklich ihre nassen Tränen, die sein Hemd durchtränkten. Er rührte sich kaum, doch sein Herz schlug einen Takt schneller. “Du hast dich verteidigt! Du sagst selbst du wolltest sie nicht töten, aber sie ließ dir doch gar keine Wahl, als dich zu verteidigen! Sie hat dich angegriffen! Sie hat den Baum getötet, um ihre Kräfte zu stärken, die dir, Farun… allen Sariern und dem Wald geschadet hätten! Das ist nicht deine Schuld! Es war ein Unfall. Ein Unfall, hörst du?!“, trichterte sie ihm ein und war absolut überzeugt davon. Als sie den Halbelfen wieder ansah, konnte sie erkennen, dass er ihren Blick erwiderte. Er hing förmlich an ihrem Violett als suche er darin ihre Lüge ihm gegenüber. Er konnte nicht glauben, dass sie ihm nicht mit Argwohn und Distanz begegnete.
„Was wäre passiert, wenn du sie nicht aufgehalten hättest? Was wäre aus dir geworden, aus Farun, aus anderen Dorfbewohnern? Sie war eine Gefahr Yedan, die jeglichen Bezug zur Realität und jegliche Moral verloren hatte. Und dass du… dass du für ihren Tod verantwortlich gemacht und auf solche Weise bestraft wurdest, kann nicht im Sinne der Götter gewesen sein! Du sagst sie verschwand spurlos. Wohin soll sie denn verschwunden sein? Wäre sie gestorben hätte sie sich nicht bewegen können. Ihre Leiche hätte da bei dir gelegen. Und sollte sie sich schwer verletzt fortbewegt haben und wäre dann ihren Verletzungen erlegen hättet ihr sie ebenfalls gefunden. Faruns Magie wäre dazu fähig gewesen!!! Das… das alles ist nicht gerecht! Wenn du mich nicht anlügst und… ich glaube dir du Dummkopf… dann hat man dir übel mitgespielt. Farun wusste doch um Alyisas Magie. Ist der Baum dort denn kein Beweis? Wie sollte er über Nacht plötzlich sterben, wenn nicht Schattenmagie angewendet wurde?“ Ein wahrer Sturm an Fragen prasselte auf Yedan ein und er hielt ihm stand. Natürlich hatte sie Fragen und durchaus gute. Doch hatte er auch Antworten darauf? Noch schwieg er. Noch immer hatte das helle Braun einen gewissen Schmerz inne und Yedan ließ ihr den Raum, sich mit dem Gehörten auseinanderzusetzen.

„Selbst wenn sie tot ist… war es ein Unfall, Yedan. Getötet hat sich Alyisa selbst – denn wie du es erzählt hast war sie nicht mehr die, die sie einst gewesen war. Die ein Teil von diesem Dorf war, das es beschützen wollte. In ihr war eine Dunkelheit herangewachsen, die sie getötet und euch allen entrissen hat. Du… hast nichts getan, dass die Verbannung rechtfertigen würde. Dafür, dass Farun… seine Tochter in guter Erinnerung halten kann, bezahlst du mit der Zeit mit deiner Familie. Du beschützt sie noch immer… und es … es ist grausam, dass sie dir das alles alleine aufbürden. Du hast mittlerweile akzeptiert, dass du verstoßen wurdest. Du hast aufgehört für dich zu kämpfen, weil du dir die Schuld am Tod von Alyisa gibst und weil man dich alleine gelassen hat mit der Schuld. Aber das ist nicht richtig. Und ich werde es dir immer wieder sagen, bis du es einsieht! Ich... bin für dich da..., verstehst du?" Einen Moment kehrte Stille zwischen ihnen ein. Sie konnte sich etwas sammeln, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, während Yedan den Blick noch mal aus dem Fenster richtete. Sein Kieferknochen bewegte sich und zeugte davon, dass er sich durchaus mit ihren Worten beschäftigte. Wie mochte es wohl für jemanden wie ihn sein, dass sich plötzlich jemand an seine Seite stellte? Wo es all die Jahre niemand getan hatte? Yedan kehrte nach einer gefühlten Ewigkeit zu Rhuna zurück und betrachtete das leicht nasse Gesicht der Elfe. Dann hob er langsam seinen freien Arm, den sie nicht zum Halten brauchte und legte seine Hand an ihr Gesicht. Sanft strich sein Daumen die restliche Nässe beiseite und er schenkte ihr ein angedeutetes Lächeln. „Sieh dich an!“, schwappte seine Stimme über sie hinweg und lullte sie ein, wie nur er es konnte. „Wer ist jetzt die Tigerin?“, scherzte er leise und verlor dennoch nicht gänzlich den Ernst der Situation. Er machte sich nicht lustig. Aber er brauchte das Aufbrechen der Schwere, damit er nicht darunter zusammenbrach. Yedan lebte nun bereits über 20 Jahre verstoßen und ohne echte Heimat. Ein Wimpernschlag für das Elfenvolk, doch er war zur Hälfte Mensch. Er musste die Zeit ganz anders erlebt und wahrgenommen haben, als es zum Beispiel ein Farun oder auch Rhuna taten. Yedan beließ seine Hand noch etwas an ihrer Wange, streichelte gedankenverloren über ihre zarte Haut, ehe er sie sinken ließ und mit seinen Fingerkuppen zärtlich ihren Hals entlang strich, bevor er sich gänzlich löste. „Ich kann dir nicht alle Fragen beantworten, Rhuna. Alyisa wurde beerdigt, jedenfalls sagten sie mir das.“, erklärte er und deutete auf einen unbestimmten Ort, der nicht näher einsehbar war von ihrem Standort aus. „Sie hat ein Grab, dort auf dem Friedhof.“, erklärte er weiter und fügte an: „Es war nur so, dass ich aufgrund der Schuld, die ich empfand, zusammenbrach und nicht mehr fähig war, etwas anderes zu tun als dazusitzen und auf das Blut an meinen Händen zu starren.“, murmelte er. „Du hast Recht, sie hätte dem Dorf geschadet. Sie hatte begonnen, das Heiligste anzugreifen, das wir kennen und dennoch… Ich konnte es nicht ertragen. Kann es heute noch nicht ertragen. Wir waren einander so nahe und wir … als wir dort zusammentrafen war nichts davon in ihrem Blick übrig. Ich habe sie nicht mehr erkannt. Das schlimme ist, ich kann den Schmerz von Farun wirklich nachempfinden. Ich verstehe es. Und … sie haben Gnade walten lassen, indem sie mich nur verbannten und nicht zum Tode verurteilten. Aber hier leben, während ein jeder weiß, was ich getan hatte? Ganz egal, ob sie unsere Existenz bedrohte oder nicht. Ich habe getötet…“ Es war ihm deutlich anzumerken, dass er gewiss niemand war, der leichthin Leben nahm. Er war niemand, der einfach so ein anderes Leben auslöschte, um selbst zu überleben. Es war ebenso mit der Natur und dem Kreislauf des Lebens verbunden, wie die Elfenvölker allgemein. Egal ob Halbelf oder nicht. Yedan hatte die Tradition seiner Herkunft nie ganz abgelegt und führte sie trotz dessen, was er erlebt hatte, fort. "Farun war selbst von seiner Trauer übermannt worden. Er hatte sich seit dem Tod seiner Frau zurückgezogen und sich nie eingestehen wollen - heute noch nicht! -, dass Alyisa sich den dunklen Künsten zugewandt hatte. Für ihn... ist sie die Tochter, die ihn mit Liebe und Stolz erfüllte.", er seufzte und es hätte durchaus gut sein können. Die Informationen waren schwerverdaulich, doch sein Anblick machte deutlich, dass es noch mehr gab, was ihn belastete… Yedan’s Geschichte hatte das Ende noch nicht erreicht. Er kehrte mit seinem Blick abermals in die Vergangenheit. „Aufgrund dessen was ich tat… War ich nicht hier, als… unser Dorf von der Gruppe Dunkelelfen angegriffen wurde, während sie auf Pelgar marschierten.“, setzte er erneut an. Rhuna’s Appell schaffte es, dass er sich ihr noch mehr öffnete. „Es gab einen Kampf und… viele starben. Darunter auch meine Mutter.“, offenbarte er und atmete tief durch. „Ich war nicht hier, konnte nicht hier sein. Durfte nicht… Mein Vater hat das nicht verwunden.“, erklärte er weiter und warf Rhuna erneut einen Blick zu. Er lächelte, wenn auch traurig. „Ich weiß, dass sie dort bei unseren Vorfahren liegt..“, nickte er wieder zum Friedhof. „Ich… ich würde gerne hingehen, aber ich fürchte, dass es mir nicht erlaubt ist.“ Und plötzlich konnte man den Eindruck gewinnen, als läge ihm etwas gehörig auf der Zunge. Er hielt eine schwere Pause, dann wandte er sich Rhuna wieder gänzlich zu. Wie von selbst wanderte seine Hand nach oben und er begann mit einer ihrer Haarsträhnen zu spielen. „Meinst du… du könntest hingehen und… etwas auf ihr Grab legen?“, sprach er vorsichtig aus und hob den Blick von seinen Fingerspitzen, die ihr braunes Haar zwirbelten, in ihr Gesicht. „Ich wäre dir unendlich dankbar…“
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 9. Oktober 2022, 13:40

Was sollte die junge Elfe auch anderes tun, als ihrem Herzen folgen? Sie war im Grunde alleine in der Fremde und stolperte von einer unvorhersehbaren Situation in die Nächste. In Shyana Nelle war sie geschützt aufgewachsen und Entscheidungen, wie Richtungsvorgaben ihr Leben entsprechend wurden von ihrer Mutter vorgegeben. Man hatte sie niemals auf ein Leben außerhalb des kleinen Paradieses vorbereitet – denn niemand hätte angenommen, dass sie dieses eines Tages verlassen würde.
Nun fand Rhuna heraus, was es bedeutete eigene Entscheidungen zu treffen und mit den Auswirkungen klar kommen zu müssen. Sie sah sich mit Ängsten, Sorgen und Herausforderungen konfrontiert, denen sie bisher lediglich auf Buchseiten von Geschichtsschreibungen und ausgedachten Fantastereien vor dem Kaminofen begegnet war.
Es war kein Wunder, dass sie schnell Zutrauen zu Yedan gefasst hatte, der ihr in der Unsicherheit der Fremde Halt und eine Richtung gab. Er gab ihr Sicherheit und half ihr sich in dieser Welt zurechtzufinden. Dank ihm sah sie auch das Wundervolle und übersah nicht die Schönheiten. Er war für sie da! Nun versuchte sie ihm ein wenig davon zurückzugeben.
Yedans Geschichte besaß kein Happy End. Er war bestraft worden – wurde es noch immer. Und das für etwas, wofür er im Grunde nichts konnte. Niemand war an seiner Seite gewesen. Und alle Schuld wurde ihm aufgebürdet. Er war ein Sündenbock und Rhuna quälte der Gedanke an die Ignoranz der Dorfbewohner. Alles sah danach aus, als wären sie den einfachsten Weg gegangen. War dies tatsächlich so gewesen? Wer hatte dieses Urteil gefällt – entschieden, dass er schuldig war? Anhand welcher Beweise war Yedan verbannt worden – gnädiger Weise, wie sie erfuhr, denn ursprünglich hätte man ihn für die Tat getötet.
Die Gefühle der Elfe kochten hoch. Sie empfand mehr Wut als Verständnis über das Urteil. Und sie entdeckte eine neue Seite an Yedan, die sie auf der einen Seite abgrundtief hasste und die ihn ihr gleichzeitig noch näherbrachte. Diesem Mann – ihrem Yedan war so übel mitgespielt worden. Und trotz all dem Schmerz schulterte und ertrug er alles ohne großen Groll auf jene, die ihm dies angetan hatten.
„Sieh dich an! Wer ist jetzt die Tigerin?“ fragte er scherzend und durchbrach die Stille, die sich nach Rhunas Wortausbruch, über sie gelegt hatte. Seine Hand lag nun auf ihrer Wange und strich die feuchten Tränenspuren hinfort. Die Finger waren warm und zärtlich, ebenso wie sein Blick, in dem dennoch noch immer ein tiefer Schmerz lag. War dieser schon immer dort gewesen und sie hatte ihn nur nicht erkannt? Das Gefühl für ihn da sein wollen – ihm allen Schmerz zu nehmen, wuchs immer größer, doch die Elfe war sich bewusst darüber, dass sie nur erstes tun konnte. Und das auch nur bis zu einem gewissen Grad.
„Raji wäre über diesen Vergleich empört!“, erwiderte sie leise schniefend und versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, das ihn ein wenig aufbauen sollte. Doch, dass ihr dies nicht gelingen würde, war ihr klar.
Seine Finger lösten sich von ihr und am liebsten hätte sie direkt nach seiner Hand gegriffen, doch sie ließ ihm den benötigten Freiraum. Die Fragen, die Rhuna während ihrer Predigt gestellt hatte, waren weniger zum Beantworten, als zum Unterstreichen der Ungereimtheiten gedacht gewesen, doch der Sarier schien ihr in manchen Punkten dennoch welche geben zu wollen.
„Ich kann dir nicht alle Fragen beantworten, Rhuna. Alyisa wurde beerdigt, jedenfalls sagten sie mir das. Sie hat ein Grab, dort auf dem Friedhof.“, erklärte er ihr und deutete aus dem Fenster auf einen uneinsehbaren Ort, an dem wohl die Gräber liegen mussten. Sie trat näher zum Fenster, den Blick nach außen gerichtet und berührte mit den Fingern sachte die kühle Scheibe.
Man hat sie gefunden? Aber wie… wieso hat man sie direkt beerdigt. Das ist doch… ungewöhnlich, oder nicht? Ihre Gedanken kamen natürlich nicht zur Ruhe. Sie versuchte die Puzzelteile zusammenzusetzen, die vor ihr lagen, doch so passend ein Teil auch aussah, es bildete sich keine glatte und ebenmäßige Fläche, die ein sauberes Bild erschaffte.
„Es war nur so, dass ich aufgrund der Schuld, die ich empfand, zusammenbrach und nicht mehr fähig war, etwas anderes zu tun als dazusitzen und auf das Blut an meinen Händen zu starren. Du hast Recht, sie hätte dem Dorf geschadet. Sie hatte begonnen, das Heiligste anzugreifen, das wir kennen und dennoch… Ich konnte es nicht ertragen. Kann es heute noch nicht ertragen. Wir waren einander so nahe und wir … als wir dort zusammentrafen war nichts davon in ihrem Blick übrig. Ich habe sie nicht mehr erkannt. Das schlimme ist, ich kann den Schmerz von Farun wirklich nachempfinden. Ich verstehe es. Und … sie haben Gnade walten lassen, indem sie mich nur verbannten und nicht zum Tode verurteilten. Aber hier leben, während ein jeder weiß, was ich getan hatte? Ganz egal, ob sie unsere Existenz bedrohte oder nicht. Ich habe getötet…
Farun war selbst von seiner Trauer übermannt worden. Er hatte sich seit dem Tod seiner Frau zurückgezogen und sich nie eingestehen wollen - heute noch nicht! -, dass Alyisa sich den dunklen Künsten zugewandt hatte. Für ihn... ist sie die Tochter, die ihn mit Liebe und Stolz erfüllte."
, erzählte Yedan weiter und legte ihr damit noch mehr seiner Seele offen. Ihr Blick wanderte vom Fenster zu seinem Gesicht und sie griff erneut nach seiner Hand.
„Sie haben Gnade walten lassen…“, wiederholte sie verächtlich die Worte und ihre Augen blitzten erneut auf vor Wut. Das war das Puzzelteil, das sie gedanklich sofort in die nächste Ecke schmetterte. „Du hast nicht getötet! Bei Florencia und Phaun – Yedan! Du hast dich verteidigt und sie kam dabei zu Tode. Wahrscheinlich wärst du getötet worden, wäre der Unfall nicht passiert.“, warf sie ein und war bereit ihn auch vor sich selbst zu verteidigen.
„Ich verstehe ja deine Gefühle. Auch, dass du Schuld empfindest. Aber was denkst du wäre passiert, wenn nicht du, sondern jemand anderes Alyisa bei der Anwendung ihrer Magie entdeckt hätte? Vielleicht hätte sie denjenigen getötet – vielleicht wären noch mehr verletzt oder getötet worden! Du hast das alles doch nicht gewollt. Du hast versucht sie zurückzuholen, aber sie hat ihren Weg gewählt und dies nicht zugelassen.“ Ihr Griff um seine Hand wurde ein wenig fester. Ihr war bewusst, dass eine 20-Jährige Schuld nicht so einfach aus seinem Kopf zu streichen war. Aber sie würde es ihm immer wieder sagen. Der Jäger bezahlte tagtäglich mit seinem Schmerz dafür, dass er sein Schicksal akzeptiert hatte. Doch wenn Rhuna glaubte, dass Yedans Geschichte nicht noch bewegender und aufwühlender werden konnte, so wurde sie kurz darauf eines Besseren belehrt. Anhand seines Blickes erkannte sie, dass es noch mehr gab, was er ihr nicht erzählt hatte. Und der Damm war soweit gebrochen, dass er ihr auch davon erzählte.
„Aufgrund dessen was ich tat… War ich nicht hier, als… unser Dorf von der Gruppe Dunkelelfen angegriffen wurde, während sie auf Pelgar marschierten.“, setzte er erneut an und Rhuna überlief eine Gänsehaut. Ihre Gedanken formten bereits ein eigenes Bild, das sich kaum von den tatsächlichen Geschehnissen abhob. In ihrer Kehle bildete sich ein trockener Knoten und als würde der Winter Einzug ins Zimmer halten, versteifte sie sich.
„Es gab einen Kampf und… viele starben. Darunter auch meine Mutter. Ich war nicht hier, konnte nicht hier sein. Durfte nicht… Mein Vater hat das nicht verwunden.“ Sein Blick verankerte sich wieder in dem ihren, in dem ein entsetzter Ausdruck lag. Und als er sie traurig anlächelte, traten ihr erneut Tränen in die Augen.
„Ich weiß, dass sie dort bei unseren Vorfahren liegt. Ich… ich würde gerne hingehen, aber ich fürchte, dass es mir nicht erlaubt ist.“ Rhuna wurde schlecht bei diesen Worten und ihre Atmung flachte sichtlich ab. Hatte dieser Mann nicht genug erlitten?
Seine freie Hand wanderte wieder nach oben und er begann mit ihrer Haarsträhne zu spielen, als würde er sich selbst etwas ablenken wollen. Diese Geste hätte unter anderen Umständen sicher ihr Herz etwas schneller schlagen lassen. Nun sah sie ihn einfach nur an und versuchte ihre tobenden Gefühle zu ordnen. Vergebens, als er sein Anliegen vorbrachte. „Meinst du… du könntest hingehen und… etwas auf ihr Grab legen? … Ich wäre dir unendlich dankbar…“
Für eine gefühlte Ewigkeit rührte sich Rhuna nicht. Dann löste sie den Griff um seine Hand und entzog ihm ihre Haarsträhne. Am liebsten wäre sie hinausgerannt und hätte jeden angeschrien, der ihr begegnen würde. Doch damit würde sie ihm nicht helfen.
„Lass… lass mir einen Moment!“, bat sie ihn und ging zum Bett, um sich auf dieses zu setzen. Eigentlich ließ sie sich eher darauf fallen. Für einen Moment schloss sie ihre Augen. Die Atmung der brünetten Elfe war sichtlich erhöht und sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides erneut die Tränen weg, die jedoch nicht aufhören wollten zu fließen. Dann hob sie den Blick wieder und klopfte neben sich, als Zeichen, dass er zu ihr kommen sollte. Rhuna wandte sich ihm zu und schien seine Hände in ihre nehmen zu wollen, doch sie zögerte in der Bewegung. Ihr Blick lag auf seine Hände gerichtet, als sie langsam begann ihren Gedanken Luft zu machen:
„Yedan, ich…verstehe Faruns Gefühle. Ihm wurde seine Frau auf brutale Weise genommen. Das Glück wurde seinem Leben einfach so entrissen und dadurch verlor er auch noch seine Tochter, die in ihrer Trauer einen falschen Weg einschlug. Ich verstehe ihn aber… es ist falsch von ihm dir all die Schuld zu geben und zu übersehen, was Alyisa aus sich selbst gemacht hat. Zu wem sie geworden war. Er verschließt seine Augen. Denn wahrscheinlich war sein Schmerz schon zu groß, dass er den Gedanken nicht auch noch ertragen konnte, dass sich seine Tochter auf diese Weise von ihm – von allen abwendete. Er schützt ihr Ansehen – er will sie so in Erinnerung behalten, wie sie noch zu Lebzeiten seiner Frau war. Und das… ist völlig verständlich, aber auch völlig falsch! Er schützt sich selbst, denn nur dadurch, dass er dich all die Last und Schuld tragen lässt, kann er auf eine Weise trauern, die es ihm ermöglicht im Leben weiterzugehen. Er hat so seinen Platz im Dorf behalten dürfen, das Ansehen seiner Familie wurde nicht beschmutzt und er hat ein neues Glück mit Lorna finden können. Doch… all das auf deine Kosten!“ Sie rutschte etwas näher zu ihm und sah ihm nun wieder ins Gesicht. Langsam schüttelte sie ihren Kopf, als würde sie eine stumme Frage beantworten.
„Wenn es das ist… was du willst gehe ich zum Grab deiner Mutter und lege natürlich etwas darauf. Ich gehe auch zu deinem Vater, nur…“, sie verstummte einen Moment, indem sie sichtlich mit sich kämpfte. „Verflucht!!!“ Die Situation war verzwickt. Ihre Gedanken rasten und sie versuchte eine Lösung zu finden, doch wie sollte sie es anstellen, Yedans Namen wieder reinzuwaschen?
„Das ist nicht richtig!!! 20 Jahre sind mehr als genug. Du hast genug gelitten!!! Du hast verdient das Grab deiner Mutter besuchen zu dürfen und auch deinen Vater zu sehen! Werden nicht auch sie bestraft? In jedem Gefängnis dürfen Gefangene Besucher erhalten und dir soll dies verwehrt bleiben?“, begehrte Rhuna auf und zeigte sichtlich ihre Wut darüber. „Wer entscheidet darüber? Wir gehen zu ihm und reden mit ihm. Niemand kann dir einen kaltblütigen Mord unterstellen – dafür gab es keine Beweise! Das Urteil muss man aufheben können!!! Zumindest abmildern…!“ Ihr Blick suchte in seinem nach einem Funken Bestätigung oder Hoffnung. Denn so sehr sie bereit war an seiner Seite dafür zu kämpfen – Rhuna wusste, dass die Chancen klein waren und fast unmöglich, wenn Yedan nicht selbst erneut für seine Unschuld kämpfte. Und ob er die Kraft dazu hatte? Sie hätte Verständnis, wenn nicht, auch wenn sie anderes hoffte.
„Schütz… nicht immer andere! Gib dich nicht auf und… gib dir die Chance, die sich Farun ebenfalls gegeben hat. Du bist es wert Yedan und hast es verdient einen Schritt vorwärts gehen zu dürfen. Und wenn du dir nicht glaubst, glaube mir.“ Ihre Stimme wurde etwas sanfter, wie auch ihr Blick.
„Was… sollen wir tun? Was willst du tun?“, fragte die Elfe leise, während ihr Violett prüfend seine Züge abtastete.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Sonntag 9. Oktober 2022, 22:11

Vielleicht war es mehr als ein Zufall, dass Rhuna in das Leben des Jägers getreten war. Wenn auch die Begegnung eher unschöner Natur war. Doch vielleicht war sie es, die sich endlich die Mühe machte, über die Begebenheiten seiner Verbannung rational nachzudenken. Denn nichts anderes tat Rhuna. So emotional ihr Ausbruch auch war, sie konnte die Fakten mit der nötigen Distanz betrachten. Yedan schaffte das nach über zwanzig Jahren nicht mehr. Und auch die anderen hatten inzwischen teilweise sogar neue Generationen in die Welt gesetzt, wie Ajak und Kaja bewiesen, die zwar die Geschichten kannten, nicht aber die Wahrheit. Oder gar das Ganze. Während Yedan ihr weiter zeigte, dass er nicht objektiv über seine Situation nachdenken konnte, schürte das erneut ihren Kämpferwillen. Rhuna griff abermals nach seiner Hand und erhielt damit seine Aufmerksamkeit. „Du hast nicht getötet! Bei Florencia und Phaun – Yedan! Du hast dich verteidigt und sie kam dabei zu Tode. Wahrscheinlich wärst du getötet worden, wäre der Unfall nicht passiert. Ich verstehe ja deine Gefühle. Auch, dass du Schuld empfindest. Aber was denkst du wäre passiert, wenn nicht du, sondern jemand anderes Alyisa bei der Anwendung ihrer Magie entdeckt hätte? Vielleicht hätte sie denjenigen getötet – vielleicht wären noch mehr verletzt oder getötet worden! Du hast das alles doch nicht gewollt. Du hast versucht sie zurückzuholen, aber sie hat ihren Weg gewählt und dies nicht zugelassen.“ Yedan blickte ihr ins Gesicht und wandte ihn dann ab. Ihre Worte regten etwas in ihm an, auch wenn er selbst noch nicht zu benennen wusste, was das genau war. Er hörte ihr allerdings zu, das konnte sie sehen. Sie hatte es mit ihrer Hartnäckigkeit geschafft, ihm die Geschichte über den ominösen ‚Mord‘ zu erzählen. Doch er öffnete sich noch weiter und beichtete eine weitere Last, die auf seiner Seele ruhte. Denn sein Handeln hatte weitaus größere Konsequenzen, als nur von seiner Heimat verbannt worden zu sein. Und das, was er ihr sagte, schürte noch mehr ihre Betroffenheit. All das Leid, dass er empfand, fußte auf dem falschen Urteil für etwas, was er nicht ansatzweise in böser Absicht getan hatte. Rhuna brauchte eine Pause. Yedan sah ihr nach seiner Bitte nach und zog die Augenbrauen zusammen. Ihre Reaktion verunsicherte ihn für den Bruchteil einer Sekunde, doch er verstand es auch.

Er wandte den Blick von ihr ab, gab ihr die erbetenen Momente und wagte kaum zu atmen, während er auf eine Reaktion von ihr lauschte. Rhuna aber musste das Gehörte verdauen und das, was er ihr aufbürden wollte, überdenken. Endlich erlöste sie ihn. Das leise Klopfen auf das Bett ließ den Halbelfen den Kopf drehen. Er schaute über seine Schulter zu ihr und löste dann langsam seine starre Körperhaltung auf. Yedan folgte dem Wink und ließ sich neben Rhuna auf der Matratze nieder. Abwartend musterten sie die braunen Augen und harrten geduldig aus, bei dem was sie ihm zu sagen hätte. „Yedan, ich…verstehe Faruns Gefühle. Ihm wurde seine Frau auf brutale Weise genommen. Das Glück wurde seinem Leben einfach so entrissen und dadurch verlor er auch noch seine Tochter, die in ihrer Trauer einen falschen Weg einschlug. Ich verstehe ihn aber… es ist falsch von ihm dir all die Schuld zu geben und zu übersehen, was Alyisa aus sich selbst gemacht hat. Zu wem sie geworden war. Er verschließt seine Augen. Denn wahrscheinlich war sein Schmerz schon zu groß, dass er den Gedanken nicht auch noch ertragen konnte, dass sich seine Tochter auf diese Weise von ihm – von allen abwendete. Er schützt ihr Ansehen – er will sie so in Erinnerung behalten, wie sie noch zu Lebzeiten seiner Frau war. Und das… ist völlig verständlich, aber auch völlig falsch! Er schützt sich selbst, denn nur dadurch, dass er dich all die Last und Schuld tragen lässt, kann er auf eine Weise trauern, die es ihm ermöglicht im Leben weiterzugehen. Er hat so seinen Platz im Dorf behalten dürfen, das Ansehen seiner Familie wurde nicht beschmutzt und er hat ein neues Glück mit Lorna finden können. Doch… all das auf deine Kosten! Wenn es das ist… was du willst gehe ich zum Grab deiner Mutter und lege natürlich etwas darauf. Ich gehe auch zu deinem Vater, nur… Verflucht!!! Das ist nicht richtig!!! 20 Jahre sind mehr als genug. Du hast genug gelitten!!! Du hast verdient das Grab deiner Mutter besuchen zu dürfen und auch deinen Vater zu sehen! Werden nicht auch sie bestraft? In jedem Gefängnis dürfen Gefangene Besucher erhalten und dir soll dies verwehrt bleiben? Wer entscheidet darüber? Wir gehen zu ihm und reden mit ihm. Niemand kann dir einen kaltblütigen Mord unterstellen – dafür gab es keine Beweise! Das Urteil muss man aufheben können!!! Zumindest abmildern…!“ Ihre Wut schürte bei ihm ein Lächeln. Er musterte ihr Gesicht und das Glimmen der Wut über die Ungerechtigkeit darin. „Sie dich an, du glaubst du hast keine Stärke, Rhuna. Aber das ist falsch! Ich kann sie sehen…“, murmelte er und hatte schon wieder, selbst in dieser unpassenden Situation, einen gewissen Charme an sich, der sicher nicht nur ihren Kopf in den vergangenen Jahren verdreht hatte.
„Entschieden wird so etwas hier von der Gemeinschaft. Wir haben keine Anführer oder Oberhäupter. Meist sammeln sich für gewisse Vergehen einige Interessierte. Dann wird abgestimmt, unter denen, die anwesend sind. Und das Urteil ist gültig. Wer von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch macht, kann auch das Urteil nicht anzweifeln. Denn jeder wäre berechtigt zu entscheiden. Damals war die Entscheidung einstimmig gewesen…“, erklärte er ihr und wandte den Blick ab, als fiele ihm etwas ein. Er schwieg einen Moment und runzelte dann die Stirn. „Nein.. warte… da war... ein Mann… er,… er war dagegen, mich zu verbannen.“, erinnerte er sich leise und versuchte noch mehr aus seinem Gedächtnis hervorzukramen. „Ich weiß seinen Namen leider nicht mehr.“, meinte er und seufzte. „Vielleicht lebt er hier auch nicht mehr.“, dachte er nach und zuckte die Schultern. Allerdings, wenn doch… wäre das vielleicht eine Möglichkeit, eine neue Entscheidung zu fordern? Könnte es wahrlich gelingen, einfach Stimmen für die Sache zu gewinnen? Für eine Wiederaufnahme Yedans? Konnte es so einfach sein? Nun, einfach vielleicht nicht, aber möglich? „Schütz… nicht immer andere! Gib dich nicht auf und… gib dir die Chance, die sich Farun ebenfalls gegeben hat. Du bist es wert Yedan und hast es verdient einen Schritt vorwärts gehen zu dürfen. Und wenn du dir nicht glaubst, glaube mir. Was… sollen wir tun? Was willst du tun?“, fragte sie nach einem weiteren Appell nach und nun war es der Elf, der eine Weile schwieg und sie nicht ansah. Yedan dachte nach und plötzlich hob er den Kopf und straffte die Schultern. „Ich möchte zu meinem Vater. Und ich möchte das Grab meiner Mutter besuchen!“, entschied er und seine Stimme klang deutlich kämpferischer. Er sah Rhuna nun auch endlich wieder an und… lächelte. Er gewann ein wenig seine Wärme zurück und auch seine charmante Art. Er neigte sich vor und war ihr deutlich näher, als zuvor. Sie könnten einander küssen, wenn Rhuna nur ein wenig die Distanz… nein! Yedan funkelte ihr entgegen und zog verschmitzt den Mundwinkel hoch. „Danke! Durch dich habe ich zumindest die leise Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte.“, murmelte er und richtete sich wieder auf. Dann fiel ihm allerdings ein, dass er sich im Dorf gar nicht bewegen durfte. „Wie gewinne ich die Leute für meine Sache… wenn ich gar nicht hier sein darf?“, sinnierte er laut und seufzte.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 10. Oktober 2022, 17:42

Eigentlich stand es gar nicht zur Frage, ob Rhuna Yedans Bitte erhören würde, oder nicht – natürlich würde sie ihm diesen Gefallen tun. Doch auf der anderen Seite würde sie es ihm von Herzen wünschen, dass er das Grab seiner Mutter selbst besuchen durfte. Er hatte nicht weniger verdient. Die Zeit, die er mit seiner Mutter und seinem Vater hätte verbringen können, würde er nie wiederbekommen. Und im Falle seiner Mutter war es auch schon zu spät neue Momente und Erinnerungen zusammen zu erschaffen.
Für Rhuna war es schwer diese Ungerechtigkeit still hinzunehmen. Nur davon zu hören wühlte sie extrem auf – wie sollte sich der Sarier nur fühlen, der dies über 20 Jahre ertrug und bisher keine Hoffnung auf ein Ende seiner unverdienten Strafe hegen konnte?
Sie war um seinetwillen verletzt und wütend – etwas worin Yedan in ihr eine zweifelhafte Stärke zu erkennen schien.
„Sie dich an, du glaubst du hast keine Stärke, Rhuna. Aber das ist falsch! Ich kann sie sehen…“, bemerkte er leise und zog ihren Blick auf sein Lächeln. Endlich lächelte er wieder und wäre der Grund nicht so traurig, würde ihr Herz einen freudigen Hüpfer machen.
„Ich weiß nicht, ob man das wirklich als Stärke bezeichnen kann…“, gab sie leise von sich und zog ihre Beine aufs Bett, um sich ihm besser zuwenden zu können. Sie sah diesen großen und starken Mann vor sich, den man um so viel gebracht hatte. Es war ein Wunder, dass er sich eine freundliche und hilfsbereite Art hatte bewahren können. War es paradox, dass sie ihn beschützen wollte, wo er dies doch stets tat? Wenn sie könnte würde sie ihn einfach bei der Hand nehmen und fortführen – ihm einen neuen Ort geben, den er Heimat nennen und glücklich werden konnte, doch so einfach war das Problem leider nicht zu lösen. Heimat war bekanntlich dort, wofür das Herz schlug und der Sarier hatte seine Wurzeln wohl nie vergessen können.
Nein, es wäre auch nicht richtig, wenn diese Ungerechtigkeit nicht aufgedeckt werden würde. Doch dafür musste sie wissen, wie mit Verbrechen in diesem Dorf umgegangen wurde.
„Entschieden wird so etwas hier von der Gemeinschaft. Wir haben keine Anführer oder Oberhäupter. Meist sammeln sich für gewisse Vergehen einige Interessierte. Dann wird abgestimmt, unter denen, die anwesend sind. Und das Urteil ist gültig. Wer von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch macht, kann auch das Urteil nicht anzweifeln. Denn jeder wäre berechtigt zu entscheiden. Damals war die Entscheidung einstimmig gewesen…“, erklärte ihr Yedan und machte sie erneut sprachlos – was allerdings nicht lange vorhielt.
„Das… ist nicht dein Ernst! Du erzählst mir jetzt nicht, dass es keine richtige Verhandlung gegeben hat. Ein paar Interessierte haben über dein Urteil abgestimmt?“ Rhuna war fassungslos. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Das Bild, das sich in ihrem Kopf zusammensetzte wurde immer grässlicher. Kein Wunder, dass Yedan verurteilt wurde, wenn niemand ihn im Glauben an seine Unschuld verteidigt hatte oder auch nur versuchte die Beweise mit seiner Version des Tathergangs in Einklang zu bringen. Gab es überhaupt Hoffnung, wenn ein paar Dorfbewohner anhand ihrer eigenen Eindrücke Yedan in die Verbannung geschickt hatten? In ihrer Schläfe begann sich ein Kopfschmerz zu bilden.
„Nein.. warte… da war... ein Mann… er, … er war dagegen, mich zu verbannen… Ich weiß seinen Namen leider nicht mehr. … Vielleicht lebt er hier auch nicht mehr.“, erzählte er tief in Gedanken versunken, woraufhin die Brünette ihren Kopf etwas hob.
„Kannst du dich an die Anderen erinnern? Kennst du ihre Namen? Was war damals mit deinem Vater und deiner Mutter? Waren sie nicht dabei?“, sprudelten ihre Fragen ihm entgegen und sie beugte sich etwas zu ihm vor, als würde sie die Antworten dadurch schneller erlangen.
Es gab eine kleine Hoffnung und Rhuna würde diesen Funken bewahren. Ein Versuch war es allemal wert, denn sonst würde sich nie etwas ändern. Allerdings stand noch immer die Frage im Raum, was Yedan wollte. Es war ein Kampf… und er musste bereit sein noch einmal für sich einzutreten.
„Was… sollen wir tun? Was willst du tun?“, fragte sie daher nach und strich ihm dabei in einer liebevollen Geste eine Strähne hinter sein Ohr. Sie sah in seinen Augen, dass er kurz darüber nachdachte, doch sie hatte es wohl geschafft, dass der Hoffnungsfunke auch in ihm erneut aufgeflackert war.
„Ich möchte zu meinem Vater. Und ich möchte das Grab meiner Mutter besuchen!“, sagte er mit einer Entschiedenheit, die die junge Elfe zum Lächeln brachte. Zustimmend nickte sie und hätte sich in seinem Anblick verlieren können, hätte er sich nicht sehr nah zu ihr vorgebeugt, was sie eine Sekunde aus dem Konzept brachte. Rhunas Blick wanderte von seinen Augen zu seinen Lippen, die ein verschmitztes Lächeln zierte.
„Danke! Durch dich habe ich zumindest die leise Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte.“ Die Worte erleichterten ein wenig ihr Herz. Noch immer hatten sie keinen Plan, noch immer keinen Ansatz oder Lösungsvorschläge. Aber er hatte etwas Mut gefasst und schien seine ‚Schuld‘ nicht weiter ohne einen Mucks hinzunehmen. Das war für Rhuna schon unheimlich viel wert.
„Wie gewinne ich die Leute für meine Sache… wenn ich gar nicht hier sein darf?“, stellte er leise die Frage, woraufhin sie seine Hand nahm sanft drückte. Auch die Elfe dachte darüber nach, denn das Kernproblem, dass er nicht im Dorf sein durfte, wog schwer und war hinderlich.
„Fällt dir niemand ein, mit dem wir reden und vielleicht einen Antrag stellen können, dass dein Fall neu betrachtet wird?“, fragte sie leise und mit Blick auf ihre miteinander verschränkten Hände. Die andere Option, die ihr einfiel stieß nicht uneingeschränkt auf ihre Begeisterung.
„… wenn sie dich nicht im Dorf dulden … werde ich jeden Tag herkommen und alles versuchen, um die Personen zu finden, die dich damals verurteilt haben. Ich sammle Informationen und… tue alles, damit die Leute das Urteil in Frage stellen. Allerdings… befürchte ich, wird Farun sich sofort einschalten, wenn er davon hört. Es wird auffallen, wenn ich jeden Tag nur herkomme, um Fragen zu stellen.“, gab sie leise zu bedenken. Ein Gedanke weiter und ihre Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. „Es ist nicht so, dass ich mich davor scheue Farun gegenüberzutreten, aber ich mache mir Sorgen, dass er die anderen Dorfbewohner beeinflusst…!“ Trauer konnte einen Betroffenen blind für die Wahrheit machen und das schien bei Farun der Fall zu sein. Zumindest befürchtete Rhuna dies. Ihr Griff um seine Hand verstärkte sich, ohne dass sie es selbst mitbekam.
„Ich bin nur eine Fremde und habe eigentlich kein…“ Rhuna stockte kurz, dann färbten sich ihre Wangen rot und sie verfiel für einen Moment in Schweigen. Nein, nein, nein. Die Idee, die sich gerade in ihren Kopf gemogelt hatte war dumm und unsinnig. Das würde nie etwas bringen! Oder... doch?
„Ich …“, begann sie und schob den Einfall, der sie zum Erröten brachte vorerst schnell zur Seite.
„Denkst du … es wäre besser, wenn ich hierbleibe, wenn sie dir nicht gestatten ebenfalls zu verweilen?“, fragte sie und hob den Blick. Der Gedanke sich von ihm zu trennen, auch wenn es für ihn war, gefiel ihr nicht wirklich. Es war wahrscheinlich absurd, aber der Gedanke, dass er alleine wieder in den Wäldern schlafen musste, stieß gänzlich auf ihren Widerwillen.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 11. Oktober 2022, 23:43

„Das… ist nicht dein Ernst! Du erzählst mir jetzt nicht, dass es keine richtige Verhandlung gegeben hat. Ein paar Interessierte haben über dein Urteil abgestimmt?“ Yedan hob die Schultern und sah Rhuna fragend an. „Nun… doch? So wird das hier gehandhabt. Wir sind eine Gemeinschaft und niemand stellt sich über die anderen. Es gibt keine höhere Instanz, außer die Götter selbst. Und wir handhaben es so.“, erklärte er ihr. Es musste wahrlich seltsam anmuten, doch jede Kultur hatte eben ihre eigenen Sitten. Ebenso war es für jemanden wie Yedan sicher nicht verständlich, wieso das Volk der Shyáner sich aus allem heraushielt. Es ließ sich wohl streiten, welche Vorgehensweise nun die bessere wäre. „Kannst du dich an die Anderen erinnern? Kennst du ihre Namen? Was war damals mit deinem Vater und deiner Mutter? Waren sie nicht dabei?“ Yedan sah wieder zur Seite und versuchte sich zu erinnern. Es dauerte einen Moment, bevor er wieder sprach: „Meine Eltern waren nicht dabei. Sie erfuhren von dem Vorfall erst, als das Urteil bereits gesprochen wurde. Du… du musst verstehen, dass hier diese Dinge einfach anders laufen, Rhuna. Es findet keine Verhandlung statt und wer gerade vorbeikommt und sich dazugesellt, der hört sich die beiden Vorträge an und stimmt ab oder enthält sich. Meine Eltern waren beschäftigt und hatten keine Ahnung davon. Das mag unbeschreiblich sein für dich, aber so ist es.“, schilderte er weiter und rieb sich kurz über das Gesicht. „Die anderen… nein, nicht so richtig. Es waren Farun, Korelian – ein Holzfäller, menschlich, und zwei Frauen. Wer die waren, weiß ich nicht mehr. Dazu dann der Mann, der gegen Farun gestimmt hatte. Ich… ich erinnere mich einfach nicht mehr an seinen Namen. Las… Lospan? Lasman… Gartan? Ich weiß es wirklich nicht.“, seufzte er und verzog kurz das Gesicht. Es entstand eine kurze Pause, bis sie ihm die Frage nach seinem Wunsch stellte. Daraufhin erleichterte er sie ein wenig, weil er neuen Kampfgeist zu entwickeln schien. Doch das Kernproblem blieb: Wie sollte Yedan für seine Sache kämpfen, wenn er das Dorf nicht betreten durfte? Sobald er die Tür zu Farun’s Haus verließ, würde er zurück in die Wälder kehren müssen. „Fällt dir niemand ein, mit dem wir reden und vielleicht einen Antrag stellen können, dass dein Fall neu betrachtet wird?“ Er lächelte sachte und drückte ihre Hand ebenfalls. „Alles, was wir tun könnten, wäre, dass man von Tür zu Tür ginge und die Leute um ihre Meinung bittet. Man müsste die Geschichte erzählen… und sagen, dass man eine Abstimmung erreichen wollte, die mich rehabilitiert. Aber Rhuna, das alles wird so unfassbar schwierig werden. Denn kaum einer will die alten Geschichten aufleben lassen. Farun ist sehr angesehen, wie du selbst bereits bemerkt hast. Und er wird nicht bereit sein, das Antlitz seiner Tochter entehrt zu wissen… Wenn man bloß Beweise finden könnte, für ihr Tun. Für das, was Alyisa getan hatte. Wenn man zum Beispiel…“. Er stockte mit einem Mal und brach den Blickkontakt ab. In seinem Gesicht zeichnete sich Schmerz aber auch ein gewisser Kampfwille ab. „…man müsste beweisen, dass Alyisa schwarze Magie angewandt hat.“, er hob den Kopf wieder und wagte kaum, Rhuna anzusehen.
„Weißt du, welche Magie der Gegenspieler der Schattenmagie ist?“, fragte er sie auf einmal und sah sie vielsagend an. „Lichtmagie…“, nickte er und hob beide Augenbrauen, die vielsagend sein sollten. „Avalinn könnte mit Sicherheit Spuren der Schattenmagie an Alyisa erkennen…“, seine Stimme war leise geworden, denn das, was er da vorschlug, war wirklich ungeheuerlich. Es wäre Frevel die Ruhe der Toten zu stören. Das wusste auch Yedan, doch seine Verzweiflung und Rhuna’s Appell an seiner Unschuld, weckten in ihm den Wunsch, es wirklich zu versuchen. Er hatte Hoffnung, dass er womöglich endlich zurückkehren dürfte. Wenn er das überhaupt wollte, nach allem. Doch vorerst war es ihm wichtig, dass er seinen Vater besuchen dürfte. Lorna hatte angedeutet, dass es ihm nicht so gut ging. Sein Vater würde alt sein und sicherlich irgendwann versterben. Dann hätte er auch diese Gelegenheit, ebenso wie bei seiner Mutter verpasst. Es ging um nichts Geringeres, als seine Familie und sein Seelenheil. Doch Rhuna spann ihre ganz eigenen Ideen. Und diese waren ebenso hilflos und verzweifelt, wie Yedans. Doch Rhuna traute sich nicht, ihre auszusprechen, weshalb sie eine andere mit ihm teilte: „Denkst du … es wäre besser, wenn ich hierbleibe, wenn sie dir nicht gestatten ebenfalls zu verweilen?“ Der Jäger ließ seine Handflächen einmal über seine Oberschenkel gleiten. „Ich denke, du solltest sehen, was du herausfindest. Und … ich werde auf dich warten.“, begann er und es fiel auch ihm offenbar nicht so leicht, sie um das zu bitten und sie dafür einzuspannen. „Ich kann dir nicht sagen, wie du es tun solltest… Und Rhuna, ich weiß, dass ich viel von dir verlange. Ich… es tut mir so leid, dass du dich nun damit belastet siehst. Es wäre gewiss nicht deine Bürde.“, murmelte er gedankenverloren. Es schien ihm gerade bewusstzuwerden, was er da eigentlich anschob. Yedan schüttelte den Kopf und erhob sich vom Bett. „Nein, weißt du was… Vergiss das Ganze! Wir sind hergekommen, um dir einen Bogen zu schnitzen. Das sollten wir tun. Du… du bist weder für mich noch meine Familie verantwortlich und ich möchte dir das wirklich nicht zumuten. Du hast dein Ziel vor Augen – verlier das jetzt nicht meinetwegen.“, meinte er ernsthaft und stellte Rhuna damit vor eine Wahl. Entweder, sie nahm das eigentliche Angebot an und würde einen Bogen erhalten, damit er ihr zeigte, wie man damit umging. Oder aber sie nahm das Schicksal an und rettete ihren Jäger vor seiner Einsamkeit. Yedan würde ihr sicher keinerlei Vorwürfe machen, sollte sie ersteres wählen. Er glaubte fest daran, dass das seine Bürde war und sie ihm das nicht schuldig ist. Gleichwohl hatte er ihr einige Hinweise gegeben, die sie vielleicht hoffen ließen, dass sie handlungsfähig blieb. Dann aber – vorerst – allein. Sie brauchte Verbündete. Und wen kannte sie, der ihr gewiss helfen könnte?
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 12. Oktober 2022, 18:46

Natürlich hatte jedes Volk seine eigenen Sitten und Gebräuche und natürlich auch seine eigene Rechtsprechung. Und normalerweise würde sich Rhuna jeglichen Kommentar darüber verkneifen, da es sie, als Außenstehende nicht wirklich betraf, wie etwas im Waldmenschendorf geregelt wurde. Doch in diesem Fall stieß sie sich natürlich daran, denn Yedan war der Leidtragende. Die Vorgehensweise war für sie nicht nachzuvollziehen, da eine simple Abstimmung dafür gesorgt hatte, dass Yedan seiner Familie, seinen Freunden und seiner Heimat entrissen worden war. Man hatte ihn völlig entwurzelt und sich selbst überlassen. Konnte dies gerecht sein?
Anhand Yedans Stimme erkannte sie, dass für ihn dieses Verfahren der Norm entsprach und nicht angezweifelt wurde. Von daher hielt sich die Elfe etwas zurück, doch ihr Blick, wie auch die gerunzelte Stirn sprachen Bände. Alles ergab keinen Sinn. Die Waldmenschen und Elfen waren als Volk bekannt, die eine starke Gemeinschaft pflegten und füreinander sorgten. Wie hatte es im Fall von Yedan nur so schiefgehen können?
„Meine Eltern waren nicht dabei. Sie erfuhren von dem Vorfall erst, als das Urteil bereits gesprochen wurde. Du… du musst verstehen, dass hier diese Dinge einfach anders laufen, Rhuna. Es findet keine Verhandlung statt und wer gerade vorbeikommt und sich dazugesellt, der hört sich die beiden Vorträge an und stimmt ab oder enthält sich. Meine Eltern waren beschäftigt und hatten keine Ahnung davon. Das mag unbeschreiblich sein für dich, aber so ist es.“, erklärte er ihr noch einmal, woraufhin sie die Lippen schürzte. Dieses System war ihr wirklich fremd und wirklich akzeptieren konnte sie es nicht. Aber sie musste sich zumindest an die Regeln halten, wenn sie erreichen wollte, dass ihr Freund rehabilitiert wurde. Von daher sagte sie nichts – zumindest nicht mit Worten.
„Die anderen… nein, nicht so richtig. Es waren Farun, Korelian – ein Holzfäller, menschlich, und zwei Frauen. Wer die waren, weiß ich nicht mehr. Dazu dann der Mann, der gegen Farun gestimmt hatte. Ich… ich erinnere mich einfach nicht mehr an seinen Namen. Las… Lospan? Lasman… Gartan? Ich weiß es wirklich nicht.“ Seufzend schien Yedan aufzugeben in seinen Gedanken nach dem Namen zu suchen. 20 Jahre waren eine lange Zeit.
„Du bist eindeutig nicht so nachtragend, wie ich. Ich glaube nicht, dass ich die Namen derer vergessen hätte, die mich verurteilt haben…!“, merkte Rhuna an und stand auf, um zum Fenster zu gehen. Sie lehnte sich an den Rahmen und ließ ihren Blick hinausgleiten, beobachtete die Leute, die such dort unten tummelten. Wie konnte sie die Leute nur dazu bringen ihr zuzuhören und Glauben zu schenken? Sie war kein Teil der Gemeinschaft und die Bewohner würden sie als Außenstehende mit Argwohn betrachten – als jemand Fremdes, der sich in Dorfbelange einmischte, die ihn nichts angingen. Erneut schlich sich der Einfall in ihr Bewusstsein, den sie vorhin erst beiseitegeschoben hatte. Es wäre eine Lüge! Doch die Brünette musste sich eingestehen, dass sie einer Lüge nicht so abgeneigt gegenüberstand, wie man es von ihr wohl erwarten würde, solange diese einen Zweck erfüllte. Doch in diesem Fall… nein – sie mussten einen Weg gehen, der so wenig Risiken, wie möglich beinhaltete. Sollte die Lüge auffallen, so unbedeutend sie für ihre Augen auch gewesen wäre, würde das ein zweifelhaftes Licht auf sie und Yedan werden.
„Alles, was wir tun könnten, wäre, dass man von Tür zu Tür ginge und die Leute um ihre Meinung bittet. Man müsste die Geschichte erzählen… und sagen, dass man eine Abstimmung erreichen wollte, die mich rehabilitiert. Aber Rhuna, das alles wird so unfassbar schwierig werden. Denn kaum einer will die alten Geschichten aufleben lassen. Farun ist sehr angesehen, wie du selbst bereits bemerkt hast. Und er wird nicht bereit sein, das Antlitz seiner Tochter entehrt zu wissen… Wenn man bloß Beweise finden könnte, für ihr Tun. Für das, was Alyisa getan hatte. Wenn man zum Beispiel…“ Die Elfe hatte ihm schweigend zugehört und ihm ihren Blick wieder zugewandt. Doch nun geriet er ins Stocken und schien einen Einfall zu haben. Den Schmerz, der in seinem Gesicht ablesbar war, konnte Rhuna nicht sofort zuordnen. Doch noch bevor sie nachfragen konnte, nahm er den Faden des Gesprächs wieder auf und fuhr mit seinem Vorschlag fort.
„…man müsste beweisen, dass Alyisa schwarze Magie angewandt hat.“, ergänzte er seinen Satz, woraufhin sie nickte. Erneut sah sie hinaus und ihr Blick fiel auf den toten Baum. Würde man die Geschehnisse von damals nur irgendwie sichtbar machen können? Doch ihr fiel kaum eine Möglichkeit ein. Sie hatte von Schamanen gehört, die die Geister befragen konnten, doch sie selbst war noch nie einem begegnet. Ob es im Dorf einen gab? Und würde ein Schamane ihnen helfen können? Die Elfe bemerkte nicht, wie sich in Yedans Kopf eine andere Idee bildete und ihn davon abhielt sie weiter anzusehen.
„Weißt du, welche Magie der Gegenspieler der Schattenmagie ist?“, fragte er auf einmal und zog so wieder ihre Aufmerksamkeit zu sich. „Lichtmagie!“, antwortete Rhuna und veränderte ihre Position, indem sie ihr Gewicht etwas verlagerte und nun mit dem Rücken an der Wand lehnte. Dennoch sah sie weiterhin zu ihm. Ob Avalinn ihnen helfen könnte? Sie könnten vielleicht zum Baum gehen und -
„Avalinn könnte mit Sicherheit Spuren der Schattenmagie an Alyisa erkennen…“, erklang Yedans Stimme und unterbrach ihren Gedankengang. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. Und im ersten Moment wusste Rhuna nicht so recht weshalb, bis sie die wahre Bedeutung seiner Worte auch bewusst erkannte. Ihr Blick weitete sich und sie sog die Luft ein, die mit einem Mal in ihrer Brust festzuhängen schien.
„Nein…- Nein! Das können wir nicht machen.“, stieß sie hervor, obwohl die den Zweck verstand. Nüchtern betrachtet wäre es… eine Möglichkeit. Doch niemand würde dies akzeptieren, geschweige denn unterstützen. Und selbst wenn sie es im Geheimen täten und nicht erwicht werden würden – wie sollten sie argumentieren, wenn sie tatsächlich Spuren an Alyisa finden würden?
„Yedan, wenn wir das machen verurteilen sie dich dieses Mal vielleicht wirklich zum Tode!“ – großes Vertrauen in diese Gemeinschaft hatte sie zumindest nicht.
„Und ich dachte meine Idee wäre schon fragwürdig…!“, huschten die Worte gemurmelt über ihre Lippen. Ihr Blick in seine Augen nährte ihre Verzweiflung, wie die Luft das Feuer. Sie wollte nicht, dass der Funke der Hoffnung, den er gerade erst wiedergewonnen hatte, bereits wieder erlosch. Sie sah in diesem wunderschönen Braun die Sehnsucht nach einer Chance seinen Vater besuchen zu können – sein Leben vielleicht zurückzubekommen. Doch gab es nur diesen Weg? Ihnen musste noch mehr einfallen!
„Ich denke, du solltest sehen, was du herausfindest. Und … ich werde auf dich warten. Ich kann dir nicht sagen, wie du es tun solltest… Und Rhuna, ich weiß, dass ich viel von dir verlange. Ich… es tut mir so leid, dass du dich nun damit belastet siehst. Es wäre gewiss nicht deine Bürde.“, murmelte er gedankenverloren und schien bereits dabei zu sein sich ihr Vorhaben, ihn zu rehabilitieren, wieder auszureden. Es war in seinem Gesicht ablesbar und kaum, dass er sich vom Bett erhob – trat der Fall auch ein: „Nein, weißt du was… Vergiss das Ganze! Wir sind hergekommen, um dir einen Bogen zu schnitzen. Das sollten wir tun. Du… du bist weder für mich noch meine Familie verantwortlich und ich möchte dir das wirklich nicht zumuten. Du hast dein Ziel vor Augen – verlier das jetzt nicht meinetwegen.“, sagte er, ohne sie noch einmal groß anzusehen. Er zeigte ihr nicht zum ersten Mal diese Seite an ihm. Und es war eine Seite, die in ihr kein Herzklopfen oder weiche Knie verursachte. Ganz im Gegenteil.
„Ist gut!“, sagte sie plötzlich mit einer Tonlage, als hätten sie über die Auswahl fürs Abendessen diskutiert. „Lass uns das alles vergessen. Es ist immerhin nichts Wichtiges!“, fuhr sie fort. Ihre Stimme ließ noch immer nicht erkennen, dass sie nicht ernsthaft meinte, was sie sagte, doch ihr Blick, der sing verärgert verengte, sprach eine ganz andere Sprache. Sie verschränkte ihre Arme vor sich, was ihre Wut noch hätte unterstreichen können, doch es war mehr eine verletzte Geste.
„Für wen hältst du mich eigentlich? Ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen, aber ich hatte wirklich den Eindruck du hättest… wie Pharus erkannt, wie ich wirklich bin. Wer ich bin!!!“ Ja, eigentlich hatte sie bisher geglaubt, dass Yedan die Rhuna in ihr gefunden hatte, die sie stets unterdrückt hatte und die sie auch nach außen hin sein wollte. Doch die Elfe schien sich getäuscht zu haben. Und das… tat weh.
„Du hast recht, dass ich ein Ziel vor Augen habe. Ich habe Pharus mein Wort gegeben seinen Sohn zu finden und ihm seine letzten Worte mitzuteilen, indem ich ihm seinen Brief aushändige. Ich bin aufgebrochen, weil ich wissen und lernen will, was sich außerhalb der Mauern von Shyàna Nelle abspielt. Ich will herausfinden, ob Pharus Warnungen vor den Dunkelelfen und der Lage Celcias so gewichtig sind, wie ich es empfunden habe – und sie keine übertriebenen Seemannsgeschichten sind, wie es die anderen meines Volkes sehen. Ich bin los um… diese unerträgliche Unruhe in mir loszuwerden, die mich seit Jahrzehnten innerlich zerfrisst.“, Rhunas Fingerknöcheln färbten sich weißlich, je stärker ihr Griff um ihre Oberarme wurde.
„Ich habe mein Zuhause übereilt und nicht gut durchdacht verlassen. Das ist mir mittlerweile klargeworden. Die letzten Tage haben mich dies gelehrt. Aber nur so bin ich dir begegnet. Du hast mich gefunden und mir, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, deine Hilfe angeboten. Du wärst deshalb beinahe gestorben!“, sagte sie entrüstet und doch wieder ein wenig aufgewühlt, mit sichtlichem Horror bei der Erinnerung an seinen halbtoten Zustand.
„Die letzten Tage waren für mich so lang und ereignisreich, wie es kaum die letzten Jahre waren und ich… habe in dir einen Freund gefunden, den ich nicht mehr missen möchte.“, beichtete sie, obwohl sie sich im Klaren darüber war, dass er weitaus mehr und stärkere Gefühle in ihr hervorrief, als nur reine Freundschaft.
„Wir waren füreinander da - sind es … zumindest dachte ich bisher, dass du ebenfalls so empfindest.“ Ihr Blick, der vor sich gen Boden gerichtet war hob sich langsam und sie sah ihn erst in diesem Moment wieder an. Noch immer schienen seine Worte sie verletzt zu haben. Doch sie war noch nicht fertig mit dem, was sie ihm sagen wollte.
„Obwohl die letzten Tage nicht immer schön waren, habe ich das erste Mal das Gefühl die zu sein, die ich sein will. Meine Ziele haben sich nicht verändert: Ich werde nach Santros gehen und Bjòrg finden. Ich finde heraus was in Celcia vor sich geht und, ob ich Angst vor den Dunkelelfen und um meine Heimat haben muss. Aber… das heißt nicht, dass nicht etwas dazwischenkommen kann. Meine Ziele liegen in keinem festgelegten Zeitfenster und … wer wäre ich, wenn ich meinem Freund nicht helfen würde, wo ihm so viel Unrecht angetan wurde?“ Rhuna war in der Tat eine sehr treue Seele, wenn sie jemanden einmal in ihr Herz geschlossen hatte. Noch dazu hasste sie Ungerechtigkeiten und in Yedans Fall, konnte sie diese kaum ertragen.
„Ich habe nie groß eigene Entscheidungen getroffen und nicht selten ein schlechtes Gefühl dabei gehabt, weil ich anders gehandelt hätte, hätte ich nur die Möglichkeit dazu ergriffen. Nun: Ich entscheide mich jetzt dafür einfach noch ein Ziel mehr zu haben und das ist, dir zu helfen!“ Und von dieser Entscheidung würde weder Yedan, noch jemand anderes sie abbringen können.
Ihre Sturheit loderte in ihrem Blick, auch wenn ihre Ansprache sie doch ein wenig Verlegen gemacht hatte. Dennoch … die stieß sich sanft von der Wand ab und ging zu ihm. So klein sie gegen ihn war baute sie sich vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften.
„Ich bleibe hier und wehe ich höre noch ein Wort davon, dass du mir etwas aufbürdest oder mich mit deinen Angelegenheiten belastest. Mich belastet, was man dir angetan hat! Und noch etwas: Ich kann deine selbstlose Art langsam nicht mehr leiden! Denk gefälligst etwas mehr an dich und an das, was du willst!“ Und damit schloss sie ihre Standpauke, die sie dem Halbelfen aufgezwungen hatte.
Rhuna wusste wirklich noch nicht, wie sie es angehen sollte, Yedans Ruf wieder reinzuwaschen. Doch sie wusste, dass sie es versuchen würde – mit allen Mitteln, auch wenn sie alleine dastand, denn Yedan selbst waren noch ziemlich die Hände gebunden. Aber stand sie denn alleine da? Vor ihren Augen tauchte Lorna auf, doch so sehr diese ebenfalls zu hoffen schien, dass Yedan ‚verziehen‘ wurde, war sie noch immer Faruns Frau und das letzte, was Rhuna wollte war die Ehe der beiden zu belasten. So falsch sie Faruns Ansichten auch fand und im Wissen, dass er ihr größtes Hindernis sein würde, sie verstand seinen Standpunkt und die Trauer, die er verspürte. Er war kein schlechter Mann, zumindest glaubte sie dies nicht. Von daher … sollte sie Lorna vorerst nicht mit in ihren Kampf hineinziehen. Doch wen könnte sie sonst bitten? Avalinn … Kaja und ja, auch Ajaks Gestalt schlich sich vor ihre gedanklichen Augen. So krieselig der Anfang zwischen ihnen auch gewesen war – insgeheim hegte Rhuna wohl die größte Hoffnung den Jäger irgendwie überzeugen und für ihre Seite gewinnen zu können… wieso auch immer.
Rhunas Violett lag auf Yedans Gesichtszügen, als sie abwartete, wie er auf ihre Standpauke reagieren würde. Das Schlimmste wäre, wenn er die Hoffnung wirklich verloren hätte…

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 12. Oktober 2022, 22:35

Not machte selbst die reinsten Seelen verzweifelt. Irgendwann unterschied man sich nur noch von Wahnsinnigen darin, wie weit man wirklich bereit war zu gehen. Yedan und Rhuna jonglierten lediglich im Geheimen mit Ideen, doch würde Rhuna ihre Idee wirklich in Betracht ziehen? Und Yedan? Würde er wirklich eine Exhumierung anstreben, damit seine Seele Frieden fand? Was wäre mit Alyisa’s Frieden? Nein. Der Jäger würde sich nicht über das Heil anderer stellen. Und das war es, was Rhuna endgültig wütend machte. Ihre Standpauke hatte sich gewaschen und Yedan starrte die Elfe blinzelnd, aber mucksmäuschenstill an. „Für wen hältst du mich eigentlich? Ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen, aber ich hatte wirklich den Eindruck du hättest… wie Pharus erkannt, wie ich wirklich bin. Wer ich bin!!!“, warf sie ihm vor und Yedan öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch sie ließ ihn nicht. Wie ein Fisch auf dem Trockenem klappte er seinen Mund wieder zu und ließ sie weitersprechen. „Wir waren füreinander da - sind es … zumindest dachte ich bisher, dass du ebenfalls so empfindest.“ Er trat einen Schritt auf sie zu, während sie die Staubkörner am Boden zählte. Erst, als sie wieder zu ihm aufsah, blieb er stehen. „Obwohl die letzten Tage nicht immer schön waren, habe ich das erste Mal das Gefühl die zu sein, die ich sein will. Meine Ziele haben sich nicht verändert: Ich werde nach Santros gehen und Bjòrg finden. Ich finde heraus was in Celcia vor sich geht und, ob ich Angst vor den Dunkelelfen und um meine Heimat haben muss. Aber… das heißt nicht, dass nicht etwas dazwischenkommen kann. Meine Ziele liegen in keinem festgelegten Zeitfenster und … wer wäre ich, wenn ich meinem Freund nicht helfen würde, wo ihm so viel Unrecht angetan wurde? Ich habe nie groß eigene Entscheidungen getroffen und nicht selten ein schlechtes Gefühl dabeigehabt, weil ich anders gehandelt hätte, hätte ich nur die Möglichkeit dazu ergriffen. Nun: Ich entscheide mich jetzt dafür einfach noch ein Ziel mehr zu haben und das ist, dir zu helfen!“ Sein Kehlkopf hüpfte, als er schluckte. Ihre Energie zwang ihn dazu, sich nicht weiter zu rühren und er brauchte einen Moment, um sich gegen den Sturm, der da auf ihn niederging zu erwehren. Ihre Bewegung aber ließ ihn für einen Moment zucken, dann richtete er sie mehr und mehr zu seiner Größe auf, während sie sich mit den Händen in den Hüften vor ihm positionierte. Der Jäger sah mit hellem Blick auf sie herab, doch keine Spur von Überheblichkeit oder verachtende Heiterkeit lag darin. Schwer zu deuten war sein Blick, allerdings gab er ihr den Raum, den sie sich einforderte: „Ich bleibe hier und wehe ich höre noch ein Wort davon, dass du mir etwas aufbürdest oder mich mit deinen Angelegenheiten belastest. Mich belastet, was man dir angetan hat! Und noch etwas: Ich kann deine selbstlose Art langsam nicht mehr leiden! Denk gefälligst etwas mehr an dich und an das, was du willst!“ Stille. Diese Standpauke saß aber ordentlich. Der Angesprochene starrte die kleinere Elfe regelrecht an und schien für die Sekunden, nachdem sie geendet hatte, um eine Antwort verlegen zu sein. Erneut klappte dann sein Mund auf, weil er endlich etwas sagen wollte, als er erneut daran gehindert wurde.

Jubel drang von außerhalb der Tür herein und auf einmal klatschte jemand Beifall. Pfiffe ertönten, dann flog die Tür auf. Im Rahmen standen Kaja und Ajak und zumindest Kaja grinste bis über beide Ohren. Die Rothaarige Elfe mit den vielen Sommersprossen hatte die Hände in die Hüften gestemmt und feixte. Ajak hingegen stand etwas skeptisch nebendran und musterte Yedan argwöhnisch. Der Jäger indes starrte die Geschwister fragend an. „DU bist also Yedan.“, schwatzte Kaja los und trat einfach ein. Ajak zierte sich, sodass seine Schwester ihn packte und ungeduldig hineinzog. Sie schloss die Tür mit einem gutgemeinten Schwung und setzte sich unverblümt auf den Stuhl neben dem Tisch und schwang die Beide auf diesen. „So. Dann erzählt mal. Wie stellen wirs an?“, meinte sie als müssten Rhuna und Yedan wissen, wovon sie eigentlich sprach. Ajak hustete leise. „Kaaaajaaa…. Geht’s noch?! Du kannst doch nicht einfach – ich meine-“, er deutete mit dem Kopf in Richtung Tür und machte offensichtliche Zeichen. „Könnten wir das wenigstens mal kurz besprechen?!“, forderte er und sprach etwas durch die Zähne. Kaja zuckte mit den Schultern. „Was willst du denn besprechen du Holzkopf? Wir starten hier die Aktion ‚Rettet Rhuna’s Liebe'… eh nee, warte…. ‚Rettet den Verdammten…‘ oder.. ‚Rettet die Seele des Vergessenen‘ oder..“ „KAJA!“, rief Ajak und schnaufte genervt. „Rettet Yedan?“, meinte sie kleinlaut und feixte erneut. Der Jäger blinzelte von einem zum anderen und warf Rhuna einen fragenden Blick zu. Kaja war aber noch nicht fertig. „Also Rhuna. Wir haben allllles mit angehört. Schöner Vortrag! Wirklich – du solltest Bürgermeisterin werden. Nicht hier, ist ja klar, aber irgendwo. Du wärst super im Amt, da bin ich mir sicher!“, schnatterte die rothaarige Jägerin weiter und grinste breit, dass sich ihre Sommersprossen nur so verzogen. Ajak klatschte sich mit der flachen Hand gegen das Gesicht und seufzte. „Rhuna? Yedan? Kaja hat beschlossen, euch zu helfen. Also. Was können wir tun?“, meinte er entnervt. Offenbar war seine Schwester schon immer die impulsive, neugierige und zeitweise nervtötende von ihnen. Während Ajak vermutlich nicht ganz so begeistert war, denn er schien noch etwas konservativer und vertrat die Werte der Waldmenschen eher und mit Nachdruck.
Der hochgewachsene Elf überragte Yedan sogar um einen halben Kopf. Er war, im Vergleich zum Halbelfen, etwas feiner in seinen Zügen, wirkte eleganter und hatte zwar einen trainierten, aber nicht so muskulösen Körper, wie Yedan. Dass er der Bruder von Kaja war, konnte man kaum an optischen Reizen festmachen. Wo man Kaja das Wilde ansehen konnte, war Ajak eher schlicht. Er hatte blonde und kurze Haare, eine ebenmäßige Haut und dunkelbraune Augen. Dennoch hatte auch er etwas an sich, vielleicht auch gerade wegen des Konservativen. Mit geradem Rücken und den Händen vor der Brust verschränkt, musterte er den Halbelfen abschätzend. Yedan aber blickte von einem zum anderen. „Ihr wollt uns helfen?“, hakte er zweifelnd nach und erntete von Ajak ein Schnauben und von Kaja ein „Aber klar!“. Die beiden waren deutlich jünger und doch waren es Verbündete. Wobei Ajak wohl noch mehr Überzeugung benötigte. Sein Blick ruhte mit einem Mal auf Rhuna. Eindringlich und fordernd war er. „Bist du dir sicher, dass du dir das gut überlegt hast?“, wollte er von ihr wissen und in seinem Blick flammte so etwas wie Besorgnis auf, die aber nur kurz hielt. Kaja nahm Rhuna die nächste Standpauke ab. „Hast du nicht zugehört?! Hat sie doch gerade gesagt. Jetzt hör auf Zeit zu verschwenden.“, meinte sie und erhob sich. Sie klatschte in die Hände und rieb diese dann aneinander. „Jetzt lasst uns mal einen Plan schmieden.“, tat sie verschwörerisch und kratzte sich die Nase. „Also. Yedan’s Schnuckelchen fühlte sich von der dunklen Magie angezogen. Sie verdarb ihre Seele, zerfraß ihren Heiligenschein und …“ „Kaja!“, ermahnte Ajak sie und sah sie entgeistert an. Kaja blickte von einem zum anderen und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid… reichlich pietätlos… Ehm.. also.. was ich meine…“ – Yedan grinste kurz. Offenbar war die seltsame Art der Geschwister etwas, was durchaus die Stimmung zu lockern wusste – „Naja die Vorgeschichte kennen wir ja nun. Wir müssen also dafür sorgen, dass Rhuna im Dorf ungehindert Gehör findet und Farun nichts mitbekommt. Während Yedan das Weite suchen muss.“, brachte sie die Tatsachen auf den Punkt und offenbarte, dass sie bereits eine ganze Weile gelauscht haben mussten.

Dann sah sie Ajak an. „Du wirst Rhuna begleiten. Du zeigst ihr, wo sie Avalinn findet – falls sie die Lichtmagierin braucht. Und… ehm.. dann hm.. wo fangen wir an… Wir könnten mal mit der alten Nadilli sprechen – die kennt jeden hier und kann sich bestimmt erinnern. Und eh… Ajak, du bringst Rhuna dann zur Taverne. Irgendwann muss man ja mal was essen, nicht wahr?!“, meinte sie überschwänglich und sah jeden nach der Reihe an. „Irgendwelche Fragen?!“, stellte sie in den Raum und Yedan blickte sie an. „Warum?“, meinte er und wartete geduldig. Kaja blinzelte. Blinzelte noch mal und sah hilfesuchend zu Ajak. „Wie warum? Weils Spaß macht, weil Rhuna dir den Hintern gerettet hat und weil es hier zum Sterben zu langweilig ist!“, meinte sie, zuckte die Schultern und rauschte, die Tür öffnend, von der Bühne. Wie vom Donner gerührt, standen Yedan, Ajak und das kleine Eon – Jún – da und starrten dem Rotschopf nach. Ajak war der erste, der sich rührte. Er bedachte Yedan mit einem prüfenden Seitenblick. „Ich hoffe, wir bereuen es nicht.“, meinte er nur und folgte daraufhin seiner Schwester. Im Türrahmen blieb er stehen und wandte sich zu Rhuna um. „Kommst du?“, fragte er und sah den Flur entlang. „Lorna hat Farun weggelotst. Keine Sorge.“, versicherte er ihr und lächelte sie sogar kurz an. Dann wurde er wieder ernst und blickte zum Halbelfen. „Du wirst dich wohl zurückziehen müssen. Wir tauschen später aus, was wir erreichen konnten.“ Er sah von Yedan zu Rhuna. „Verabschiedet euch – vorerst.“, verlangte er und würde wohl draußen vor dem Haus, auf Rhuna warten.
Yedan wandte sich der Elfe zu, als sie endlich wieder allein waren. Sein warmer Blick wirkte etwas erheitert, ob des Überfalls. „Sie scheinen nett zu sein. Wobei… Ajak wäre wohl lieber woanders…“, lächelte er leicht und wurde etwas ernster. Yedan zögerte einen Moment, dann nahm er Rhuna einfach in den Arm und drückte sie sanft an sich. „Danke..“, hauchte er und in seiner breiten Brust brummte es. „Natürlich sind wir Freunde. Und füreinander da. Ich wollte nicht zweifeln. Schon gar nicht an dir, Rhuna aus Shyána Nelle…“, murmelte er sanft und genoss die Umarmung noch einen Moment länger als es nötig gewesen wäre. Dann schob er sie etwas zurück, neigte sich hinunter, kam mit seinen Lippen näher und näher und… küsste sie auf die Stirn in liebevoller Geste. „Wir werden das schaffen. Dank dir..“, brummte er ihr zuversichtlich entgegen und richtete sich wieder auf. Er blickte zur Tür und lachte leise. „Und deiner… Freundin.“, schmunzelte er und brach den Körperkontakt zu ihr ab. „Ich werde auf euch warten, sobald ihr etwas herausgefunden habt…“, versicherte er ihr und lächelte abermals auf sie herab. Dann verließ auch er langsam den Raum, um dem Dorf vorerst den Rücken zu kehren.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Donnerstag 13. Oktober 2022, 21:28

Ein unerwarteter Lärm von außerhalb des Zimmers unterbrach ihre Zweisamkeit und brachte Yedan, wie auch Rhuna ein wenig aus dem Konzept. Die Elfe hatte keine Gelegenheit zur Türe zu gehen, um nachzusehen, wer ganz offenkundig jubelte und pfiff, als würde ein beliebtes Schauspiel dargeboten werden. Die Türe flog auf und das sarische Geschwisterpaar erschien im Türrahmen.
„Kaja? Ajak?“ Rhuna sah die beiden mit, vor Verwundung geweiteten Augen an. Weder hätte die Brünette damit gerechnet, dass man sie belauschen würde, noch hätte sie geglaubt solch energischen Zuspruch zu erhalten.
„Was… macht ihr denn hier?“, fragte sie nach und sah von ihnen zu Yedan, der nicht minder irritiert schien, wie sie selbst. Nein, die Einmischung der Geschwister musste ihm noch seltsamer vorkommen, als ihr, denn Yedan war ihnen im wachen Zustand noch nie begegnet.
Wie ein kleiner Sturm fegte Kaja in den Raum und zog ihren deutlich skeptischeren Bruder hinterher. Ajak war… ganz Ajak und wirkte nicht wirklich begeistert darüber, dass seine Schwester ihn hier hineinzog. Was auch immer das war…
„Kaaaajaaa…. Geht’s noch?! Du kannst doch nicht einfach – ich meine- …
Könnten wir das wenigstens mal kurz besprechen?!“
, sprach Ajak mit zusammengebissenen Zähnen zu seiner Schwester, die Yedan neugierig und offen betrachtete. Ihre Worte hatten Rhunas Hoffnung einen nährenden Boden gegeben. Waren sie tatsächlich hier, hatten sie belauscht und entschlossen ihr zu helfen? Zumindest Kaja?
„Was willst du denn besprechen du Holzkopf? Wir starten hier die Aktion ‚Rettet Rhuna’s Liebe'… eh nee, warte…. ‚Rettet den Verdammten…‘ oder.. ‚Rettet die Seele des Vergessenen‘ oder..“ Auf ihre ‚feinfühlige‘ Art, bestätigte die rothaarige Elfe Rhunas Eindruck. Doch brachte sie sie auch ein wenig in Verlegenheit bezüglich ihrer Wortwahl. ‚Rettet Rhuna’s Liebe‘ – die Shyánerin wünschte sich, dass Kaja es nicht so formuliert und erst recht nicht laut ausgesprochen hätte. Denn die letzten Minuten hatten in Rhuna noch einen weiteren Verdacht geschürt: dass Yedans Herz nicht frei war. Wirklich viel Zeit sich darüber Gedanken zu machen hatte sie nicht gehabt. Doch irgendwas… sagte ihr, dass seine Gefühle ihren nicht besonders ähnelten.
„KAJA!“, rief Ajak und schnaufte genervt, woraufhin seine Schwester etwas kleinlaut einen neuen Versuch der Namensfindung für ihre Aktion startete: „Rettet Yedan?“ Glücklicherweise schien Yedan nicht wirklich auf ihre Formulierung geachtet zu haben. Ihre Blicke trafen sich kurz und Rhuna schenkte ihm ein Lächeln, das in etwa „Keine Sorge – die beiden sind in Ordnung.“, auszudrücken schien.
Kaja wandte sich der brünetten Elfe nun zu, die glaubte nun eine Antwort zu bekommen. Doch die sommersprossige Elfe wich ein klein wenig vom Thema ab.
„Also Rhuna. Wir haben allllles mit angehört. Schöner Vortrag! Wirklich – du solltest Bürgermeisterin werden. Nicht hier, ist ja klar, aber irgendwo. Du wärst super im Amt, da bin ich mir sicher!“ Irritiert lächelnd blinzelte Rhuna zwei Mal, weil sie nicht so recht wusste, was sie nun mit dieser Aussage anfangen sollte.
„Danke…?!“, gab sie leise und etwas fragend langgezogen von sich, ehe Ajak das Wort ergriff und Kajas Absichten offen dargelegte.
„Rhuna? Yedan? Kaja hat beschlossen, euch zu helfen. Also. Was können wir tun?“, fragte er deutlich genervt und doch nutzte er das feine kleine Wort wir.

So unterschiedlich die beiden Geschwister waren – sie wollten ihnen beide helfen. Konnte das wirklich möglich sein? Mit Kaja und Ajak an ihrer Seite hätte Rhuna viel mehr Chancen eine Rehabilitation von Yedan zu erreichen. Alleine weil sie das Dorf und auch viele Leute kannten, wie auch Sitten und Gebräuche.
Rhunas Blick huschte zwischen ihnen hin und her und sie wäre beiden am liebsten um den Hals gefallen.
„Ihr wollt … helfen?“, musste die Brünette einfach noch mal nachfragen, denn vorhin noch hatte sie geglaubt erst einmal alleine klarkommen zu müssen. Natürlich stellte sich auch ihr die Frage nach dem warum? Obgleich die Geschwister ihr geholfen hatten Yedan ins Dorf zu bringen kannten sie einander doch kaum. Und wenn sie wirklich zugehört hatten würden sie doch wissen, dass sie sich damit ein wenig gegen Farun stellten. Zweifel befielen sie, wie ganz offensichtlich auch Yedan, denn auch er fragte noch einmal nach.
„Ihr wollt uns helfen?“, hakte er skeptisch nach, woraufhin Kajas Antwort prompt kam. und „Aber klar!“, antwortete die Rothaarige, anders als ihr Bruder, der nicht ganz den Enthusiasmus seiner Schwester zu teilen schien. Rhuna spürte den Blick der braunen Augen von Ajak auf sich und sah zu ihm auf. Seine Brauen waren leicht zusammengezogen und sein Blick wirkte dadurch noch eindringlicher und fordernd.
„Bist du dir sicher, dass du dir das gut überlegt hast?“, fragte er, woraufhin Rhunas Blick sanft wurde. Da war es wieder: Harte Schale, weicher Kern. Ajak zeigte ihr nicht zum ersten Mal eine Besorgnis, die ihrem Wohlergehen galt. Die Elfe schenkte ihm ein ehrlich dankbares Lächeln und wollte gerade antworten, als Kaja dies für sie übernahm. Deutlich… rauer und zurechtweisender.
„Hast du nicht zugehört?! Hat sie doch gerade gesagt. Jetzt hör auf Zeit zu verschwenden. Jetzt lasst uns mal einen Plan schmieden.“, unterbrach sie Kaja, die Feuer und Flamme war die Aktion Rettet Yedan zu beginnen. Die beiden mochten Geschwister sein, doch sie waren in ihrer Art so unterschiedlich, wie Tag und Nacht. Stumm formte Rhuna an Ajak gewandt die Worte „Ich bin mir sicher!“ mit ihren Lippen und für einen Moment hielt sie ihren Blick auf den großgewachsenen Elfen gerichtet, während Kaja ihren Plan vorstellte.
„Also. Yedan’s Schnuckelchen fühlte sich von der dunklen Magie angezogen. Sie verdarb ihre Seele, zerfraß ihren Heiligenschein und …“
„Kaja!“
„Tut mir leid… reichlich pietätlos… Ehm.. also.. was ich meine…“ Die rothaarige Elfe war wirklich wie ein kleiner Sturm, der sie alle durchrüttelte. Doch Yedan schien mit ihrer Art gut klarzukommen und grinste sogar kurz. Und eines wurde Rhuna jetzt schon klar: Mit den beiden würde es niemals langweilig sein!
„Naja die Vorgeschichte kennen wir ja nun. Wir müssen also dafür sorgen, dass Rhuna im Dorf ungehindert Gehör findet und Farun nichts mitbekommt. Während Yedan das Weite suchen muss.
(Ajak) Du wirst Rhuna begleiten. Du zeigst ihr, wo sie Avalinn findet – falls sie die Lichtmagierin braucht. Und… ehm.. dann hm.. wo fangen wir an… Wir könnten mal mit der alten Nadilli sprechen – die kennt jeden hier und kann sich bestimmt erinnern. Und eh… Ajak, du bringst Rhuna dann zur Taverne. Irgendwann muss man ja mal was essen, nicht wahr?! Irgendwelche Fragen?“
Alle lauschten Kaja, die gerade eindeutig das Ruder an sich gerissen hatte. Doch bevor sie ihrem Plan Taten folgen ließen, wollte der Halbelf eine Sache wissen: „Warum?“
Die Frage war durchaus berechtigt und auch Rhuna interessierte sich für die Antwort. Denn noch immer war es schleierhaft, wieso die beiden sich einmischen wollten. Shyáner Elfen hätten dies wohl nie getan – da gehörte Rhuna wohl schon zu den Ausnahmefällen.
Was brachte die Geschwister dazu? Wirklich gut kannten sie weder Rhuna, noch Yedan – von den Geschichten, die um ihn kreisten, mal abzusehen. Schweigend ging die Brünette einen Schritt zu Yedan und sah ihm beipflichtend zu Kaja, die mit dieser Frage wohl nicht gerechnet hatte.
„Wie warum? Weils Spaß macht, weil Rhuna dir den Hintern gerettet hat und weil es hier zum Sterben zu langweilig ist!“, meinte sie, ehe sie erneut einem Sturm gleich, aus dem Zimmer rauschte. Jeder, bis auf Ajak, der das Verhalten seiner Schwester ganz offensichtlich gewohnt war, sah ihr überrumpelt hinterher. Er sah ihr wohl aus einem anderen Grund nach.
Sich ebenfalls lösend ging der blonde Elf zur Türe, konnte sich eine Bemerkung Yedan gegenüber aber nicht verkneifen: „Ich hoffe, wir bereuen es nicht.“ So ganz schien Ajak nicht von ihrem Vorhaben überzeugt zu sein. Und in diesem Moment fiel Rhuna auf, wieso sie sich dem großgewachsenen Elfen irgendwie verbunden fühlte. Er erinnerte sie an Fílías, obwohl sie sich in ihrer Art ganz und gar nicht ähnlich waren. Dennoch erinnerte sie das Verhalten der Geschwister an ihre Beziehung zu ihrem Bruder. Auch Rhuna war, zumindest in ihrer Kindheit, immer der Wirbelwind-Part gewesen und hatte ihren Bruder nicht nur einmal in Schwierigkeiten gebracht. Fílías hatte ihre Ideen eigentlich immer unterstützt, ob er nun wirklich dahinterstand oder nicht. Ganz genau so…. wie es Ajak bei Kaja tat.
„Kommst du? Lorna hat Farun weggelotst. Keine Sorge.“, sprach Ajak Rhuna an und forderte sie lächelnd auf ihm zu folgen. Doch das Lächeln schien nur ihr zu gelten, auch wenn es nur kurz war. Als er sich Yedan zuwandte wurde sein Blick ernst und auch sein Tonfall war nicht halb so freundlich, wie zu der jungen Elfe.
„Du wirst dich wohl zurückziehen müssen. Wir tauschen später aus, was wir erreichen konnten.“, sagte er noch knapp, ehe er der Zimmer mit den Worten „Verabschiedet euch – vorerst.“ verließ und sie beide alleine ließ.
Rhuna sah ihm nach und holte langsam und leise einmal tief Luft. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln. Florencias Gnade hatte sie noch nicht verlassen. Es kam unerwartet, doch sie war für jede Hilfe dankbar, wenn auch Kajas Grund ihr ein wenig Sorgen machte.
Sie hob den Blick und musste leise lachen, als sie Yedans Blick begegnete, der von dieser unerwarteten Wendung ebenfalls überrannt worden war.
„Sie scheinen nett zu sein. Wobei… Ajak wäre wohl lieber woanders…“, erwähnte der Halbelf lächelnd, was Rhuna erneut ein leises Lachen entlockte. Dennoch…
„Ich kenne die beiden noch nicht gut, aber… sie sind nett! Und Ajak wirkt vielleicht nicht so, aber ich glaube ihm können wir genauso vertrauen.“ Ihr Blick wanderte zum Flur und ein Lächeln formte ihre Lippen bei der Erinnerung an ihr Kennenlernen mit dem Geschwisterpaar.
„Ihr seid euch wahrscheinlich sogar ähnlich…!“, sinniert die Elfe leise. Yedan, wie auch Ajak waren der Wald und dessen Bewohner wichtig und beide würden ihre Heimat bis aufs Blut verteidigen.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sie plötzlich zwei starke Arme um sich spürte und von diesen an einen warmen Körper gedrückt wurde.
„Danke..“, hörte die kleinere Elfe seine Worte nahe ihrem Ohr, woraufhin auch sie ihre Arme um ihn legte. Da war es wieder. Das warme Gefühl, das stets in ihr auftauchte, wenn sie Yedan nah kam. Sein Geruch schlich sich in ihr Bewusstsein und sie hätte fast hörbar aufgeseufzt, hätte sie dies nicht noch abzuwenden gewusst.
„Mach dir keine Sorgen! Wir schaffen es… hörst du?“, sprach Rhuna ihm lächelnd Mut zu und schloss für einen Moment die Augen, um die Nähe einfach still zu genießen. Ihre Finger griffen sanft in den Stoff seines Oberteils, als würde sie ihn nicht mehr so schnell loslassen wollen. Denn obwohl sie nicht länger nur ein Ziel, sondern auch eine Möglichkeit zu dessen Erfüllung vor Augen hatten, bedeutete dies erst einmal, dass sie getrennte Wege gehen würden. Und so albern es vielleicht war, Rhuna mochte den Gedanken noch immer nicht, dass Yedan nun alleine in den Wald zurückkehren würde.
„Natürlich sind wir Freunde. Und füreinander da. Ich wollte nicht zweifeln. Schon gar nicht an dir, Rhuna aus Shyána Nelle…“, murmelte er sanft. Seine Worte hätten ihren Herzschlag normalerweise angetrieben, doch es gab da etwas, was dies verhinderte. Sie öffnete halb die Augen und lockerte langsam ihren Griff um den Stoff. Er schob sie etwas zurück und Rhuna folgte mit ihren violetten Augen jeder seiner Bewegungen. Yedan beugte sich vor, kam ihr näher und neigte sich weiter zu ihr hinunter. Doch anders als sonst schien die Elfe keine Schmetterlinge zu spüren, die ihr durch den Körper tanzten. Ihr Blick blieb ruhig, als wüsste sie, was kommen würde.
Seine warmen Lippen berührten ihre Stirn in einer liebevollen Geste und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen … Lächeln, während sie ihre Augen niederschlug.
„Wir werden das schaffen. Dank dir...und deiner …Freundin“, sagte er und schien so zuversichtlich, wie noch nie zu sein. Zwischen ihren Körper kehrte Distanz zurück und die Brünette hob wieder ihren Blick.
„Sag ich doch!“, merkte sie mit einem kleinen Grinsen an und verhakte hinter ihrem Rücken ihre Hände miteinander. Rhunas Blick strahlte Zuversicht aus, war fröhlich und doch schien etwas … nicht ganz richtig zu sein.
„Ich werde auf euch warten, sobald ihr etwas herausgefunden habt…“, versicherte er ihr wandte sich zur Türe. Bevor er jedoch aus ihrer Sicht verschwand hielt Rhuna ihn noch einmal auf. „Yedan warte!“, rief sie, wandte sich zum Bett um Jún auf ihre Handflächen zu setzen und ihm in den Flur zu folgen.
„Nimm Jún bitte mit dir. Dann bist du nicht… ganz alleine und ich glaube er würde sich im Wald auch ein wenig wohler fühlen.“ Sie sah das kleine Tier in ihrer Hand an und schien es stumm um den Gefallen zu bitten mit dem Halbelfen mitzugehen. Das Eon stellte die Öhrchen auf und schnupperte ihr entgegen, als würde es ihre Gefühlslage wittern. Dann erklang ein Pfeifen und sie setzte Jún auf Yedans Handfläche ab.
„Passt aufeinander auf! Und Yedan… versuch bitte großen Tieren mit Krallen und spitzen Zähnen aus dem Weg zu gehen!“ Diesen kleinen neckenden Seitenhieb konnte sie sich dann doch nicht verkneifen.
Sie sah ihm nach, als er die Treppe hinunterstieg und blieb für einen Moment regungslos an der Türe stehen. Ihre Hand wanderte zu ihrer Brust und so recht wusste Rhuna wohl selbst nicht, woher dieses bedrückte Gefühl kam, obwohl sie doch allen Grund zum Optimismus hatte.
Bevor sie zu Ajak ging, kehrte die Elfe noch einmal in ihr Zimmer zurück, wo sie ihre Tasche mit ihren Habseligkeiten griff und sich diese umhing. Dann verließ sie das Haus und fand Ajak neben der Eingangstüre an der Wand lehnend vor. Im ersten Moment sah sie ihn einfach nur schweigend an, dann lächelte sie.
„Sollen wir?“, fragte sie und wartete darauf, dass er sich von der Wand abstieß und zu ihr kam. Sie musterte ihn noch einmal eingehender und entdeckte in seinem Blick nicht denselben Enthusiasmus, den Kaja zu verspüren schien. Ajak stand ihrem Vorhaben noch immer skeptisch gegenüber. Und das war der Grund, wieso Rhuna seine Hilfe noch mehr zu schätzen wusste.
„Danke, dass du Yedan hilfst und ihn… nicht direkt verurteilt hast!“, sagte sie und in ihrem Lächeln lag die ehrliche Dankbarkeit, die sie ihm gegenüber wirklich empfand. Bevor die beiden weitergingen, schob sie ihre Haare über ihren Nacken auf eine Seite, so dass sie ihr über die rechte Schulter nach vorne fielen. Das war bequemer und aufgrund ihrer Tasche, deren Gurt über ihrer linken Schulter lag praktischer. Ihr Blick begann umherzustreifen und die Umgebung genauer zu betrachten. Das Dorf war… wirklich einmalig und wunderschön. Die großgewachsenen Bäume schienen den Himmel zu berühren und die Baumkronen breiteten sich wie große Sonnenschirme über ihren Köpfen aus. Wir groß wohl der Umfang dieser Baumstämme war? Es bedurfte wohl mehrerer ausbereiteter Arme, um die gesamte Fläche zu umschlingen.
Das rege Treiben auf dem Platz vermittelte einem das Gefühl von Sorglosigkeit. Hier ging jeder seiner Geschäfte und Arbeit nach, oder machte einfach einen kleinen Spaziergang.
Hier und da spürte die Shyáner Elfe Blicke auf sich und der ein oder andere hatte gesehen, dass sie mit Farun und dem lebensgefährlich verletzten Yedan angekommen war.
Rhuna sah wieder zu Ajak, neben dem sie herging und sich seinen Richtungsvorgaben anpasste.
„Können wir… kurz zum toten Baum gehen?“, fragte die Elfe und deutete in die Richtung, wo sich vor über 20 Jahren das Unglück ereignet hatte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Freitag 14. Oktober 2022, 22:55

Es hätte alles so verdammt einfach sein können. Rhuna hätte zusammen mit Yedan das Dorf der Waldmenschen besuchen und sich von ihm zeigen lassen können, wie man vernünftig mit Pfeil und Bogen umging. Sie hätten einander besser kennenlernen können und vielleicht wäre ihr Weg noch eine Weile gemeinsam verlaufen. Jetzt aber war alles anders. Yedan wurde im Dorf nicht geduldet. Während Rhuna das Haus verließ und Ajak an ihrer Seite wusste, konnte sie die Rückseite des Jägers ausmachen, der sich auf den Weg machte, das Dorf zu verlassen. Hier und dort wurde er von Blicken begleitet, ebenso wie bei ihrer Ankunft. Einige tuschelten, deuteten auf ihn und wieder andere waren kaum an ihm interessiert. Doch eines wurde klar: Der Gang war schwer und für den aufmerksamen Beobachter durfte erkennbar sein, dass Yedan alle Mühe aufbrachte, sich nicht umzudrehen. Das Dorf hatte er seit langen Jahren gemieden, meiden müssen und nun durfte er nicht schwach werden. Er hatte Jún an seiner Seite. Das Eon würde die Verbindung für ihn zu Rhuna herstellen, während sie sich um seine Rehabilitation kümmerte. Er musste auf Rhuna vertrauen und sie wiederum auf die Geschwister. Sie waren jetzt ihre Rettungsleine in einer Gesellschaft, die sich von der in Shyána Nelle unterschied. Keine leichte Aufgabe. Auch die Frage, wo sie nun beginnen sollte, blieb äußerst schwierig. Doch Rhuna entschied sich, einfach die Ärmel hochzukrempeln und das Werk zu beginnen. Es brachte nichts, sich mit der Tatsache aufzuhalten, dass Yedan hier offenbar das Opfer war. Das hemmte sie nur in ihrem Denken. Ajak hatte, wie versprochen, auf Rhuna gewartete, während Kaja bereits verschwunden war. Der hochgewachsene Elf hatte sich gegen die Hauswand gelehnt und die Arme verschränkt. Sein Blick war erst auf Yedan gerichtet, dann langsam auf Rhuna. Ihr Lächeln erreichte ihn und animierte ihn dazu, sich zu bewegen. Auf ihre Frage nickte er stumm und gesellte sich an ihre Seite, während sie einige Schritte schweigend gingen. „Danke, dass du Yedan hilfst und ihn… nicht direkt verurteilt hast!“, musste sie loswerden und Ajak zuckte die Schultern. „Im Grunde geht mich das nichts an. Ich war damals nicht dabei, ich weiß nicht, was wirklich passiert ist. Aber ich fühle mich für Kaja verantwortlich und sie neigt dazu, sich in gewisse Dinge zu verrennen.“, meinte er erstaunlich ehrlich, obwohl sie sich nun so gar nicht kannten. Ajak richtete seinen Blick wieder in die Umgebung, als Rhuna ihren Nacken präsentierte. Befestigte Straßen, wie in Shyána gab es hier tatsächlich nicht. Sie folgten einem hellen Pfad von Farun’s Haus, um den großen Baum in der Mitte des Dorfes herum. Rechts reihten sich einige Wohnhäuser aneinander, die alle ähnlich und doch in ihren Details unterschiedlich waren. Etwa auf der Hälfte der Umrundung, änderten sich die Bauten von bewohnten Hütten zu Geschäften.

Rhuna konnte anhand der Schilder oberhalb der Türen erkennen, dass es Schneider, Gerber und Lederer gab. Daneben gab es eine Taverne, einen Jäger und Holzbauer. Tatsächlich waren die Menschen und Elfen hier wirklich gut aufgestellt. Es gab zwar keine bunten Steinbauten, wie in Shyána Nelle aber dennoch wirkte das Dorf weitaus weniger primitiv, als man sich vielleicht vorgestellt hatte. Es war ordentlich und jedem dem sie begegneten, schien einer Beschäftigung nachzugehen. Immer mal wieder konnte Rhuna neugierige Blicke auf sich spüren. Hier und dort sahen ihnen auch mal welche nach, doch im Großen und Ganzen blieb die Elfe unbehelligt. Ab und an hob jemand die Hand zum Gruß, was Ajak erwiderte. Ihn kannte man hier und dort offenbar. Überhaupt wirkte der Jäger reichlich zurückhaltend und schien sich mit seiner Rolle des Führers noch nicht ganz arrangiert zu haben. „Können wir… kurz zum toten Baum gehen?“, kam es dann von Rhuna und der Jäger hob beide Augenbrauen als er sie fragend ansah. „Wieso willst du…?“, wollte er, doch zuckte er die Schultern und nickte einverstanden. Er deutete den neuen Weg und führte Rhune den Rundgang um den Baum herum zurück und in die Richtung, die sie bereits aus dem Fenster von Farun hatte erkennen können. „Zweifelst du denn gar nicht an seinen Worten?“, wollte Ajak dann aber doch wissen, während sie gingen. Er nickte gerade einem älteren Menschen mit Brille zu, der kurz stehen blieb und beide an sich vorbeiziehen ließ. „Ajak!“, tönte seine Stimme und der Angesprochene blieb stehen, um sich nach ihm umzudrehen. „Deine Schwester hat mir versprochen einen Hasen zu bringen! Sag ihr, dass ich den nicht erst nächsten Vollmond haben wollte!“, murrte er knurrig und bedachte Rhuna kurz mit einem Blick. „Wer ist denn das?“, wollte er wissen und Ajak zeigte eine äußerst höfliche Seite. Er deutete in einer Geste auf Rhuna und neigte etwas den Kopf. „Das ist Rhuna, sie ist eine … Cousine aus Shyána Nelle.“, dehnte er ein wenig die Wahrheit. Der Alte rümpfte die Nase und sah Rhuna über die Ränder seiner Brille hinweg an. „Shyána Nelle? Was treibt eure Familie denn da hin?“, wollte er wissen und hustete mit einem Mal kläglich. Sein ganzer, greiser Körper wurde geschüttelt, ehe er abwinkte. „Ist ja auch egal. Willkommen, Kindchen. Lass dir von Ajak bloß keine Flausen in den Kopf setzen.“, krächzte er nach seinem Hustenanfall und Ajak zog eine Augenbraue hoch. „Dafür ist Kaja zuständig.“, bekräftigte er und grinste plötzlich auf, sodass sich zeigte, dass der Elf doch auch einen eigenen Schalk besaß. „Sag ihr, ich erwarte den Hasen spätestens morgen! Sonst will ich mein Geld wiederhaben!“, tönte der Alte und schnäuzte in ein weißes Taschentuch. "Hab ich eigentlich schon mal die Geschichte von...-" „Ich richte es ihr aus, wir müssen weiter! Schönen Tag!“, meinte Ajak eilig und nahm Rhuna plötzlich bei der Hand, um sie weiterzuziehen. Erst nach ein paar Schritten, ließ er sie wieder los. „Das war Gemin. Er … ist alt. Und wenn er erstmal Lunte riecht, hört er nicht auf zu reden!“, grinste er sie an und deutete dann aber auf den alten, knorrigen Baum, den sie sehen wollte.

Rhuna konnte gleich erkennen, dass der Baum tot aussah. An ihm hingen zwar Blätter, doch sie waren schwarz verfärbt, ebenso wie die Rinde des Stammes. Er wirkte als könnte man ihn berühren und er würde zu Staub zerfallen. Er überragte ihre Köpfe um einiges und seine gewundenen Zweige stoben zu allen Seiten hinweg. Der Kontrast war unbeschreiblich, denn alle Bäume ringsherum waren saftig grün und voller Leben. Die Wurzeln des Baumes lagen teilweise oberhalb der Erde und boten wahre Stolperfallen. Ein Blick dorthin zeigte, dass der Baum offenbar in seiner Gesamtheit beschädigt war. Denn die Ausläufer der unterirdischen Wurzeln, die in einem kleinen Radius um den Baum herum wieder aus dem Erdreich herausbrachen, waren ebenso schwarz und verdorrt. Und trotz allem stand der Baum noch. Ajak sah den Baum skeptisch an. Ihm schien es Unbehagen zu bereiten, hier zu sein. Von dem Ort ging eine seltsame Atmosphäre aus, die dazu fähig wäre, Gänsehaut zu erzeugen. Der Jäger wagte es kaum, näher an den Baum heranzutreten und Rhuna konnte auch den Grund erkennen: Auf dem Boden, um den Stamm herum, breitete sich die seltsame Fäulnis weiter aus und schien auch das Erdreich zu betreffen. Hinter dem Baum kletterte die Dunkelheit weiter in Richtung nächstem Baum, hatte ihn aber noch nicht erreicht. An der Seite des Stammes, konnte Rhuna noch den Ast entdecken, der gut zu Yedan’s Erzählung passte, wo sich Alyisa tödlich verletzt hatte. An dem Stumpf am Baum gab es einen roten Fleck, der getrocknet war und trotzdem keinen Zweifel zuließ, um was es sich handelte. Unweit des Baumes, weiter Richtung unbewohntem Wald, tauchte dann auch eine kleine Befestigung auf, die eine Umrandung darstellte. Ein kleines Tor markierte den Eingang. „Da ist unser Friedhof.“, meinte Ajak und deutete auf den umzäunten Bereich. Entgegen allen Meinungen aber, war dieser Ort nicht so düster, wie es allgemein den Anschein machte. Hier sangen die Vögel, die Bäume waren grün und Blumen blühten. Es war ein freundlicher Ort, der die Toten eine schöne, letzte Ruhestätte gewährte. Gepflegt mutete er an, doch viel konnte Rhuna von ihrer derzeitigen Position nicht erkennen.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Samstag 15. Oktober 2022, 15:17

Als Rhuna aus dem Haus ins Freie trat wehte ihr eine sanfte Briese entgegen, die den, für den Wald typischen, etwas süßlich-muffigen Geruch zu ihr trug. Es war kein unangenehmer Duft und sie hatte das Gefühl, dass sie ihn außerhalb des Dorfes, im Wald etwas intensiver wahrgenommen hatte, als hier zwischen den Häusern. Die Bäume spannten sich über den Himmel, wie eine schützende Kuppel aus grünen Blätter, durch die die Sonne nur spärlich brach, aber dafür die feinen Blattstrukturen zum Leuchten brachte. Es war ein Lichtspiel, dass sie mit keinem Ort, den sie kannte vergleichen konnte. Es war weder hell noch düster. Das Dorf besaß tatsächlich seine ganz eigene Magie der Natur.
Rhuna folgte Ajak auf dem Weg und warf noch einmal einen Blick zurück zu Faruns und Lornas Haus. Gestern noch hatte sie hier mit Yedan Unterschlupf gefunden. Gestern noch hatte sie hier um Yedans Leben gebangt und heute verließ sie das kleine Heim wieder, weil ‚sie‘ nicht mehr Willkommen waren. Was mehr Faruns Ansicht zu sein schien, als Lornas – denn diese unterstützte sie schon alleine darin, dass sie ihren Mann aus dem Haus gelotst hatte.
Ist es nur Zufall, oder weiß sie von Kajas Hilfsaktion?, fragte sie sich und löste ihren Blick von den Fenstern, vor denen hübsche rote Blumen wuchsen und ihre Köpfe sanft im Wind hin und her neigten. Sie sah zu ihrem neuen Begleiter. Ihr Kennenlernen war noch nicht lange her und war nicht … sonderlich harmonisch abgelaufen. Doch der schlechte Eindruck von ihm hatte sich sehr schnell gegeben. Er war nicht so arrogant, wie es in ihren Augen zu Beginn ausgesehen hatte. Hinter den harschen und vorurteilschweren Worten des Jägers, an denen sich Rhuna stark gestoßen hatte, steckten negative Erfahrungen und eine große Sorge um das, was er beschützen wollte. Und das war etwas, was die brünette Elfe nachempfinden konnte. Umso dankbarer war sie ihm, dass er sich –offensichtlich Kaja zuliebe – eine gewisse Neutralität bewahrte und auch Rhuna somit unterstützte.
„Im Grunde geht mich das nichts an. Ich war damals nicht dabei, ich weiß nicht, was wirklich passiert ist. Aber ich fühle mich für Kaja verantwortlich und sie neigt dazu, sich in gewisse Dinge zu verrennen.“, stellte Ajak klar, nachdem sich die Elfe für seine Hilfe bedankte. Seine Worte zauberten ihr ein Lächeln auf ihre Lippen.
„Sie hat Glück…!“, merkte Rhuna an und griff an ihren Hals, im unbewusstem Handeln, nach ihrer Kette, die dort allerdings nicht mehr zu finden war. Ihre Finger bekamen nichts zu fassen und einen kurzen Moment schien sie dies zu irritieren, ehe sie sich daran erinnerte, wieso das Schmuckstück nicht mehr dort zu finden war.
„Ich meine, dass sie einen Bruder wie dich hat!“, fügte sie hinzu und sah ihn ehrlich lächelnd an. Zusammen gingen sie auf dem Pfad weiter und erreichten wohl den Kern des Dorfes. Um eine Art Platz reihten sich verschiedene Geschäfte, in denen die Leute ein und ausgingen, ihre Waren anpriesen oder Besorgungen erledigten.
Die Architektur des Dorfes unterschied sich sehr von der Shyána Nelles. Gegen die Elfenstadt war das Dorf natürlich kleiner und uriger, aber die Leute wirkten einander auch ein wenig mehr zugetan. Oder bildete sie sich das nur ein? In Anbetracht ihres Wissens über Yedans Verurteilung fiel es Rhuna schon schwer die Dorfbewohner ganz unvoreingenommen zu betrachten. Obwohl sie wusste, dass dies auch nicht gerecht war. Die Urteilsfindung und der ganze Prozess war ihr noch immer fremd und ganz so schnell würde sie sich nicht mit der Art und Weise anfinden können, wie dieses Volk seine Dinge regelte.
Ajak wurde immer wieder gegrüßt und auch er hob hier und da die Hand zum Gruß. Dass die Blicke der Leute auch neugierig auf ihrer Gestalt lagen war schwer zu übersehen. Sie nickte denjenigen freundlich lächelnd zu, deren Augen ihr begegneten, während sie sich noch immer umsah.
Wo fangen wir am besten an? Sollen wir wirklich erst zu Avalinn gehen?, rätselte Rhuna in Gedanken und beschloss nach kurzem Nachdenken sich erst einmal ein eigenes Bild zu machen und den Ort der Tragödie aufzusuchen. Auf ihr Bitten hin führte Ajak sie zu dem toten Baum, wenngleich er von der Idee selbst nicht ganz überzeugt zu sein schien.
„Zweifelst du denn gar nicht an seinen Worten?“, fragte er plötzlich und zog den Blick ihrer violetten Augen wieder auf sich. Einen Moment wirkte Rhuna nachdenklich, ehe sie schlussendlich antwortete.
„Nein! Ich weiß selbst nicht wieso, aber ich vertraue Yedan mehr als ich vielleicht sollte und darauf, dass er mir die Wahrheit erzählt hat. Seit ich ihn kenne hat er sich nie an erste Stelle gesetzt. Er geht mit allem und jedem sehr respektvoll um und sieht nichts als selbstverständlich. Gegen ihn fühle ich mich… oft sehr egoistisch und oberflächlich.“, gestand sie mit derselben Ehrlichkeit, die Ajak ihr zuvor geschenkt hatte. Sie atmete einmal ruhig ein und aus, ehe sie weitersprach. „Er hat mir nie von dem Vorfall oder überhaupt groß etwas von sich erzählen wollen. Aber ich habe ihm immer den Schmerz, den er in sich trägt ansehen können. Und als ich mehr erfuhr schien das Bild, das man mir von Yedan beschrieb nicht zu dem Mann zu passen, den ich kennengelernt hatte. Natürlich zweifelte ich… aber als mir Yedan dann seine Version der Geschehnisse beschrieben hat, ergab alles viel mehr Sinn.“ Sie sah zu Ajak auf und suchte seinen Blick.
„Ich habe ihm keine Wahl gelassen und von sich aus hätte er wohl weiter geschwiegen. Er hat die ganzen Jahre das Urteil ertragen und … die Verbannung akzeptiert. Er gibt sich die Schuld an Alyisas Tod und er hat nicht versucht mich von seiner Unschuld zu überzeugen. Vielmehr hat er erwartet, dass ich ihn ebenfalls verurteile.“ Als ihr Yedans Worte erneut durch den Kopf gingen spiegelte sich auf ihrem Gesicht der Schmerz wieder, den sie beim Zuhören empfunden hatte und ihr Griff um den Gurt ihrer Tasche verstärkte sich.
„Wenn man sich selbst in Yedans Position von damals vorstellt – wie hätte man reagiert? Hätte man nicht in dieselbe Lage kommen können wie er? Wenn er die Wahrheit gesprochen hat, hat er sich nur verteidigt. Zumindest denke ich so. Was es nicht weniger tragisch macht. Aber ich glaube, dass er dann nicht verdient hat aus seiner Heimat verbannt zu sein – ohne Möglichkeit seine Familie zu besuchen.“ Rhuna war vollkommen ehrlich zu Ajak, denn sie glaubte seine Unterstützung sollte mit Ehrlichkeit bezahlt werden. Er war weitaus skeptischer als Kaja und das hatte etwas Gutes an sich. Wenn er zu einer Überzeugung gekommen war, würde diese fester verwurzelt sein – ob nun für ihre Sache, oder gegen sie, würde sich dann zeigen.
„Ich finde, solange nur ein einziger Zweifel besteht und seine Schuld nicht unumstößlich bewiesen ist, sollte man solch ein hartes Urteil in Frage stellen. Farun hat seine Tochter verloren… und Yedans Eltern ihren Sohn. Niemand hat etwas gewonnen…“
Die beiden Elfen näherten sich dem toten Baum, der Rhunas Ansicht nach einer der Hauptbeweise war, das Yedan die Wahrheit gesprochen hatte. Doch bevor sie an diesem ankamen, hielt sie eine fremde Stimme zum Stehenbleiben an.
„Ajak!“, unterbrach sie die Stimme eines Menschenmannes, dessen Rücken vom Gewicht vom Großteil seiner Lebensjahre etwas gebeugt war. „Deine Schwester hat mir versprochen einen Hasen zu bringen! Sag ihr, dass ich den nicht erst nächsten Vollmond haben wollte!“ Murrend äußerte der ältere Herr seine Beschwerde, ehe sich sein Blick durch die Brille auf Rhuna richtete. „Wer ist denn das?“, fragte er Ajak, der daraufhin Rhuna mit einer Geste vorstellte. „Das ist Rhuna, sie ist eine … Cousine aus Shyána Nelle.“ Vorgestellte nickte dem Menschenmann freundlich zu, der von ihrer Abstammung ganz offenkundig nicht allzu viel hielt. Ihr Lächeln verstärkte sich jedoch aufgrund der neuen Verwandtschaftsverhältnisse.
„Shyána Nelle? Was treibt eure Familie denn da hin?“, fragte der Älteste im Bunde, ehe er einmal kläglich hustete, was in Rhunas Blick Besorgnis hervorrief. Der Husten klang nicht gut und als wären die Atemwege nicht gänzlich frei. Sie sah forschend zu Ajak, doch dieser sah nicht so aus, als wäre das etwas Neues.
„Ist ja auch egal. Willkommen, Kindchen. Lass dir von Ajak bloß keine Flausen in den Kopf setzen.“, wurde Rhuna schlussendlich doch noch willkommen geheißen und auf dessen Worte Ajak nur: „Dafür ist Kaja zuständig.“ äußerte.
„Sag ihr, ich erwarte den Hasen spätestens morgen! Sonst will ich mein Geld wiederhaben! Hab ich eigentlich schon mal die Geschichte von...-"
„Ich richte es ihr aus, wir müssen weiter! Schönen Tag!“ Rhuna hatte die weitere Konversation still verfolgt, als ihre Finger plötzlich eine warme Hand um sich spürten, von der sie weitergezogen wurde.
„Es hat mich gefreut Sie kennenzulernen!“, rief sie dem Mann noch zu, ehe sie Ajak bereitwillig folgte. Ihr Blick ruhte auf ihrer Hand, die er erst nach kurzer Zeit wieder losließ. Spitzbübisch schmunzelnd sah sie mit den Augen zu ihm empor.
„Das war aber nicht sehr nett, werter Cousin – den armen Mann einfach stehen zu lassen!“ Sichtlich amüsiert darüber, dass er die Wahrheit ein wenig gedehnt hatte, warf sie ihm einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu.
„Das war Gemin. Er … ist alt. Und wenn er erstmal Lunte riecht, hört er nicht auf zu reden!“, erklärte Ajak ihr grinsend und offenbarte ihr eine ganz andere Seite von sich. Der blonde Elf hatte bisher eher nüchtern, sachlich und stets etwas skeptisch gewirkt. Aber er schien wie Kaja auch Spaß zu verstehen.
„Du scheinst aus Erfahrung zu sprechen…!“, schloss Rhuna und wandte den Blick zur Seite auf. Die Fröhlichkeit wich aus ihren Zügen. Dort stand er – der Baum, an dem sich Yedans Auseinandersetzung mit Alyisa zugetragen hatte. Ein merkwürdiges Gefühl befiel sie, als ihr Blick die schwarz verfärbten Äste abtastete und an den dunklen Blättern festhing, die ein über 20 Jahre verstorbener Baum gar nicht mehr tragen sollte. Stille breitete sich über die beiden Elfen aus. Hätte sie zu Ajak gesehen wäre ihr aufgefallen, dass auch er sich nicht wohlzufühlen schien, doch ihr Violett lag weiter auf dem getöteten Lebewesen vor sich. Hatte sie es sich so vorgestellt? Nein…! Auf ihr Herz legte sich Betroffenheit, doch gleichzeitig übte der Anblick eine unbekannte Faszination auf sie aus. Die Mischung dieser Empfindungen jagten ihr eine Gänsehaut über den Körper.
Als wäre sie nicht mehr bei sich, setzten sich ihre Füße von ganz alleine in Bewegung und ohne den Blick vom Baum lösen zu können, begann sie um ihn herumzugehen. Langsam und zögernd.
Die Dunkelheit, die von den Wurzeln aus weiter über den Boden kroch sah aus, als hätte man mehrere Eimer Pech die Fläche entlang geschüttet. Wie Krallen schien das Schwarz nach dem nächsten Leben zu greifen, um es zu ersticken.
Rhunas Herz schlug schnell in ihrer Brust. So etwas hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen und doch erinnerte es sie an die Krankheit – oder den Fluch, der Pharus umbrachte. Unruhe breitete sich in ihr aus und als würde die Luft zum Atmen knapp werden, erhöhte sich ihre Atmung. Der Ort löste in ihr Angst aus und doch… zog sie etwas an, was sie alles und jedem um sich herum vergessen ließ.
„Da ist unser Friedhof.“, hörte die Elfe plötzlich Ajaks Stimme dumpf an ihr Ohr dringen. Es klang so als wäre er Meter von ihr entfernt – als wäre sie unter Wasser und die Klänge würden fast gänzlich verschluckt werden.
Wie Motten vom Licht angezogen wurden, trat auch Rhuna immer näher an den Baumstamm. Dadurch, dass sie kein Schuhwerk trug spürte sie die warme Erde direkt unter ihrer Haut, doch als sie die Dunkelheit berührte, war es als würde sie auf spitzes Eis treten. Kälte stach in ihre Füße und bohrte sich einen Weg durch ihre Beine, weiter hinauf durch ihren Körper. Doch anstatt zurückzuweichen schritt Rhuna immer weiter voran, als wäre sie in einer Art Trance gefangen. Ihr fiel das Denken schwer und ein unangenehm hoher Pfeifton surrte durch ihre Ohren, so dass sich langsam aber sicher eine schleichende Übelkeit aufbaute. Und trotzdem streckte die Brünette ihre Hände aus und berührte die einzige Stelle am Baum, die nicht von Dunkelheit zerfressen schien. Als ihre Finger die rötliche Rinde spürten, war es so als würde sie plötzlich festkleben und jemand würde ihr einen Schlag versetzen. Es war das erste Mal, dass Rhuna mit dieser Art Magie in Berührung kam und etwas in ihr reagierte darauf. Stark...
Die violetten Augen weiteten sich, als die Elfe das Gefühl hatte, etwas würde ihr die Luft zuschnüren. Um ihre Finger glomm ein schwaches Licht auf, ehe sich ihr Körper von der Anziehung des Baumes loslöste. Zurücktaumelnd fasste sich Rhuna noch an die Stirn, ehe sie den Halt zu verlieren und in sich zusammensacken zu schien. Aus ihrem Gesicht schien jegliche Farbe gewichen zu sein. Das alles hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber sie hatte das Gefühl, als wären mehrere Minuten vergangen, in denen sie sich und die Kontrolle über sich verloren hatte.
Was... ist passiert...?, fragte sich Rhuna, während ihr Bewusstsein langsam wiederzukehren schien.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Samstag 15. Oktober 2022, 23:27

Im Bezug auf Yedan wusste Rhuna sehr wohl, wer sie war und sein wollte. Sie brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was sie Ajak auf seine Frage erwidern sollte, die Worten kamen von selbst. Schweigend hatte der Jäger ihr zugehört und sie nicht einmal unterbrochen. Seine Miene blieb unbeweglich dabei und gab keinen Aufschluss, was er wohl darüber denken mochte. Er schien die Dinge weitaus verborgener abzuwägen, denn dass er über ihr Gesagtes nachdachte, zeigte sie lange Pause, als sie geendet hatte. Der jüngere Jäger schritt einen Moment neben Rhuna her und es schien beinahe so, dass er gar nicht mehr etwas dazu sagen würde. Bis er recht schnörkellos nickte. „Ich kann nicht verstehen, woher dein Vertrauen in ihn rührt. Aber ich verstehe sehr wohl, dass man Ungerechtigkeit nicht einfach billigend hinnimmt. Und nach allem, was Kaja… was wir gehört haben, ist ihm viel eher Ungerechtigkeit als Bestrafung widerfahren. Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich gegen Farun stellen werde. Er lehrte uns so einiges, ist wie ein Onkel für uns. Aber ich werde mich neutral an der Wahrheitsfindung beteiligen und wir werden sehen, wohin uns der Weg führt.“, schloss er und nickte noch mal bekräftigend. Ajak war leidenschaftsloser als Kaja und neutraler als Yedan. Er sprach die Dinge eher nüchtern aus – auch wenn ihm die Aussicht, dem weißen Hirsch zu begegnen, sichtlich in Verzückung versetzt hatte. Der recht analytische Verstand zeigte sich hier um ein Vielfaches und auch wenn er sich mit Kaja zuweilen ganz anders geben konnte, war er offenbar im Umgang mit Fremden ein wenig reservierter. Zudem waren ihm die Traditionen äußerst wichtig, was Rhuna ebenso bereits bemerkt hatte. Und es fiel ihm schwer, sich dagegen aufzulehnen und sie gar anzuzweifeln. Dennoch erklärte er sich bereit, ihr zu helfen. Ajak war offenbar ein neutraler Beobachter der Lage, wenn man so wollte.
Er führte Rhuna, nachdem sie Gemin begegnet waren, zum toten Baum. Sichtlich missfiel es ihm, dass sie nun davorstanden und er sah immer mal wieder nervös von links nach rechts, während Rhuna einen seltsamen Sog erfuhr. Der Blick auf den Baum war…faszinierend. Nach all den Jahren stand er hier. Ein Mahnmal für alle Bewohner, was hier geschehen war. Gerade die Älteren mussten sich jeden Tag aufs Neue erinnern, wenn sie ihren Wegen nachgingen und hieran vorbeikamen. Doch Rhuna wurde das erste Mal mit so etwas konfrontiert. In Shyána Nelle gab es solche Bäume nicht. Es gab solche Magie nicht. Faszination und Abscheu stritten um die Vorherschafft. Doch der Baum hatte doch eine andere Wirkung auf Rhuna: Er zog sie zu sich hin. Ihre Sicht verschwamm und zeigte nur noch ihn. Ihre Aufmerksamkeit konnte nur noch das Schwarz der Rinde erkennen, das Leblose daran. Ajak verschwamm in ihrem Augenwinkel und um sie herum verschmolz der Wald zu einer unerkennbaren Masse. Der Baum schien nach ihr zu rufen, sodass Rhuna sich tatsächlich näher herantraute. Hier war es also geschehen: Yedan’s Schicksal nahm seinen Lauf und hatte sich mit dem ihren verbunden. Nun stand sie hier, anstelle von ihm und spürte die eisige Kälte unter ihren Füßen. Kriechend wand sich die seltsame Krankheit ihre Füße empor, ließ sie frieren und dennoch nicht zurückweichen. Nein, sie musste weiter. Musste erkennen, was hier geschehen war. Rhuna streckte die Hand nach dem roten, dunklen Fleck aus, an dem die einstige Liebe ihres Sariers ein Ende fand. Schon vorher spürte Rhuna, wie der Sog immer stärker wurde, doch als sie den Fleck berührte, durchfuhr sie ein regelrechter Blitz. Er schien sie direkt im Kopf zu treffen, durch ihren Hals hinunterzulaufen, über ihren ausgestreckten Arm und bis in ihre Fingerspitzen. Ein Leuchten bildete sich um ihre Hand, doch erlosch es augenblicklich, während ihre Sicht sich verklärte und sie mit heftigen Bildern konfrontiert, wurde:

Es war Nacht, eisigkalt und der Wind heulte unerbittlich durch das Blätterdach des Sarius. Überall lagen die schwarzen, toten Blätter verstreut, raschelten unter ihren nackten Füßen, bis sie über sie hinweglief und sie zu Staub zerfielen. Der Staub bedeckte den ganzen Waldboden, vermehrte sich durch den Wind und verdrängte alles Leben. Jede Blume, jeder Grashalm, jeder Baum wurde zerfressen von der Fäulnis, die sie, Rhuna, ins Land trug. Das schwarze Kleid umspielte ihre bleichen, nackten Fußknöchel. Ihre Hände waren beinahe weiß, während ihre Fingerspitzen schwarz waren. Von dort schlängelten sich schwarze Schlieren über ihren Handrücken und hinauf zu ihren Armen. Macht. Sie war von Macht erfüllt, wie sie sie nie hatte erleben dürfen. Man fürchtete sie und sie genoss es.

Das Bild erlosch. Rhuna taumelte etwas benommen zurück und brauchte einige Atemzüge, um wieder aufzutauchen aus den Schatten, die sich ihrer bemächtigt hatten. Die Bilder waren nachhaltig und ihr Herz wummerte. Plötzlich waren da zwei Gewichte, die sich auf ihre Schultern legten. Ihre Beine gaben nach und sie sank auf den Boden. Anders als vielleicht erwartet, tat sie sich jedoch nichts. Sie fiel auch weniger, als dass sie sank und sich daraufhin in den Armen von Ajak wiederfand. Besorgt ruhten die dunkelbraunen Augen auf ihrem bleichen Gesicht. Sie hatte sich dort berührt, kurz bevor sie den Halt in den Beinen verloren hatte und nun erntete sie einen fragenden Blick des Jägers. „Rhuna?“, sprach er sie ratlos an und griff nach ihrer Hand. „Du blutest ja!“, erkannte er und drehte ihre Handfläche so zu ihr, dass sie sie sehen konnte. Kurz zuckten die Bilder der schwarzen Fingerkuppen abermals auf. Sie waren so real gewesen. So…persönlich. Doch nach Bruchteilen von Sekunden, erkannte Rhuna ihre eigenen Finger wieder. Allerdings hatte sie einen kleinen, blutigen Riss an der Kuppe des Mittelfingers der Hand, mit der sie den Blutfleck berührt hatte. „Du hast dir etwas davon verschmiert.“, sagte er etwas hilflos und deutete sich selbst auf die Stirn. „Geht es dir gut? Was ist denn passiert?“, wollte er von ihr wissen und hielt sie weiterhin fest, solange sie sich zu schwach fühlen sollte. Sie waren einige Schritte vom Baum entfernt und nichts an ihm hatte sich in irgendeiner Weise verändert. Auch lag das Dorf so dar, wie sie es zuvor noch gesehen hatte. Nichts deutete darauf hin, dass irgendetwas seltsames passiert wäre. Einzig das beklemmende Gefühl in ihrem Innern blieb. „Du beherrscht also auch Lichtmagie?“, murmelte er und lächelte schmal. „Sah jedenfalls so aus. Deine Hand hat geleuchtet.“, berichtete er und sah zum Baum zurück. Das Lächeln starb. „Lass uns von hier verschwinden. Vielleicht kann Avalinn deine kleine Wunde heilen. Oder du tust es selbst.“, meinte er schulterzuckend und half ihr dann auf. Er vergewisserte sich, ob sie stehen könnte, unterband dann aber tunlichst den Körperkontakt wieder. „Geht’s wieder?“, hakte er noch mal nach, allerdings war er weitaus weniger zugänglich als Yedan. Während der letztere sich ihr stets genähert hatte, hatte Ajak immer einen gewissen Abstand zu ihr, wenn anderes nicht nötig war, wie eben, um ihren Sturz abzumildern. Trotzdem behielt er sie wachsam im Auge – er sorgte sich wohl einfach auf seine Art.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 16. Oktober 2022, 13:19

Ajak hatte für einen Moment nichts auf ihre Worte erwidert und wirkte nachdenklich. Schweigen trat zwischen sie und Rhuna glaube einen Moment lang schon, dass das Thema ohne weitere Worte fallen gelassen werden würde. Doch dann erklang noch einmal die Stimme des jungen Jägers.
Rhuna lauschte seinen Worten und spürte eine große Erleichterung in sich aufsteigen. Ajak hatte also nicht nur für Kaja beschlossen ihnen zu helfen. Er hatte durch die kleine Lauschaktion alles selbst mitangehört. Er erkannte die Ungerechtigkeit – sollte Yedan die Wahrheit gesprochen haben und wollte nun als neutraler Part dazu beitragen, die Wahrheit herauszufinden. Und das war alles, was sich Rhuna von ihm wünschen konnte.

Beim toten Baum
Es kam schleichend und sanft. Und es war unmöglich zu beschreiben, wo es anfing. Als hätte Rhuna eine unsichtbare Schwelle überschritten war es ihr nicht mehr möglich den Blick von dem schwarzen Baum zu lösen. Sie hörte nichts und doch schien etwas zu ihr zu wispern. Sie spürte nichts, doch schien etwas mit seidig glatten Fäden, die über ihre Haut streichelten, ihre Bewegungen zu lenken. Ihre Gedanken wurden träge und schafften es nicht länger selbstbestimmt eine Gedankenrichtung zu wählen. Und doch war sie so wach, wie noch nie zuvor.
Unter ihren Füßen spürte Rhuna die stechende Kälte in sich hinaufkriechen. Es hätte schmerzhaft sein müssen, unangenehm, doch …war dem so? Ihr Körper fühlte sich schwerelos an, als würde sie in Wasser schweben. Doch wenn, war es Eiswasser, das sie zwar sanft trug, aber kalt ihren Geist wach und gefangen hielt. Es war als würde sie immer tiefer sinken. Alles war widersprüchlich – und ergab keinen Sinn. Die Elfe konnte sich dem Sog einfach nicht entziehen, obwohl ihre Instinkte begannen zu rebellieren.
Von außen war dies alles nicht zu beobachten. Rhuna schritt zwar langsam, aber nicht unbedingt auf ungewöhnliche Art auf den Baum zu. Lediglich ihr Gesicht ließ erkennen, dass etwas nicht in Ordnung war. Denn das, was geschah, spielte sich einzig und alleine in ihrem Kopf ab. Ihr Körper reagierte auf das, was sich wie ein Eindringling ihrer bemächtigte. Ihr Herzschlag erhöhte sich immer schneller, bis ihre Ohren begannen zu singen. Auch ihre Atmung ging schnell, als würde sie Schwierigkeiten haben Luft zu bekommen.
Die schmalen Finger der Elfe berührten die, vom Blut Alyisas verfärbte Stelle der Rinde und ohne, dass sie es bewusst mitbekam glomm unter ihren Fingerkuppen ein schwaches Licht auf. Und mit einem Mal sah sich Rhuna selbst, als hätte man ihren Geist ihrem Körper entrissen:
Es war Nacht, eisigkalt und der Wind heulte unerbittlich durch das Blätterdach des Sarius. Überall lagen die schwarzen, toten Blätter verstreut, raschelten unter ihren nackten Füßen, bis sie über sie hinweglief und sie zu Staub zerfielen. Der Staub bedeckte den ganzen Waldboden, vermehrte sich durch den Wind und verdrängte alles Leben. Jede Blume, jeder Grashalm, jeder Baum wurde zerfressen von der Fäulnis, die sie, Rhuna, ins Land trug. Das schwarze Kleid umspielte ihre bleichen, nackten Fußknöchel. Ihre Hände waren beinahe weiß, während ihre Fingerspitzen schwarz waren. Von dort schlängelten sich schwarze Schlieren über ihren Handrücken und hinauf zu ihren Armen. Macht. Sie war von Macht erfüllt, wie sie sie nie hatte erleben dürfen. Man fürchtete sie und sie genoss es.

Das Bild erlosch und um sie herum breitete sich Dunkelheit aus. Als wäre ihr Geist gewaltsam wieder in ihren Körper gefahren, fühlte sich ihr Körper plötzlich unsagbar schwer an. Zurücktaumelnd und wieder in der Lage sich selbst gesteuert zu bewegen, taumelte sie zurück und fasste sich an die Stirn. Schwindel befiel die brünette Elfe und sie spürte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben.
Zwei starke Arme fingen sie auf und bewahrten Rhuna vor einem Sturz, der vielleicht hätte schmerzhaft werden könnte. Für einige Sekunden lag sie regungslos in Ajaks Armen. Ihr Bewusstsein war ihr jedoch nicht vollends entglitten, so dass sie mitbekam, wie er sie besorgt ansprach und ihre Hand in die seine nahm.
Als sie ihren Körper wieder zu spüren begann, schlug sie ihre Augen auf und sah in das besorgte Gesicht des jungen Jägers. Sie wurde sich ihrem schnellen Herzschlag bewusst und stolperte beim Atmen, woraufhin sie husten musste, als wäre sie tatsächlich unter Wasser gewesen.
Was ist… passiert…? Was waren das für Bilder und…. Rhuna erschauderte. Ihr Körper zitterte leicht und fühlte sich kalt an, doch noch immer spürte sie das euphorische Gefühl nach Macht in sich widerhallen, das die ‚Rhuna‘ in ihrer … sollte man Vision sagen…. empfunden hatte.
Das Gefühl war berauschend und hinterließ einen süßlich-bitteren Geschmack, der den Drang nach mehr auslöste. In Rhunas Blick, der zwar auf Ajak gerichtet war, ihn aber noch nicht aktiv wahrnahm, mischte sich Angst. Angst vor diesem Gefühl – Angst vor diesen Bildern, in denen sie zu ihrem blanken Entsetzen, sich selbst wiedergefunden hatte.
„Du blutest ja!“, drang Ajaks Stimme an ihr Ohr und ihre Pupillen wurden schmaler, als sie begann ihn nun bewusst wahrzunehmen. Ihr Blick wanderte zu ihrer Handfläche, die der Jäger so gedreht hatte, dass sie diese ansehen konnte. Wie ein dumpfer Blitz zuckte das Bild ihrer schwarzen Fingerkuppen vor ihren Augen auf – spürten die kalte Hitze der Macht in sich kribbeln, was Rhuna dazu brachte vor Schreck sich etwas mehr aufzurichten.
Nein! Nein, das kann nicht sein!
Doch so schnell dieses Bild gekommen war, so schnell war es verschwunden. Sie sah auf ihre Finger, an denen kein einziger grauer Schatten oder schwarzer Schlierer zu erkennen war. Einzig auf ihrem Mittelfinger bildete sich ein roter Tropfen Blut, der aus dem kleinen Kratzer an ihrer Fingerkuppe hervortrat.
„Du hast dir etwas davon verschmiert.“, machte Ajak die Elfe, etwas hilflos, auf die rote Stelle an ihrer Stirn aufmerksam und zog wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich. Etwas, wofür Rhuna ihm inständig dankbar war, wäre sie in diesem Moment nicht völlig verunsichert.
„Geht es dir gut? Was ist denn passiert?“, fragte er weiter und sicher nicht minder irritiert nach. Für ihn musste das alles auch merkwürdig und plötzlich vorgekommen sein.
„Was…? Ich… ich glaube schon…!“, kamen die unsicheren Worte aus Rhunas Mund, während sie sich etwas desorientiert umsah, als würde sie etwas suchen. Ajak konnte ja nicht wissen, was sie gerade erlebt hatte. Ohne es selbst zu registrieren hatte sich ihr Griff um seine Hand verstärkt, doch nun löste sie diesen langsam und wischte mit dem Daumen ihrer anderen Hand den Blutstropfen fort, unter dem ein feiner kleiner Schnitt hervorkam, den man lediglich daran erkennen konnte, da sich erneut eine feine Linie ihres roten Lebenssaftes bildete. Noch zwei Mal wischte sie darüber, ehe sie sich in eine selbstständig sitzende Position begab und für eine Sekunde die Augen schloss.
Beruhig dich…! Das alles war eine Einbildung. Es war nicht echt!, beruhigte sich die junge Elfe in Gedanken. Mit mehr oder weniger großen Erfolg. Sie wurde zwar ruhiger und verhielt sich wieder gefasster, doch noch immer pochte in ihr die Erinnerung an dieses … dunkle Machtgefühl.
„Entschuldige…! Ich … weiß auch nicht was passiert ist!“, erklärte sie ein wenig eingeschüchtert und sah sich in einer Erklärungsnot, der sie sich nicht gewachsen fühlte. Sie strich sich mit dem Handrücken über die Stirn, in Hoffnung so den Blutschmier entfernen zu können.
Was soll ich ihm denn sagen? Ich… verstehe ja selbst nicht, was passiert ist, dachte sie und sah wieder in das Gesicht des blonden Elfen. Für einen kleinen Moment sah sie Yedan vor sich, von dem sie sich gerade so sehr wünschte, dass er hier wäre - Ihr half zu verstehen, was mit ihr geschehen war. „Du beherrscht also auch Lichtmagie?“, murmelte ihr Begleiter und lächelte ihr schmal entgegen. „Sah jedenfalls so aus. Deine Hand hat geleuchtet.“
Ajaks Worte ließen sie verwundert blinzeln und erneut fiel ihr Blick auf ihre Hände, an denen weder Schatten noch Licht zu erkennen war. Nichts hatte sich verändert, auch nicht in der Umgebung.
„Nein, ich beherrsche eigentlich keine Magie!“, gab Rhuna etwas nachdenklich zu verstehen. Ihr Blick hob sich wieder und sie sah, wie der Jäger zum Baum sah und sein Lächeln erstarb. Rhuna selbst traute sich nicht mehr in diese Richtung zu gucken – zumindest nicht jetzt.
„Lass uns von hier verschwinden. Vielleicht kann Avalinn deine kleine Wunde heilen. Oder du tust es selbst.“, schlug er vor und sprach der Elfe aus der Seele. Gerade wollte sie wirklich weg von hier – weg von diesem Ort, der irgendetwas mit ihr gemacht hatte, was sie einfach noch nicht verstand.
Sie stützte sich ab, um aufzustehen, doch dann erreichte sie wieder eine helfende Hand, die sie auf die Beine zog. Im ersten Moment hielt sie sich noch an Ajak fest, doch nachdem sie sich überzeugt hatte, dass ihre Beine sie tragen würden, hatte sie auch nichts dagegen, dass er sie wieder losließ.
„Geht’s wieder?“, hakte er besorgt nach, was Rhuna ein kleines Lächeln entlockte. Nickend gab sie ihm einen Grund seine Sorgen zu zerstreuen. Und hoffte, dass ihr dies ebenfalls schnell gelang.
Ihre Hände, die von Natur aus, stets warm waren fühlten sich kalt an. Und die Angst, die sich in ihr aufgebaut hatte, ließ sie frösteln. Und so recht wortfreudig, schien Rhuna ebenfalls noch nicht zu sein.
Doch nachdem sie ein paar Schritte gegangen und etwas Distanz zu dem Baum geschaffen hatten, spürte sie, wie ihr Herz wieder etwas leichter wurde. Doch noch immer wusste sie nicht so recht, was sie dem Sarier sagen sollte.
„Ajak?“, begann sie und suchte nach seiner Aufmerksamkeit. „Die Dunkelheit vom Baum…! Es sah so aus, als würde sie sich über den Boden weiter ausbreiten! Oder ist sie über die Jahre nicht weitergewachsen?“, fragte sie und rieb sich dabei weiter ihre Hände, um etwas Wärme in diese zurückzuerlangen. In ihrem Kopf bildeten sich Fragen über Fragen.
„Du scheinst dich auch nicht… besonders wohl gefühlt zu haben. Hast du… auch etwas gespürt?“ Die Frage kam deutlich zögerlicher über ihre Lippen. War es nur sie, die… diese merkwürdige Erfahrung gemacht hatte? Oder gab es noch andere...?!
Ihr Blick wanderte bewusst etwas umher. Rhuna versuchte sich vom Nachklang ihres Erlebnisses abzulenken und suchte nach kleines optischen Details, die ihr bisher entgangen waren – von denen es noch hunderte gab.
Leise atmete sie bewusst tief ein und aus und fand so wieder eine gewisse Ruhe zurück. Wie würde es nun weitergehen? Der Vorfall hatte die Elfe verunsichert. Viel herausgefunden hatte sie nicht – und der Gedanke noch einmal zum Baum zurückzukehren bescherte ihr kein Wohlgefallen.
Die Taverne zog ihren Blick auf sich und sie erinnerte sich an die Wegbeschreibung, die Avalinn ihr bei ihrem Abschied gegeben hatte.
Ich hoffe… Avalinn kann… mir helfen. Die Lichtmagierin war die Einzige, die Rhuna einfiel und die vielleicht mehr über die Magie wissen konnte, die scheinbar noch immer in diesem Baum lebte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 18. Oktober 2022, 22:22

Das Gefühl war unbeschreiblich gewesen. Völlig unvorbereitet hatte sie der Sog des Baumes erwischt und ihr eine seltsame Vision zuteilwerden lassen. Rhuna brauchte einige Zeit, um sich wieder im Hier und Jetzt zurechtzufinden. War es nun Einbildung? Zukunftsvision? Oder gar eine Botschaft aus ihrem Innersten? Zu ergründen, worin der wahre Sinn des ganzen bestand, lag derzeit nicht in ihrer Macht. Rhuna musste nun erstmal wieder etwas zurechtkommen, sich ein wenig sammeln und auch Ajak spürte, dass sie derzeit nicht auf der Höhe war. Ungewohnt wortkarg und zerstreut wirkte sie auf ihn, sodass er ihr einige Moment der Pause gönnte, bevor er sie abermals nach dem Grund ihres Verhaltens fragte. Sie gingen einige Schritte vom Baum weg, bevor sich Rhuna endlich traute einige Worte an den Sarier zu richten. „Ajak? Die Dunkelheit vom Baum…! Es sah so aus, als würde sie sich über den Boden weiter ausbreiten! Oder ist sie über die Jahre nicht weitergewachsen? Du scheinst dich auch nicht… besonders wohl gefühlt zu haben. Hast du… auch etwas gespürt?“ Der blonde Elf blickte über seine Schulter zurück und runzelte kurz die Stirn. Dann kehrte er mit seiner Aufmerksamkeit wieder zu Rhuna zurück. Er schüttelte den Kopf. „Nein, in den letzten Jahren hat sich da nichts verändert.“, räumte er ein und stockte kurz. Er schien nachdenklich zu sein und warf erneut einen Blick nach hinten, während sie weitergingen. „Seltsam, aber jetzt wo du es sagst… Es schien sich tatsächlich weiter ausgebreitet zu haben. Aber das war vorgestern noch nicht so. Seltsam, wirklich seltsam…“, murmelte er nachdenklich und in seinem Gesicht konnte sie tatsächlich für einen Moment ehrliche Verwirrung erkennen. Dann jedoch widmete er sich ihrem Nachsatz. Die braunen Augen ruhten auf ihrer Seite, während er sie den Weg zurück zum großen Baum begleitete. „Die Dunkelheit? Ich weiß nicht recht, was du meinst? Der Baum scheint eine Art Mahnmal zu sein. Irgendwie ist er… beständig – als würde er uns stets daran erinnern wollen, dass in jedem von uns Dunkelheit lauert, die nur darauf wartet an die Oberfläche zu kommen. Ich… ich mag diesen Ort einfach nicht besonders.“, gestand er ihr ehrlich und zuckte die Schultern. Er legte die Hände auf seinen Rücken und schritt weiter neben ihr her. Während des Gesprächs, verließen sie mehr und mehr die eigenartige Sogkraft des Baumes, sodass auch die Wärme zurückzukehren schien. Beim großen Baum angekommen, blieb Ajak kurz stehen und hob eine Hand. Er zog an einem erst jetzt sichtbaren Seil und herunter glitt eine hölzerne Sprossenleiter. Sie verband den Erdboden mit der ersten Etage der in den Bäumen lebenden Elfen. „Nach dir!“, grinste er kurz als wäre das Grauen vergessen. Und vielleicht war es das auch für ihn, denn das, was nun folgte, war dazu angeraten, vergessen zu lassen:

Sobald Rhuna die Sprossenleiter überwunden hatte, fand sie sich auf einem überdachten, rundlichen Plateau ein. Es war an den Seiten geöffnet, sodass die zarte Briese hindurchwehen und mit ihrem Haar spielen konnte. Von hier aus führten vier Holzstege, ohne Geländer, zu jeder Seite höher in den Baum. Er war gewaltig und das Ausmaß wurde erst jetzt wahrlich bewusst. Mit leichtem Schwung nach oben, erreichte man die nächste Ebene. Ajak ging dieses Mal vor und bedeutete ihr vorsichtig an den Rändern zu sein. Für ihn war es Alltag, für Rhuna eher Neuland. Dennoch bestand hier keine Gefahr, denn die Holzstege waren breit genug, damit man auch bequem nebeneinander hergehen konnte, ohne das Gefühl zu haben, zu fallen. Ajak führte Rhuna über einen der Holzstege und gelangte so mit ihr auf eine hölzerne Häuserfront zu. Davor waren sogar kleine Blumenkästen mit bunten, exotischen Blumen gepflanzt, die allesamt wohl aus dem Kapayu stammten. Jedenfalls kannte Rhuna diese Pflanzen. Hinter dem Haus, in dem sogar etwas Licht brannte, bauten sich in schlängelnder Form um einen weiteren Baumstamm weitere Wege aus Holz, dieses Mal jedoch mit Geländer, zum Schutz. Sie führten um einen weiteren Stamm, um dann ebenfalls ein mittleres Plateau zu haben, das wiederum Wege offenbarte, die weiter und weiter führten. Rhuna tat sich eine Art zweite Stadt auf, nur eben in den Bäumen. Ebenso wie unten, herrschte auch hier buntes Treiben. Sie wurden von Elfen wie Menschen begrüßt, auch wenn hier mehr die Verwandten aus dem Sarius lebten als die Menschen. Jeder ging seinem Tagewerk nach und manche blieben stehen, um sich zu unterhalten. Die Bauwerke waren aus einfachem Holz, doch waren sie deshalb nicht minder imposant. Überhaupt das ganze zu erschaffen, grenzte an ein kleines Wunder. Ajak führte Rhuna weiter über eine Hängebrücke, die zwar wackelig wirkte, aber vollkommen sicher war, bis sie oberhalb der Taverne waren. Hier kamen sie auf ein hutzelig wirkendes Holzhaus zu. Bereits beim Näherkommen roch man die verschiedenen Aromen unzähliger Heilkräuter, Pflanzen, Blumen und Tinkturen. Aus einem Schornstein rauchte es und die Tür stand sperrangelweit offen. Drinnen hörte man Töpfe klappern und eine liebliche Stimme, die eine Melodie summte. Ajak blieb kurz stehen und räusperte sich. „Hier wohnt Avalinn.“, erklärte er Rhuna und schien ein wenig nervös zu sein. Er trat von einem auf das andere Bein, bevor er an den Rahmen der offenen Tür klopfte. „Avalinn? Rhuna ist da.“, kündigte er sie beide an und das Klappern der Töpfe hörte auf. Schon erschien die Heilerin in der Tür und man hatte unweigerlich das Gefühl, dass die Sonne noch mal extra strahlen würde. Sie lächelte wie flüssiger Honig und ihre Augen strahlten ihnen entgegen. „Oh wie schön! Kommt rein!“, bat sie und ließ sie beide hereinkommen. Drinnen lagen überall Kräuter, Fläschchen, Mörser und Stößel in vielen Variationen, Bücher über Kräuterkunde, Verbandmaterial, Schüsseln, Pigmente und Säckchen. Es war reines Chaos, wenn man es so betrachtete, doch gleichwohl verströmte all das einen ganz eigenen Charme. „Wollt ihr etwas trinken?“, fragte sie die beiden und lief geschickt durch das Chaos, auf eine kleine Küchenzeile zu, die unter all dem Kram bedeckt war. Sie füllte Wasser in einen Kessel, summte kurz auf, während sie ihn über die Feuerstelle hängte und lachte leise. „Verzeiht die Unordnung… Meine Vorgängerin war… brillant. Aber leider hatte sie etwas gegen Ordnung!“, scherzte sie und Ajak lächelte mit einem Mal über beide Ohren, als ihr Blick ihn traf. Dann räusperte er sich und wurde wieder ernster. „Keine Sorge. Chaos macht mir - uns! – nichts!“, versicherte er betont lässig. Erneut räusperte er sich und sah auffällig unauffällig die Kräuter auf dem einstigen Küchentisch an. „Ich habe das Quartier erst vor kurzem bezogen“, erklärte sie Rhuna weiter, während sie den Tee machte, „Vorher hatte ich ein Zimmer in der Taverne unten.“. Avalinn wischte sich die schlanken Finger in einem Tuch ab und kam dann vor Rhuna und Ajak stehen. In ihrem blauen Kleid wirkte ihr Haar rötlicher, als es eigentlich war. Allerdings schmeichelte ihr wohl jede Farbe. Das Gesicht der Elfe hatte einige Kleckser Tinktur von was auch immer abbekommen, doch das schmälerte ihre Erscheinung in keiner Weise. Sie war bildschön und verboten freundlich. „Was kann ich für euch tun? Wie geht es unserem Bärendompteur?“, lächelte sie und es lag ehrliche Neugierde in ihrer Stimme, keine gehässige Note.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 19. Oktober 2022, 22:10

Wie hätte Rhuna nach solch einem … merkwürdigen Erlebnis auch direkt wieder völlig bei sich sein sollen? Obwohl sie sich in dieser Art Vision selbst gesehen hatte, hallten die zweifelhaft euphorischen Empfindungen in ihrem Körper, wie ein Echo wider. Es fühlte sich realistischer an, als es jeder Traum getan hätte und genau das war es, was sie erschreckte.
Rhuna war niemand, die sich am Leid anderer erfreute. Natürlich war sie nicht ohne Fehl oder Tadel – für eine Shyánerelfe war sie eindeutig zu abenteuerlustig und besaß eine gewisse Neigung Regeln und Grenzen auszudehnen, doch wollte sie niemandem etwas Böses. Das Gefühl Macht zu besitzen – gefürchtet zu werden und dies zu genießen war ihr bis vorhin völlig fremd gewesen, doch ohne eine wirkliche Erfahrung gemacht zu haben, hatte sie eine Kostprobe bekommen. Von wem oder was blieb wohl unergründet.
Die Elfe spürte, was die Rhuna aus dieser ‚Vision‘ gespürt hatte und doch erkannte sie sich nicht wieder. Kein Wunder, dass sie sich orientierungslos und verwirrt fühlte.
Ajak war eine Stütze, um wieder ins Hier und Jetzt und zu sich selbst zurückzufinden. Er gab ihr Zeit und zusammen entfernten sie sich vom Baum, was merkwürdigerweise half. Ebenso wie das Gespräch, mit dem sie sich ablenken konnte, obwohl es ihr gleichermaßen zu denken gab.
„Nein, in den letzten Jahren hat sich da nichts verändert.“, beantwortete er Rhunas Frage – was sie erleichtert aufatmen ließ, denn die ‚Dunkelheit‘, wie sie es aus Mangel einer anderen Bezeichnung nannte, hatte sich für sie äußerst lebendig angefühlt. Schleichend und umschmeichelnd schien sich etwas unsichtbares ihres Körpers bemächtigt zu haben, nachdem sie auf die, am Boden ausgestreckten, dunklen Klauen getreten war. Oder war es schon vorher geschehen?
Ajaks Blick wanderte über seine Schulter zurück zum Baum. Ein Blick, den Rhuna selbst nicht wieder wagte.
„Seltsam, aber jetzt wo du es sagst… Es schien sich tatsächlich weiter ausgebreitet zu haben. Aber das war vorgestern noch nicht so. Seltsam, wirklich seltsam…“ Die gemurmelten Worte verstärkten erneut ihre Unsicherheit. Für einen Moment blieb die Brünette stehen und sah den großgewachsenen Elf mit Sorge an. Ihr konnte kein Unterschied auffallen, da sie diesen Ort zum ersten Mal betreten hatte, doch ihm?
Wenn das wahr ist und Ajak sich eine Veränderung nicht nur einbildet, muss sich etwas verändert haben. Und das seit … vorgestern. Wo wir hier im Dorf ankamen…! Natürlich fiel Rhuna die zeitliche Verbindung auf. Ein Kloß bildete sich in ihrem schlanken Hals, den sie nicht fort geschluckt bekam. In Gedanken wollte sie bereits, wie schon so oft, ihre weise und gute Göttin Florencia, um Rat und Lösung dieses Rätsels erfragen. Doch sie wagte es dann doch nicht. Florencia und Phaun hatten ihr in den vergangenen Stunden so oft beigestanden und ihr Hilfe zukommen lassen. Und bisher hatte sich die Elfe noch nicht entsprechend bedanken können, wenn man von den gedanklichen Dankesgebeten einmal absah. Die Zeit, wie die Müdigkeit hatten es nicht zugelassen und auch jetzt fühlte sich Rhuna, wie im Strom eines Flusses gefangen, der sie unaufhörlich in eine Richtung trieb, ohne Aussicht auf eine Rast. Ihr Blick wanderte hinab auf ihre Handfläche, die sie ein wenig anhob, um sie besser betrachten zu können. Es war eindeutig ihre Hand – rosige Farbe, statt weißer Haut und keine Anzeichen von Schatten oder Schwärze, die sich über ihre Finger ausbreitete. Und doch löste der Anblick Beklommenheit in ihr aus.
…es… kann doch nicht sein, dass ich etwas damit zu tun habe…!? Aber würde es dann nicht bedeuten, dass Yedan … dass seine Anwesenheit eine Veränderung erwirkt hat? Der letzte Gedankensatz kam ihr wie ein Verrat an dem Sarier vor und so schnell er gekommen war, so schnell warf sie jeglichen Zweifel über Bord.
Nein! Er hat damit nichts zu tun. Und ich… Rhuna brachte den Gedanken nicht zu Ende, doch sie schob auch die Rätselraterei etwas beiseite. Zweifel brachten nichts. Und sie war nicht alleine, was ihr Blick auf Ajak wieder bewies. Zusammen würden sie schon Antworten finden – und ihre größte Hoffnung lag derzeit in der Lichtmagierin Avalinn.
Rhuna löste sich wieder vom Fleck und ging nahe des blonden Elfen in Richtung des großen Baumes, der das Zentrum des Dorfes zu markieren schien.
„Die Dunkelheit? Ich weiß nicht recht, was du meinst? Der Baum scheint eine Art Mahnmal zu sein. Irgendwie ist er… beständig – als würde er uns stets daran erinnern wollen, dass in jedem von uns Dunkelheit lauert, die nur darauf wartet an die Oberfläche zu kommen. Ich… ich mag diesen Ort einfach nicht besonders.“, hörte Rhuna Ajak und bemerkte so, dass sie wohl nur für ein paar Sekunden stehen geblieben war. Erneut spielte die Zeit ihr einen Streich.
„Das kann ich verstehen...!“, gestand auch sie und seufzte leise. Die Elfe ging nahe des anderen, weil sie sich dadurch irgendwie wohler fühlte. Als bräuchte sie gerade jemanden, der sie im Hier und Jetzt halten konnte. Und ohne, dass es Ajak mitzubekommen schien gelang es ihm diese Wirkung auf Rhuna zu haben. Ihr Herz fühlte sich leichter an, als sie auf die Wiese kamen, die moosdurchwirkt den Platz zierte.
„Dunkelheit lauert in uns allen…!“, wiederholte sie leise ein paar der Worte, die ihr Begleiter gerade ausgesprochen hatte. Der Gedanke war beunruhigend und beruhigend zugleich. Vielleicht machte sie sich ja doch zu viele Gedanken um diese eigenartige Vision.
„Es liegt an unseren Entscheidungen…!“, fügte sie weiter mehr zu sich, als zu ihm hinzu und lächelte plötzlich aufgeheitert.
Am Baum angekommen zog Ajak an einem Seil, das sich ihres Blickes bisher völlig entzogen hatte, woraufhin eine hölzerne Leiter hinabglitt. Beeindruckt legte sich ihr Kopf bis in den Nacken um das Ende der Kletterhilfe sehen zu können. Dass sich der Trubel des Dorfes über mehrere Etagen erstreckte, war Rhuna zwar bewusst, doch hatte sie bisher nur den Erdboden erkundet. Obwohl erkundet hier vielleicht das falsche Wort war…
„Nach dir!“, hörte sie Ajak, der daraufhin ihren Blick wieder zu sich zog. Das Grinsen, das sein Gesicht erhellte, war unbeschwert und ansteckend. Ähnlich hatte auch ihr Bruder sie aufzuheitern gewusst. Dennoch war ein solcher Aufstieg etwas Neues für sie. Sie trat zur Leiter und griff die erste Sprosse, um sich das erste Stück hochzuziehen. Doch bevor sie weiterkletterte hielt sie inne und in ihren Augen blitzte der Schalk auf.
„Dann wollen wir mal…“, erwähnte sie tatkräftig und kletterte ein Stück höher, ehe sie sich zu ihm umwandte und ihm quasi Auge in Auge gegenüber ‚hing‘.
„Aber wehe du guckst mir unter den Rock!“, drohte sie mit deutlicher Heiterkeit in Erwartung seiner Reaktion. Ja – es tat gut die Stimmung weiter aufzulockern. Und so wandte sie sich mit einem ihrer bezauberndsten Lächeln wieder um und kletterte zügig empor zum Plateau.
Dort zum ersten Mal zu stehen war für einen Moment lang atemberaubend – was nichts mit der zuvor getätigten Kletterarbeit zu tun hatte. Die Magie des Sarius und dieses Dorfes hatte die junge Elfe vom ersten Moment an, gefangen genommen. Ihr Blick wanderte neugierig hin und her, schien alle feinen Details und Eindrücke einfangen zu wollen. Die vielen Holzstege und Brücken, die die Bäume und Bereiche miteinander verbanden machten den Anblick zu etwas wirklich Besonderen.
Als auch Ajak die Ebene erreicht hatte und sie über einen der Stege führte, setzte sie jedoch bedacht einen Fuß nach dem anderen vor sich. Es war das erste Mal, dass Rhuna in solcher Höhe war und kein schützendes Geländer eine Grenze zum Abgrund markierte.
„Wohnst du auch hier oben, oder ist dein Heim dort unten?“, fragte sie mit einem vorsichtigen Blick über den Rand und auf die Hausdächer, die sie nun in Vogelperspektive betrachten konnte.
Je weiter sie gingen, je mehr erlebte die Elfe die rege Betriebsamkeit, die hier oben herrschte. Wie schon auf dem Dorfplatz begegneten sie vielen Bewohnern, von denen einige Ajak im Vorbeigehen begrüßten. Und auch hier spürte sie immer mal wieder fragende und neugierige Blicke auf sich.
Bei der Hängebrücke angekommen, die sie zu Avalinns Heim führen sollte, zögerte Rhuna für einen Moment diese zu betreten. Es war nicht so, dass sie Höhen fürchtete, doch war sie je über eine Hängebrücke gegangen? Bei Ajak sah jeder Schritt routiniert und einfach aus, so dass er sich nicht einmal groß an den Seilen, die je zu den Seiten in greifbarer Höhe befestigt waren, festhalten musste. So sicher fühlte sich die Brünette nun doch nicht und wählte daher eine sicherere Variante.
Die beiden kamen vor Avalinns Häuschen an, das einen ganz eigenen Charme besaß. Die Türe stand offen und Rhuna konnte schon vom Weiten verschiedene Gerüche wahrnehmen, von denen ihr einige vertraut vorkamen.
„Hier wohnt Avalinn.“, erklärte Ajak ihr und wirkte plötzlich eigenartig nervös. Verwundert registrierte Rhuna die feine Änderung an dem blonden und oftmals so ernst wirkenden Elfen, ließ sie jedoch unkommentiert.
„Avalinn? Rhuna ist da.“, machte er sich für die eldorische Elfe bemerkbar, die kurz darauf schön und strahlend, wie eh und je im Eingang erschien. Unbewusst erwiderte Rhuna das Lächeln ihrer Gastgeberin, dessen Anblick ausreichte, um eine Hoffnung zu schüren und unterbewusste Sorgen weiter zu verdrängen.
„Oh wie schön! Kommt rein!“, erklang die melodische Stimme Avalinns, woraufhin die beiden eintraten und sich verstohlen mit Blicken umsahen. Zumindest tat Rhuna dies. Die Unordnung wollte nicht so recht zu der perfekt anmutenden Heilerin passen, doch hatte das Chaos auch etwas Gemütliches an sich und verströmte einen eigenartigen Eigencharme, dem sich Rhuna nicht entziehen konnte. Die Gerüche und Klänge wirkten beruhigend und irgendwie vertraut, was wohl daran lag, dass sich auch die Shyánerin mit der Heilkunde beschäftigte.
„Danke! Ich hoffe wir stören dich nicht.“, wandte sich Rhuna an Avalinn, als diese, nach ihrer Frage, für ihre Gäste Tee zuzubereiten begann. Sie wirkte wie ein zwitschernder Vogel in der Morgensonne, der den Tag genoss. Irgendwie sorgenfrei, dass in Rhuna fast ein Gefühl von Neid aufkeimen ließ, wäre sie der Elfe nicht so zugetan.
„Verzeiht die Unordnung… Meine Vorgängerin war… brillant. Aber leider hatte sie etwas gegen Ordnung!“, scherzte Avalinn und Ajak lächelte mit einem Mal über beide Ohren, als ihr Blick ihn traf. Wie auch Rhunas, in deren Augen ein verstehender Ausdruck trat.
So ist das also…!, dachte sie sich schmunzelnd und verfolgte weiter stumm und durchaus amüsiert den kurzen Dialog.
„Keine Sorge. Chaos macht mir - uns! – nichts!“,
„Ich habe das Quartier erst vor kurzem bezogen. Vorher hatte ich ein Zimmer in der Taverne unten.“, erzählte die Schönheit weiter, während sie ihren Gästen den Tee servierte. Rhuna nahm die Tasse und schnupperte an dem heißen Getränk. Ein angenehmes und sanftes Aroma stieg ihr in die Nase, woraufhin sie vorsichtig pustend einen Schluck zu sich nahm.
„Was kann ich für euch tun? Wie geht es unserem Bärendompteur?“, fragte Avalinn mit sonniger Heiterkeit und brachte das Gespräch somit ihrem eigentlichen Besuchsgrund näher. Die Äußerung Yedans erinnerte Rhuna an ihr Vorhaben und ihr Lächeln verblasste leicht.
„Yedan geht es wieder gut. Er ist am Morgen aus dem Bett gestiegen, als wäre nie etwas gewesen.“, erzählte sie und war noch immer sichtlich beeindruckt von den Kräften der Lichtmagie, die sie in solchem Ausmaß noch nie zuvor beobachtet hatte. Doch dann war eigentlich schon der Punkt gekommen, an dem sie das ernste Thema anschneiden musste.
Für einen Moment sah sie in Gedanken versunken in ihre Tasse Tee und schwenkte sie leicht in ihrer Hand, so dass die feinen kleinen Partikel des Tees in der Tasse herumwirbelten.
„Allerdings… war er gezwungen das Dorf direkt wieder zu verlassen.“, führte sie weiter aus und richtete ihren Blick in die honigbraunen Augen der anderen Elfe.
„Ich weiß nicht, ob und wenn ja, was du über den Vorfall von vor 20 Jahren gehört hast. Bevor Yedan ging habe ich ihm keine Wahl gelassen und er erzählte mir aus seiner Sicht von dem Unglück.“ Sollte Avalinn von diesem noch nichts gehört haben, erzählte Rhuna ihr von diesen. Sie ging dabei bedacht vor und achtete sehr genau auf jede Regung im Gesicht der Heilerin, in Hoffnung ihre Unterstützung gewinnen zu können
„…deshalb haben wir beschlossen, … dass ich hierbleibe und versuche mir bei den Dorfbewohnern Gehör zu verschaffen. Es geht… einfach nur darum, dass eine neue und gerechte Betrachtung der damaligen Ereignisse und dadurch vielleicht eine Aufhebung seiner Verbannung erreicht wird. Kaja und Ajak waren so lieb und haben mir ihre Unterstützung zugesichert.“, erklärte Rhuna weiter und warf dem blonden Elfen ein dankbares Lächeln zu. Doch dann wusste sie nicht so recht, wie sie weitererzählen sollte.
„…wir waren vorhin beim toten Baum …!“, setzte sie erneut an und man sah der Brünetten an, dass sie sich bei dieser Erinnerung sichtlich unwohl fühlte. Ihr Griff um die Tasse wurde etwas kräftiger, da sie die Erinnerung an die kalten Finger mit der Wärme des Gegenstandes zu vertreiben versuchte.
„Und… ich weiß nicht so recht wie ich es erzählen soll. Es war … unheimlich. Irgendetwas hat mich angezogen und… als ich den Baum berührte wurde ich für einen Moment ohnmächtig.“ Rhuna sah hilfesuchend zu Ajak. In ihr stieg eine Angst auf falsch verstanden zu werden, wenn sie alles erzählen würde.
„… wir stehen schon so tief in deiner Schuld. Aber ich wäre dir unglaublich dankbar, wenn du uns helfen würdest. Wir wissen nicht wo wir ansetzen sollen…! Oder besser gesagt… ich weiß es nicht. Ich hatte die Hoffnung, dass du als Lichtmagierin noch etwas von Alyisas Magie spüren kannst – dass wir etwas finden, was Yedans Erzählung bestätigt.“ Es war eine ganz andere Bitte, als die, die sie ursprünglich hatte stellen wollen, nachdem sie Avalinn in Faruns Haus verabschiedet hatte. Dort hatte sie noch die Hoffnung gehabt, dass sie von ihr neue Heilmethoden lernen könnte, wo sich ihr die Lichtmagie oder eine andere Magie noch nicht offenbart hatte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 20. Oktober 2022, 21:02

Ihr fehlten Antworten. Ihr fehlten Fakten. Rhuna versuchte es erst gar nicht, indem sie sich an einer Lösung der vielen losen Enden wagte. Das brachte sie nicht weiter und auch wenn die Vision sie erschreckt hatte und noch immer nachhallte, war sie gewillt, sich davon nicht einschüchtern zu lassen. Natürlich fiel ihr auf, dass sich offenbar etwas geändert hatte, nachdem sie Yedan halbtot in das Dorf gebracht hatte. Ob das ein Zufall war? Schwerlich zu glauben, denn das alles konnte doch nur zusammenhängen. Rhuna aber war froh, dass sie Ajak an ihrer Seite hatte. Der blonde Elf wirkte wie ein Fels in der aufschäumenden Brandung aus Macht und Angstgefühl und erdete sich tatsächlich. Soweit sogar, dass sie mit ihm scherzte und ihn kurz etwas verdattert dreinschauen ließ, als sie ihm sagte, er solle nicht unter ihren Rock blicken, während sie die Leiter emporkletterte. Doch dann, als sie sich zu ihm umwandte, erkannte sie ein Verziehen seines Mundwinkels. Er war auf jeden Fall amüsiert! Das Dorf watete mit einer ureigenen Schönheit auf, als die beiden oben angekommen waren. Rhuna konnte erkennen, dass es ganz natürlich wirkte, wie die Elfen ihre Behausungen in den Baum gebaut hatten. Und es ging sogar noch weiter hinauf, wenn man wollte. Doch vorerst begnügten sie sich mit der ersten Etage, sodass sie über die wackelige und zumindest für Rhuna ungewohnte Hängebrücke gingen. „Ich wohne eine Etage höher!“, erzählte Ajak der Shyáner und deutete unbestimmt in die Höhe. „Meist bin ich aber bei Farun und Lorna. Farun bildet uns sozusagen mit aus.“, erklärte er Rhuna von sich aus und meinte mit ‚uns‘ sicherlich auch Kaja. Vor dem Haus der Heilerin entdeckte Rhuna allerdings ein weiteres Rätsel. Oder besser gesagt: Die Lösung dessen. Ajak wirkte mit einem Mal äußerst nervös und sobald die Heilerin in die Türzarge trat, wirkte er weitaus kleinlauter als noch vor einigen Augenblicken. Rhuna aber konnte dem Heim gleich etwas abgewinnen. Wie gerne wäre sie bei Avalinn einige Tage in die Lehre gegangen. Hätte sich von ihr den einen oder anderen Kniff zeigen lassen, damit sie ihre eigenen Heilungsfertigkeiten ausbauen konnte. Doch jetzt waren andere Dinge vordergründig und wichtiger, sodass Rhuna sich und ihre Prioritäten neusortierte. Yedan hatte nur sie. Und sie war willens, das für ihn zu tun. Bevor sie aber ihr Anliegen vortragen konnte, ließ sie sich gerne von Avalinn einen Tee reichen. Auch Ajak nahm eine Tasse entgegen und lächelte wie ein kleiner Junge, der ein Geschenk erhalten hatte. Auch wenn es nur ein Blick der eldorischen Elfe war! Während Rhuna verstand, was sich offenbar gerade vor ihren Augen abspielte wollte Avalinn wissen, wie es Yedan ergangen war und was sie für die Besucher tun konnte.
Sie selbst nahm ebenfalls eine Tasse Tee, als Rhuna zu sprechen begann und nickte lächelnd und zufrieden. „Klingt gut!“, kommentierte sie, ehe Rhuna erwähnte, dass der Sarier das Dorf wieder verlassen hatte. Kurz flackerte ein Nichtverstehen im Bernsteinblick der anderen auf, doch Rhuna erklärte den Sachverhalt. Still und ruhig hörte sich Avalinn die ganze Geschichte an. Sie hatte davon keine Ahnung gehabt, denn sie ließ Rhuna aussprechen, ohne sie auch nur einmal zu unterbrechen. Inzwischen hatte sie ein wenig Platz geschaffen, sodass sich die drei auch hinsetzen konnten, wenn sie wollten. Ajak schwieg ebenfalls, während Rhunas Worten, sodass sie alle Aufmerksamkeit hatte. Nagut – fast. Ajak hing ein wenig oft am Antlitz der Heilerin, doch das schmälerte nicht sein Zuhören. Während Rhuna allerdings sprach, konnte sie bei Avalinn kaum etwas ablesen. Zumindest aber sah sie keine Missbilligung oder Ablehnung. Sie hörte sich alles an und regte sich erst wieder, als Rhuna mit der Erzählung geendet hatte. „Das klingt wirklich grausam.“, wandte sie ein und seufzte leise. Sie schob ihre Tasse etwas auf dem Tisch zurecht und fuhr mit den schlanken Fingern über den Rand der Tasse. Nachdenklich wirkte sie, musste das Gehörte einen Moment sacken lassen und sah wieder auf, als Rhuna noch weiter berichtete. „…wir waren vorhin beim toten Baum …! Und… ich weiß nicht so recht wie ich es erzählen soll. Es war … unheimlich. Irgendetwas hat mich angezogen und… als ich den Baum berührte wurde ich für einen Moment ohnmächtig.“ Ajak blickte Rhuna an. Dann entgegnete sie seinem Blick und er löste sie für einen Moment ab: „Nun, nicht recht ohnmächtig. Im Grunde war sie wach. Aber sie schien gar nichts wahrzunehmen. Sie hat dagestanden, die Hand nach dem Fleck am Baum ausgestreckt und ist dann zurückgezuckt und fast gefallen. Es hat gedauert, bis sie mich überhaupt wieder wahrnahm.“, erklärte er seine Sicht der Dinge und die Lichtmagierin hörte allem äußerst genau zu.

… wir stehen schon so tief in deiner Schuld. Aber ich wäre dir unglaublich dankbar, wenn du uns helfen würdest. Wir wissen nicht wo wir ansetzen sollen…! Oder besser gesagt… ich weiß es nicht. Ich hatte die Hoffnung, dass du als Lichtmagierin noch etwas von Alyisas Magie spüren kannst – dass wir etwas finden, was Yedans Erzählung bestätigt.“, wandte Rhuna schleunigst ein, um die Gunst der Elfe nicht zu verlieren. Avalinn seufzte abermals. „Das ist… verworren.“, meinte sie und legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen. Sie schien nachzudenken. „Rhuna? Was ist wirklich passiert, als du den Baum berührt hast? War es der Baum oder war es etwas anderes, was du berührtest?“, fragte sie und benötigte offenbar noch neue Informationen. Doch Ajak half Rhuna auch hier: „Es war dieser seltsame Fleck. Nach der Erzählung von Yedan, muss das die Stelle gewesen sein, wo er… Nunja, wo es passiert ist.“, sinnierte er und Avalinn nickte langsam. Ihre Gedanken schienen zu fliegen, denn ihr Blick glitt zur Seite und sie schwieg mit einem Mal. „Rhuna, du sagtest, dass Alyisa sich in dunkler Magie übte?“, fragte sie noch einmal nach, damit sie auch alles korrekt verstand. Daraufhin erhob sich die Heilerin und schritt gezielt durch das Chaos, um einige Kräuter einzusammeln. Sie legte diese auf dem Tisch ab und schien noch etwas zu suchen. Langsam drehte sie sich herum, blickte hierhin und dorthin, bis sie schnippte und zu der Küche herübereilte, um in einer Schublade nach etwas zu kramen. „Kann man dir helfen?“, wollte Ajak wissen und genoss offenbar die Ansicht ihrer Rückseite sehr, denn er kippte fast von Stuhl. Als er sich bei Rhuna etwas abstützen musste, grinste er sie entschuldigend an. „Ich hab es!“, rief Avalinn erfreut und drehte sich mit wirbelndem Haar zu ihnen herum. Dann setzte sie sich wieder und blickte Rhuna direkt an. „Darf ich?“, wollte sie wissen und öffnete ihre Handflächen, um Rhuna’s Hände in ihre zu nehmen. Sobald Rhuna ihre Hände hergeben und Avalinn anvertrauen würde, konnte sie spüren, wie eine seltsame Wärme von der Heilerin ausging. Sie hatte nicht wirklich warme Hände, dennoch floss da eine Energie, die sie spüren konnte. Sie floss durch ihre Fingerspitzen, über ihre Handflächen und weiter zu ihren Armen. Avalinn sah sie dabei nur an und lächelte zuversichtlich. Ihre Augen schienen etwas heller zu leuchten oder bildete sich Rhuna das nur ein? Dann erreichte die energetische Wärme Rhuna’s Hals und erfüllte sie schließlich gänzlich. Avalinn schloss nun die Augen und Rhuna musste es ihr gleichtun. Doch sie wusste, ohne es eigenständig formulieren zu müssen, dass ihr in der Obhut der Elfe nicht geschehen würde. Dass sie durch und durch gut war und alles, was sie tat dem einzigen Zweck diente, anderen zu helfen. Avalinn hatte offenbar eine Verbindung zu Rhuna aufgebaut und schien sich mit einem Mal in ihrem Geist zu befinden. „Rhuna…“, hörte sie ihre Stimme in ihrem Kopf. „Zeig es mir. Zeig mir, was du gesehen hast…“, bat Avalinn sie und Rhuna bräuchte nur daran zu denken, um es geschehen zu lassen. Oder aber sie entzog die Hände und brach die Verbindung damit ab. Es lag bei ihr.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Freitag 21. Oktober 2022, 19:05

Rhuna konnte verstehen, wieso sich Ajaks Verhalten in Gegenwart der eldorischen Elfe veränderte. Sie war hübsch – mehr als das. Sie war eine Schönheit, deren Antlitz bestach und Bewunderung, wie auch Neid gleichermaßen in den Betrachtern auslösen konnte. Noch dazu war sie von sanftmütigem und freundlichem Charakter, hilfsbereit und unglaublich versiert in den Künsten der Heilung.
Rhuna erinnerte sich an das Empfinden von ihrem Kennenlernen. Damals hatte sie sich in der Gegenwart Avalinns klein gefühlt und ihr wurde wohl jetzt erst bewusst, dass sie offensichtlich ebenfalls eine Form von Neid ihr gegenüber verspürte. Avalinn kam ihrem Idealbild, dem sie entgegenstrebte sehr nah. Wie alt sie wohl war? Rhuna würde sicher nicht nachfragen, denn die Antwort würde die junge Elfe wahrscheinlich nur daran erinnern, wie viel Zeit sie in ihrem Leben mit ‚Nichtstun‘ verschwendet hatte.
Ja, der Beschreibung ‚Perfekt‘ kam Avalinn wohl am nächsten. Doch bösartiger Neid kam gar nicht auf. In der Gegenwart der anderen Elfe fühlte man sich einfach wohl … und Ajak offensichtlich ganz besonders.
Still wanderte Rhunas Blick umher, während der Jäger damit beschäftigt war Avalinn zu betrachten – glücklicherweise nicht so, als wäre sie die Beute.
Die verschiedensten Pflanzen hingen getrocknet von der Decke. Und neben verschiedenen Tiegeln und Töpfchen, in denen unterschiedlichste Substanzen oder Pulvermischungen bewahrt wurden, stand ein großer steinerner Mörser. Für Unkundige schien es hier äußerst unordentlich zu sein – und obwohl ein wahrer Kern in dieser Aussage steckte, erkannte Rhuna doch eine ganz eigene Ordnung, nachdem sie die Aufschriften der kleinen Behältnisse gelesen hatte.
Ja, die Brünette wäre nur zu gerne bei Avalinn in die Lehre gegangen. Schon immer hatte ihr die Heilung anderer am Herzen gelegen. Und der Wunsch eine versierte Heilerin zu werden, ähnlich wie es die Lichtmagierin war, hatte sich durch den Verlust Pharus und der lebensbedrohlichen Situation Yedans nur noch mehr verstärkt. Ganz besonders wegen Yedan. Die Erinnerung an das hilflose Gefühl überschattete bei weitem das Machtgefühl, das sie während der Version wie ein Echo empfunden hatte. Ebenso unerträglich groß und verhasst war das Gefühl sich stets auf andere verlassen zu müssen. Abhängig zu sein. Wo sie doch jemandem hatte helfen wollen. Jemandem, der ihrem Herz sehr nahe war. Doch in Rhuna schien keine Magie erwachen zu wollen. Und seit vorhin wuchs eine Sorge, wie ein Keimling in ihrem Herzen, dass es, wenn es doch geschah, eine Magie war, der sie bisher keinen Gedanken gewidmet hatte…
Nachdem der Tee zubereitet und ausgeschenkt war, verlor Rhuna keine Zeit und erklärte Avalinn den Grund ihres Auftauchens. Ajak unterstützte sie dabei und zusammen schienen sie die hübsche Elfe ins Bild setzen zu können. Doch hatten sie sie überzeugen können ihnen zu helfen?
„Das ist… verworren.“, bemerkte Ava nach den Erzählungen der beiden und wirkte für einen Moment nachdenklich. Rhuna leerte angespannt mit dem letzten Schluck Tee ihre Tasse und stellte diese dann neben sich auf dem Tisch ab. Die Finger ihrer Hände fanden einander und ein wenig nervös knibbelte sie an diesen herum. Zumindest bis sie plötzlich angesprochen wurde.
„Rhuna? Was ist wirklich passiert, als du den Baum berührt hast? War es der Baum oder war es etwas anderes, was du berührtest?“, fragte Avalinn und brachte die andere Elfe damit in Erklärungsnot. Was genau bei dem Baum vorgefallen war verstand sie selbst nicht und es fiel ihr doch schwerer darüber zu sprechen, als sie vorhin kurz angenommen hatte. Was wenn sie den beiden von ihrer Vision erzählte und einer von ihnen, oder beide interpretierten es so, dass sie… dass in Rhuna Dunkelheit lauerte. Dass von ihr eine Bedrohung ausging – oder es dazu noch kommen konnte.
Ihr Mund fühlte sich trocken an und sie suchte nach den richtigen Worten, als Ajak ihr zur Hilfe eilte und für sie antwortete. Die Shyánerin schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Der Jäger war feinfühliger, als man es ihm auf den ersten Blick zugestehen wollte.
„Es war dieser seltsame Fleck. Nach der Erzählung von Yedan, muss das die Stelle gewesen sein, wo er… Nunja, wo es passiert ist.“, sinnierte er, woraufhin Avalinn langsam nickte. Erneut trafen die leuchtenden honigbraunen Augen ihren Blick.
„Rhuna, du sagtest, dass Alyisa sich in dunkler Magie übte?“, wurde Rhuna gefragt, woraufhin die Brünette mit dem Kopf nickte.
„Yedan sagte, dass sie ein Talent für Schattenmagie besaß. Aber offenbar hat sie später Nekromantie angewandt.“, erklärte sie und sah dann dabei zu, wie die Heilerin aufstand und durch das Chaos lief – offenbar auf der Suche nach Kräutern, da sie einige von ihnen einsammelte. Schweigend sah sie ihr dabei zu und fragte sich, was die andere Elfe nun vorhatte.
„Kann man dir helfen?“, wollte Ajak ebenfalls wissen, während er die Ansicht der Rückseite der Schönheit ganz offensichtlich genoss. Der blonde Elf lenkte Rhuna von der etwas schweren Thematik ab und entlockte ihr ein verhaltenes Lachen, als er in seinem Tun beinahe vom Stuhl kippte. Da sie ihn nicht in offene Verlegenheit bringen wollte, brachte sie sich allerdings schnell wieder unter Kontrolle, doch… ganz ohne Neckerei würde er wohl nicht davonkommen, was der Schalk, der in ihren Augen aufblitzte jemand Achtsamen auch verraten würde.
Bei dem Versuch nicht das Gleichgewicht zu verlieren hatte sich Ajak an Rhuna leicht abstützen müssen und nun traf sie sein entschuldigendes Grinsen. Amüsiert schmunzelnd verzogen sich ihre Lippen und ein wissender Ausdruck trat in ihre Augen, den sie dem Jäger ganz offen zeigte. Sie tippte sich an den Mundwinkel und flüsterte, nur für ihn hörbar: „Du hast da etwas…“ – das Wort Sabber wurde nur von ihren Lippen geformt, ehe sie sich auf ihre ganz eigene Art entzückend und frech zu einem Lächeln verzogen.
Der großgewachsene Jäger ahnte wahrscheinlich nicht, wie dankbar die brünette Elfe für die kleine und unbeabsichtigte Aufheiterung war, da er nichts von den Sorgen wusste, die sich in ihrem Unterbewusstsein zusammengebraut hatten. Es gab da etwas… was sie tief in sich eingeschlossen und selbst beinahe vergessen hatte…
„Ich hab es!“, rief Avalinn erfreut und rief sich dadurch wieder bei den beiden in Erinnerung, so dass sich ihre Augenpaare der schönen Lichtmagierin zuwendeten. Avalinn kehrte, offenbar nach einer erfolgreichen Suche, zu ihnen zurück und setzte sich Rhuna erneut gegenüber.
„Darf ich?“, wollte sie wissen und öffnete ihre Handflächen. Überrascht sah die Shyánerin auf die makellosen und feingliedrigen Finger, die in einer auffordernden Geste ihr entgegengehalten wurden. Was hatte Avalinn vor?
Obwohl sie Unsicherheit verspürte – als würde sie ahnen, dass etwas geschehen würde, was ihr vielleicht nicht gefallen würde, legte sie ihre Hände in den Griff der Heilerin und wusste bereits einen Sekundenbruch später, was geschah. Avalinn setzte ihre Magie ein.
Wärme floss durch Rhunas Fingerspitzen – ein Gefühl das sich nicht konträrer zu dem kalten Gefühl ihrer Vision anfühlen konnte. Eine feine Gänsehaut überlief die Elfe und merkte, wie sich die warme Energie von ihren Fingerspitzen weiter ausbreitete, durch ihre Handflächen, Arme, ihre Brust, bis hin zu ihrem Kopf vorarbeitete. Ähnlich, wie es zuvor die Dunkelheit getan hatte.
Das Zuversichtliche Lächeln Avalinns konnte Rhuna nicht erwidern. Ihr war, trotz der Wärme und des Vertrauens, das sie in die Magierin hatte, die ganze Prozedur unheimlich. Vielleicht aber auch nur wegen ihrer Erfahrung am toten Baum. Die Atmung der Elfe zitterte unmerklich. Und auf einmal schloss sie, wie ein Spiegelbild von Avalinn die Augen, als es diese ebenfalls tat.
Sie wusste, dass ihr nichts geschehen würde – dass Avalinn nichts Böses oder Scheinheiliges vorhatte. Doch woher kam dann plötzlich diese Unsicherheit? War die Lichtmagierin zu… gut und der Vergleich, den sie in ihrer Verbindung spürte, war zu groß?
„Rhuna… Zeig es mir. Zeig mir, was du gesehen hast…“ erklang plötzlich Avalinns melodische Stimme in ihrem Kopf. Ohne Drang oder Zwang – sanft und einladend, als würden sich ihre Sorgen danach in Luft auflösen. Doch die Vision auf solch intime Art und Weise mit der anderen Elfe zu teilen, kam doch zu plötzlich und die Brünette wusste, dass sie noch nicht dafür bereit war.
Aus einem Impuls heraus entzog Rhuna ihr die Hände, als hätte sie sich verbrannt und ihre Augen schlugen mit einem Mal auf. Und das, was man in diesen lesen konnte war Angst. Sorge. Und große Scham.
„E-entschuldige!“, rief sie zeitgleich mit der Bewegung aus, die sie auf die Beine brachte. Und so schnell konnten wohl weder Ajak, noch Avalinn gucken, da lief Rhuna zur Türe und vor das kleine Haus.
Die Elfe wusste selbst nicht was in sie gefahren war. Sie blieb vor der Hängebrücke stehen und sah aufgewühlt in Richtung der anderen Seite. Und doch war ihr Blick in sich selbst gerichtet.
Wieso habe ich das getan? Jetzt wird Avalinn sicher nur noch mehr Fragen haben, die ich nicht beantworten kann… nicht… will! Das Bild von der Rhuna aus der Vision schlug ihr wieder wie ein Blitz vor die Augen und sie schüttelte ihren Kopf, im Versuch es dadurch wieder los zu werden.
Ich weiß doch selbst noch nicht was ich… davon halten soll. Ich bin das nicht und ich will es niemals werden! Und doch hallte die Erinnerung an das Machtgefühl wie ein Rausch durch ihren Körper. Es war… kein Gefühl, das man leicht abschütteln konnte. Es war ein Gefühl das lockte, sich anpries und umschmeichelnd verführte – den Wunsch nach Mehr weckte.
Rhuna schlug sich mit dem Handballen gegen die Stirn und kniff die Augen zusammen. Dieses Gefühl und die Erinnerung daran sollten aus ihr verschwinden!
Wenn Avalinn das sieht denkt sie sicher, dass dies meine wahren Gefühle sind. Aber das sind sie nicht. Oder… doch? Die Unsicherheit zerfraß sie obwohl sie überzeugt davon war, dass sie nicht so empfinden wollte. Dass ihr die Angst anderer, kein solch euphorisches Gefühl verschaffen würde, wie es in der Vision der Fall gewesen war.
Was sollte sie jetzt nur tun? Was wenn sie jetzt und hier bereits Yedan enttäuschen würde, weil sie die Aktion zum Scheitern brachte?
Ajak! Was wenn Ajak das denkt? Dieser Gedanke löste die größte Besorgnis aus. Der blonde Elf war an ihrer Seite eine große Hilfe – doch sie wusste auch, dass er, sollte er seine Meinung ändern, ein großer Gegner ihrer Sache werden konnte.
Rhuna spürte eine Verzweiflung in sich aufsteigen, deren Grund sie selbst war. Was wenn sie sich selbst nicht kannte oder wusste wer sie war? Was aus ihr werden könnte? War sie eine der Elfen, die einst Faldor in Shyáner Nelle auf seine Seite hatte ziehen können? Ihr Vater war während seiner Forschungen auf diese alte Version der Geschichte der Dunkelelfen gestoßen und hatte ihr als junges Mädchen einmal davon erzählt. Es war nur eine Variante – eine Legende, die jeder stolze Shyáner als Ammenmärchen und Lüge abstempeln würde, um sich so weit, wie möglich vom dunklen Volk zu distanzieren. Doch Rhuna hatte sich seither stets an diese Möglichkeit erinnert gefühlt, sobald sie in einen Spiegel gesehen und ihre violetten Augen betrachtet hatte – waren die Shyáner doch das einzige Florencia und Phaun gläubige Elfenvolk, das sich diese Veranlagung mit den Dunkelelfen teilte.
Besorgt und ratlos wanderte ihr Blick zurück zum Haus. Gab es nicht eine Sache, in der sie einen geraden Weg beschreiten konnte und sich selbst nicht im Weg stand?
Wenn ich Avalinn vorher davon erzähle und ihr erkläre…? Nein, ich habe Angst, wenn Ajak auch zuhört, dass er misstrauisch wird und mich anders ansieht… In diesem Moment wünschte sie sich, dass Yedan hier sein würde. Doch würde sie ihm all dies erzählen können? Da war sich Rhuna nicht sicher. Würde es ihn nicht an Alyisa erinnern?
Der Wind wehte durch ihre braunen Haare und ließ sie tanzen. Die Luft erfrischte sie ein wenig und wirkte etwas beruhigend. Doch eine Lösung sah sie gerade noch immer nicht.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Samstag 22. Oktober 2022, 22:14

Es war nicht leicht, all den Informationen Herr zu werden. Rhuna musste objektiv bleiben, um die Rätsel der Vergangenheit zu lösen, doch wie konnte sie das? Wie konnte es sie nicht mitnehmen, wenn doch ihr Herz beteiligt war? Avalinn aufzusuchen verschaffte ihr eine gewisse Ruhe und offenbar war die Heilerin auch niemand, der sich ihr in den Weg stellte. Sie schien sich die Gegebenheiten anzuhören und ihre Schlüsse daraus zu ziehen, ohne sich von früheren Entscheidungen beeinflussen zu lassen. Aber die Heilerin war auch jemand, der gewisse Gedanken verschlossen hielt. So blieb es den beiden Forschenden nur übrig, sich abwarten ihren Teetassen zu widmen, bis Avalinn zurückkehrte. Rhuna konnte einige reinigende Kräuter erkennen, die Avalinn auf den Tisch gelegt hatte. Da war Salbei und Weihrauch dabei. Kontrahenten der schwarzen Magie, so wusste Rhuna. Und noch immer gab Avalinn keine Auskunft weiter darüber, was sie nun vorhatte. Sie setzte sich Rhuna nur gegenüber und streckte die Hände aus. Anfangs zögerlich, wollte die Shyáner aber der anderen vertrauen und folgte ihrem Fingerzeig. Sie wusste, dass sie ihr vertrauen konnte, doch gab es etwas in Rhuna, was auch sie im Moment noch nicht preisgeben wollte und konnte. Das Einhüllen mit Lichtmagie war eine warme Erfahrung. Rhuna spürte eine Gelassenheit in sich, Mut und Zuversicht, die sie durchströmten. Es war ein herrliches Gefühl und völlig konträr zu der dunklen Vision, die sie gehabt hatte. Als würde sie gereinigt werden, wollte sie der Prozedur eine Chance geben. Doch es war zu viel. Avalinn bat um Einlass in ihre Gedankenwelt und Rhuna verwehrte es ihr. Die Hände zurückgezogen, musste sie aus dieser beengenden Situation entkommen und suchte ihr Heil in der Flucht. Avalinn sah ihr nach und verzog ein wenig das Gesicht. Ajak hatte überrascht aufgeschaut, denn er wusste gar nicht, was zwischen den Frauen geschehen war. Äußerlich war kaum etwas zu sehen gewesen, weshalb er sich fragend nach Rhuna umdrehte. Sein Blick kehrte zu Avalinn zurück, die sich seufzend etwas zurücklehnte. „Sie muss etwas Furchtbares gesehen haben.“, erklärte sie – irgendwie – und Ajak runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“, wollte er wissen, während Rhuna sich vor der Tür zu sammeln versuchte. Die Heilerin begann mit ihren Fingern an den Kräutern zu spielen. Sie wirkte nachdenklich. „Ich weiß es nicht.“, kam die recht wenig aussagekräftige Antwort und Ajak erhob sich. „Ich sehe mal nach ihr…“, meinte er und Avalinn nickte zustimmend. Draußen brauchte Rhuna bei ihren aufwallenden Gedanken Hilfe. Was wenn sie in den Verdacht gerät, selbst das Problem zu sein? Aber war das plausibel? Was hatte sie mit dem Dorf der Waldmenschen zu tun? Sie war nie von Shyána Nelle weggewesen. Sie hatte nie etwas mit schwarzer Magie zu tun gehabt… Überhaupt hatte sich bisher keine Magie bei ihr wirklich gezeigt. Sie spürte, dass welche da war. Aber … in welchem Ausmaß oder welcher Form, das blieb ihr verborgen. „Rhuna?“, kam die tiefe Stimme des Jägers hinter ihr auf und er trat an ihre Seite. Er blickte seitlich auf sie herab und in seinem Blick lag eine fragende Sorge. „Ist alles in Ordnung?“, wollte er natürlich wissen. Dann sah er zu dem großen Baum, der sich weiter hinaufräkelte mit dickem Geäst. „Seit wir vom Baum weg sind, bist du… seltsam?“, versuchte er es irgendwie nett auszudrücken, doch versagte ein wenig durch seine distanzierte Art. Obwohl es ihm wohl anzurechnen war, dass er überhaupt nach ihr sah.

Ajak machte eine Pause und legte seine Hände auf seinem Steiß ab. Er atmete tief durch und wirkte doch um einiges älter, als man von den Geschwistern erwartet hätte. Oder war das die Kombination, die sie wie Kinder wirken ließen? „Weißt du… wenn diese Suche einen Erfolg haben soll – dann musst du alles sagen, was dabei helfen könnte. Ob nun in die eine oder andere Richtung.“, meinte er und wandte sich ihr wieder zu. Er zögerte. Doch dann streckte er eine Hand nach ihrem Haar aus und strich es ihr behutsam hinter ihr Ohr. Sobald sie ihn ansehen würde, würde er ihr zulächeln. „Und ich habe unter deinen Rock geguckt!“, raunte er ihr zu und richtete sich wieder auf. Er versuchte das Eis zu brechen. Ihr den Schrecken zu nehmen. Das Lächeln wurde milder, nicht mehr so spitzbübisch. Ajak hatte seinen ganz eigenen Charme, wie sie feststellen durfte. Er wirkte zeitweise unnahbar und plötzlich brach aus ihm der Schalk, um dann wieder einer gewissen Ernsthaftigkeit Platz zu machen: „Glaub mir, Rhuna. Jeder hat vor etwas Angst. Aber das wird nicht besser, wenn man darüber schweigt.“, meinte er und klang beinahe so als wüsste er, wovon er sprach. Sein Blick richtete sich wieder auf das gemütliche Getümmel der anderen Bewohner. Nach einer Weile trat auch Avalinn aus dem Haus. Sie schloss die Tür hinter sich und hatte einen kleinen Beutel dabei. Die Elfe musterte die beiden anderen. „Lasst uns zurückgehen.“, forderte sie beide auf und deutete in die vage Richtung, in der der Baum stand. „Wir versuchen es anders“, meinte sie zuversichtlich und blickte zu Rhuna. „Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht drängen – das war unachtsam von mir. Lass dir Zeit, ich kann auch noch etwas anderes versuchen.“, meinte sie lächelnd und es gab keinen Zweifel, dass Avalinn es auch so meinte. Sie war weder argwöhnisch, noch böse oder ungehalten. Sie verstand Rhuna’s Reaktion, ohne direkt zu wissen, was ihr Problem war. Avalinn war wirklich eine reine Seele. Sie war sicher so manchem ein Dorn im Auge, gerade weiblichen Vertreterinnen verschiedenster Rassen, doch nichts an ihr gab einem giftgrünem Neid Futter. Sie war nicht überheblich oder arrogant. Sie war, wie sie war und machte es damit umso schwerer, sich nicht klein zu fühlen. Ajak sah Avalinn überrascht nach und blickte dann auf Rhuna. „Wollen wir? Hab keine Angst… wir sind da. Oder willst du lieber nicht mit?“, meinte er noch zuversichtlich und würde ihr folgen, sobald sie soweit wäre.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 23. Oktober 2022, 01:33

„Rhuna?“ Ajaks Stimme erklang hinter der Elfe und riss sie aus ihren Gedanken und innerlichen Debatten. Ihre Haltung straffte sich, ja – sie verspannte sich sogar ein wenig, als er neben sie trat. Nüchtern betrachtet war die Sorge, die Rhunas Gedanken plagte, sicherlich unbegründet. Sie wusste, dass sie in letzter Zeit nicht mehr wirklich sie selbst war und schnell aus der Ruhe gebracht werden konnte. Doch obwohl ihr das bewusst war, wusste sie nicht, wie sie das ändern konnte.
Sie war nicht mehr die Elfe von vor ein paar Tagen. Es hatte sich so viel so schnell geändert – sie hatte sich so schnell so vielen Herausforderungen gegenübergesehen und gerade konnte sie nicht einmal sagen, wer sie war. Doch vielleicht musste Rhuna diese Frage jetzt auch noch nicht beantworten, wenngleich ihr dies vielleicht eine gewisse Sicherheit zurückgeben würde.
Eine Weile blieb Rhuna still neben Ajak stehen und traute sich noch nicht ihn direkt anzusehen. Sie spürte seinen Blick auf sich und ahnte, dass er sich aus ihrem Verhalten keinen Reim machen konnte. Wie auch? Rhunas Vision war so unerwartet gekommen, dass es die Elfe tief erschreckt hatte. Natürlich rätselte man über die Bedeutung – wieso man sich plötzlich in einem ganz anderen Licht – in diesem Fall Schatten sah. Wie konnte man sich erkennen und dasselbe spüren, wie das Abbild der Vision und zeitgleich wissen, dass es all ihrem bisherigen Sein widersprach? Doch die größte Frage war wohl, wieso sie diese Vision gesehen hatte.
„Ist alles in Ordnung?“, wollte Ajak plötzlich von ihr wissen und durchbrach damit die Stille, die geherrscht hatte. Sein Blick wanderte zu dem Baum, der vom Plateau aus gut zu sehen war. Dunkel und unheimlich streckte er sich empor. Rhunas Blick traf nur für eine Sekunde auf die dicken Äste und spürte direkt, wie ihr ein Schauder durch den Körper lief.
„Seit wir vom Baum weg sind, bist du… seltsam?“ Endlich hob die Elfe ihren Blick und sah den sarischen Jäger direkt an, der sich ganz offensichtlich Sorgen machte und es auf seine ganz eigene Art zeigte.
„Tut… mir leid!“, entschuldigte sich Rhuna und zeigte ihm offen, dass sie wusste, wovon er sprach. Doch erklären konnte sie es noch immer nicht so leicht. Verzweifelt suchte sie nach den passenden Worten, aber egal wie sie sich diese zurechtlegte – sie hörten sich nie sicher genug an, so dass ein Missverständnis oder eine Missinterpretation nicht ausgeschlossen war.
Ihr Blick wanderte über seine hochgewachsene Gestalt. Er wirkte mit einem Mal älter und überraschend reifer, als zuvor, was ganz Sicherlich damit zu tun hatte, dass sie ihn in Kombination mit Kaja und stets zankend kennengelernt hatte. Nun erkannte sie eine Seite an ihm, die sich ernst und offen Problemen stellte.
Waren ihre Zweifel ihm gegenüber ungerechtfertigt? Der Jäger hatte ihr doch bereits bewiesen, dass er nicht so schnell zu voreiligen Schlussfolgerungen neigte, wie sie es ihm bei ihrem Kennenlernen angedichtet hatte. Ajak würde hier nicht stehen, würde er ihr nicht helfen wollen…
„Weißt du… wenn diese Suche einen Erfolg haben soll – dann musst du alles sagen, was dabei helfen könnte. Ob nun in die eine oder andere Richtung.“, sagte er mit klar wirkender Stimme und im nächsten Moment trafen sich ihre Blicke. Rhunas Miene wirkte noch immer etwas bedrückt, doch schien sie wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden.
Er hat recht…! Nur vorhin kam mir das alles zu schnell. Avalinn so offen in meine Gedanken zu lassen ist nicht so einfach…, dachte sie, als sich plötzlich Ajaks Hand nahe ihres Sichtfeldes schob und ihre Wange in der Bewegung berührte. Natürlich huschte ihr Blick ganz automatisch in Richtung seiner Hand, die nun behutsam die losen und vom Wind bespielten Haarsträhnen hinter ihr Ohr strich. Es war eine liebevolle Geste – beinahe zu vertraut für die Zeit, die sie einander kannten. Im ersten Augenblick schien sie gar nicht zu ihm zu passen, doch als sie das Lächeln sah, musste sie diesen Gedanken zurücknehmen. Nein, diese Art passte und stand ihm. Ajak wirkte plötzlich ganz anders auf die junge Elfe. Er machte sie auf seinen Charme aufmerksam, den er ihr bislang noch nicht gezeigt hatte.
Sich bewusst darüber werdend, dass Ajak sie aufmuntern wollte, erwiderte sie dankbar sein Lächeln. Doch er war noch nicht fertig. Und schaffte es Rhuna noch ein weiteres Mal zu überraschen.
„Und ich habe unter deinen Rock geguckt!“, raunte er ihr zu und brachte sie damit eindeutig aus dem Konzept. Sein Plan ging auf. Rhuna vergaß für einen Moment den Schreck und als sie seine freche Seite zu sehen bekam, schlich sich doch eine leichte Röte auf ihre Wangen.
„Hast du nicht! Oder… hast du?“, fragte sie mit mehr... oder weniger gespielter Empörung, aber gleichzeitig einer ehrlichen Belustigung nach. Obwohl sie es… naja durchaus wissen wollte. Die deutlich kleinere Elfe machte einen Schritt auf Ajak zu und gab seiner Schulter einen leichten und verspielten Stups – offenbar ein Zeichen, dass sie von ihren Sorgen abgelenkt war.
Er war zweifellos ein Bruder – er wusste, wie er jemandem seine Sorgen nehmen konnte. Wahrscheinlich hatte er dies bei Kaja schon unzählige Male getan, wie es auch Fíllías stets bei ihr vermocht hatte.
Die Stimmung war für einen Moment ausgelassen. Es war allerdings Ajak selber, der noch einmal auf das eigentliche Thema zurückkam und mit einem Mal wieder ernster wirkte, so dass sich auch ihre Miene wieder neutralisierte, nachdem sie sich dessen bewusstwurde.
„Glaub mir, Rhuna. Jeder hat vor etwas Angst. Aber das wird nicht besser, wenn man darüber schweigt.“, gab er zu bedenken und einen Rat, den er offensichtlich selbst aus einer Lektion hatte lernen können. Und seine Worte trafen...
„Ich…“, begann sie leise nach einem Moment de Schweigens, nachdem sie ihre Hand wieder zurückzog und den Blick nachdenklich senkte. Es war nicht so, dass er nicht recht hatte. Würde sie davor weglaufen, würde sich nichts ändern und besonders ... würde sie Yedan nicht helfen können…!
„Es hat mich… nur so erschreckt.“, gestand sie leise und offenbarte ihm einige der Worte, die ihr vorhin noch nicht über die Lippen gekommen waren.
„Es war so, als hätte plötzlich etwas die Kontrolle über mich gewonnen und ich...konnte nichts dagegen tun...! Es war als wollte... etwas die Dunkelheit in mir... wecken. Und dann diese Bilder…Ich bin nicht so…!“ Wahrscheinlich ergaben ihre Worte in seinen Ohren keinen rechten Sinn. Doch es war ein Anfang, der Rhuna sichtlich schon schwer gefallen war. Es war etwas belastendes, was sie begann Preis zu geben. „Ich habe Angst bekommen… weil ich es selbst nicht verstehe! Weil es so unerwartet kam…!“ Unbewusst griff sich Rhuna oberhalb ihrer Brust in den Stoff ihres Kleided. Doch bevor sie noch mehr sagen konnte, trat Avalinn zu ihnen und zog Rhunas Aufmerksamkeit auf sich. In ihren bedrückten Blick mischte sich ein entschuldigender Ausdruck, weil ihr Verhalten von vorhin, die Lichtmagierin sicher ebenfalls, vor den Kopf gestoßen hatte.
„Avalinn, ich…!“, - „Lasst uns zurückgehen.“, forderte die hübsche Elfe sie beide plötzlich auf und deutete in die Richtung des Toten Baumes. Verwirrt sah Rhuna erst zu ihr, dann zu Ajak. „Zurück…. Wohin?“, fragte sie nach, obwohl sich eine üble Vorahnung bereits bildete.
„Wir versuchen es anders“, Avalinn klang zuversichtlich und schien voller Tatendrang zu sein. In ihrem Gesicht konnte Rhuna keine Spur davon erkennen, dass die Heilerin ihr ihr zurückweisendes Verhalten und ihre plötzliche Flucht übelnahm. Im Gegenteil. Sie war es auch noch, die sich für Rhunas Reaktion verantwortlich machte.
„Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht drängen – das war unachtsam von mir. Lass dir Zeit, ich kann auch noch etwas anderes versuchen.“ Avalinn lächelte sie an und gab ihr nicht nur Zeit, sondern auch noch eine alternative Möglichkeit, wie sie ihr Ziel auf anderem Wege erreichen könnten.
„Nein, es tut mir leid!“, sagte die Shyánerin hastig mit deutlich schlechtem Gewissen. Beide, sowohl Avalinn, wie auch Ajak nahmen ihr ihr Verhalten – ihr Zögern vor ihnen offen zu sein und sich ihnen anzuvertrauen, nicht übel. Obwohl Rhuna es doch war, die von ihnen Hilfe benötigte und nicht umgekehrt. Das schlechte Gewissen wuchs, ebenso wie die Dankbarkeit.
Ich habe beiden Unrecht getan! Wieso Zweifle ich in letzter Zeit nur so schnell?, fragte sie sich in Gedanken, fasste aber gleichzeitig neuen Mut. Der Anblick und Tatendrang der Lichtmagierin schien Rhunas düstere Gedanken noch weiter zu vertreiben und auf sie abzufärben.
Ein kleines Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück und als Ajak sich regte, sah sie ihm dieses Mal direkt in die Augen.
„Wollen wir? Hab keine Angst… wir sind da. Oder willst du lieber nicht mit?“, fragte er und bekam auch gleich eine Antwort. „Nein, ich komme mit! Es ist immerhin mein Vorhaben, in das ich euch mit reinziehe. Und davon abgesehen…“ Rhuna ging an Ajak vorbei, drehte sich im Gehen aber noch mal zu ihm um, so dass sie ein paar Schritte rückwärts lief.
„… weiß ich, dass du mich wieder zurückholst, wenn die Dunkelheit nach mir greift!“ Das Lächeln, das sie ihm schenkte zeugte von einem Vertrauen, das sie selbst gerade erst entdeckt hatte, was die Größe allerdings nicht schmälerte. Sich nun deutlich leichter fühlend folgte sie Avalinn und schon bald fanden sich die drei wieder auf dem Erdboden wieder.
„Was… hast du denn vor?“, fragte Rhuna Avalinn, als sie erneut die Richtung zum toten Baum einschlugen. Natürlich war der Elfe noch immer nicht wohl dabei zurückzukehren – so schnell hatte sich ihre Sorge nun auch nicht aufgelöst. Aber sie wollte nicht mehr fliehen - oder es zumindest versuchen.
Je näher sie dme Baum kamen, je größer wuchs das Gefühl, doch etwas sagen zu müssen. Was, wenn Avalinn etwas ähnliches passierte? Das Erlebnis sollte die Lichtmagierin sicher nicht auch noch unvorbereitet erleben.
„Avalinn, warte kurz! Es ist so…“, begann Rhunamit ehrlicher Beosrgnis, als sie einen großen Stamm umrundeten, der nun den Blick auf den schwarzen Baum preisgab. Sofort verlangsamten sich die Schritte der Brünetten. Das kalte Gefühl schien sich schleichend wieder anzubahnen. Wieso war sie nur so empfindlich? Konnte sie sich nicht zusammenreißen?
„Also... was ich dir eben nicht zeigen konnte war... als ich den Fleck auf der Rinde berührte…“ Die Präsenz des Baumes wuchs immer größer und übte ein erdrückemdes Gefühl auf Rhuna aus. Ihr war sichtlich nicht wohl, doch sie zwang sich mit einem kurzen schütteln ihres Kopfes die Aufmerksamkeit wieder auf Avalinn zu richten.
„Mir sind plötzlich Bilder erschienen. Aber es waren keine von Yedan oder … Alyisa…! Ich habe mich gesehen! Nur war ich… ganz anders...! Ich war…“ Rhuna wusste nicht, wie sie es richtig beschreiben sollte. Böse? Doch war ihre Version tatsächlich böse gewesen?
„… dunkel…! Und es fühlte sich so an, als wollte mich ... etwas verführen, eben so zu werden.“, Dunkel war noch das naheliegenste Wort, mit dem sie es beschreiben konnte. Die Sorge kehrte im ihre violetten Seelenspiegel zurück, als sie erst zu Avalinn und dann zu Ajak sah. Sie blieb stehen umd hoffte, dass sie sich richtig entschieden hatte.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Sonntag 23. Oktober 2022, 14:10

Ajak betrachtete Rhuna nachdenklich, während sie sich für ihr seltsames Verhalten entschuldigte. Dabei hatte er keine anklagenden Worte benutzt oder war überhaupt pikiert darüber. Der Jäger schien tatsächlich einfach nur wissen zu wollen, was los war. Und er gab ihr das richtige Werkzeug an die Hand: Seinen Schalk. Sie aus ihren trüben Gedanken zu fischen, war genau das richtige, was Rhuna nun gebraucht hatte. Ein kurzes Durchbrechen der eigenen Denke, damit sie neu starten konnte. Sie war ihm dankbar und ohne es geahnt zu haben, rückten sie beide einander näher. Er grinste und wackelte nur mit den Augenbrauen als sie wissen wollte, ob er tatsächlich getan hatte, was er sagte. Doch er blieb ihr die Antwort schuldig, denn es sollte sie weiter mit Belanglosem ablenken, damit sie einen Anker hatte, ohne den sie vielleicht viel zu sehr in die Dunkelheit getaucht wäre. Ohne, dass er wusste, was sie wirklich dachte und fühlte, bot er ihr die Rettungsleine an und hielt sie am anderen Ende fest. Doch dann brach ihr Schweigen ein wenig auf und er hob den Kopf, um ihr gut zuzuhören. Sie war leise und ihre abgehakten Worte deuteten darauf hin, wie schwer es ihr fallen musste. „Es hat mich… nur so erschreckt. Es war so, als hätte plötzlich etwas die Kontrolle über mich gewonnen und ich...konnte nichts dagegen tun...! Es war als wollte... etwas die Dunkelheit in mir... wecken. Und dann diese Bilder…Ich bin nicht so…! Ich habe Angst bekommen… weil ich es selbst nicht verstehe! Weil es so unerwartet kam…!, bemühte sie sich um etwas Aufklärung. Ajak musterte sie einen Moment, dann nickte er. „Vielleicht hast du das aber nur um so mehr gespürt, weil du dich ihm so verbunden fühlst? Warum sonst solltest du dich für ihn einsetzen? In dem Ausmaß, meine ich. Das, was er erlebt hat, hat dich mitgenommen. Vielleicht liegt es daran.“, versuchte er ein wenig ihre aufkommenden Sorgen zu lindern. Das Gespräch wurde von Avalinn unterbrochen, die offenbar einen neuen Entschluss gefasst hatte. Sie forderte beide auf, sich ihr anzuschließen. Ajak gab Rhuna die Möglichkeit, sich zu entscheiden, doch das musste sie gar nicht. Auch wenn sie Angst hatte und sich im Grunde nicht mehr an den Baum annähern wollte, war es immerhin ihr Plan, der sie alle darin einband. Und sie konnte das nicht einfach anderen überlassen. Doch bevor sie den Weg auf sich nahmen, musste sie das Gespräch noch mal mit der Heilerin suchen. Avalinn blieb kurz stehen und lächelte sie an. „Ich verstehe das gut, mach dir keine Sorgen!“, bat sie und legte ihr kurz die Hand auf die eigene. Zuversicht wärmte ihre Haut und ihr Herz, auch wenn es mit dem Wegnehmen wieder verblasste.

Avalinn schien bereits so sehr mit der Magie des Lichts verbunden zu sein, dass sie jederzeit etwas davon auf andere übertragen konnte. Sie war erfüllt von dieser reinsten Form der Magie und das machte sie zu einem leuchtenden Beispiel von grenzenloser Reinheit. Der Weg zum Baum war schnell gefunden, auch wenn Rhuna sich etwas im Hintergrund hielt. Sie wusste schließlich, was dieser Baum auszulösen vermochte, sodass sie sich fragen musste, ob sie die Heilerin nicht vorher warnen musste. Denn auch Rhuna besaß ein gutes Herz und strebte nach dem Licht in sich. So musste sie die andere warnen, um das Unglück zu verhindern: „Avalinn, warte kurz! Es ist so… Also... was ich dir eben nicht zeigen konnte, war... als ich den Fleck auf der Rinde berührte… Mir sind plötzlich Bilder erschienen. Aber es waren keine von Yedan oder … Alyisa…! Ich habe mich gesehen! Nur war ich… ganz anders...! Ich war… dunkel…! Und es fühlte sich so an, als wollte mich ... etwas verführen, ebenso zu werden.“ Die Angesprochene war stehengeblieben und musterte Rhuna abwartend, während diese noch ihre Worte sortierte. Auch Ajak schloss zu ihnen auf und hörte, was Rhuna zu sagen hatte. Die Heilerin musterte die andere einen Moment prüfend. „Eine Vision…“, murmelte die eldorische Elfe leise und Ajak blickte zwischen den beiden hin und her. „Eigenartig…“, meinte sie weiter und wandte sich dem Baum zu. Sie waren bereits wieder dort und es fehlten nur noch ein paar Schritte. Doch Rhuna hatte bereits gespürt, wie die Dunkelheit sie erneut zu ziehen versuchte. Avalinn hingegen nickte knapp. „Ich kann spüren, was du meinst.“, versicherte sie ihr, doch schien die Elfe nicht so korrumpiert zu werden, wie Rhuna. Die Heilerin wandte sich um, in der Hand den Beutel und mit fließenden Bewegungen, ging sie auf den Baum zu. Kurz bevor sie die schwarze Erde betrat, zog sie sich die Schuhe aus und ließ sie im Gras liegen. Ihre Füße fühlten den Untergrund, während ihr Blick auf den Baum gerichtet war.
Dann begann Avalinn diesen zu umrunden, bis sie vor dem Blutfleck stand. Man sah der Elfe an, dass auch sie von der Dunkelheit getriezt wurde, denn ihre Haut wurde blasser, auch wenn sie längst nicht so fremdgesteuert dastand, wie Rhuna. Mit ihren feingliedrigen Fingern berührte sie zielstrebig den Fleck und …. Nichts geschah. Avalinn wischte mit ihrer Mittelfingerkuppe darüber und besah sich dann die Rückstände an ihrer Haut. „Es ist Blut..“, teilte sie den Zuschauern mit und wandte ihren Blick zurück auf den Boden. Sie schien selbst verwundert, dass es nach all der Zeit noch dort war. Sie suchte diesen ab und besah sich die Schwärze, die sich langsam aber sicher über den Boden schob. „Die Dunkelheit versucht sich ein neues Opfer zu suchen“, murmelte Avalinn weiter und umrundete den Baum so lange, bis sie wieder bei Ajak und Rhuna stand. „Es ist definitiv Nekromantie. Aber… es scheint auch Schattenmagie zu sein. Es ist eine seltsame Aura hier.“, erklärte sie den anderen und war selbst reichlich mitgenommen. Eine Haarsträhne löste sich aus ihrem Zopf und fiel wiegend zu Boden, ohne dass sie es mitbekommen hätte. Ihr Blick fiel dann auf das kleine Mauerwerk, weiter hinten vom Baum aus. „Ist das die Ruhestätte eurer Toten, Ajak?“, sprach sie ihn an und der Elf folgte ihrem Blick. Er nickte stumm. Sein Blick war auf Avalinn’s Hinterkopf gerichtet. Das Unbehagen stand auch ihm ins Gesicht geschrieben. Dann hob er eine Hand und klemmte zwischen zwei Fingern eine weitere Strähne der Elfe ein, um sie einfach so herauszuziehen. „Avalinn…“, begann er und hielt die Strähne hoch. Sie verfärbte sich weißlich, ehe er sie erschrocken losließ. „Was bei Phaun geht hier nur vor?!“, keuchte er und sah beide Frauen nacheinander erschrocken an. Avalinn blickte auf die Haarsträhnen, die von ihr auf der Erde lagen. Ihr Blick wurde ernster, dann sah sie zu Rhuna. „Ich glaube, du bist etwas wichtigem auf der Spur, Rhuna!“, teilte sie ihre Gedanken mit und straffte die Schultern. „Gehen wir!“, forderte sie die beiden ungeachtet ihrer Verfassung auf und machte sich energisch auf den Weg, Richtung Friedhof. Rhuna aber spürte den Sog zum Baum. Und als sie ihn passierte, um ebenfalls in Richtung Friedhof zu gehen, war ihr, als spielte jemand mit ihrem Haar. Es war hauchzart, eine sanfte Berührung nur und doch unheimlich, gespenstisch. Was das ganze untermauerte war ein sanftes Säuseln, das unmittelbar nur an ihrem Ohr zu vernehmen war, als stünde jemand direkt hinter ihr und war nicht keck, blond und ein sarischer Jäger: „Finde mich…“, flüsterte die Stimme und der Wind frischte auf. „Liebe mich…“ Dann war es vorbei. Nur das eisige Gefühl blieb und die Beklemmung, diesen Ort betreten zu haben.
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 23. Oktober 2022, 16:24

Mit Ajak ein wenig herumzualbern tat einfach gut. Es erinnerte sie an die unbeschwerte Zeit in Shyáner Nelle, die sie sich zwar, nach wie vor, nicht zurückwünschte, doch in Momenten der Erschöpfung und Ratlosigkeit, empfand sie eine kleine Sehnsucht. Ihr windstilles Leben hatte sich grundlegend verändert. All die Erlebnisse rüttelten ihr es ordentlich auf. Es gab kleinere Winde, wie auch größere, die sie in die eine oder auch in die andere Richtung drängten. Da war es kein Wunder, dass Rhuna schon mal die Orientierung verlor.
Dass sie, trotz aller Anfänge, stets jemanden an ihrer Seite hatte, der ihr half und sie gegebenenfalls wieder auf ihren Weg zurückzog, lernte sie gerade zu schätzen. Die Elfe lernte, dass sie es nicht alleine schaffen konnte – aber auch nicht musste. Wichtig war wohl nur, dass sie ihr Bestes gab und nicht vor Schwierigkeiten und Umwegen zurückschreckte.

Doch beim Baum angekommen sah sich Rhuna mit etwas konfrontiert, was sie nicht vollends verstand und erst recht nicht einzuschätzen wusste. Sie kam zum ersten Mal in Berührung mit dunkler Magie und war daher auch keineswegs auf das vorbereitet, was sich um sie herum abspielte und sich ganz offensichtlich auch einen Zugang zu ihr erschleichen wollte.
Rhuna war tatsächlich gutherzig – wieso sonst würde sie alles daransetzen, dass Yedan Gerechtigkeit erfuhr? Natürlich spielten die Gefühle, die er in ihr auslöste eine Rolle dabei, doch die Chancen, dass sie einem anderen ebenfalls geholfen hätte, den sie bei Weitem nicht so gut kannte, war ziemlich groß. So weltfremd, wie die junge Elfe war, schlummerte in diesem Charakterzug natürlich die Gefahr sich für andere in Schwierigkeiten oder Gefahren zu begeben.

Nachdem Rhuna Avalinn gewarnt und von ihrem Erlebten erzählt hatte, stand sie vor ihr und konnte nichts anderes tun, als abzuwarten, was der nächste Schritt nun sein würde. Ihre schlimmsten Befürchtungen fanden weder bei der Lichtmagierin, noch bei Ajak einen nahrhaften Boden und erleichtert registrierte sie, dass ihr kein Misstrauen entgegengebracht wurde.
Florencia sei Dank…!, sandte sie ein stilles Dankesgebet gen Himmel und seufzte leise auf. Doch dann spürte sie eine kriechende Kälte, die sich unsichtbar nach ihr ausstreckte und die kaum zu ignorieren war. Als würden unsichtbare Finger sich federleicht unter ihr Kinn legen, hob Rhuna den Blick und sah nun wieder direkt den dunklen Baum an. Ihr Herz machte einen Satz… als der unsichtbare Strudel der Anziehung sie erneut zu erfassen drohte.
„Eine Vision…Eigenartig…“[/i], klang Avalinns Stimme in ihren Ohren gedämmt wieder. Passierte es schon wieder? Die junge Elfe hatte das Gefühl den Blick nicht mehr abwenden zu können. Bis sich Avalinns schlanke und helle Gestalt in ihr Sichtfeld schob. Als hätte sie diese unsichtbare Verbindung zertrennt, kam Rhuna wieder zu sich und zuckte zusammen. Ihre Augen huschten unsicher umher, doch egal wie oft sie die Umgebung mit ihren Blicken abtasten würde, sie würde nichts Sichtbares finden, das diese Wirkung auf sie auszuüben schien.
„Avalinn…?“, erklang Rhunas, vor Sorge alarmierte Stimme und ihr Kopf wandte sich wieder der Lichtmagierin zu, die sich immer weiter dem Baum näherte. Doch entgegen ihrer schlimmen Vermutung, schien Avalinn vor den Auswirkungen der unheimlichen Kräfte verschont zu bleiben.
„Ich kann spüren, was du meinst.“, versicherte die andere Elfe ihr, doch sah man Rhuna an, dass sie das nicht allzu sehr beruhigen konnte.
„Pass bitte auf!“, rief Rhuna ihr entgegen, als sich die andere Elfenfrau dem Baum nicht nur noch weiter näherte, sondern sich auch noch ihre Schuhe auszog. Rhuna machte ein paar Schritte auf sie zu, doch blieben ihre Füße wie angewurzelt vor der schwarzen und krallenartigen Dunkelheit, die über den Boden kroch, stehen. Erneut blieb ihr Blick hängen, doch sie zwang sich schnell wieder den Kopf zu heben, um Avalinn nicht aus den Augen zu verlieren.
Die Heilerin umkreiste den Baum und wirkte so, als würde ihr nicht dasselbe wiederfahren, was Rhuna erlebt hatte. Doch ganz so war es nicht. Ein zweiter Blick ließ erkennen, dass die Dunkelheit auch auf sie Auswirkungen hatte. Die makellose Haut wirkte deutlich blasser und matter.
„Es ist Blut..“, teilte Avalinn ihre Erkenntnis mit Ajak und ihr, nachdem sie die auffällige und andersfarbige Stelle auf der Rinde berührte. Rhuna wurde immer unruhiger. Nicht alleine, aus Sorge um die Lichtmagierin. Ihre Instinkte schrien ihr innerlich entgegen und mahnten sie zu Abstand. Abstand, den sich Rhuna aber gerade nicht erlauben konnte.
„Die Dunkelheit versucht sich ein neues Opfer zu suchen“, murmelte Avalinn weiter und umrundete den Baum so lange, bis sie wieder bei Ajak und Rhuna stand. Diese letzten gemurmelten Worte hatte die Brünette nicht hören können. Doch hatte sich auch in ihren Gedanken eine solche Vermutung gebildet.
„Es ist definitiv Nekromantie. Aber… es scheint auch Schattenmagie zu sein. Es ist eine seltsame Aura hier.“ Nachdem Avalinn wieder bei ihnen stand, ergiff Rhuna die Hände der anderen Elfe und drückte sie leicht. Ihr fiel sofort ein feiner Unterschied auf, denn sie sonst so warmen Hände der Heilerin fühlten sich, mit einem Mal, viel kühler an. Sie hatte sich das alles also nicht eingebildet. Und Yedan… Yedans Erzählungen fanden gerade Bestätigung. War das nicht etwas Gutes? Ihre Hoffnung bekam einen kleinen Schub, doch gerade überwog die Sorge um Avalinn.
„Du siehst nicht gut aus…! Wir sollten vielleicht erst einmal fortgehen und…“, gab Rhuna zu bedenken, doch Avalinn schien nicht im Entferntesten an einen Rückzug zu denken. „Ist das die Ruhestätte eurer Toten, Ajak?“, fragte diese ihren Begleiter, der stumm nickend antwortete. Ajak schien deutlich abgelenkt zu sein, denn ihm war die, zu Boden gefallene Haarsträhne der Elfe aufgefallen. Und als er eine weitere Strähne der schönen roten Haare ergriff und diese einfach herausziehen konnte, erschrak nicht nur er.
„Avalinn…“, erklang seine Stimme parallel zu Rhunas in einem erschrockenen Ausruf. Die Strähne in seiner Hand verfärbte sich plötzlich weißlich und als Ajak sie vor Schreck losließ, fiel sie sanft zu Boden. „Was bei Phaun geht hier nur vor?!“, keuchte er und auch Rhuna begann nun Avalinn mit sorgenvollen Blicken abzutasten. DAS war nicht mal ihr passiert.
Sachte strichen ihre Finger suchend über die schmalen Arme der eldorischen Elfe, die von ihnen weitaus die Gefassteste zu bleiben schien.
„Ich glaube, du bist etwas Wichtigem auf der Spur, Rhuna! Gehen wir!“ Ungeachtet der Blicke, die ihr zugeworfen wurden und ihrer Verfassung machte sich Avalinn mit energischen Schritten auf den Weg, Richtung Friedhof. Damit schien sie Rhuna, wie auch Ajak ziemlich zu überrumpeln.
„Avalinn warte!“, rief Rhuna ihr hinterher und sah hilfesuchend zu Ajak, der sich sogleich löste und der anderen in Richtung Friedhof folgte. Ob er sie nun aufhalten, oder ihr nur Begleitschutz bieten wollte, war in diesem Moment nicht zu erkennen.
Rhuna wollte sich auch gerade lösen, als sie wieder einen starken Sog zum Baum spürte. Etwas Unsichtbares spielte mit ihrem Haar. Es war hauchzart, wie die Berührung des Flügelschlag eines Schmetterlings. Doch es ließ sie erschaudern.
„Lass mich in Ruhe…!“, rutschten ihr leise und leicht zitternd die Worte über die Lippen. Natürlich wusste Rhuna nicht mit wem, oder was sie sprach, doch die junge Elfe wollte, dass es verschwand.
Doch dieser Gefallen wurde ihr nicht er gewährt. Dicht an ihrem Ohr erklang plötzlich eine Stimme – oder erklang sie erneut nur in ihrem Kopf? „Finde mich…“, flüsterte die Stimme und der Wind frischte auf. „Liebe mich…“
Rhuna erschauderte und spannte sich immer weiter an. Bis sie es nicht mehr aushielt:
„Nein!“, rief sie entschieden und drehte sich hastig um, als wäre tatsächlich jemand hinter ihr gestanden. Doch dort war natürlich niemand zu sehen und so schnell die Stimme gekommen war, so schnell war sie auch verschwunden. Ihr Herz raste – ihre Ohren kribbelten, durch die verführenden Worte. Und so schnell Rhuna konnte brachte sie ihre Füße dazu, sich einige Schritte zu entfernen. Doch bevor sie Avalinn und Ajak eingeholt hatte, drehte sie sich noch einmal zu dem Baum um, der plötzlich still und leblos vor ihr ragte und ihr doch das Gefühl nahm, atmen zu können.
Was war das nur für eine Stimme? Irgendwas stimmt hier doch nicht. Wem… gehört diese Stimme? Soweit die Elfe wusste besaß die Magie an und für sich keine Stimme – oder… doch? Antworten würde sie wohl nicht so schnell bekommen und als sie Ajaks Stimme hörte, beeilte sie sich zu den beiden aufzuschließen.

Der Friedhof war ein schöner Ort den Verschiedenen zu gedenken. Viele bunte Blumen umsäumten die kleinen Gebiete, die die Fleckchen markierten, in denen die Toten ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Doch im Nachklang des eben Erlebten, konnte Rhuna keine Ruhe empfinden. Sie kam bei ihren Gefährten an und blieb ziemlich dicht bei Ajak stehen, als würde die Nähe sie davor bewahren, erneut von der Anziehung der Dunkelheit verführt zu werden.
„Wir sollten wirklich gehen! Das reicht – ich meine wir sollten vielleicht Hilfe holen!“ Warf sie ein und sah abwechselnd von dem einen zum anderen. „Avalinn, vielleicht sollten wir dich erst einmal untersuchen!“ So sehr sie dem Rätsel auf die Spur kommen wollte, die Brünette wollte nicht, dass ihrer neuen Freundin etwas geschah. Die ausfallenden Haarsträhnen besorgten sie doch tief.

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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Erzähler » Sonntag 23. Oktober 2022, 22:46

Manchmal musste man genau die Dinge tun, die man am liebsten weit von sich geschoben hätte. Die unbequemen, unangenehmen und unschönen Dinge, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Dafür brauchte es Mut und Durchhaltevermögen. Rhuna besaß beides und fand Stück um Stück heraus, wozu sie in der Lage war. Trotzdem bemächtigte sie eine ungekannte Angst, wenn sie in die Nähe des toten Baumes gelangte. Unruhig musste sie Avalinn beobachten, wie sie sich dem Baum näherte, um ihre eigenen Erfahrungen machen zu können. Weder sie noch Ajak hatten sich wirklich von ihr beeinflussen lassen als sie versuchte ihnen eine Warnung auszusprechen. Es war nicht so, dass man sie nicht ernst nahm- doch was half es? Sie wollten weiterkommen und ganz offensichtlich, war der tote Baum ihr bester Ausgangspunkt. Also blieb nichts weiter als sich sorgenvoll das blasse Gesicht der Elfe anzusehen, die sich immer mehr dem Fleck näherte, um ihn schlussendlich zu berühren. Rhuna hatte bereits erwartet, dass auch Avalinn von einer Vision gepackt würde, doch zu ihrem Erstaunen, blieb das aus. Lediglich das seltsame Gefühl, schien auch sie wahrzunehmen. Längst aber nicht die Trance, die Rhuna erleiden musste und die ihr gehörig Angst machte. Avalinn kehrte zu den anderen zurück und auch wenn man ihr ein wenig die Nachwehen ansah, schien sie in bester Verfassung zu sein. Sie bestätigte Rhuna’s Vermutungen und alles wäre soweit in Ordnung gewesen, wenn sie nicht körperlich offenbar darauf reagieren würde, was hier vor sich ging. Rhuna und Ajak waren entsetzt. Avalinn hingegen schien es zur Kenntnis zu nehmen und sich dann weiter vorwagen zu wollen. „Avalinn warte!“, bemühte sie sich, die Elfe aufzuhalten. Rhuna konnte einfach nicht ertragen, wenn ihr etwas wegen ihrem Engagement zustoßen würde. Und Haarausfall war keine Kleinigkeit! Selbst, wenn man in keiner Weise eitel war. Doch die eldorische Elfe lief weiter und kam an dem kleinen Mäuerchen an. Nur Rhuna wurde abermals aufgehalten. Das Flüstern erschreckte sie um so mehr und eine Gänsehaut kroch ihr durch die Glieder. Etwas stimmte hier doch nicht! Ajak und Avalinn wandten sich zu ihr um als sie aufschloss. Noch bevor sie die Sicherheit der anderen erreichte, musste sie sich einfach umdrehen. Der Baum stand vor ihr als könne er kein Wässerchen trüben. Reglos und leblos streckte er seine knorrigen Äste in den Himmel und würde ihn dennoch nie erreichen. Nichts säuselte, nichts frischte auf, keine Trance, keine Vision. Es passierte – nichts. „Rhuna?“, fragte Ajak und runzelte die Stirn. „Was hast du?“, meinte er und erreichte damit, dass sie sich umdrehte. „Wir sollten wirklich gehen! Das reicht – ich meine wir sollten vielleicht Hilfe holen! Avalinn, vielleicht sollten wir dich erst einmal untersuchen!“, beschied sie, während sie den beiden folgte und in ihren Gedanken nicht bemerkte, dass sie durch das kleine Tor zum Friedwald gelangte.

Hier gab es Zeugen der Toten in allen Varianten. Grabsteine mit gemeißelter Schrift, Totems oder kunstvolle Blumenranken, die sicherlich Aufschluss über den Verstorbenen gaben, wenn man sich mit der Bedeutung von Blumen auskannte. Es gab geschnitzte, einfache Holztafeln, die mal celcianisch, mal in Lyrintha verfasst wurden. Namen vieler Verstorbener, manchmal mit Daten, manchmal ohne. Oder es gab nur ein farbenfrohes Blumenbeet, eingefasst in kleinen Hecken, ohne Schild, ohne Datum. Doch liebevoll gehegt, sodass klar war, dass derjenige unterhalb der Erde nicht vergessen wurde. Ajak wandte sich um und blickte in eine bestimmte Richtung. Auch Avalinn blieb mal hier oder mal dort stehen und legte ihre Hände auf den einen oder anderen Grabstein, bevor sie sich verneigte. Sie ehrte die Toten, die sie nie gekannt hatte. Hier lagen Generationen – die einen im hohen Alter gegangen, die anderen viel zu früh verloren. Überall jedoch gab es keinen Zweifel, dass dieser Ort heilig war für die Bewohner. Er war ordentlich, gepflegt und sorgsam bepflanzt. Hier gab es eine seltsame konträre Idylle, zum Thema Tod und Trauer. Es war bunt, wunderschön und schien einem das Herz zu wärmen, wenn der Verlust einen zu übermannen drohte. Ajak hatte sich einige Reihen von den beiden entfernt und stand vor einem hübschen Grab, mit weißem Stein. Darauf wurden einige Ornamente gemeißelt, zusammen mit den Initialen ‚D. F.‘. Das Grabbeet selbst war eingefasst in dunkelgrünen Bäumchen, zusammen mit einem Mix aus lilafarbenen und rosafarbenen Blüten mit weißen Stempeln. Avalinn kehrte langsam zu Rhuna zurück und lächelte sie wirklich an. Ihre Blässe war vergangen, sodass ein leichter, glitzernder Schimmer über ihre Haut perlte, wenn sie von der Sonne getroffen wurde. Wie flüssiges Gold… „Mach dir keine Gedanken, Rhuna. Mir geht es gut, wirklich.“, versuchte sie die andere mit gedämpfter Stimme zu beruhigen. „Du wirst noch lernen, dass es nicht nur Vorteile hat, eine Lichtmagierin zu sein. Die Dunkelheit beeinträchtigt uns stärker als andere und wenn sie stark genug ist… dann fordert sie ihren Tribut.“, erklärte sie ein wenig kryptisch, denn Rhuna war keine Lichtmagierin? Oder meinte sie es allgemein? Dann hob sie ihre Hand und ließ die Sonne, die teilweise durch die Blätter brach, darauf scheinen. „Lysanthor aber reinigt uns. Er hilft uns und vervollständigt uns.“, meinte sie lächelnd und ließ die Hand wieder sinken. „Es geht immer um ein Gegengewicht… - egal bei was.“, meinte sie noch und sah zu Ajak, der sich wohl gerade verabschiedete von dem Stein, indem er seine Fingerkuppen küsste und sie an den Stein drückte. Dann kehrte er zurück und lächelte die Frauen an. „Und? Was machen wir jetzt hier?“, wollte er wissen und hob fragend die Augenbrauen. Avalinn zuckte die Schultern und sah Rhuna mit einem Schmunzeln an. „Sie wird uns den Weg schon zeigen.“, meinte sie erneut ziemlich kryptisch. „Höre auf dein Gefühl Rhuna. Vertraue deinem Instinkt. Wohin geht es?“, wollte sie wissen und wartete geduldig ab. Rhuna stand der ganze Friedhof offen. Gab es eine Richtung, die sie einschlagen könnte?
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Re: Der Zauber, der uns innewohnt

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 24. Oktober 2022, 14:47

Auf dem Friedwald war die Atmosphäre völlig anders, als man es wohl erwartet hätte. Es gab hier keine einheitliche Anordnung der Grabbereiche und auch in der Gestaltung unterschieden sich die Ruheplätze sehr voneinander. Kaum ein Grabstein ähnelte dem anderen. Die meisten bestanden aus Holz und auf manchen Gräbern kein Hinweis auf den Verstorbenen zu finden – was nicht bedeutete, dass die Gräber nicht dennoch liebevoll gepflegt waren.
Rhuna lief langsam einen der kleinen Pfade entlang – erholte sich noch von dem erneuten Schreck – und ließ ihren Blick über die, erstaunlich bunten und vielfältigen Gräber schweifen. Der Friedwald besaß tatsächlich eine eigenartige Ruhe und zugleich … Fröhlichkeit. Die Dorfbewohner hatten diesem Ort der Trauer die Schwere genommen – als hätten sie den Wunsch der meisten Verstorbenen erfüllt, die nicht gewollt hatten, dass die Hinterbliebenen nur mit Schmerz und Trauer an sie dachten, wenn sie sie hier besuchen würden.
Ein schmales Lächeln legte sich auf ihre Lippen bei diesem Gedanken und nachdem sie Ajak beobachtete, wie er sich, etwas abseits von ihnen, vor eines der Grabbeete stellte und ganz offensichtlich die Chance nutzte jemanden zu besuchen, fand Rhuna Bestätigung in ihrer Vermutung. Natürlich nahm es niemandem den tatsächlichen Schmerz, doch es half – unterstützte schöne Erinnerungen und lenkte die Gedanken vielleicht auf gemeinsame Erlebnisse, wie beispielsweise die Lieblingsblumen des Verstorbenen. Noch dazu war es ein schöner Ruheplatz.
Für einen Moment blieb ihr Blick auf Ajaks Gesicht hängen. Sie musterte seinen Ausdruck und erinnerte sich an ihr erstes Kennenlernen – oder besser gesagt die Auseinandersetzung, die sie gehabt hatten.
(Rhuna) „Yedan ist ein erfahrener Jäger und kennt die Gesetze der Natur scheinbar besser als du, denn er kennt die Definition von der Ehrfrucht vor dem Leben und dem Respekt gegenüber anderen Lebewesen! Er würde sich niemals ein solch vorschnelles Urteil erlauben!“
(Ajak) „Ich wollte nicht damit sagen, dass er es verdient hätte… Ich kenn‘ ihn gar nicht, da hast du schon Recht. Aber… Sie trampeln alles nieder, sind maßlos im Nehmen und Rechtfertigen ihre Taten einfach damit, dass der Wald allen gehört. Ich… - es ist halt ein Thema für sich. Tut mir leid, dass es den falschen traf.“
(Yedan) „Aufgrund dessen was ich tat… War ich nicht hier, als… unser Dorf von der Gruppe Dunkelelfen angegriffen wurde, während sie auf Pelgar marschierten. Es gab einen Kampf und… viele starben. Darunter auch meine Mutter. Ich war nicht hier, konnte nicht hier sein. Durfte nicht… Mein Vater hat das nicht verwunden.“

Im Nachhinein taten Rhuna ihre harschen Worte Ajak gegenüber leid. Natürlich war er auch alles andere als sensibel gewesen, doch hatte die Wahl seiner Sätze einen Grund gehabt. Auch ihm und seiner Heimat wurde Leid angetan.
Ob derjenige, der dort zur Ruhe gebettet wurde ebenfalls bei dem Überfall der Dunkelelfen ums Leben kam?, fragte sich die junge Elfe und fühlte, wie ihr Herz schwer wurde. In ihrem Leben war sie bisher vor Kämpfen, Überfällen und Krieg verschont geblieben. Anders als andere Völker. Hier nun mit dem Wissen zu stehen, wie viel Glück sie bisher gehabt hatte – gleichzeitig zu sehen, dass auch Shyáner Nelle solch ein Schicksal ereilen könnte, verstärkte nur die Gefühle, die sie zum Aufbruch bewegt hatten. Ihr Volk verschloss die Augen, vor allem was sich außerhalb ihrer Mauern abspielte. Und das … war falsch.
So weit ist der Sarius eigentlich gar nicht entfernt…! Hätte es Beziehungen zwischen unseren Völkern gegeben hätten wir ihnen … vielleicht helfen können! Natürlich wusste Rhuna um die Abneigung ihres Volkes was Krieg und Kämpfe anging. Das sarische Volk galt im Volksmunde als deutlich aggressiver und gewaltbereiter. Besonders, wenn sie etwas schützen wollten. Doch waren sie wirklich so verschieden? Wahrscheinlich waren es wirklich die Shyáner, die sich einfach in ihrem kleinen Paradies isolierten.
Den Blick von Ajak lösend ging Rhuna weiter, bis sie plötzlich vor einem Grab stehen blieb und spürte, wie ihr Herz sich noch einmal zusammenzog. Auf einer schön geschnitzten Holztafel, in deren Fugen teilweise feines und samtig aussehendes Moos gewachsen war, stand in ordentlichen Schriftbögen der Name Liabell.
Der Name von Yedans Mutter… Yedan selbst hatte ihr ihren Namen nie genannt, doch Kaja hatte ihr die Namen seiner Eltern verraten, als sie zusammen mit Lorna beim Essen zusammengesessen waren. Achtsam berührte sie die aufwändig mit Schnitzereien verzierte Holztafel. Sicher sein, ob dies wirklich das Grab von Yedans Mutter war, konnte sie natürlich nicht – doch die feine Holzarbeit sprach für eine geübte Handwerkskunst. Und soweit sie sich das richtig gemerkt hatte, war Yedans Vater ein Bogenbauer, der im Umgang und der Verarbeitung von Holz jahrelange Erfahrung hatte.
Für einen Moment stand Rhuna nur schweigend da und ließ das letzte Gespräch mit Yedan Revue passieren. Ihre Augen begannen zu brennen, doch sie hielt die Tränen unterdrückt und hockte sich vor das Grab.
„Mein Name ist Rhuna. Ihr wundert Euch sicher, wieso ich zu Euch spreche, weil wir uns nie im Leben begegnet sind.“, begann die junge Elfe mit Blick auf den feinen Lettern des Namenschriftzugs.
„Nun ich … bin eine Freundin Eures Sohnes… von Yedan. Ich… hoffe wirklich ich irre mich gerade nicht und Ihr seid seine Mutter.“ Das wäre ihr durchaus unangenehm gewesen, doch irgendetwas sagte ihr, dass sie hier richtig war.
„Erst einmal… es geht ihm soweit gut! Er hatte einen schweren Unfall, doch Avalinn – eine Lichtmagierin hat ihm das Leben retten können. Er war bis vorhin sogar im Dorf nur… nun… Ihr wisst ja, dass er sich hier nicht aufhalten darf. Deshalb musste er auch gehen und konnte Euch nicht besuchen kommen. Aber bitte glaubt mir – er wollte … er will kommen.“ Sie zog langsam ihre Finger vom leicht feuchten Holz und musterte nun die schöne Bepflanzung, doch ihr Blick war eher nach innen gekehrt.
„Euer Sohn ist… ein ganz wunderbarer Elf. Er achtet nur viel zu wenig auf sich selbst und stellt seine Bedürfnisse immer hinter die von anderen. Zumindest… tut er das bei mir.“ Eine kleine Pause entstand und ihre Lippen zierte ein feines, trauriges Lächeln.
„Er hat mir von dem Vorfall mit Alyisa und seiner Verurteilung erzählt. Und … ich hoffe Ihr habt dies stets gewusst … er hat keine Schuld an ihrem Tod. Yedan hat versucht zu helfen – das Richtige zu tun … alle hier… zu beschützen. Und dafür wurde er verbannt.
Ich hoffe Ihr verzeiht mir diese Worte, aber die Rechtsprechung in diesem Dorf halte ich für zweifelhaft…! Aber deshalb … bleibe ich hier. Yedan leidet schon so lange unter der Verbannung und er wünscht sich nichts sehnlicher, als seinen Vater und Euch … hier besuchen zu können. Wir haben ein paar Elfen aus dem Dorf, die uns dabei unterstützen zu beweisen, dass er unschuldig ist. Dass Alyisas Tod ein Unfall war und… sie von Dunkelheit befallen war. Und es sieht so aus, dass wir bereits eine Spur gefunden haben…“
, erzählte Rhuna weiter und beim letzten Satz schwang deutlich mehr Optimismus in ihrer Stimme mit, als zuvor.
„Ich verspreche Euch … wir tun alles dafür, dass Yedan Gerechtigkeit widerfährt und er Euch selbst besuchen kann!“ Langsam richtete sie sich wieder auf und verneigte sich leicht, wie es auch Avalinn bei den anderen Gräbern getan hatte. Obwohl die Elfe Yedans Mutter hatte beruhigen wollen, hatte auch ihr das Gespräch gutgetan und ihre Zuversicht wachsen lassen. Sie ging weiter und stieß nur einen Moment später auf Avalinn, die zu ihr gekommen war. Sofort runzelten sich Rhunas Züge auf eine besorgte Art, doch zu ihrer Überraschung musste die Brünette feststellen, dass die Lichtmagierin schon wieder viel wohler aussah.
„Mach dir keine Gedanken, Rhuna. Mir geht es gut, wirklich.“, beruhigte Avalinn sie mit gedämpfter Stimme, bevor sie etwas sagte, deren Bedeutung sich Rhuna nicht gänzlich erschloss.
„Du wirst noch lernen, dass es nicht nur Vorteile hat, eine Lichtmagierin zu sein. Die Dunkelheit beeinträchtigt uns stärker als andere und wenn sie stark genug ist… dann fordert sie ihren Tribut. Lysanthor aber reinigt uns. Er hilft uns und vervollständigt uns. Es geht immer um ein Gegengewicht… - egal bei was.“ Schweigend hatte Rhuna die hübsche Elfe vor sich betrachtet und ihr zugehört. Und langsam hob sich ihr Blick zum Blätterdach und betrachtete das Lichtspiel, das sich dort prachtvoll präsentierte. Da Rhuna keine Lichtmagierin war … empfand sie Avalinns Wortwahl natürlich im ersten Moment ein wenig merkwürdig gewählt – so als würde sie- Rhuna zu diesem Kreise dazugehören. Doch wahrscheinlich hatte die Heilerin es allgemein gesprochen, weshalb Rhuna sich keine weiteren Gedanken darüber machte. Vielmehr hörte sich der Name des Lichtgottes in ihren Ohren noch äußerst fremd an.
Lysanthor…, wiederholte sie sinnierend in Gedanken den Namen der Gottheit, die von ihrem Volk im Grunde nicht verehrt wurde. Doch bevor sie sich noch weitere Gedanken über das Gesagte von Avalinn machen konnte, kehrte Ajak zu ihnen zurück und lächelte ihnen entgegen, als hätte er zuvor eine nette Unterhaltung mit jemanden geführt.
„Und? Was machen wir jetzt hier?“, wollte er wissen und hob fragend die Augenbrauen. Rhuna seufzte leise und überlegte, wo sie wohl am besten weitermachen sollten, als sie sich Avalinns nächsten Worten bewusstwurde.
„Sie wird uns den Weg schon zeigen.“ Überrascht hob Rhuna ihren Blick und sah die andere Elfendame mit sichtbarer Ratlosigkeit an.
„Ich? Aber ich weiß doch gar nicht-…“, begann sie, konnte ihren Satz aber nicht beenden, da ihr Avalinn bereits eine Antwort gab.
„Höre auf dein Gefühl Rhuna. Vertraue deinem Instinkt. Wohin geht es?“, wollte sie wissen und wartete geduldig ab. Und auch Ajaks Blick wandte sich ihr nun zu.
Unsicher sah sie zwischen den beiden her – zweifelnd, dass sie diejenige war, die tatsächlich den nächsten Schritt auf ihrem Wege finden würde.
Meine Gefühle… Instinkte…, sinnierte sie und schloss dann ihre Augen. Sie konnte nicht schon wieder von vornherein behaupten etwas nicht zu können, wenn sie es nicht versucht hatte. Doch um sich wirklich auf ihre Gefühle und Instinkte verlassen zu können, schloss sie die Augen, um alle unnötigen Reize auszublenden.
Das Vogelgezwitscher und der Klang, wie sich der Wind raschelt seinen Weg durch das Blätterdach suchte drang in den Vordergrund. Sie bemerkte den süßlichen Geruch des Waldes und eine herbere Note von Nadelgehölz und den Geruch verschiedener Gräser. All dies schob sie weiter beiseite – das Atemgeräusch von Ajak und Avalinn… bis sie ihren eigenen vordergründig hörte und ihren Herschlag bewusster zu spüren begann. Obwohl es vor ihren Augen dunkel war, meinte sie plötzlich ein Licht in ihrem Augenwinkel flackern zu sehen. Schwach und gedimmt, doch sie bildete sich ein es zu sehen. Und ohne es bewusst zu merken wandte sie ihren Kopf langsam zur Seite. Da war etwas – es war ähnlich der Anziehungskraft des Baumes, doch viel schwächer.
Langsam öffnete Rhuna ihre Augen, ohne den Blick für ihre Umgebung zu öffnen. Sie konzentrierte sich weiter auf dieses Gefühl und folgte ihm. Ihre Füße trugen sie an einigen Gräbern vorbei, tiefer in den Friedwald. Und je weiter sie ging, je unsicherer wurde sie. Ihre Augen suchten nach etwas Auffälligem, doch nichts wollte ihr in die Augen springen, was einen Anhaltspunkt oder eine Verbindung darstellte.
Wenn ich nur wüsste, wonach ich suche…!, dachte sie und bog seitlich in einen etwas versteckten Teil des Friedhofes ab. Und fand sich plötzlich vor dem Grab Alyisas wieder. Das Grab war das letzte in der Reihe und war mit vielen bunten Blumen bedeckt, die eindeutig Faruns Magie entstammten. Es war wunderschön anzusehen und zeugte von der Liebe, die er als Vater für seine Tochter gehegt hatte. Doch nichts an diesem Ort ließ eine Verbindung mit dunkler Magie schließen.
Nein… da ist etwas Anderes… Rhuna ging weiter und hatte ihre beiden Begleiter gänzlich ausgeblendet. Das hauchdünne Gefühl, das sie leitete wurde plötzlich stärker – kälter. Und präsenter. Und in Rhunas Ohren erklang ein rauschendes Gefühl, als würde sie von schwirrenden Insekten umringt sein. Sie verließ den deutlich sichtbaren Pfad des Friedwaldes, der den Besuchern üblicherweise den Weg wies. Unter ihren Füßen spürte die Brünette plötzlich eine zunehmende Kälte, die wie dünne Nadeln in ihre Haut zu stechen begann. Und ein paar Reihen weiter hinten, genau in einer Linie zu Alyisas Grab blieb Rhuna wie erstarrt stehen. Vor ihr lag das Grab Malynas – Alyisas Mutter. Auch dort herrschte eine übbig blühende Blütenpracht, doch der jungen Elfe wurde mit einem Mal etwas klar – sichtbar. Mit geweiteten Augen huschte ihr Blick zwischen diesen drei Punkten hin und her:
Die beiden Gräber und der Baum bildeten ein perfektes Dreieck zueinander. Auffallend war dazu, dass sich in den Reihen zwischen den beiden Gräbern in direkter Linie nichts Anderes befand – und auch die Vegetation sich nicht durchzusetzen schien. Rhuna war einer Verbindung gefolgt, die nur hauchdünn war. An den beiden Gräbern war optisch nichts auffälliges, doch sie spürte unter der Blütenpracht dieselbe Kälte, dieselbe Dunkelheit die die drei Orte unterirdisch miteinander verband und sich im Baum konzentrierte.
„Das… ist es…!“, sagte Rhuna leise und beugte sich mit ausgestreckter Hand hinab zum Grab. Ihre Finger berührten die Blüten, streiften das feuchte Gras. Und als ihre Finger die klamme Erde unter der schönen Flora berührte, glomm an ihre Fingerspitzen ein unmerklich starkes Licht auf und als würde sie eine Verbindung hergestellt haben durchfuhr sie eisige Kälte und…

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